Der Bundesrat hat in seiner 865. Sitzung am 18. Dezember 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Ansatz der Kommission, sich für geeignete Rahmenbedingungen zur Modernisierung der EU-Industrie und damit für die Ziele der Lissabon-Strategie zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und der Arbeitsplätze einzusetzen. Er teilt die Auffassung der Kommission, dass die in der Mitteilung identifizierten Technologien für die Entwicklung der EU-Industrie von wesentlicher Bedeutung sein können.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass Schlüsseltechnologien hierbei keinem eigenen Selbstzweck genügen, sondern konkreten, bereichsübergreifenden Entwicklungszielen dienen, für die staatlicherseits günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden. Über die Rahmenbedingungen hinaus verbietet es sich, der Wirtschaft den konkreten Weg dabei vorzugeben.
- 3. Der Bundesrat unterstreicht das europäische Interesse an eigenen Wertschöpfungsketten für Schlüsseltechnologien, die sowohl Forschungs- und Entwicklungskapazitäten als auch die industrielle Fertigung in Europa umfassen. Denn erfolgreiche Entwicklungen im Bereich von Schlüsseltechnologien sind untrennbar mit der Fertigung verbunden.
- 4. Der Bundesrat erkennt weiterhin die unter Ziffer 3 der Mitteilung dargelegten Erkenntnisse aus dem "Bericht über Fortschritte, verwirklichte Ziele und Herausforderungen" an. Wie die Kommission unter Ziffer 4 anführt, sind für viele der aufgeführten Politikbereiche die Mitgliedstaaten zuständig. Der von der Kommission unter Ziffer 2 erwähnte Umstand, dass sich die Mitgliedstaaten bisher nicht über eine Festlegung der "Schlüsseltechnologien" einigen konnten, zeigt, dass eine Festlegung auf einzelne Technologiebereiche den unterschiedlichen Anforderungen auf Grund der verschiedenen Voraussetzungen in den Mitgliedstaaten nicht gerecht wird.
- 5. Die Technologiepolitik ist ein Teil der Innovationspolitik. Der Bundesrat akzeptiert, dass die Kommission beabsichtigt, dort Rahmenstrategien vorzugeben. Deren Umsetzung bleibt jedoch der regionalen Problemlösungskompetenz vorbehalten. Er ist der Überzeugung, dass vor allem die regionale Ebene in besonderer Weise einen Beitrag leisten kann, auch die großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen.
- 6. Der Bundesrat unterstützt die Feststellung der Kommission, dass für die Maßnahmen der EU zur Entwicklung der Schlüsseltechnologien eine langfristige Perspektive und Koordinierung fehlt, und unterstreicht in diesem Zusammenhang die mögliche Rolle der Europäischen Technologieinitiativen und Technologieplattformen. In diesem Zusammenhang teilt der Bundesrat die Absicht der Kommission, den Zugang von KMU zu den in Europa entwickelten Schlüsseltechnologien zu stärken und dafür auf europäischer Ebene das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) und das Enterprise Europe Network noch stärker als bisher einzubeziehen.
- 7. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Kommission auch ohne Festlegung auf bestimmte Schlüsseltechnologien die Möglichkeit hat, einen Beitrag zur Verbesserung der Technologieentwicklung zu leisten. Dabei wird die Schaffung günstiger Handelsbeziehungen unter Vermeidung von Verzerrungen des internationalen Marktes, die Stärkung der Rechte am geistigen Eigentum und die Reduzierung von tariflichen und nichttariflichen Hemmnissen sowie die Förderung der Bereitstellung von Risikokapital für die gesamte europäische Wirtschaft als besonders dringend gesehen.
- 8. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass die Kommission den Schwerpunkt ihrer Maßnahmen auf eine übergeordnete Rahmengebung legt und der Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten und besonders der Regionen im Hinblick auf ihre wirtschaftspolitischen Ziele gewahrt bleibt.
- 9. Der Bundesrat unterstützt die Absicht der Kommission, ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der entsprechenden Rahmenbedingungen vorzuschlagen und sie damit als Teil der Entwicklung der EU-Industriepolitik sowie der Vorbereitung eines neuen Europäischen Innovationsplans zu integrieren. Bei der Gestaltung der Innovationspolitik wird allerdings ein branchenspezifischer Ansatz kritisch gesehen, da eine Abgrenzung durch die zahlreichen Verflechtungen der Technologieanwendungen, auch im Hinblick auf die steigende Bedeutung von industrienahen Dienstleistungen, nicht mehr zeitgemäß erscheint.
- 10. Der Bundesrat stellt fest: Drittstaatliche Interventionen außerhalb des EU-Binnenmarktes tragen derart zu Wettbewerbsverzerrungen im Bereich der Schlüsseltechnologien bei, dass Europa bereits heute eine geminderte Attraktivität für industrielle Investitionen im Bereich der Schlüsseltechnologien erfährt.
- 11. In diesem Zusammenhang begrüßt der Bundesrat, dass die Kommission beabsichtigt, sich im Rahmen der Handelspolitik sowie bilateraler Abkommen dafür einzusetzen, dass unzulässige Subventionspraktiken in Drittländern und damit der Subventionswettbewerb beendet werden. Soweit Drittländer hierzu nicht bereit sind, sollten EU und Mitgliedstaaten gleichwohl ihre technologischen bzw. wirtschaftlichen Interessen mit wirksamen Maßnahmen verteidigen, um einen Verbleib der Schlüsseltechnologien und mit ihnen der wissensbasierten Wirtschaft in Europa zu gewährleisten.
- 12. Der Bundesrat unterstützt auch die Absicht der Kommission, im Hinblick auf die längerfristigen Handlungserfordernisse eine Hochrangige Expertengruppe einzusetzen, um die Wettbewerbsposition der relevanten Technologien in der EU zu bewerten, die verfügbaren öffentlichen und privaten Anstrengungen eingehend zu analysieren und konkrete Empfehlungen für eine effizientere industrielle Umsetzung von Schlüsseltechnologien abzugeben.
- 13. Der Bundesrat weist auf die Rolle und die Zuständigkeiten der Länder in der Aus- und Weiterbildung sowie der Innovationspolitik hin. Daher bittet er die Bundesregierung, die Länder an den Arbeiten der Hochrangigen Expertengruppe in geeigneter Form zu beteiligen. Außerdem sollte die Bundesregierung im Verlauf der weiteren Beratungen in den Gremien der EU auf die strikte Beachtung des Subsidiaritätsprinzips hinwirken.
- 14. Der Bundesrat begrüßt, dass Gegenstand der Überprüfung des "Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation" im Jahr 2010 auch die Wirksamkeit von Anreizen im Bereich von Schlüsseltechnologien sein wird. Ohne die Grundsätze der europäischen Wettbewerbspolitik in Frage zu stellen, sieht der Bundesrat in der für 2010 anstehenden Überprüfung des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation eine wichtige Gelegenheit für Anpassungen, um insbesondere im Hinblick auf die Konkurrenz aus Drittländern wettbewerbsfähig zu bleiben.
- 15. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Europäischen Rat und gegenüber der Kommission auf eine nachhaltige Entwicklung der Schlüsseltechnologien mit Blick auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas hinzuwirken und dabei regionale wirtschaftspolitische Zielstellungen zu berücksichtigen.
- 16. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.