Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren

Der Bundesrat hat in seiner 906. Sitzung am 1. Februar 2013 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 189 Absatz 4 GVG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Regelung in § 189 Absatz 4 GVG-E nicht klarer gefasst werden müsste und ob sie in § 189 GVG richtig verortet ist.

Begründung:

Die Formulierung von § 189 Absatz 4 GVG-E birgt Unklarheiten.

Zunächst erscheint die Formulierung in Satz 1 unglücklich, wonach der Dolmetscher oder Übersetzer über die Umstände, die ihm bei seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, Verschwiegenheit (nur) wahren soll, "soweit er nicht bereits aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift zur Verschwiegenheit verpflichtet ist". Vermutlich soll hierdurch der Auffangcharakter der Vorschrift zum Ausdruck kommen. Die inhaltliche Aussage ist aber eine andere, nämlich diese: Dolmetscher oder Übersetzer sollen in jedem Fall die Verschwiegenheit wahren und nicht nur dann, wenn sie nicht bereits aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Möglicherweise würde es sich deshalb anbieten, den zweiten Halbsatz des Satzes 1 "soweit ..." einfach zu streichen.

In Verbindung mit Satz 2 werden weitere Fragen bzw. Unklarheiten aufgeworfen: Der Wortlaut des Satzes 2 legt - gerade im Vergleich zu § 187 Absatz 1 Satz 3 GVG-RefE (der noch lautete: "Das Gericht ermahnt den Dolmetscher oder Übersetzer zur Verschwiegenheit, wenn er nicht bereits aufgrund einer anderen Bestimmung zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.") - nahe, dass das Gericht den Dolmetscher und Übersetzer unabhängig von einer Prüfung, ob dieser bereits aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, immer in einer Art Belehrung auf den Inhalt der Soll-Vorschrift des § 189 Absatz 4 Satz 1 GVG-E hinweisen muss. Es verbleiben aber Zweifel, ob eine solche generelle Hinweispflicht tatsächlich gewollt ist. Denn wenn das "Verschwiegenheits-Soll" nach Satz 1 überhaupt nur für den Fall begründet werden soll, dass der Dolmetscher oder Übersetzer "nicht bereits aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift zur Verschwiegenheit verpflichtet ist", ist nicht einzusehen, weshalb das Gericht nach Satz 2 "generell" darauf hinzuweisen hat. Gerade in Ländern, in denen eine entsprechende Verschwiegenheitsverpflichtung für die Dolmetscher oder Übersetzer bereits in den Dolmetschergesetzen vorhanden ist, erschiene es überflüssig, (nochmals) standardmäßig auf das "Verschwiegenheits-Soll" nach § 189 Absatz 4 Satz 1 GVG-E hinzuweisen. Auch bleibt unklar, wer gegebenenfalls für die Prüfung der Einschränkung "soweit ..." in Satz 1 verantwortlich sein soll: der Dolmetscher bzw. Übersetzer, jeder Richter in der Verhandlung oder der allgemein vereidigende Gerichtspräsident?

Darüber hinaus stellt sich im Regelungszusammenhang der gesamten Vorschrift des § 189 GVG (Dolmetschereid) die Frage, ob die auch den "Übersetzer" erfassende Verschwiegenheitsvorschrift dort überhaupt richtig verortet ist. In den Regelungszusammenhang des § 187 GVG, der für Dolmetscher und Übersetzer gleichermaßen gilt, würde sich die Ermahnungspflicht jedenfalls besser einfügen (vgl. § 187 Absatz 1 Satz 3 GVG-RefE). Zudem ist in der Praxis bereits die Frage aufgekommen, ob jetzt gegebenenfalls sämtliche allgemeine Vereidigungen von Dolmetschern (und Übersetzern) (vgl. § 189 Absatz 3 GVG) nochmals - mit dem neuen Hinweis nach § 189 Absatz 4 GVG-E - vorzunehmen seien. Auch die diesbezügliche Verunsicherung resultiert schlicht aus der Verortung der Vorschrift in § 189 GVG. Zudem bleibt auch in diesem Zusammenhang unklar, ob ein allgemein zu vereidigender Dolmetscher oder Übersetzer jeweils nur bei seiner allgemeinen Vereidigung oder danach (nochmals und auch immer wieder) vom Gericht bei anstehenden Dolmetscher- bzw. Übersetzerleistungen auf das Verschwiegenheitssoll hinzuweisen ist.

Aufgrund der geschilderten Ungereimtheiten wird gebeten, die Vorschrift und deren Verortung nochmals insgesamt zu überprüfen.

2. Zu Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa (§ 114b Absatz 2 Satz 1 Nummer 4a StPO)

In Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa sind in § 114b Absatz 2 Satz 1 Nummer 4a nach der Angabe "2" die Wörter "nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und 3" einzufügen.

Begründung:

Die in § 114b Absatz 2 Satz 1 Nummer 4a StPO-E vorgesehene Belehrung über einen Anspruch des Beschuldigten auf Bestellung eines Verteidigers in den Fällen des § 140 Absatz 1 und 2 StPO steht im Widerspruch zur Vorschrift des § 141 Absatz 1 und 3 StPO. Danach erfolgt die Bestellung eines Pflichtverteidigers während des Vorverfahrens bis zum Abschluss der Ermittlungen ( § 169a StPO) grundsätzlich nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Ein Antrag des Beschuldigten ist nach herrschender Meinung in diesem Verfahrensstadium lediglich als Anregung an die Staatsanwaltschaft zu behandeln.

Diese Einschränkung sollte auch in der Belehrung und damit im Gesetzestext zum Ausdruck kommen, um entsprechenden Fehlvorstellungen beim Beschuldigten vorzubeugen. Eine Klarstellung nur in der Begründung des Gesetzentwurfs reicht hierfür nicht aus.

3. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 136 Absatz 1 Satz 3 StPO)

In Artikel 2 Nummer 3 sind in § 136 Absatz 1 Satz 3 nach der Angabe "2" die Wörter "nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und 3" einzufügen.

Begründung:

Die in § 136 Absatz 1 Satz 3 StPO-E vorgesehene Belehrung über einen Anspruch des Beschuldigten auf Bestellung eines Verteidigers in den Fällen des § 140 Absatz 1 und 2 StPO steht im Widerspruch zur Vorschrift des § 141 Absatz 1 und 3 StPO. Danach erfolgt die Bestellung eines Pflichtverteidigers während des Vorverfahrens bis zum Abschluss der Ermittlungen (§ 169a StPO) grundsätzlich nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Ein Antrag des Beschuldigten ist nach herrschender Meinung in diesem Verfahrensstadium lediglich als Anregung an die Staatsanwaltschaft zu behandeln.

Diese Einschränkung sollte auch in der Belehrung und damit im Gesetzestext zum Ausdruck kommen, um entsprechenden Fehlvorstellungen beim Beschuldigten vorzubeugen. Eine Klarstellung nur in der Begründung des Gesetzentwurfs reicht hierfür nicht aus.