Der Bundesrat hat in seiner 912. Sitzung am 5. Juli 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Initiative der Kommission, im engen Dialog mit den Mitgliedstaaten einen Regulierungsrahmen zu entwickeln, der der Konvergenz der Medientechnologie und Medienmärkte Rechnung trägt und das Ziel eines technologieneutralen und inhaltsorientierten Ansatzes verfolgt.
- 2. Er unterstützt die Kommission im Bemühen um fairen Wettbewerb und Zugang auch zu Premiuminhalten. Der Bundesrat betont die Notwendigkeit der Förderung europäischer Produktionen im Interesse der kulturellen Vielfalt angesichts des starken US-amerikanischen Marktes und unterstützt daher die Schaffung technikangemessener Förderansätze, die auf den bereits existierenden Förderinstrumenten aufbauen und diese ergänzen. Es steht zu erwarten, dass die bisher gebräuchlichen Quotenregelungen aufgrund geänderter Verbreitungsformen und Nutzungsgewohnheiten nicht mehr greifen.
- 3. Der Bundesrat erwartet, dass die Herstellung und Verbreitung europäischer Angebote einheitlichen Regeln unterliegen, die gegenüber Angeboten aus Drittstaaten nicht benachteiligen und anfallende Erlöse gerecht verteilen. Zur Sicherung der Verfügbarkeit und Attraktivität der europäischen Werke erscheint die teilweise Harmonisierung des Urheberrechts samt entsprechender Mechanismen für die Rechtedurchsetzung zielführend.
- 4. Der Bundesrat sieht in der Netzneutralität und der Gewährleistung offener Netze in allen Verbreitungstechniken eine wesentliche Voraussetzung für Freiheit und Medienpluralismus in Europa. Die relevanten Richtlinien sollten dahingehend überprüft werden, ob es geboten ist, Netzbetreiber, Plattformanbieter und Endgerätehersteller zu einer diskriminierungsfreien Verbreitung audiovisueller Inhalte zu verpflichten und das Ziel umfassender Interoperabilität von Hybridfernsehen anzustreben.
- 5. Der Bundesrat geht davon aus, dass eine unterschiedliche Regulierungsdichte für den funktionierenden Wettbewerb nur gerechtfertigt ist, wenn für Übertragungswege bestimmte Versorgungspflichten vorgesehen und ausreichend Entwicklungsperspektiven gesichert sind, insbesondere bei der Verteilung eines knappen öffentlichen Gutes wie Frequenzen.
- 6. Er bevorzugt einen einheitlichen Rechtsrahmen für lineare und nichtlineare audiovisuelle Angebote, um die in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) verankerten Werte auch in einer konvergenten Medienwelt abzusichern und zugleich der doppelten Rolle der Medien als Kultur- und Wirtschaftsgut gerecht zu werden. Der Bundesrat sieht in der Einführung gemeinsamer Regeln für alle Inhalte unabhängig von der technischen Verbreitung eine Stärkung des Binnenmarktes und keine Notwendigkeit, vom Herkunftslandprinzip abzuweichen. Der Bundesrat strebt den Erhalt der hohen Standards beim Jugend-, Daten- und Verbraucherschutz an, wie er heute im Bereich der linearen Medien eine Selbstverständlichkeit ist.
- 7. Der Bundesrat hält es angesichts der Entwicklungen bei Suchmaschinen, Plattformdiensten und Endgeräten für geboten, Freiheit und Pluralismus für die Bürgerinnen und Bürger in diesen Bereichen durch ungefilterten und freien Zugang zu Inhalten von allgemeinem Interesse zu gewährleisten. Der Bundesrat erkennt problematische Tendenzen einzelner Anbieter, eigene Angebote zu favorisieren, bezahlte Werbung von Suchergebnissen nicht zu trennen oder bezahlte Platzierungen nicht transparent zu machen und damit andere Angebote zu diskriminieren.
- 8. Der Bundesrat sieht dringenden Handlungsbedarf, die Regeln für kommerzielle Kommunikation aufgrund neuer Werbetechniken und dem Zusammentreffen verschiedener Regulierungsrahmen auf einem Bildschirm unter Berücksichtigung der gewachsenen Wahl- und Steuermöglichkeiten anzupassen, um wichtige Grundsätze, wie die klare Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung, aufrechtzuerhalten sowie einen gleichen Wettbewerb und eine faire Erlösverteilung zu gewährleisten. Dagegen ist im Bereich der quantitativen Werberegeln weitere Deregulierung geboten.
- 9. Er sieht die Notwendigkeit, die Integrität von Inhalten auch bei hybrider Empfangstechnik sicherzustellen. Eine Bildüberlagerung ("overlay") darf nur auf bewusste Steuerung des Nutzers erfolgen.
- 10. Der Bundesrat begrüßt alle Maßnahmen, die den Schutz von Minderjährigen verbessern, sei es zur Entwicklung des Selbstschutzes und der Eigenverantwortung der Kinder und Jugendlichen, sei es zur Förderung der Erziehungskompetenz oder Standards für die Fortbildung pädagogischer Fachkräfte. Er unterstützt die Fortentwicklung von benutzerautonomen Schutzkonzepten für eine Kontrolle auf allen Geräten und Plattformen, deren Bewerbung und Einsatz. Er hält einen europaweit geltenden Rahmen für die Klassifizierung von jugendgefährdenden Inhalten für sinnvoll, der nationale und regionale Besonderheiten berücksichtigt. Der Bundesrat empfiehlt eine Stärkung der freiwilligen Selbstkontrollen als Mittel der Koregulierung im Sinne des Artikels 4 Absatz 7 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, auch wenn dadurch staatliche Regulierung und Aufsicht nicht entbehrlich werden. Er fordert die Einrichtung eines effektiven Beschwerdemanagements und eine Intensivierung des grenzüberschreitenden Austauschs der Aufsichtsbehörden, um die Ahndung von Verstößen gegen Jugendschutzbestimmungen zu erleichtern.
- 11. Der Bundesrat hält - trotz der bereits erkennbaren Verbesserungen - die zusätzliche Förderung der Barrierefreiheit für Personen mit Behinderung für ein dringliches Anliegen der Medienpolitik aller Mitgliedstaaten, etwa durch regulatorische Anreize für entsprechende Investitionen.