Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 311175 - vom 5. Juli 2007.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 7. Juni 2007 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - gestützt auf den am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichneten Vertrag über eine Verfassung für Europa (Verfassungsvertrag),
- - unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der durch die Einheitliche Europäische Akte und die Verträge von Maastricht, Amsterdam und Nizza geänderten Fassung,
- - in Kenntnis der Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union vom 15. Dezember 20011,
- - in Kenntnis des Vertrags über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union2 und des Vertrags über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union3,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Januar 2005 zu dem Vertrag über eine Verfassung für Europa4,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2006 zur Reflexionsphase: Struktur, Themen und Kontext für eine Bewertung der Debatte über die Europäische Union5,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Juni 2006 zu den nächsten Schritten für die Reflexions- und Analysephase zur Zukunft Europas6,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Dezember 2006 zu den institutionellen Aspekten der Fähigkeit der Europäischen Union zur Aufnahme neuer Mitgliedstaaten7,
- - unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 16. und 17. Juni 2005, 15. und 16. Juni 2006, 14. und 15. Dezember 2006,
- - in Kenntnis der Erklärung der Präsidentin des Europäischen Rates vor dem Parlament am 17. Januar 2007,
- - unter Hinweis auf die vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss am 14. März 2007 angenommene Entschließung zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge,
- - unter Hinweis auf die vom Ausschuss der Regionen auf seiner Plenartagung vom 23. März 2007 angenommene Europa-Erklärung,
- - in Kenntnis der Berliner Erklärung zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge vom 25. März 2007,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A6-0197/2007),
A. in der Erwägung, dass die Europäische Union als erste erfolgreiche Erfahrung supranationaler Demokratie von Staaten sowie Bürgerinnen und Bürgern mit neuen, beispiellosen Herausforderungen konfrontiert ist, die zusammen mit den Transformationen, die sie in ihren aufeinander folgenden Erweiterungen, im Rahmen der Fortschritte des Binnenmarkts und der Globalisierung durchgemacht hat, eine Revision ihrer Fundamente erfordern,
B. in der Erwägung, dass der Verfassungsvertrag von den Staats- oder Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet wurde, die sich damit verpflichteten, geeignete Lösungen herbeizuführen, um den Herausforderungen, mit denen die Europäische Union intern und extern konfrontiert ist, sowie den Herausforderungen der Erweiterung durch die Ausweitung der politischen Dimension der Europäischen Union zu begegnen,
C. in der Erwägung, dass der Verfassungsvertrag und insbesondere dessen Teile I, II, and IV nach dem Verfahren eines Konvents ausgearbeitet wurden, der Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer, der Kommission und des Europäischen Parlaments sowie der nationalen Parlamente - wobei die Abgeordneten im Konvent die Mehrheit stellten - vereinte, wodurch seine Legitimität gestärkt wurde,
D. in der Erwägung, dass Teil III des Verfassungsvertrags im Wesentlichen eine Kodifizierung der geltenden Verträge darstellt, an denen der Konvent einige Änderungen und Verbesserungen vornahm, darunter die Ausweitung der Rechtsgrundlagen für die Mitentscheidung im Legislativverfahren von derzeit 37 auf 86, was gewahrt werden muss, um die Demokratie, die Transparenz und die Effizienz zu verbessern,
E. in der Erwägung, dass bis heute achtzehn Mitgliedstaaten, die zwei Drittel aller Mitgliedstaaten und die Mehrheit der Bevölkerung der Europäischen Union ausmachen, den Verfassungsvertrag gemäß ihren Verfassungsanforderungen ratifiziert haben, darunter Spanien und Luxemburg durch Volksabstimmung, während weitere vier Mitgliedstaaten ihre Bereitschaft erklärt haben, die Ratifizierung in Angriff zu nehmen,
F. in der Erwägung, dass Frankreich und die Niederlande aufgrund des negativen Ausgangs der in diesen beiden Ländern veranstalteten Referenden nicht in der Lage waren, diesen Prozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen,
G. in der Erwägung, dass die öffentliche Debatte, die durch das Ratifizierungsverfahren des Verfassungsvertrags eingeleitet wurde, gezeigt hat, dass die Schwierigkeiten weniger in dessen institutionellen Neuerungen als vielmehr bei einigen speziellen Aspekten konkreter Politikfelder liegen, und dass die Kritik vor allem Teil III galt, in dem es um die Politiken und die Funktionsweise der Europäischen Union geht, obschon Teil III im Wesentlichen Bestimmungen enthält, die bereits in Kraft sind,
H. in der Erwägung, dass viele der zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen eher den Kontext, nicht den Inhalt, betrafen und dass so wichtige Angelegenheiten von öffentlichem Belang wie die Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt8und der Finanzrahmen inzwischen geklärt wurden,
I. in der Erwägung, dass der Europäische Rat vom 16. und 17. Juni 2005 beschlossen hat, eine Phase des Nachdenkens nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden einzuleiten, in deren Verlauf sechs weitere Mitgliedstaaten die Ratifizierung abgeschlossen haben, und dass der Europäische Rat vom 15. und 16. Juni 2006 den Ratsvorsitz aufgefordert hat, im Vorfeld der Tagung des Europäischen Rates am 21. und 22. Juni 2007 mögliche künftige Entwicklungen zur Überwindung der Verfassungskrise aufzuzeigen,
J. in der Erwägung, dass die öffentliche Debatte, die während der Reflexionsphase eingeleitet wurde, ausreichend bewiesen hat, dass die Probleme und Herausforderungen, mit denen die Europäische Union konfrontiert ist, die zuerst in der Erklärung von Laeken dargelegt und mit dem Verfassungsvertrag in Angriff genommen werden sollten, nicht verschwunden, sondern im Gegenteil noch offensichtlicher sind, und dass ihre Lösung noch dringlicher ist,
K. in der Erwägung, dass die gemeinsam vom Europäischen Parlament und von den nationalen Parlamenten veranstalteten Parlamentarischen Treffen gezeigt haben, dass allgemein anerkannt wird, dass der Verfassungsvertrag der Europäischen Union einen geeigneten Rahmen geben würde, um die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert ist, anzunehmen, und dass es für eine neue Regierungskonferenz schwierig, wenn nicht unmöglich wäre, sich auf Vorschläge zu einigen, die entweder radikal anders oder weiterreichend wären als die 2004 vereinbarten,
L. in der Erwägung, dass es zunehmend notwendig ist, die Europäische Union mit Instrumenten und Mitteln zu versehen, die es ihr ermöglichen, effizient zu funktionieren, ihre Rolle in der Welt zu behaupten und den Besorgnissen ihrer Bürgerinnen und Bürger angesichts der Herausforderungen von Globalisierung, Klimaänderung, Energieversorgungssicherheit und alternder Bevölkerung unter anderem Rechnung zu tragen,
M. in der Erwägung, dass in der genannten Berliner Erklärung vom 25. März 2007, die von den Präsidenten des Europäischen Rats, des Parlaments und der Kommission unterzeichnet wurde, das Ziel festgeschrieben ist, "die Europäische Union bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen",
- 1. bekräftigt seine Unterstützung für den Inhalt des Verfassungsvertrags, der als entscheidenden Schritt darauf abzielt, die der Europäischen Union inhärente politische Dimension zu formalisieren, und der die Effizienz ihres Handelns stärkt, die demokratische Kontrolle über ihre Entscheidungsprozesse erweitert, die Transparenz verbessert, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger der EU stärkt, und zugleich einen Kompromiss darstellt und den Erfordernissen der Europäischen Union in ihrer aktuellen Phase entspricht;
- 2. betont, dass bereits zwei Drittel der Mitgliedstaaten den Verfassungsvertrag ratifiziert haben und vier andere sich deutlich zu den darin enthaltenen Bestimmungen bekannt haben, wie das unlängst auf Initiative der Regierungen von Spanien und Luxemburg in Madrid veranstaltete Treffen gezeigt hat;
- 3. nimmt die Befürchtungen zur Kenntnis, die die Bevölkerung Frankreichs und der Niederlande zum Ausdruck gebracht hat, ebenso die in beiden Ländern geführte Debatte;
- 4. nimmt zur Kenntnis, dass auch in einigen anderen Mitgliedstaaten Befürchtungen geäußert wurden, dass die betroffenen Regierungen jedoch ihre Unterstützung bei der Suche nach einer zufrieden stellenden Lösung bekundet haben, die die im Verfassungsvertrag enthaltenen entscheidenden Reformen bewahrt;
- 5. erinnert an die politische Verantwortung der Mitgliedstaaten, die den Verfassungsvertrag unterzeichnet, aber nicht ratifiziert haben;
- 6. bekräftigt sein Engagement für eine Lösung für den laufenden Verfassungsprozess der Europäischen Union auf der Grundlage des Inhalts des Verfassungsvertrags, gegebenenfalls in einer anderen Präsentation, trägt jedoch den Schwierigkeiten Rechnung, die in einigen Mitgliedstaaten entstanden sind;
- 7. unterstützt angesichts der gegenwärtigen Sachlage die Bemühungen des deutschen Ratsvorsitzes um eine auf der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2007 zu erreichende Einberufung einer Regierungskonferenz und die Festlegung einer "Roadmap", in der ein Verfahren, ein klares Mandat und das Ziel, bis Ende dieses Jahres eine Einigung zu erreichen, enthalten sein sollen;
- 8. erinnert an die Notwendigkeit, die Entscheidungsfähigkeit der Europäischen Union, die Wirksamkeit ihrer Politiken und deren volle demokratische Legitimität zu gewährleisten, wozu der Verfassungsvertrag hinsichtlich der Überwachung sowie der Rechtsetzungs- und Haushaltsverfahren einen unbestreitbaren Beitrag leistet, sowie an die Notwendigkeit, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Rolle der Europäischen Union in der Welt zu stärken, damit die Union Einfluss auf die Festlegung und Umsetzung der Reaktionen auf die dringenden Herausforderungen, mit denen die Menschheit konfrontiert ist, nehmen kann;
- 9. fordert nachdrücklich, dass alle Grundprinzipien, die in Teil I des Verfassungsvertrags enthalten sind, einschließlich der doppelten Natur der Europäischen Union als einer Union der Staaten sowie der Bürgerinnen und Bürger, des Vorrangs des europäischen Rechts, der neuen Typologie der Rechtsakte und Verfahren, der Normenhierarchie und der Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union gewahrt werden müssen, hebt hervor, dass der Verfassungsvertrag auch weitere wichtige Verbesserungen in Bereichen enthält wie: Konsolidierung der bestehenden Verträge und Verschmelzung der Pfeiler; ausdrückliche Anerkennung der Werte, auf denen die Europäische Union beruht; Rechtsverbindlichkeit der Charta der Grundrechte, Verbesserung der Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am politischen Leben der Europäischen Union; Klarstellung der Befugnisse der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten; Achtung des Subsidiaritätsprinzips und der spezifischen Rolle der nationalen Parlamente in diesem Bereich, ohne dass das institutionelle Gleichgewicht der Europäischen Union gefährdet wird, wie im Protokoll zur Subsidiarität festgeschrieben ist; sowie Achtung der Rolle der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften;
- 10. erklärt, dass jeglicher Vorschlag zur Änderung des Verfassungsvertrags die gleiche Unterstützung erhalten muss wie sie seinerzeit die Bestimmung erhielt, die ersetzt werden soll;
- 11. stellt fest, dass es jedes Verhandlungsergebnis ablehnen wird, das im Vergleich zum Vertrag über eine Verfassung zu einem geringeren Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger führen (besteht insbesondere auf dem Festhalten an der Charta der Grundrechte, vor allem an ihrem rechtlich bindenden Charakter) und weniger Demokratie, Transparenz und Effizienz für die Funktionsweise der Union bewirken würde;
- 12. erkennt in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit an, wichtigen Fragen, die während der Reflexionsphase angesprochen wurden, sowie der Einsicht, dass die erwähnten Probleme nur durch ein stärkeres und nicht durch ein schwächeres Europa angemessen gelöst werden können, Rechnung zu tragen und andere Punkte zu klären, die bereits im Verfassungsvertrag behandelt wurden wie:
- - nachhaltige Entwicklung, insbesondere Bekämpfung des Klimawandels,
- - europäische Solidarität im Energiebereich,
- - kohärente Migrationspolitik,
- - Europäisches Sozialmodell im Kontext des demografischen Wandels und der Globalisierung,
- - Terrorismus,
- - Dialog zwischen den Zivilisationen,
- - wirksame gemeinsame Mechanismen für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Euroraum bei gleichzeitiger Wahrung der Rolle der Europäischen Zentralbank in der Geldpolitik im Einklang mit den Verträgen,
- - die Kriterien und Verfahren der Union für die Erweiterung;
- 13. vertritt die Auffassung, dass es für einen Erfolg der Methode eines Konvents zur Ausarbeitung des Vertragsentwurfs erforderlich ist, bei der Vollendung des Verfassungsprozesses die grundlegenden Prinzipien einer parlamentarischen Beteiligung, Einbeziehung der Zivilgesellschaft und vollständiger Transparenz beizubehalten;
- 14. verweist darauf, dass das Parlament als das einzige Organ der Europäischen Union, das direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird, in die Regierungskonferenz auf allen Ebenen umfassend einbezogen werden muss, und zwar in weiterreichendem Maße als bei der Regierungskonferenz von 2003/2004;
- 15. fordert ferner parallel zur aktiven Beteiligung der Vertreterinnen und Vertreter des Europäischen Parlaments an der Regierungskonferenz die Einberufung einer interinstitutionellen Konferenz, um das Europäische Parlament ständig auf dem Laufenden zu halten und einen wichtigen Beitrag zur Herbeiführung eines partei- und länderübergreifenden Konsenses in der Regierungskonferenz zu leisten;
- 16. verweist auf sein Engagement für das Verfahren des Konvents, sobald die Staats- oder Regierungschefs bereit sein sollten, eine substanzielle Revision der bestehenden Texte vorzunehmen;
- 17. ruft die Kommission auf, ihre Rolle bei den bevorstehenden Verhandlungen umfassend wahrzunehmen und Vorschläge zur Anpassung des Verfassungsvertrags hinsichtlich der in Ziffer 12 genannten Themen vorzubereiten;
- 18. betont die Wichtigkeit des im Rahmen der Regierungskonferenz geführten Dialogs zwischen den nationalen Parlamenten und den jeweiligen Regierungen und bringt seine Bereitschaft zum Ausdruck, während der bevorstehenden Verhandlungsphase mit den nationalen Parlamenten sowie auch mit dem Ausschuss der Regionen und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den europäischen Sozialpartnern, den Religionsgemeinschaften und der Zivilgesellschaft engen Kontakt zu halten;
- 19. ruft dazu auf, den Ratifizierungsprozess des neuen Vertrags vor Ende 2008 zum Abschluss zu bringen, damit das nächste Parlament, das 2009 gewählt wird, seine Amtszeit gemäß den Bestimmungen des neuen Vertrags beginnen kann;
- 20. fordert alle Mitgliedstaaten auf, ihre Ratifizierungsverfahren miteinander zu koordinieren, damit der Ratifizierungsprozess überall gleichzeitig abgeschlossen werden kann;
- 21. beabsichtigt, seine Stellungnahme zur Einberufung der Regierungskonferenz gemäß Artikel 48 des Vertrags über die Europäische Union im Lichte der in dieser Entschließung genannten Kriterien abzugeben;
- 22. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung den Mitgliedern des Europäischen Rates, dem Rat, der Kommission, den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Ausschuss der Regionen und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zu übermitteln.
- 1 Europäischer Rat von Laeken, Anlage 1, S. 19.
- 2 ABl. L 236 vom 23.9.2003, S. 17.
- 3 ABl. L 157 vom 21.6.2005, S. 11.
- 4 ABl. C 247 E vom 6.10.2005, S. 88.
- 5 ABl. C 287 E vom 24.11.2006, S. 306.
- 6 ABl. C 300 E vom 9.12.2006, S. 267.
- 7 Angenommene Texte, P6_TA(2006)0569.
- 8 ABL. L 376 vom 27.12.2006, S. 36.