Der Bundesrat hat in seiner 903. Sitzung am 23. November 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, mit der Binnenmarktakte II den Europäischen Binnenmarkt weiterzuentwickeln und mit den zwölf vorgeschlagenen Leitaktionen einen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Vertrauensbildung im Binnenmarkt zu leisten.
Der Bundesrat nimmt jedoch zu einzelnen Leitaktionen wie folgt Stellung:
Leitaktion 2
- 2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die in der Leitaktion 2 genannten Punkte zu den Hafendiensten überwiegend Teil des sogenannten Port-Package II waren, das im Jahr 2006 vom Europäischen Parlament abgelehnt wurde. Auch der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme den Richtlinienvorschlag über den Zugang zum Markt für Hafendienste abgelehnt (BR-Drucksache 802/04(B) ). Er bittet die Bundesregierung, sich gegenüber den zuständigen EU-Institutionen und -Einrichtungen dafür einzusetzen, dass durch die EU auch weiterhin keine Regelungen auf europäischer Ebene getroffen werden, die in bestehende und funktionierende Verwaltungsstrukturen sowie Wettbewerbs- und Marktsituationen der Häfen eingreifen.
- 3. Die Vergangenheit hat nämlich gezeigt, dass, wenn Qualität und Preis von Dienstleistungen in einzelnen Häfen in ihrer Gesamtheit nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, Schiffs- und Landungsverkehr im internationalen Wettbewerb zu Konkurrenzhäfen abwandern. Erfahrungsgemäß entsteht in solchen Fällen durch diesen Wettbewerb in der Folge ausreichender Handlungsdruck auf alle Beteiligten. Ein Handlungs- oder Regulierungsbedarf auf europäischer Ebene ist deshalb auch weiterhin nicht erkennbar.
- 4. Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass in Deutschland für den Betrieb der Häfen nicht die Hafenbehörden, sondern vorrangig die Eigentümer der Infrastruktur sowie andere Unternehmen der Hafenwirtschaft, z.B. Umschlagbetriebe, eine zentrale Rolle einnehmen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf zu achten, dass keine europäischen Anforderungen an die deutschen Hafenbehörden gestellt werden, die diese aufgrund ihrer Zuständigkeiten gar nicht erfüllen können.
Leitaktion 5
- 5. Der Bundesrat begrüßt die vorgeschlagene Weiterentwicklung des EURES-Portals und weist darauf hin, dass diese internetbasierte Beratungsplattform eine persönliche Beratung nur in Teilbereichen ersetzen kann.
- 6. Auch die Möglichkeit der Übertragbarkeit von Zusatzansprüchen im Bereich der sozialen Sicherheit, einschließlich Rentenansprüchen, kann grundsätzlich zur Mobilität von Arbeitnehmern über die Grenzen der Mitgliedstaaten beitragen. Es ist unbestritten, dass die betriebliche Altersversorgung künftig weiter ausgebaut werden muss, um die Altersvorsorge insgesamt auf eine sichere Basis zu stellen. Allerdings sollte vermieden werden, funktionierende national etablierte Systeme zu beeinträchtigen. In der bisherigen Diskussion wurde von deutscher Seite wiederholt darauf hingewiesen, dass es insbesondere bei der betrieblichen Altersversorgung nicht zu einer Überregulierung auf EU-Ebene kommen darf.
Zu befürchten sind negative Auswirkungen auf die Bereitschaft der Arbeitgeber, Betriebsrenten anzubieten, was im Ergebnis zu einer Schwächung der betrieblichen Altersversorgung führen könnte.
Leitaktion 8
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die in der Binnenmarktakte II gewählte Bezeichnung "Charta für vollelektronische einheitliche Ansprechpartner" die einheitlichen Ansprechpartner (EA) auf die elektronische Verfahrensabwicklung reduziert. Nach deutschem Verständnis leisten sie aber mehr als reine Webportale: Gerade für KMU ist es ein zentraler Vorteil, wenn hinter den Informationsportalen auch eine physische Infrastruktur mit realen Personen steht. Bei der Abwicklung von Formalitäten sind - jedenfalls im Hintergrund - oftmals Realakte vonnöten, die über direkt beteiligte Menschen schneller, sachgerechter und effizienter als durch automatisierte Plattformen vollzogen werden können. Bei der Einrichtung der deutschen Struktur haben Bund und Länder darauf besonderen Wert gelegt. Eine Bewertung der EA muss dies berücksichtigen.
Leitaktion 9
- 8. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass zur Erreichung der in der Leitaktion 9 genannten Ziele für Hochgeschwindigkeits-Breitbanddienste weitere Rahmenbedingungen erfüllt werden müssen, um eine zweite digitale Spaltung in den Flächenländern zu vermeiden. Dazu können die neuen Breitbandleitlinien einen effektiven Beitrag leisten.
- 9. Der Bundesrat sieht allerdings mit Sorge, dass einschränkende oder verschärfende Vorgaben lediglich dazu führen, den Ausbau von Zugangsnetzen der nächsten Generation (NGA-Netze) im ländlichen Raum zu konterkarieren. Der Bundesrat bittet daher darum, dass bei den gegenwärtig zu verhandelnden Breitbandleitlinien der Kommission Rechtsunsicherheiten vermieden und spürbare Verbesserungen im Sinne des Novellierungsziels erreicht werden, d.h. insbesondere die Zulassung der Förderung von Wirtschaftlichkeitslücken sowie die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren bei Notifizierungen.
Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang auf die mit den Ländern abgestimmte Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland zum Entwurf der Kommission für "Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau" vom 10. September 2012 hin.