Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Ausführungen der Kommission, wonach dem Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" durch die Gemeinschaftsrechtsakte, die Rechtsprechung auf europäischer Ebene und die nationalen Regelungen überwiegend entsprochen wird und die direkte Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz weitgehend beseitigt wurde.
- 2. Der Bundesrat sieht das geschlechtsspezifische Lohngefälle als nicht akzeptabel an. Die umfangreichen rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU müssen durch Initiativen ergänzt werden, die das Bewusstsein über geschlechtsspezifische Benachteiligungen schärfen. Der Bundesrat fordert eine bessere Verbreitung von Informationen und eine Sensibilisierung für die gültigen Bestimmungen, um die Ursachen des geschlechtsspezifischen Lohngefälles zu bekämpfen.
- 3. Der Bundesrat ist zwar der Auffassung, dass in Fragen der Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles das Ziel der Erfüllung des Artikels 114 EGV zur Anwendung des Grundsatzes "Gleiches Entgelt bei gleichwertiger Arbeit" noch nicht erreicht ist. Der Bundesrat hat jedoch Zweifel, ob zusätzliche Regulierungen zur Lohngleichheit auf der Ebene der EU mehr Nutzen bringen als nationale Regelungen. Die Gründe für die bestehenden Ungleichheiten in den Mitgliedstaaten sind zu unterschiedlich, um ihnen durch wie auch immer geartete generalisierende Normen angemessen zu begegnen.
- 4. Der Bundesrat stellt fest, dass die Ursachen für das geschlechtsspezifische Lohngefälle in Deutschland nicht auf unzureichende Rechtsbestimmungen zurückzuführen sind. Auch ist die Beschäftigungsquote von Frauen deutlich gestiegen und liegt mittlerweile über dem EU-Durchschnitt. Bei differenzierter Betrachtung ist jedoch festzustellen, dass der vergleichsweise hohe Anteil von Frauen in Teilzeitbeschäftigung das bestehende Lohngefälle mit prägt. Die im Verhältnis geringere Erwerbsquote von Frauen mit Kindern unter zwölf Jahren trägt ebenfalls zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle in Deutschland bei. Auch der Anteil von Frauen, die als Führungskräfte arbeiten, ist noch immer relativ klein, während die Segregation nach Berufen und Branchen in Deutschland im EU-Mittel liegt.
- 5. Der Bundesrat bekräftigt den nach wie vor dringenden Handlungsbedarf zur Verringerung der gravierenden Entgeltdifferenz im EU-Vergleich und erinnert insbesondere die Tarifvertragsparteien an ihre Verantwortung bei der konsequenten Umsetzung des Gleichheitsgebots. Durch den Einsatz diskriminierungsfreier Systeme bei der Arbeitsbewertung sollen geschlechtsbezogene Ungleichbehandlungen mit systematischen Entgeltdifferenzen und anderen Benachteiligungen zügig abgebaut werden.
- 6. Der Bundesrat unterstützt die von der Kommission vorgeschlagene Verbesserung von Informationsstrukturen über Diskriminierungstatbestände und den Austausch bewährter Verfahren. Er begrüßt den Appell der Kommission an die Sozialpartner, ihren Aktionsrahmen zur Gleichstellung verstärkt zum Abbau des Lohngefälles zu nutzen, damit der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit zunehmend verwirklicht wird.
- 7. Der Bundesrat steht jedoch dem von der Kommission für 2008 angekündigten Leitfaden zur Einbeziehung sozialer Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe kritisch gegenüber. Die Ausdehnung der Vergabekriterien auf weitere Bereiche könnte zu einer Benachteiligung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU führen.
- 8. Der Bundesrat sieht in der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Privat- und Familienleben eine wichtige Voraussetzung zur Schaffung gleicher Entwicklungschancen für Frauen und Männer. Die Initiativen von Bund und Ländern zum Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten sind hierzu ein wichtiger Beitrag.
- 9. Der Bundesrat nimmt die inzwischen von der Kommission eingeleitete Anhörung der europäischen Sozialpartner zur Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben zur Kenntnis. Der Ankündigung der Kommission, im Anschluss an die Anhörung Gemeinschaftsmaßnahmen vorzuschlagen und eine Aktualisierung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich vorzunehmen, begegnet der Bundesrat jedoch mit Skepsis. Er wendet sich mit Nachdruck gegen etwaige Pläne der Kommission, eine generelle Inanspruchnahme der Elternzeit durch beide Elternteile EU-weit verpflichtend einzuführen.