971. Sitzung des Bundesrates am 19. Oktober 2018
A
Der federführende Rechtsausschuss (R) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat,
den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 176 Absatz 2 Satz 2 GVG)
In Artikel 1 Nummer 2 ist § 176 Absatz 2 Satz 2 wie folgt zu fassen:
"Ausnahmen kann der Vorsitzende im Einzelfall gestatten, wenn der Blick in das unverhüllte Gesicht weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung erforderlich ist."
Folgeänderungen:
- a) Im Vorblatt ist im Abschnitt "B. Lösung" der Satz 2 wie folgt zu fassen:
"Der Vorsitzende wirkt auf die Einhaltung des Verbots hin; er darf Ausnahmen gestatten, wenn der Schutzzweck des Verhüllungsverbotes nicht berührt wird."
- b) Die Begründung ist wie folgt zu ändern:
- aa) Im Abschnitt "A. Allgemeiner Teil" ist der Abschnitt "II. Lösung" wie folgt zu ändern:
- aaa) Die Absätze 4 bis 6 sind durch folgenden Absatz zu ersetzen:
"Der Vorsitzende soll Ausnahmen im Einzelfall dann gestatten können, wenn der Blick in das unverhüllte Gesicht weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung erforderlich ist."
- bbb) Die Absätze 8 und 9 sind zu streichen.
- aaa) Die Absätze 4 bis 6 sind durch folgenden Absatz zu ersetzen:
- bb) Im Abschnitt "B. Besonderer Teil" ist in der Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 2 der Absatz 2 durch folgende Absätze zu ersetzen:
" § 176 Absatz 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes sieht die Möglichkeit von einzelfallbezogenen Ausnahmen vom Gesichtsverhüllungsverbot vor. Dies gilt jedoch nur, wenn der Blick in das unverhüllte Gesicht weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung erforderlich ist. Nur wenn beide Belange nicht berührt werden, kann der Vorsitzende in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine Ausnahme im Einzelfall gestatten. Der Anwendungsbereich für derartige eng auszulegende Ausnahmen dürfte in der Praxis kaum relevant sein, weil die Wahrheitserforschungspflicht regelmäßig vorgeht. Anlass für eine Ausnahme könnte etwa sein, dass das Opfer eines Säureangriffs das entstellte Gesicht nicht zeigen möchte oder die Enthüllung des Gesichts nach Einschätzung des Gerichts sich gerade kontraproduktiv auf die Wahrheitsfindung auswirken kann. Zur Einhaltung des Verbots fordert der Vorsitzende zur Enthüllung des Gesichts auf und kann gegebenenfalls Ordnungsmittel (§§ 177, 178 des Gerichtsverfassungsgesetzes) androhen."
- aa) Im Abschnitt "A. Allgemeiner Teil" ist der Abschnitt "II. Lösung" wie folgt zu ändern:
2. Zu Artikel 2 Nummer 2 - neu - (§ 110b Absatz 3 Satz 4 - neu - StPO)
Artikel 2 ist wie folgt zu fassen:
'Artikel 2
Änderung der Strafprozessordnung
Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Dem § 68 Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:
" § 176 Absatz 2 ... (weiter wie Vorlage)."
2. Dem § 110b Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:
" § 176 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes findet auf den Verdeckten Ermittler keine Anwendung." "
Folgeänderungen:
Die Begründung ist wie folgt zu ändern:
- a) Im Abschnitt "A. Allgemeiner Teil" ist im Abschnitt "II. Lösung" in Absatz 11 nach Satz 2 folgender Satz einzufügen:
"Eine weitere Änderung der Strafprozessordnung wird zum Schutz der Verdeckten Ermittler vorgenommen."
- b) Im Abschnitt "B. Besonderer Teil" ist die Einzelbegründung zu Artikel 2 wie folgt zu ändern:
- aa) Dem bisherigen Text ist die Überschrift "Zu Nummer 1" voranzustellen.
- bb) Folgender Text ist anzufügen:
"Zu Nummer 2
Durch die Änderung des § 110b Absatz 3 der Strafprozessordnung wird klargestellt, dass das Verbot der Gesichtsverhüllung nicht für Verdeckte Ermittler gilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die audiovisuelle Vernehmung eines Verdeckten Ermittlers unter optischer und akustischer Abschirmung durchgeführt werden, wenn der Zeugenschutz nach § 110b Absatz 3 der Strafprozessordnung dies gebietet und andernfalls der Zeuge gerichtlich nicht vernommen werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2006 - 1 StR 87/06). Die Ausnahme vom Verbot der Gesichtsverhüllung soll an der Zulässigkeit der audiovisuellen Vernehmung unter optischer und akustischer Abschirmung im vorgenannten Sinne nichts ändern."
Begründung des Rechtsausschusses (nur gegenüber dem Plenum):
Die Einführung eines ausdrücklichen Verbotes der Gesichtsverhüllung während der Gerichtsverhandlung wird begrüßt.
Der Gesetzesantrag der Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern sollte allerdings um eine Ausnahme ergänzt werden. Es müssen verdeckte Ermittlungen umfassend geschützt und zu diesem Zweck Verdeckte Ermittler vom Verhüllungsverbot ausgenommen werden.
3. Zur Begründung Abschnitt "B. Besonderer Teil" (Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 2 Absatz 1 Satz 3, 8 und 9)*
* Vom Ausschuss für Innere Angelegenheiten als Folgeänderung beschlossen.
In der Begründung Abschnitt "B. Besonderer Teil" ist Absatz 1 der Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 2 wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 3 ist der Punkt am Ende durch die Wörter "oder zu Sicherheitszwecken eingesetzte Polizeibeamte als nicht verfahrensrechtlich beteiligte Anwesende." zu ersetzen.
- b) Die Sätze 8 und 9 sind durch den Satz "Nicht erfasst sind Bedeckungen des Haares und des Halsbereichs, die den Bereich zwischen Stirn und Kinn freilassen." zu ersetzen.
Begründung des Rechtsausschusses (nur gegenüber dem Plenum):
Es sollen zwei Klarstellungen erfolgen. So soll zum einen aus der Begründung deutlich werden, dass neben Zeugen auch die zu Sicherheitszwecken eingesetzten Polizeibeamten als nicht verfahrensrechtlich beteiligte Anwesende anzusehen sind und daher nicht unter das Verbot fallen. Zum anderen soll kein Zweifel daran gelassen werden, dass Bedeckungen des Haares und des Halsbereichs bereits nicht dem Verhüllungsverbot unterfallen; der im Gesetzesantrag bislang vorgesehenen Bewertung der Frage der Zulässigkeit bedarf es daher nicht.
B
4. Der Rechtsausschuss schlägt dem Bundesrat ferner vor, Minister Peter Biesenbach (Nordrhein-Westfalen) gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüssen zu bestellen.