895. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2012
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung wie folgt zu fassen:
- 1. Entschließung des Bundesrates zur Änderung des Euratom-Vertrages
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Havarie des japanischen Atomkraftwerks in Fukushima infolge des Erdbebens und des Tsunamis vom 11. März 2011 zu Konsequenzen im Umgang mit der Kernenergie in Europa führen muss und dass es Aufgabe der EU und ihrer Mitgliedstaaten ist, die Sicherheit der europäischen Atomkraftwerke mithilfe von Risikoüberprüfungen (Stresstests) und durch das verbindliche Setzen hoher europaweiter Standards zu verbessern.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die zentralen Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft in ihrer Substanz seit seinem Inkrafttreten 1958 nicht geändert worden sind. Der Euratom-Vertrag regelt ohne zeitliches Ende die Nutzung der Atomenergie in Europa. Zudem ist insbesondere die Möglichkeit, im Euratom-Vertrag nur Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festzusetzen, in Anbetracht des durch Fukushima verdeutlichten internationalen Gefahrenpotentials der Kernkraftnutzung nicht mehr zeitgemäß.
- 4. Der Bundesrat vertritt deshalb die Auffassung, dass der Euratom-Vertrag den heutigen Anforderungen an die Sicherheit, einschließlich einer angemessenen Forschungsförderung mit dem Ziel einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung sowie einer verbesserten demokratischen Legitimation, nicht mehr gerecht wird und daher eine Überarbeitung des Vertrags notwendig ist.
- 5. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Bestimmungen des Euratom-Vertrags vor dem Hintergrund der energiepolitischen Zielsetzungen der EU, des Bundes und der Länder sowie der vorliegenden Resultate der Stresstests der Kernkraftwerke in den Mitgliedstaaten zu evaluieren und über die Ergebnisse zu berichten. Er erinnert daran, dass Deutschland mit anderen europäischen Mitgliedstaaten eine Erklärung zur Schlussakte von Lissabon vom 13. Dezember 2007 abgegeben hat, in der es seine Unterstützung für eine zeitgemäße Veränderung des Euratom-Vertrags zum Ausdruck gebracht hat.
- 6. Der Bundesrat spricht sich darüber hinaus dafür aus, dass in den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 und zum Rahmenprogramm für Forschung und Innovation "Horizont 2020" der Förderung der erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz als zentralem Beitrag für eine zukunftsfähige europäische Energiepolitik Rechnung getragen wird.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Energiewende in Deutschland weist den erneuerbaren Energien eine Schlüsselrolle zu. Es ist wichtig, die in Deutschland gesammelten Erfahrungen in diesem Bereich in den europäischen Diskussionsprozess einzubringen. Auch im europäischen Kontext wird es eine nachhaltige Energiepolitik, die ihren Namen verdient, ohne eine entscheidende Rolle der erneuerbaren Energien nicht geben. Um die Potenziale für einen nahezu vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien im EU-Stromsektor voll nutzen zu können, bedarf es einer umfassenden gemeinschaftlichen Strategie. Die bisherigen Ansätze im EU-Forschungssektor sind zu kleinteilig, um erneuerbaren Energien europaweit zum Durchbruch zu verhelfen. Hierzu soll innerhalb des EU-Rahmens eine verbindliche Strategie für die EU-weite Förderung und Stärkung erneuerbare Energien im Sinne eines Europäischen Binnenmarktes für grünen Strom erarbeitet werden.
B
- 7. Der Ausschuss für Kulturfragen und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung zu fassen.
C
Im Wirtschaftsausschuss ist eine Empfehlung an das Plenum nicht zu Stande gekommen.