C(2016) 8600 final
Der Bundesrat hat in seiner 954. Sitzung am 10. März 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das in der Mitteilung formulierte Ansinnen der Kommission, der wirksamen Umsetzung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften denselben Stellenwert beizumessen, wie der Entwicklung neuer Rechtsvorschriften. In der wirksamen und einheitlichen Rechtsdurchsetzung kommt der Charakter der EU als Rechtsgemeinschaft zum Ausdruck. Dabei bekennt sich der Bundesrat zu der in der Mitteilung genannten Hauptverantwortung der Mitgliedstaaten für die ordnungsgemäße Umsetzung, Anwendung und Durchführung des EU-Rechts.
- 2. Er nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission den strukturierten Dialog zur Problemlösung zwischen Kommission und Mitgliedstaaten, den sogenannten "EU-Piloten", zukünftig nur dann einsetzen wird, wenn der EU-Pilot "in einem konkreten Fall für sinnvoll erachtet wird". Grundsätzlich geht die Kommission dabei von der Annahme aus, dass das (formelle) Vertragsverletzungsverfahren an sich bereits ein Mittel darstellt, um mit einem Mitgliedstaat einen Dialog zur Problemlösung aufzunehmen. Der EU-Pilot solle das Vertragsverletzungsverfahren nicht um eine langwierige Phase verlängern.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Kommission bisher stets von guten Erfahrungen mit dem EU-Piloten berichtet hat. So hat die Kommission dem EU-Piloten in den jährlichen Evaluierungsberichten stets hohe Erfolgsquoten zwischen 68 und 85 Prozent bescheinigt (vergleiche zuletzt COM (2016) 463 final). Zudem hat die Kommission auch wiederholt hervorgehoben, dass durch den Dialog im Rahmen des EU-Piloten Probleme zum Vorteil für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen oft schneller gelöst werden können.
- 4. Der Bundesrat teilt diese Einschätzung der Kommission. Das betrifft insbesondere auch den Beschleunigungseffekt bei der Problemlösung. Vor diesem Hintergrund erscheint der Einsatz des EU-Piloten gerade in den Konstellationen sinnvoll im Sinne der Mitteilung, in denen eine schnelle Beseitigung von unionsrechtswidrigen Zuständen geboten ist. Es mutete widersprüchlich an, wenn die Kommission in Politikfeldern, die sie selbst als prioritär identifiziert, auf die Beschleunigungsvorteile des EU-Piloten verzichten würde.
- 5. Auch im Übrigen hält der Bundesrat den Einsatz des EU-Piloten in vielen Fällen für sinnvoll. Er bietet im politischen Mehrebenensystem Deutschlands die Möglichkeit, die betroffenen staatlichen Stellen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene frühzeitig zusammenzubringen. Gemeinsam mit den Interessenvertretern vor Ort (Wirtschaft, Sozialpartner, Verbände, Zivilgesellschaft et cetera) gelingt es dann oft, in kurzer Zeit Kompromisse zu generieren, die von hoher Akzeptanz vor Ort sind. Der EU-Pilot hat sich insbesondere dann bewährt, wenn die behaupteten Rechtsverstöße nur durch Umstellung einer seit vielen Jahren geübten Praxis behoben werden können. Auch die EU profitiert von einem breit getragenen Konsens, der dem EU-Recht entspricht.
- 6. Die Einleitung eines förmlichen Vertragsverletzungsverfahrens wirkt in dieser Verhandlungssituation hingegen eskalierend: Die Eingrenzung des Streitgegenstands und die erste rechtliche Positionierung der Kommission durch das Mahnschreiben können ganzheitliche Lösungsansätze und die Erarbeitung von Kompromissen vor Ort konterkarieren. Angesichts der rechtlichen Vorgaben für ein Mahnschreiben erscheint dieses Eskalationspotential im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens als unvermeidbar.
- 7. Der Bundesrat bewertet die Durchführung des EU-Piloten in den vorgenannten komplexen Situationen daher als sinnvoll im Sinne der Mitteilung und spricht sich gegenüber der Kommission für die Beibehaltung des EU-Piloten in solchen Fällen aus.
- 8. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.