936. Sitzung des Bundesrates am 25. September 2015
Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 gemäß Artikel 110 Absatz 3 des Grundgesetzes und zu dem Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 gemäß § 9 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft und gemäß § 50 Absatz 3 Satz 1 des Haushaltsgrundsätzegesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf und Finanzplan allgemein
- 1. In einem zunehmend schwierigen weltwirtschaftlichen Umfeld befindet sich die deutsche Wirtschaft - getragen von der erfreulichen Dynamik der Binnennachfrage - derzeit auf einem soliden Wachstumspfad. Dank der anhaltend positiven Entwicklung bei Beschäftigung und Einkommen bewegt sich die Konsumneigung der Verbraucher bisher auf hohem Niveau. Das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts wurde, auch aufgrund des schwachen Euros, im ersten Halbjahr 2015 zudem stark vom Export getragen, wobei es sich bei der Schwäche des Euros wie auch beim niedrigen Ölpreis um einen positiven, aber volatilen Effekt handelt.
- 2. Der wirtschaftliche Erfolg der letzten Jahre ist kein Selbstläufer. Aktuelle Prognosen gehen zwar von einer Fortsetzung des Aufschwungs aus. Ungeachtet der gegenwärtig positiven Entwicklungen und Prognosen ergeben sich vor allem aus den anhaltenden geopolitischen Konflikten auch Risiken für die deutsche Konjunktur, die nicht unterschätzt werden dürfen. Das außenwirtschaftliche Umfeld ist nach wie vor spürbar von Unsicherheit gekennzeichnet. Auch binnenwirtschaftlich bestehen Risiken. Eine mögliche mittelfristige Erhöhung des Zinsniveaus könnte eine Belastung nicht zuletzt für den Bundeshaushalt darstellen.
- 3. Der Bundeshaushalt 2016 wird - wie schon die beiden Vorgängerhaushalte ohne Nettoneuverschuldung auskommen. Die festgelegten haushaltswirtschaftlichen Eckwerte des Bundeshaushalts 2016 sowie der Finanzplan bis zum Jahr 2019 fallen besser aus als die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenregel. Diese Entwicklung wird erheblich durch die deutlichen Steuermehreinnahmen und das historisch niedrige Zinsniveau begünstigt. Der Bundesrat erkennt an, dass der Bund mit der Fortführung einer soliden und vorsorgenden Finanzpolitik einen wichtigen Schritt in Richtung finanzieller Nachhaltigkeit unternimmt.
- 4. Um die mittelfristigen Wachstumsperspektiven und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten, sind weitere Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur sowie höhere private Investitionen erforderlich. Der Bundesrat erkennt an, dass die Bundesregierung mit den Entlastungen für die Kommunen und einer Aufstockung der Infrastruktur-Investitionen im Bundeshaushalt 2016 hierfür bereits wichtige Akzente gesetzt hat. Dennoch bleibt festzuhalten, dass zeitlich befristete Bundesprogramme keinen Ersatz für eine ausreichende und dauerhafte Finanzierung der Länder und Kommunen darstellen.
- 5. Die wachsende Zahl von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Deutschland stellt Bund, Länder und Kommunen vor finanzielle, organisatorische und personelle Herausforderungen, denen nur durch ein eng abgestimmtes und koordiniertes Vorgehen begegnet werden kann. Der Bundesrat begrüßt, dass im Bundeshaushalt 2016 zur Bewältigung der steigenden Asylbewerberzahlen weitere Festlegungen hinsichtlich personeller und organisatorischer Maßnahmen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und bei der Bundespolizei, insbesondere hinsichtlich der Verbesserung der Personalausstattung sowie der Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Integrationskurse, getroffen wurden. Die Bewältigung der anhaltend hohen Asylsuchenden- und Flüchtlingszahlen ist eine gesamtstaatliche Aufgabe von allerdings dauerhafter Natur, bei der der Bund die Länder in vielfältiger Weise unterstützen kann und muss, insbesondere durch zusätzliche Bundesmittel für die Versorgung der Asylbewerber. Aber auch die kurzfristige Bereitstellung zusätzlichen Wohnraums im bezahlbaren Mietsegment zur Unterbringung anerkannter Flüchtlinge stellt eine gesamtstaatliche Aufgabe dar, die besonders in den Regionen mit ohnehin schon angespannten Wohnungsmärkten zusätzlicher Anstrengungen bedarf. Der Bundesrat erinnert an die Zusage der Bundesregierung, sich ab dem Jahr 2016 strukturell, dauerhaft und dynamisch an den gesamtstaatlichen Kosten, die in Abhängigkeit von der Zahl der Aufnahme der Asylbewerber und Flüchtlinge entstehen, zu beteiligen. Angesichts der erst unlängst dramatisch nach oben korrigierten Prognosen der zu erwartenden Asylbewerber ist die Finanzierungsbeteiligung des Bundes zur Lösung der ernsten und drängenden Probleme im Zusammenhang mit der Asylproblematik nunmehr zügig zu konkretisieren. Der Bundesrat erwartet eine substantielle Finanzierungsbeteiligung des Bundes, die das bislang für das Jahr 2015 in Aussicht gestellte Niveau deutlich überschreitet.
- 6. Einem attraktiven Schienenpersonennahverkehr ist im Rahmen einer effizienten und verantwortungsvollen Verkehrsinfrastrukturpolitik zentrale Bedeutung beizumessen. Dessen Finanzierung muss langfristig geregelt werden, um für Auftragsvergaben ausreichende Planungssicherheit zu gewährleisten. Der Bundesrat bedauert in diesem Zusammenhang, dass nach wie vor keine Einigung über die bereits im Jahr 2014 vorgesehene Revision der Regionalisierungsmittel mit Wirkung ab dem Jahr 2015 erzielt werden konnte und hinsichtlich des Dritten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes der Vermittlungsausschuss angerufen werden musste. Er erwartet nunmehr eine zeitnahe Einigung mit dem Ergebnis einer auf Dauer ausgerichteten und der Kostensteigerung entsprechenden Revision der Regionalisierungsmittel. Auf den durch den Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes (BR-Drs. 557/14(B) ) wird insoweit verwiesen.
- 7. Dem neuen gesellschaftlichen Verständnis nach einer inklusiven Gesellschaft im Lichte der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen wird in Deutschland unter anderem durch die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht Rechnung getragen. In diesem Kontext sind die gemeinsamen Inklusionsbemühungen von Bund, Ländern und Kommunen auch auf eine gesicherte finanzielle Grundlage zu stellen. Eine neue Kostendynamik im System der Eingliederungshilfe und Teilhabe zulasten der Haushalte von Ländern und Kommunen ist zu vermeiden. Der Bundesrat erinnert die Bundesregierung in diesem Zusammenhang an ihre bereits im Jahr 2012 gegebene Zusage, mit Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes eine Entlastung im Umfang von 5 Mrd. Euro jährlich bei den Kosten der Eingliederungshilfe herbeizuführen.
- 8. Mit Sorge betrachtet der Bundesrat das Vorhaben der EU-Kommission, periodenbasierte europäische Rechnungslegungsvorschriften (EPSAS) in der gesamten EU verbindlich einzuführen. Der Bundesrat hat hierzu in seiner Entschließung vom 14. Februar 2014 (BR-Drs. 811/13(B) ) seine Haltung ausführlich dargelegt. Demnach muss jedwede Maßnahme der EU in diesem Bereich den verfassungsrechtlichen Prinzipien der Budgethoheit der Parlamente des Bundes und der Länder Rechnung tragen. Die in Deutschland bestehenden und allesamt bewährten Optionen der Haushaltswirtschaft und Rechnungslegung müssen deshalb erhalten bleiben. Nach Auffassung des Bundesrates ist höchst zweifelhaft, ob die von der Kommission formulierten Ziele mit EPSAS überhaupt erreichbar sind und der Nutzen von EPSAS in einem verantwortbaren Verhältnis zu den erforderlichen Kosten steht. Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich, dass der Bundestag diese Auffassung teilt (BT-Drs. 18/4182). Er bittet die Bundesregierung, in den Verhandlungen mit der Kommission und den übrigen Organen der EU weiterhin den Standpunkt zu vertreten, dass die europäischen Rechnungslegungsvorschriften EPSAS allenfalls auf freiwilliger Basis eingeführt werden dürfen.
- 9. Die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verpflichtet die Mitgliedstaaten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Gewässer einen guten Zustand erreichen. Bei der Umsetzung der WRRL sowie des Nationalen Hochwasserschutzplanes handelt es sich um Aufgaben, die im Gemeinwohlinteresse wahrgenommen werden und EU-rechtlich vorgegeben sind. Es ist insoweit geboten, dass die zur Umsetzung erforderlichen Grundstücke des Bundes zu einem Wert überlassen werden, der jeweils bezogen auf den Wertermittlungsstichtag 1. Januar 2004 zu ermitteln ist. Darüber hinaus sind auf Bitten der Länder Erleichterungen bei den Zahlungsmodalitäten (z.B. Ratenzahlungen) einzuräumen. Der Bundesrat erwartet, dass die Bundesregierung die hierfür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen schafft.