Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 100840 - vom 27. Januar 2010.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung vom 14. - 17. Dezember 2009 angenommen.
Stellungnahme des Bundesrates: Drucksache 113/00(Beschluss)
Das Europäische Parlament,
- - gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
- - unter Hinweis auf die Anfragen vom 9. November 2009 an Kommission und Rat betreffend die notwendige Überarbeitung des Rechtsrahmens für den Zugang zu Dokumenten nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (O-0123/2009 - B7-0231/2009 und O-0122/2009 - B7-0230/2009) und unter Hinweis auf seine Aussprache im Plenum am 15. Dezember 2009,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Union "den Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns [stellt], indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet" (Präambel der Charta der Grundrechte) und dass "die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat [...] das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union [haben], unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger" (Artikel 42 der Charta der Grundrechte),
B. in der Erwägung, dass durch den Vertrag von Lissabon nicht nur der Rechtsrahmen der Verordnung über den Zugang zu Dokumenten, sondern auch der rechtliche Kontext der Verordnung geändert wurde, insbesondere hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Organen der Union und den Bürgern1,
C. in der Erwägung, dass diese Beziehungen künftig auf den im neuen Titel II des EUV dargelegten demokratischen Grundsätzen basieren sollten, denen zufolge "die Union [] den Grundsatz der Gleichheit ihrer Bürgerinnen und Bürger [achtet], denen ein gleiches Maß an Aufmerksamkeit seitens der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zuteil wird" (Artikel 9) und "alle Bürgerinnen und Bürger [...] das Recht [haben], am demokratischen Leben der Union teilzunehmen. Die Entscheidungen werden so offen und bürgernah wie möglich getroffen" (Artikel 10 Absatz 3),
D. in der Erwägung, dass die vollständige Integration der Europäischen Gemeinschaft in die Europäische Union ebenso wie die Abschaffung der Regierungszusammenarbeit, die für die justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit in Strafsachen weiterhin galt, durch die Bereitschaft der Mitgliedstaaten gefördert wurde, "Demokratie und Effizienz in der Arbeit der Organe weiter zu stärken" (Präambel des EUV),
E. in der Erwägung, dass gemäß diesem neuen Rechtsrahmen alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, nicht nur das Parlament, der Rat und die Kommission (die bereits gemäß Artikel 255 des ehemaligen EG-Vertrags dazu verpflichtet waren) unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit handeln müssen (Artikel 15 Absatz 1 AEUV),
F. in der Erwägung, dass gemäß dem EUV und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs2 Transparenz und Beteiligung der Zivilgesellschaft wesentliche Voraussetzungen sind, um eine verantwortungsvolle Ordnungspolitik der EU-Organe und damit die Wirksamkeit des Beschlussfassungsprozesses zu fördern,
G. in der Erwägung, dass die Bürger gemäß den Grundprinzipien der Demokratie ein Recht haben, den Beschlussfassungsprozess zu kennen und zu verfolgen, und dass die EU-Organe und die Vertreter der Mitgliedstaaten, wenn sie als Mitglieder des Rates handeln, vor, während und nach dem legislativen und nichtlegislativen Beschlussfassungsprozess mehr Transparenz garantieren sollten, um den Bürgern und den nationalen Parlamenten der Union ein umfassendes Verständnis zu vermitteln, wer was warum tut, und die Tätigkeit ihrer Vertreter zu überwachen,
H. in der Erwägung, dass die EU-Organe "den Bürgerinnen und Bürgern und den repräsentativen Verbänden [] die Möglichkeit [geben], ihre Ansichten in allen Bereichen des Handelns der Union öffentlich bekannt zu geben und auszutauschen", und "einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft [pflegen]" (Artikel 11 Absätze 1 und 2 EUV),
I. in der Erwägung, dass der Vertrag von Lissabon weitere Verbesserungen in Bezug auf Transparenz und öffentlichen Zugang zu Dokumenten erfordert und dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs bereits sehr hilfreich bei der Klärung einiger Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 war, so dass diese nun im Einklang mit dem zugangsfreundlichen Verständnis dieser Bestimmungen seitens des Parlaments bei Annahme der Verordnung auszulegen sind, sowie in der Erwägung, dass das Parlament keine legislativen Versuche der Kommission oder des Rates, den öffentlichen Zugang zu Dokumenten zu begrenzen oder das Informationsrecht der Bürger einzuschränken, hinnehmen wird,
J. in der Erwägung, dass die Grundsätze der Offenheit und der Transparenz nicht nur für den Beschlussfassungsprozess maßgeblich sein sollten, sondern auch für die Art und Weise, in der ein Text verfasst und mit allen erforderlichen Informationen übermittelt wird, um die Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität im Interesse der EU-Bürger und der nationalen Parlamente zu erfüllen, sowie in der Erwägung, dass dies auch für die Justiz gelten sollte; in der Erwägung, dass Transparenz und Zugang zu Dokumenten auch in Bezug darauf gewährleistet sein sollten, wie die politischen Maßnahmen der Europäischen Union auf allen Ebenen umgesetzt und wie EU-Gelder verwendet werden, wie in der Europäischen Transparenzinitiative der Kommission festgelegt ist,
K. in der Erwägung, dass der Gerichtshof bestätigt hat, dass Transparenz und Zugang zu Informationen dazu beitragen, "den Organen in den Augen der europäischen Bürger eine größere Legitimität zu verleihen und deren Vertrauen zu stärken, weil sie es [ermöglichen], Unterschiede zwischen mehreren Standpunkten offen zu erörtern. Tatsächlich ist es eher das Fehlen von Information und Diskussion, das bei den Bürgern Zweifel hervorrufen kann, und zwar nicht nur an der Rechtmäßigkeit eines einzelnen Rechtsakts, sondern auch an der Rechtmäßigkeit des Entscheidungsprozesses insgesamt" (Verbundene Rechtssachen C-39/05 und C-52/05, Randnr. 59),
L. in der Erwägung, dass die lange erwarteten rechtlichen, finanziellen und operationellen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um klar und rechtzeitig den Zugang zu allen einschlägigen Dokumenten in Bezug auf ein spezifisches Legislativverfahren zu ermöglichen, unabhängig davon, ob der Zugang von internen Dienststellen oder von externen Interessenvertretern beantragt wird, und dass die betreffenden Informationen über eine interinstitutionelle Internetseite zur Verfügung gestellt werden könnten, die die internen Register der Organe verbindet (wie z.B. die kürzlich verbesserte EUR-LEX-Seite des Amts für Veröffentlichungen der Europäischen Union), sowie in der Erwägung, dass die internen Regelungen entsprechend geändert und verbindliche interinstitutionelle Vereinbarungen rasch gemäß Artikel 295 AEUV ausgehandelt werden sollten,
M. in der Erwägung, dass die neuen Befugnisse der Europäischen Union und insbesondere des Parlaments in Bereichen wie internationale Abkommen betreffend die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen einen in Artikel 4 und 9 der Verordnung (EG) Nr. 1049/01 zu verankernden, zwingenderen Rechtsrahmen erfordern, damit die Sicherheit der Europäischen Union ordnungsgemäß gewahrt und gleichzeitig eine umfassende Kontrolle des Europäischen Parlaments als Vertreter der europäischen Bürger gewährleistet werden kann,
N. in der Erwägung, dass mehrere EU-Mitgliedstaaten bereits entweder Rechtsakte über Informationsfreiheit oder allgemeine Vorschriften über den Zugang zu Informationen und Dokumenten öffentlicher Institutionen beschlossen haben,
- 1. vertritt die Auffassung, dass die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon unverzüglich aktualisiert werden sollte, indem
- a) ihr Geltungsbereich auf alle EU-Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die derzeit nicht erfasst sind, so den Europäischen Rat, die EZB, den Gerichtshof, Europol und Eurojust, ausgeweitet wird,
- b) die Bestimmungen für legislative und nicht legislative Verfahren auf der Grundlage der in den Verträgen enthaltenen neuen Definitionen geändert werden,
- c) auf der Grundlage der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Bestimmungen aktualisiert werden, insbesondere für die Behandlung von internen Dokumenten, Informationen und Daten, um einen breiteren Zugang zu im Rahmen des Beschlussfassungsprozesses verfassten Gutachten der juristischen Dienste, Dokumenten und Informationen im Zusammenhang mit Vertretern der Mitgliedstaaten, wenn diese als Mitglieder des Rates handeln, einschließlich der Rechtsakte, eingereichten Vorschläge und Änderungsanträge, der Niederschriften der betreffenden Sitzungen, der Standpunkte und Abstimmungsergebnisse im Rat, einschließlich dessen Arbeitsgruppen und Sachverständigengruppen, sowie Dokumenten im Zusammenhang mit internationalen Abkommen zu gewährleisten und den Schutz personenbezogener Daten und geschäftlicher Interessen sowie die inhaltliche Richtigkeit der Register der Organe usw. sicherzustellen,
- d) Zugang zu den in den EU-Organen verfügbaren Informationen, die eine objektive Bewertung der Umsetzung der Bestimmungen, Rechtsakte, Maßnahmen und Programme der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten ermöglichen, garantiert wird, wobei sicherzustellen ist, dass mehr finanzielle Transparenz durch detaillierte Informationen zu dem Haushaltsplan der Europäischen Union, dessen Ausführung und den Begünstigten der Gelder und Darlehen der Europäischen Union gewährleistet wird,
- e) in einem transparenten Verfahren und unter umfassender Beachtung der Grundsätze der Demokratie und der Rechtstaatlichkeit die allgemeinen Prinzipien und Beschränkungen aus Gründen des öffentlichen oder privaten Interesses festgelegt werden, die den Zugang zu den Dokumenten einschränken, die als "Très secret/Top secret", "Secret" oder "Confidentiel" einzustufen sind, um grundlegende Interessen der Europäischen Union zu schützen (Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001),
- f) die Grundsätze definiert werden, die durch interinstitutionelle Vereinbarungen auf der Grundlage von Artikel 295 AEUV ausgearbeitet werden könnten, um die neue Verordnung für eine bessere Rechtsetzung koordiniert umzusetzen,
- g) der Zugang zu EU-Dokumenten durch die Schaffung benutzerfreundlicherer Systeme verbessert wird,
- h) gewährleistet wird, dass das Parlament in der Europäischen Union ein Beispiel gibt, indem es Offenheit, Transparenz und Zugang zu Dokumenten möglichst umfangreich gewährleistet;
- 2. stellt fest, dass die Kommission am 2. Dezember 2009 nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon eine Mitteilung (KOM (2009) 665) angenommen hat, mit der die Rechtsgrundlage des ursprünglichen Vorschlags aktualisiert, aber jegliche Änderung von dessen Inhalt vermieden wurde;
- 3. bedauert, dass trotz seiner klaren Forderungen vom 11. März 2009
- - die Kommission keine geänderte Fassung ihres Legislativvorschlags (KOM (2008) 0229) ausgearbeitet hat und am 2. Dezember 2009 nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon eine Mitteilung (KOM (2009) 0665) angenommen hat, mit der nur die Rechtsgrundlage des ursprünglichen Vorschlags aktualisiert und jegliche Änderung von dessen Inhalt vermieden wurde,
- - der Rat seine Geschäftsordnung (Beschluss 2009/937/EU vom 11. Dezember 2009) sowie eine Änderung seiner Sicherheitsvorschriften (Dokument 13885/1/09) beschlossen hat und die Mitgliedstaaten derzeit ein Übereinkommen über den Schutz von Verschlusssachen, die im Interesse der Europäischen Union ausgetauscht werden (Dokument 13886/09), aushandeln; möchte diese Texte gründlich bewerten, um nachweislich festzustellen, dass sie das allgemeine Zugangsrecht der Bürger sowie die interinstitutionelle Zusammenarbeit nicht berühren;
- 4. fordert die amtierende und die nächste Ratspräsidentschaft auf, einen interinstitutionellen Dialog auf politischer Ebene einzuleiten, um die neue Verordnung über den Zugang zu Dokumenten spätestens bis 30. Juni 2010 auszuarbeiten;
- 5. begrüßt in diesem Kontext ausdrücklich, dass am 15. Dezember 2009 eine Sitzung des gemäß Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 eingesetzten interinstitutionellen Ausschusses für den Zugang zu Dokumenten stattfand, und nimmt dessen Schlussfolgerungen zur Kenntnis, dass nämlich:
- a) erstmals im Mai 2010 und anschließend mindestens einmal pro Jahr regelmäßige Sitzungen auf politischer Ebene stattfinden sollen,
- b) technische Arbeitsgruppen eingesetzt werden sollen, denen insbesondere Bedienstete aus dem IT-Bereich angehören, die prüfen sollen, ob es nicht möglich ist, die Links zu Internet-Seiten, die den Zugang der Bürger fördern, auf einer einzigen Internet-Seite zusammenzufassen und so die Komplementarität der öffentlichen Register der Institutionen sicherzustellen, die vorhandenen Suchinstrumente der Organe allmählich anzugleichen und den Zugang zu allen Dokumenten im Zusammenhang mit einem spezifischen legislativen Dossier zu verbessern, indem alle Dokumente der drei Organe zu dem betreffenden Dossier zusammengestellt werden;
- 6. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Europäischen Rat, dem Rat, der Kommission und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- 1 Juristischer Dienst des EP, Rechtsgutachten vom 10. Oktober 2009, Ziffer 3.
- 2 Wie vom Europäischen Gerichtshof im Urteil "Turco" (Verbundene Rechtssachen C-39/05 P und C-52/05 P) angeführt, stellt Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 fest, dass "Transparenz [...] eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess [ermöglicht] und eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System [gewährleistet]".