Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Zivilprozessordnung

A. Zielsetzung

Ziel ist die Einführung eines subjektiven Anspruchs auf ein Guthabenkonto mit Basisfunktionen, um allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihrer finanziellen Situation die Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben zu gewährleisten. Hinsichtlich des seit 2010 bestehenden Anspruchs auf Umwandlung eines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto werden ergänzende Regelungen zum Leistungsumfang und zu den Kosten vorgeschlagen.

B. Lösung

Ergänzung der vorhandenen Regelungen über Zahlungsdienste im Bürgerlichen Gesetzbuch um Vorschriften über einen Anspruch auf ein Zahlungskonto mit Basisfunktionen, einschließlich Festlegungen zum Leistungsumfang, Kosten der Kontoführung und Ausnahmetatbeständen.

Einfügung ergänzender Regelungen zu den Kosten der Kontoführung bei Pfändungsschutzkonten in die Zivilprozessordnung.

C. Auswirkungen auf den Haushalt

Keine.

D. Auswirkungen auf die Vermögenslage

Keine.

E. Sonstige finanzielle Auswirkungen

Es ist damit zu rechnen, dass bei Kreditinstituten geringere Einnahmen in nicht genau bezifferbarer Höhe durch die Regelung der Kosten für Girokonten auf Guthabenbasis und die Deckelung von Gebühren für die Führung von Pfändungsschutzkonten entstehen können. Aufgrund der unterschiedlichen Gebührenhöhe, die Banken für die Führung von Guthabenkonten und Pfändungsschutzkonten derzeit veranschlagen, kann die Höhe der Umsatzeinbußen nicht beziffert werden. Anderseits ist damit zu rechnen, dass eine Verteilung von finanziell schwachen Kunden stattfindet und damit die bisher am stärksten betroffenen öffentlichen Sparkassen entlastet werden.

F. Familienpolitische Auswirkungen

Der Anspruch auf ein Konto mit Basisfunktionen bzw. ein Pfändungsschutzkonto zu begrenzten Kosten hat für Familien mit finanziellen Problemen entlastende Effekte und stellt eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme der Familienmitglieder am wirtschaftlichen und sozialen Leben dar.

G. Klimaschutzpolitische Auswirkungen

Die mit dieser Drucksache behandelten Sachverhalte haben keine Relevanz für den Klimaschutz.

H. Alternativen Im Sinne der Zielsetzung

Keine.

Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Zivilprozessordnung

Der Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg Hamburg, den 8. November 2011

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Zivilprozessordnung zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 890. Sitzung des Bundesrates am 25. November 2011 zu setzen und sie anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Zivilprozessordnung

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 (BGBl. I S. 1600) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 675f wie folgt gefasst:

" § 675f Zahlungsdienstevertrag und Zahlungskonto mit Basisfunktionen".

2. § 675f wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Zivilprozessordung

Dem § 850k Absatz 7 der Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 23. Mai 2011 (BGBl. I S. 898) geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:

"Die Einrichtung der Pfändungsschutzfunktion hat kostenlos zu erfolgen und darf ohne ein berechtigtes Interesse des Instituts nicht zu einer darüber hinaus gehenden Änderung des bestehenden Zahlungsdienstevertrages, zu einer Einschränkung der Kontofunktionen oder zu einer Erhöhung der Kosten für einzelne Dienstleistungen führen. Das bloße Einrichtungsverlangen des Schuldners begründet kein berechtigtes Interesse."

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt drei Monate nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Der Zugang zu Zahlungsdiensten stellt eine unabdingbare Voraussetzung für eine uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben dar. Ohne Girokonto werden oftmals keine Löhne ausgezahlt, Sozialleistungen können nur unter Schwierigkeiten und mit erhöhten Kosten ausgezahlt werden, das Bezahlen von Miete, Strom und Wasser bereitet Probleme.

Die Einführung des neuen Kontopfändungsrechts im Jahr 2010 hat dazu geführt, dass Kundinnen und Kunden das Recht haben, ihr Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln. Damit ist jeden Monat das Konto mindestens in Höhe des Pfändungsfreibetrages automatisch vor Pfändungen geschützt. Damit soll eine Blockierung des Kontos durch Pfändungsmaßnahmen und damit für die Kreditinstitute verbundene erhöhte Kosten verhindert und Kundinnen und Kunden in die Lage versetzt werden, trotz Pfändungen ihre laufenden Ausgaben begleichen zu können. Diese Verbesserungen lösen aber nicht die Probleme kontoloser, von Pfändungen bedrohter Schuldner. Denn ohne ein Girokonto besteht auch nach dem neuen Kontopfändungsrecht kein Anspruch auf Führung eines Pfändungsschutzkontos. Dies ist umso schwerwiegender, da ab dem 1.1.2012 der Zugriff auf das Existenzminimum durch Gläubiger nur noch durch Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos verhindert werden kann. Das alte Recht, welches Pfändungsschutz auch ohne ein Pfändungsschutzkonto gewährt, läuft dann aus.

Eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss eines Zahlungsdienstevertrages gibt es bisher nicht. In einigen Bundesländern ist ein Kontrahierungszwang für die öffentlichrechtlichen Sparkassen in den jeweiligen Sparkassenverordnungen geregelt. Für Privatbanken gibt es keine gesetzliche Regelung.

Der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) hat 1995 eine Empfehlung für alle Kreditinstitute, die Girokonten für Verbraucherinnen und Verbraucher führen, ausgesprochen. Die Empfehlung sieht vor, dass die Kreditinstitute für jeden Bürger ein Girokonto bereithalten und Kunden die Möglichkeit erhalten sollen, Gutschriften entgegenzunehmen, Barein- und -auszahlungen vornehmen zu können und am Überweisungsverkehr teilzunehmen. Einen Rechtsanspruch auf ein Girokonto auf Guthabenbasis ergibt sich allerdings nicht aus der Empfehlung (Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Urt. v. 22.12.2005, Az.: 2 U 67/05).

Der Deutsche Bundestag hat 1997 die Bundesregierung beauftragt, über die Umsetzung der Empfehlung alle zwei Jahre zu berichten. Diese Berichte sollten als Grundlage für die Prüfung der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung dienen. In den Berichten (zuletzt 2008, Drucksache. 16/11495) kommt die Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass die Empfehlung des ZKA nicht ausreicht, um die Probleme zu minimieren. Die Ursache dafür wird insbesondere im unverbindlichen Charakter der Empfehlung gesehen, der die Kreditinstitute zu nichts verpflichtet. Es wurde ein Maßnahmepaket vorgeschlagen, welches einerseits die Reform des Kontopfändungsrechts und andererseits den Austausch der ZKA-Empfehlung in eine rechtsverbindliche Selbstverpflichtung vorsah.

Die Reform des Kontopfändungsschutzes ist mit der Gesetzgebung zum Pfändungsschutzkonto erfolgt. Der zweite Baustein der vorgesehenen Maßnahmen, die Weiterentwicklung der Empfehlung in eine rechtsverbindliche Selbstverpflichtung durch die Kreditwirtschaft, erfolgte nicht.

Dabei ist es nach wie vor keine Selbstverständlichkeit, dass alle Verbraucherinnen und Verbraucher über ein eigenes Konto verfügen. Verbraucherzentralen weisen seit langem darauf hin, dass vor allem überschuldete Verbraucherinnen und Verbraucher Schwierigkeiten haben, ein Girokonto zu eröffnen.

Mangels einer gesonderten Erfassung gibt es keine bundesweit eindeutigen Zahlen zur Anzahl der Kontolosen. Die Bundesregierung nimmt in ihren Berichten für den Bundestag zur Umsetzung der Empfehlung des ZKA zum Girokonto für Jedermann Rückgriff auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, der Daten über Zahlungsanweisungen per Verrechnung vorliegen. Im Jahr 2007 wurden insgesamt rd. 2 Millionen Zahlungen durch Zahlungsanweisungen durchgeführt. Es wird darauf hingewiesen, dass aus diesen Zahlen nicht unmittelbar darauf geschlossen werden kann, dass die Leistungsempfänger kein Konto haben. Als Indiz können sie allerdings herangezogen werden. Neben dem Aspekt der Teilhabe tritt damit auch der Aspekt der Kosten: für Zahlungsanweisungen zur Verrechnung mussten 2007 rd. 17 Millionen Euro aufgewendet werden (davon trugen die Leistungsempfänger selbst rd. 14 Millionen und die Bundesagentur rd. 3 Millionen).

Im Rahmen des Überschuldungsreports 2010 ermittelte das Institut für Finanzdienstleistungen (iff), dass sich die Kontolosigkeit seit dem Jahr 2008 bei unverändert 18 % der Überschuldeten bewegt, die eine Schuldnerberatung aufsuchten. (iff-Überschuldungsreport 2010, S. 24). Wird diese Zahl auf die Überschuldeten hochgerechnet, die sich an Schuldnerberatungsstellen wenden, kommt man auf 0,5 Millionen Verbraucher ohne Konto.

Nach ersten Informationen zum Überschuldungsreport 2011, der im Herbst erscheinen soll, entwickelten sich die Zahlen für 2010 bei der Kontolosigkeit leicht positiv, sind im Schnitt aber nicht nennenswert besser als 2009.

Die EU-Kommission geht in der Konsultation "Zugang zu einem Basiskonto" davon aus, dass in der EU ca. 30 Millionen Bürger keinen Zugang zu einem Bankkonto haben (EU-KOM "Konsultation Zugang zu einem Basiskonto vom 6.10.2010). Für Deutschland hat sie, beruhend auf eine Hochrechnung nach einer Umfrage bei Personen über 21 Jahren, die Zahl der Kontolosen mit 670.000 angegeben.

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband kommt in seinem Bericht "P-Konto kann Problematik des Girokontos für jedermann nicht lösen" vom 26. August 2011 erneut zu der Einschätzung, dass die Zahl der kontolosen Verbraucherinnen und Verbraucher seit Einführung der neuen Kontopfändungsschutzregelungen nicht gesunken ist.

Die EU-Kommission hat sich des Themas erneut in der Empfehlung "Zugang zu einem Konto mit grundlegenden Zahlungsfunktionen ("Basiskonto")" (8(K[2001 4977) vom 18. Juli 2011 angenommen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert dafür zu sorgen, dass alle Verbraucherinnen und Verbraucher zu angemessenen Kosten Zugang zu einem Bankkonto haben.

Der vorliegende Gesetzentwurf stimmt mit dieser Empfehlung darin überein, dass er die Einführung eines subjektiven Rechts auf ein Girokonto mit Basisfunktionen vorsieht und dessen Merkmale definiert. Auch die Überlegungen der Europäischen Kommission zu den Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung werden berücksichtigt. Die getroffene Kostenregelung entspricht ebenfalls einer von der Empfehlung vorgesehenen Möglichkeit.

Im Unterschied zur Empfehlung der EU-Kommission soll nach dem Gesetzentwurf jeder natürlichen Person ein Rechtsanspruch auf ein Girokonto mit Basisfunktionen zustehen. Eine Einschränkung auf die Rolle als Verbraucher erfolgt nicht, um auch selbstständigen Unternehmern die Gründung oder den Neustart seines Gewerbes zu ermöglichen und nicht am Fehlen eines Girokontos scheitern zu lassen. Da der Anspruch auf natürliche Personen begrenzt ist, haben Unternehmen in Form von juristischen Personen oder rechtsfähigen Personengesellschaften keinen Anspruch. Eingeschränkt wird im Vergleich zur Empfehlung der EU-Kommission auch der Anwendungsbereich: verpflichtet werden Kreditinstitute, die Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennehmen und Kredite gewähren. E-Geld-Institute, Postscheckämter und Zentralbanken sind hingegen nicht aufgenommen.

Die mit der Reform des Kontopfändungsschutzrechts mögliche Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto führte zwar zu einer Vereinfachung für von Pfändungen bedrohte Schuldner, hat sich aber im letzten Jahr oftmals als Gebührenfalle entpuppt. Es musste festgestellt werden, dass Kreditinstitute häufig neue Kontogebühren einführten, die weit über den Gebühren für sonstige Girokonten lagen. Es wurden verschiedene Kontomodelle von 69 Kreditinstituten verglichen und dabei festgestellt, dass häufig die Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto mit einer Erhöhung der Gebühren und Leistungseinschränkungen (z.B. keine Zahlung per Girocard) einherging (Öko-Test 012/2010). Dabei wurden Preisaufschläge von bis zu 20 Euro pro Monat festgestellt. Dies ist umso schwerwiegender, da es Verbraucherinnen und Verbraucher betrifft, die bereits finanziellen Schwierigkeiten haben.

Dabei hatte der Gesetzgeber bei der Einführung des Pfändungsschutzkontos bewusst keine Extragebühren vorgesehen. Im Rechtsauschuss des Bundestages (BT-Drs. 016/12714, S. 17) heißt es dazu:

"Auch für die Führung des Pfändungsschutzkontos darf die Preisgestaltung der Banken jedenfalls das für ein allgemeines Gehaltskonto Übliche nicht übersteigen".

Zusätzliche Schwierigkeiten bereiten Verbraucherinnen und Verbrauchern die eingeschränkten Leistungen der Banken und Sparkassen, die mit der Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto oftmals einhergehen. Wichtige Zahlungsfunktionen, wie z.B. die Einrichtung oder Ausführung von Daueraufträgen, werden gestrichen.

Die Bundesregierung plant nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes eine Evaluierung (vgl. BT-Drs. 016/7615, S. 16). Aufgrund der geschilderten Missstände sollte für deren Lösung nicht bis 2013 abgewartet werden und so die finanziellen Probleme von betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern durch überhöhte Gebühren und eingeschränkte Leistungen weiter zu verstärken.

B. Besonderer Teil

Zu Art. 1

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Rechtsförmliche Folgeänderung in der Inhaltsübersicht aufgrund der Änderung der Überschrift des § 675f Bürgerliches Gesetzbuch.

Als Regelungsort für den schuldrechtlichen Anspruch wurde das Bürgerliche Gesetzbuch gewählt. Eine Einfügung in das Kreditwesengesetz (KWG) wird hingegen für weniger gut geeignet gehalten. Eine solche Regelung würde der durch das Aufsichtsrecht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geprägten Systematik des KWG nicht entsprechen. (Der frühere 3. Unterabschnitt "Kundenrechte", der ein subjektives Recht für Kunden enthielt, ist weggefallen.) Hinzukommt, dass eine Aufgabenzuweisung an die BaFin mit dem geltenden § 4 Absatz 4 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes, nachdem die BaFin ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, wohl nicht in Einklang zu bringen wäre (vgl. BT-Drs. 016/11495, S. 8).

Zu Nummer 2 (§ 675f)

Mit der Regelung in Absatz 6 werden Zahlungsdienstleister i. S. von Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a der Richtlinie 2007/64/EG vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste dazu verpflichtet, jeder natürlichen Person, die noch kein Girokonto hat, auf Antrag ein solches auf Guthabenbasis, also ohne Überziehungsmöglichkeit, zu gewährleisten. Durch den in Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a der Richtline 2007/64/EG enthaltenen Verweis auf Artikel 4 Nummer 1 Buchstabe a der Richtlinie 2006/48/EG vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute werden Kreditinstitute verpflichtet, die Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennehmen und Kredite für eigene Rechnung gewähren.

Bürgerinnen und Bürgern steht damit ein subjektiver Rechtsanspruch auf die Einrichtung und Führung eines Guthabenkontos zu. Dieser Anspruch besteht unabhängig von der finanziellen Situation oder der Art der Einkünfte.

Eine gesetzliche Regelung führt im Gegensatz zur Empfehlung des ZKA zur Allgemeingültigkeit und zu mehr Rechtssicherheit. Aufgrund des subjektiven Anspruchs besteht notfalls die Möglichkeit, diesen auch gerichtlich durchzusetzen.

Durch diese Verpflichtung wird die negative Vertragsfreiheit eingeschränkt. Diese Einschränkung ist gerechtfertigt, da sie geeignet, erforderlich und angemessen ist.

Sie ist geeignet, den mit der Regelung verfolgten Zweck, Schaffung eines Zugangs für alle natürlichen Personen zu einem eigenen Girokonto auf Guthabenbasis und damit die Möglichkeit der Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben, zu erreichen. Sie beseitigt die derzeit bestehende Unsicherheit, da die unverbindliche Empfehlung durch einen gesetzlichen Anspruch abgelöst wird.

Die gesetzliche Verpflichtung ist auch erforderlich, da kein anderes gleichwertiges, aber milderes Mittel zur Verfügung steht. Insbesondere hat sich gezeigt, dass eine nicht gesetzliche und damit nicht verpflichtende Möglichkeit nicht ausreichend ist. Die seit 1995 bestehende Empfehlung des ZKA hat nicht dazu geführt, dass allen Antragsstellern der Zugang zu einem Zahlungskonto gewährt wurde und hat sich daher nicht bewährt. Auch eine Weiterentwicklung zu einer Selbstverpflichtung ist trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Bundesregierung seitens der Kreditwirtschaft nicht erfolgt. Mangels Maßnahmen der Selbstregulierung sind daher gesetzliche Regelungen zu treffen.

Auch die Verpflichtung von nur öffentlichrechtlichen Geldinstituten stellt kein gleichwertiges, milderes Mittel dar. Die einseitige Belastung dieser Institute mit wirtschaftlich weniger lukrativen Kunden würde zu einem Wettbewerbsvorteil der privaten Institute führen. Eine einseitige Belastung würde bedeuten, dass allein die Kunden der öffentlichrechtlichen Geldinstitute die Verantwortung für eine grundsätzlich von der Gesamtheit zu tragende Soziallast schultern müssten (vgl. Landgericht Berlin, Urt. v. 12.08.008, Az.: 10 S 4/08).

Die Verpflichtung steht nicht außer Verhältnis, insbesondere stellt sie aufgrund der in Absatz 9 geregelten Ausnahmefälle keine unangemessene Belastung dar. Auch die Einschränkung, dass ein Anspruch nur auf Führung eines Kontos auf Guthabenbasis mit Basisfunktionen (vgl. Absatz 7) besteht, führt dazu, dass die Kreditwirtschaft nicht unangemessen belastet wird.

Mit Absatz 7 wird der Leistungsumfang definiert. Dabei wird Bezug auf die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz enthaltenen Begriffsbestimmungen für Zahlungsdienste genommen. Danach gehören zu einem Guthabenkonto die Möglichkeiten, Bareinzahlungen oder Barauszahlungen vorzunehmen sowie alle für die Führung des Kontos erforderlichen Vorgänge. Weiterhin sind die Ausführung von Zahlungsvorgängen, einschließlich der Übermittlung von Geldbeträgen auf Zahlungskonten durch das Lastschriftverfahren, mittels Überweisung und Zahlungskarte (Geldkartenfunktion) umfasst. Ebenfalls umfasst ist die Möglichkeit des Online-Bankings, sofern sie beim Institut angeboten werden.

Durch die Regelung in Absatz 8 werden die Kosten, die Zahlungsdienstleister Kunden für die Führung des Zahlungskontos mit Basisfunktionen in Rechnung stellen können, geregelt. Dabei dürfen Kosten bis zu einer Höhe geltend gemacht werden, die dem Entgelt entsprechen, welches üblicherweise für Konten mit diesem Leistungsumfang verlangt wird.

Nach wie vor stellen Zahlungsdienstleister insbesondere Kunden in finanziell schwieriger Lage weit über den Durchschnitt liegende Kontoführungsgebühren in Rechnung. Während Girokonten ohne Leistungseinschränkungen inzwischen häufig sogar kostenlos angeboten werden, heben die Kreditinstitute die Gebühren für Guthabenkonten immer wieder an. Die Kreditinstitute begründen dies damit, dass die Betreuung des konkreten Kontos zu überdurchschnittlichen Aufwand führe und dieser in Rechnung zu stellen sei.

Bei einem Guthabenkonto mit Basisfunktionen ist diese Argument nicht plausibel. Aufgrund des Ausschlusses von Überziehungen und der Beschränkung auf Basisfunktionen ist im Vergleich zu einem normalen Girokonto nicht von einem Mehraufwand auszugehen. Es liegt vielmehr die Vermutung nahe, dass wirtschaftlich nicht interessante Kunden fern gehalten werden sollen.

Aber selbst ein Mehraufwand führt nicht automatisch zu einem Anspruch auf ein gesondertes Entgelt: der Bundesgerichtshof hat in Bezug auf Pfändungen entschieden, dass die Bearbeitung von Pfändungs-und Überweisungsbeschlüssen nicht dazu berechtigt, erhöhte Entgelte geltend zu machen, da es sich nicht um Sonderdienstleistungen handelt, sondern vorrangig dem eigenen Interesse, da zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten, dient (BGH Urteil vom 18.5.1999, XI ZR 219/98). Nach dieser Rechtsprechung kann ein erhöhter Aufwand für die Bearbeitung oder Überwachung von Pfändungen nicht auf den Kontoinhaber abgewälzt werden

Mit Absatz 9 werden Ausnahmetatbestände normiert, bei deren Vorliegen die Führung eines Girokontos mit Basisfunktionen für Zahlungsdienstleister unzumutbar ist. Sie orientieren sich zum überwiegenden Teil an den Ausnahmetatbeständen der ZKA-Empfehlung. Im Gegensatz zur Empfehlung des ZKA ist der Ausnahmekatalog aus Gründen der Rechtssicherheit abschließend.

Sollte das Kreditinstitut von der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber das vereinbarte Entgelt für die Kontoführung und -nutzung nicht erhalten, steht dem Kreditinstitut ein Kündigungsrecht aus § 314 BGB i.V.m. § 323 BGB zu, so dass auf die Übernahme der entsprechenden ZKA-Empfehlung verzichtet wird.

Absatz 10 umfasst die Rechtsfolgen, wenn die Eröffnung eines Zahlungskontos auf Guthabenbasis mit Basisfunktionen vom Zahlungsdienstleister verweigert wird. Die Ablehnung ist den Antragsstellern schriftlich mitzuteilen, wobei die Gründe der Ablehnung zu benennen sind. Nur mit einer schriftlichen Unterrichtung wird es möglich, die Entscheidung in einem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren oder gerichtlich nachprüfen zu lassen. Gleichzeitig ist die Antragsstellerin oder der Antragssteller über die verschiedenen Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung zu informieren. Sofern sich der Zahlungsdienstleister privaten Streitschlichtern unterworfen hat, ist die Antragsstellerin oder der Antragssteller über den zuständigen Ombudsmann zu unterrichten. Neben dem Ombudsmann ist auf das Schlichtungsverfahren nach § 14 Unterlassungsklagengesetz hinzuweisen und über das Beschwerdeverfahren nach § 28 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz zu informieren. Nach dem Unterlassungsklagegesetz haben Verbraucher die Möglichkeit, bei Streitigkeiten über die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu den Zahlungsdiensten, die Schlichtungsstelle der Deutschen Bundesbank anzurufen. Diese leitet, sofern sich der betroffenen Zahlungsdienstleister einer privaten Schlichtungsstelle unterworfen hat, die Streitfälle an den zuständigen Ombudsmann weiter. Neben dieser Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung sind die Antragssteller darüber zu informieren, dass ihnen bei behaupteten Verstößen durch einen Zahlungsdienstleister ein Beschwerderecht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zusteht.

Da außergerichtliche Verfahren oftmals nicht bekannt sind, sollen die Zahlungsdienstleister mit Nennung der Kontaktdaten auf sie aufmerksam machen.

Die Möglichkeit, das zuständige Gericht anzurufen, um eine verbindliche Entscheidung zu erlangen, bleibt erhalten.

Zu Art. 2 (§ 850k Abs. 7 Satz 4 neu)

Mit der Ergänzung in § 850k Abs. 7 Zivilprozessordnung wird klargestellt, dass die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos von den Kreditinstituten nicht zu einer Änderung des Zahlungsdienstevertrages, zu einer Einschränkung der Leistungen oder Gebührenanhebung führen darf. Dieser Ergänzung liegt die einschlägige Rechtsprechung zu Grunde. Beim Pfändungsschutzkonto handelt es nicht um ein eigenständiges Kontomodell, welches eigenständig bepreist werden könnte. Durch die Umwandlung wird die Art und Weise der Führung des bisherigen Girokontos modifiziert (LG Erfurt, Urt. v. 14.1.2011, Az.: 9 O 1772/10). Dieser Beurteilung liegt die Rechtsprechung des BGH zugrunde, der festgestellt hat, dass Entgeltklauseln, die Vergütungsansprüche für Leistungen vorsehen, zu deren Erbringung das Kreditinstitut entweder bereits gesetzlich oder aufgrund einer selbständigen vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist, mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar sind (BGH Urt. v. 21.4.2009, Az.: XI ZR 55/08).

Da die Urteile nur hinsichtlich der Beteiligten Bindungswirkungen entfalten, führte diese Rechtsprechung bisher nicht dazu, dass sich darüber hinaus Kreditinstitute verpflichtet fühlen, ihre Gebührenpraxis zu ändern.

Zu Art. 3 (Inkrafttreten)

Das Gesetz sieht zur Vorbereitung der Kreditinstitute eine Übergangszeit von drei Monaten vor.