Der Bundesrat hat in seiner 820. Sitzung am 10. März 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat erkennt die Bemühungen der Kommission zur Überarbeitung der Mitteilung über einen Aktionsplan für einen Integrierten Internen Kontrollrahmen an. Der Bundesrat sieht in dieser Mitteilung einen Schritt in die richtige Richtung. Er verweist aber auf seinen Beschluss vom 23. September 2005 (BR-Drucksache 596/05(B) ). Er bekräftigt die in dieser Stellungnahme festgestellten Kritikpunkte, die weiterhin auf die vorliegende Mitteilung der Kommission uneingeschränkt übertragen werden können. Die Hinweise und Empfehlungen der Sachverständigengruppe vom 21./22. September 2005, des Bundesratsbeschlusses vom 23. September 2005 (BR-Drucksache 569/05(B) ), und des zuständigen ECOFIN-Rates vom 8. November 2005 wurden in Teilen berücksichtigt.
- 2. Der Bundesrat begrüßt insbesondere, dass von den folgenden ursprünglichen Vorstellungen abgerückt wurde:
- - Für den laufenden Förderzeitraum sind offensichtlich keine Veränderungen mehr beabsichtigt. Der Aktionsplan bezieht sich grundsätzlich nur noch auf die ab 2007 beginnende neue Förderperiode.
- - Die Vorlage von Ex-Ante-Offenlegungserklärungen und Ex-Post-Zuverlässigkeitserklärungen ist nicht mehr vorgesehen.
- - Auf die Vorlage einer Zuverlässigkeitserklärung auf politisch zentraler Ebene (z.B. Finanzminister) wird verzichtet.
- 3. Der Bundesrat bewertet ferner das ausdrückliche Bekenntnis der Kommission sowie die klare Zielsetzung zur Vereinfachung der Kontrollgrundsätze positiv. Entscheidend ist hier aber eine stringente und durchgängige Umsetzung der Vereinfachung hinsichtlich der Kontrollerfordernisse bei allen EU-Fondsverordnungen und den Vorgaben für die neue Förderperiode 2007 bis 2013. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung deshalb in Anbetracht des o. g. Bundesratsbeschlusses nochmals insbesondere im Rahmen der laufenden Verhandlungen über Rechtsetzungen für künftige Förderungen eine Einhaltung des grundlegenden Prinzips zur Vereinfachung von der Kommission nachdrücklich einzufordern.
- 4. Der Bundesrat stellt jedoch fest, dass weitere wichtige Anliegen nicht angemessen aufgenommen wurden. Er bedauert, dass seine Anregungen bei den vorliegenden Vorschlägen nicht eingehender berücksichtigt wurden. Diese Forderungen sind aber von elementarer Bedeutung für ein angemessenes und in der Praxis funktionierendes Verwaltungs- und Kontrollsystem. Sie decken sich weitgehend mit den Vorschlägen der Sachverständigengruppe und des zuständigen ECOFIN-Rates. Er lehnt daher die Vorschläge der Kommission in der vorliegenden Form weiterhin ab. Insbesondere weist der Bundesrat auf folgende Punkte hin:
- 5. Der Bundesrat erachtet es nach wie vor für notwendig, dass die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine eingehende Bestandsaufnahme, Analyse und Bewertung der gegenwärtigen Kontrollsysteme und -maßnahmen auf Ebene der einzelnen Sektoren und Regionen vornimmt. Erst auf einer solchen Grundlage können die für die jeweiligen Mitgliedstaaten identifizierten Schwachstellen und Defizite individuell behoben werden. Bevor ein solches Verfahren nicht durchgeführt worden ist, ist es ausgeschlossen, dass generelle neue oder zusätzliche Kontrollanforderungen gestellt werden.
- 6. Der Bundesrat lehnt mit Blick auf die Vereinfachungsziele und die anerkannten, bestehenden Kontrollsysteme weiterhin die Einführung von neuen oder zusätzlichen Kontrollstrukturen oder -ebenen sowie von vermehrten Berichts- und Dokumentationspflichten mit Entschiedenheit ab. Dies würde zu erhöhten Kosten und zu vermehrter Bürokratie ohne erkennbaren Mehrwert führen. Auch wäre in diesem Kontext die Verhältnismäßigkeit bezogen auf das eingesetzte Mittelvolumen bei einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen nicht mehr gegeben.
- 7. Der Bundesrat hält es für angezeigt, entsprechend dem Votum der Sachverständigengruppe noch deutlicher klarzustellen, dass für die EU-Strukturfondsförderung aufbauend auf den bestehenden Strukturen die erforderlichen Bescheinigungen bzw. Zertifizierungen und damit die diesen zu Grunde liegenden Kontrollen auf der Verwaltungsebene (= operative Ebene) aufgeschlüsselt nach Fonds erfolgen sollten. Auch der ECOFIN-Rat weist darauf hin, dass die für alle EU-Fonds bereits bestehenden Erklärungen ein Gewähr bietendes Mittel sind und von der Kommission und dem Europäischen Rechnungshof berücksichtigt werden sollten, um zu einer positiven Zuverlässigkeitserklärung zu kommen (vgl. Nummer 12 der einstimmig verabschiedeten Schlussfolgerungen des Rates vom 8. November 2005 - Ratsdok. 13630/05).
- 8. Der Bundesrat hält die Unabhängigkeit der Nationalen Rechnungshöfe für unabdingbar. In den aktuellen Vorschlägen der Kommission kommt dies jedoch nicht zweifelsfrei zum Ausdruck.
- 9. Der Bundesrat betont, dass Kommission und Mitgliedstaat bei der Durchführung der Finanzkontrolle und der Entscheidung über die Ausgestaltung eines Integrierten Internen Kontrollrahmens sowie der einschlägigen Rechtsgrundlagen partnerschaftlich zusammenarbeiten müssen und Vorschläge der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind, da insbesondere die Umsetzung der Kontrollen bzw. Zertifizierungen für die externen Politikbereiche auch in den Mitgliedstaaten erfolgt.
- 10. Anzustreben ist ein effizientes, transparentes und einfaches System gemeinsamer Prüfgrundsätze der EU, das nicht zur Abschaffung funktionierender Einzelsysteme, sondern zu deren Optimierung bei EU-weit gleicher Kontrolldichte beiträgt.
- 11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, mit der Kommission Verhandlungen zu führen, die folgende Änderungen zum Ziel haben:
- - Die unter Nummer 2.1 aufgeführten Maßnahmen
"Auf Vereinfachung abstellende Überprüfung der Rechtsvorschriften, die für den Zeitraum 2007 bis 2013 vorgeschlagen werden."
Aufnahme der Grundsätze der internen Kontrolle in den Vorschlag zur Änderung der Haushaltsordnung.
"Festlegung einer vereinheitlichten Darstellung der Kontrollstrategien und der Nachweise ihrer angemessenen Sicherheit."
"Einleitung einer interinstitutionellen Debatte über die tolerierbaren Risiken bei den zu Grunde liegenden Vorgängen." sollten zwar umgesetzt werden; der Schwerpunkt sollte dabei jedoch in der Förderung der verbesserten Zusammenarbeit der EU-Gremien untereinander sowie deren Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten liegen.
- - Die unter Nummer 2.2 genannten Maßnahmen 5, 6 und 8
"Förderung von Erklärungen der operativen Stellen zur Mittelverwaltung und von Syntheseberichten auf nationaler Ebene."
Prüfung des Nutzens von Erklärungen zur Mittelverwaltung in Bereichen, die nicht unter die geteilte und indirekte zentrale Mittelverwaltung fallen.
"Zusätzliche Zuverlässigkeitsgewähr durch Oberste Rechnungskontrollbehörden." werden abgelehnt, da sie in die Souveränität der Mitgliedstaaten eingreifen.
In Deutschland würde mit diesen Maßnahmen in das föderalistische System eingegriffen. Zudem führen sie zu einem nicht mehr vertretbaren Verwaltungs- und Kontrollaufwand. Bei einer Umsetzung dieser Maßnahmen ist ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr gegeben.
- - Hinsichtlich der Maßnahme 5 lehnt der Bundesrat nach wie vor formalisierte zusätzliche Erklärungen ab, insbesondere politische "Ex-Post-Zuverlässigkeitserklärungen". Der sich aus Artikel 274 EGV ergebenden Verantwortlichkeit muss sich die Kommission selbst stellen. Hingegen ist der Ansatz, künftig am jeweiligen Politikbereich orientiert zu gestalten, vernünftig sofern die bisher damit befassten Bundesministerien weiterhin als Kontaktstellen fungieren.
- - Hinsichtlich der Maßnahme 8 weist der Bundesrat insbesondere darauf hin, dass die Länder die Unabhängigkeit der Rechnungshöfe zu respektieren haben. Es muss im Übrigen EU-weit randscharf zwischen externer und interner Finanzkontrolle unterschieden werden.
- - Die unter Nummer 2.3 aufgeführte Maßnahme 9
"Ausarbeitung wirksamer Mittel für den Austausch von Prüf- und Kontrollergebnissen sowie Förderung des Ansatzes der "Einzigen Prüfung" " ist auf Grund der vorzuhaltenden EDV-Systeme, der zu pflegenden Datenbestände und datenschutzrechtlicher Bedenken abzulehnen.
- - Die Maßnahmen 14
"Größere Hilfestellung für das Management des Fehlerrisikos im Bereich der Strukturfonds" und 16
"Aufstellung gemeinsamer Leitlinien für die einzelnen Politikfamilien" in Nummer 2.4 sind auf Grund bereits bestehender detaillierter Leitlinien, die als ausreichend angesehen werden, und auf Grund der vorhandenen systematischen Kontrolltätigkeiten, abzulehnen.
- - Insbesondere zu der in Nummer 2.4 als Maßnahme 15 dargestellten Förderung der Vertrauenspakt-Initiative weist der Bundesrat auf seine Stellungnahme vom 30. November 2001 in der BR-Drucksache 811/01(Beschluss) hin und bekräftigt seine ablehnende Haltung.
- - Die unter Nummer 2.1 aufgeführten Maßnahmen
- 12. Die Stellungnahme des Bundesrates ist von der Bundesregierung gemäß § 5 Abs. 2 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen, da die Mitteilung im Schwerpunkt die Verwaltungsverfahren der Länder betrifft. Die Mitteilung der Kommission befasst sich ausschließlich mit der Schaffung eines Internen Integrierten Kontrollrahmens und zwar nicht nur der EU, sondern auch der Mitgliedstaaten. Da in Deutschland die Länder für die Verwaltung und den Vollzug der EU-Mittel zuständig sind, werden sie von den vorgesehenen Maßnahmen in ihrem Verwaltungsverfahren wesentlich betroffen.
- 13. Die Unterrichtung durch die Bundesregierung zur BR-Drucksache 596/05 (PDF) , wonach die Bundesregierung die Auffassung vertritt, das Verwaltungsverfahren der Länder sei nicht im Schwerpunkt betroffen, wird strikt zurückgewiesen.