Der Bundesrat hat in seiner 952. Sitzung am 16. Dezember 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Kontext sowie Gründe und Ziele des Vorschlags
- 1. Der Bundesrat begrüßt im Grundsatz den Verordnungsvorschlag im Hinblick auf die Förderung der Internetanbindung in Kommunen mit dem Ziel, künftig kostenlos drahtlose Internetverbindungen mit hoher Kapazität bereitzustellen. Er unterstützt ebenfalls die Auffassung, dass solche Zugangsmöglichkeiten Bürgerinnen und Bürgern einen beträchtlichen Nutzen bieten und sowohl digitale Kompetenzen als auch das Interesse an Breitbandangeboten steigern.
- 2. Der Bundesrat unterstützt überdies, dass jeder EU-Bürger und jede EU-Bürgerin das Recht auf eine funktionale und erschwingliche Internetanbindung haben soll. Die Schaffung von kostenlosen Wi-Fi-Zugangspunkten in Kommunen hält auch der Bundesrat für ein zielführendes Mittel, um eine digitale Gesellschaft voranzutreiben. Dies zeigt sich darin, dass viele Länder bereits mit eigenen Initiativen diesen Weg gehen.
Ergebnisse der Ex-Post-Bewertung, der Konsultation der Interessenträger und der Folgenabschätzung
- 3. Die Mitteilung zitiert das Ergebnis der öffentlichen Konsultation der Kommission zur Überprüfung des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation: Demzufolge wünschen sich zahlreiche Behörden und private Interessenträger, die die Einrichtung von Wi-Fi-Netzen in öffentlichen Räumen grundsätzlich unterstützen, einen angemessenen Rechtsrahmen für Fragen wie die Haftung des Zugangsanbieters. Auch der Bundesrat ist der Auffassung, dass offene Netze eine Voraussetzung für die Entwicklung der digitalen Gesellschaft sind und für eine flächendeckende Verbreitung von offenen Wi-Fi-Zugängen die Schaffung von Rechtssicherheit für deren Betreiber von grundlegender Bedeutung ist. Er bekräftigt insoweit seine unter anderem in BR-Drucksache 440/15(B) dargelegte Haltung, dass Maßnahmen wie eine Vorschaltseite oder eine Verpflichtung zur Verschlüsselung und Registrierung der Nutzer eine flächendeckende Verbreitung und Nutzung von WLAN-Zugängen hemmen bzw. verhindern. Dies steht dem begrüßenswerten Ziel der Kommission entgegen, das Interesse möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger an den Chancen der digitalen Gesellschaft durch offene Wi-Fi-Zugänge zu fördern. Aus Sicht des Bundesrates könnte eine Verschlüsselungs- und Registrierungspflicht - wie sie der EuGH in seiner Entscheidung vom 15. September 2016 zur Rechtssache C-484/14 als geeignete Schutzmaßnahme beschreibt - gerade diejenigen Bürgerinnen und Bürger von der Nutzung offener Wi-Fi-Zugänge abhalten, die den digitalen Möglichkeiten bislang wenig aufgeschlossen gegenüberstehen. Er regt daher auch mit Blick auf die notwendige Rechtssicherheit an, klarzustellen, dass Maßnahmen wie eine Vorschaltseite oder eine Verschlüsselung und Registrierung von Anbietern öffentlicher Wi-Fi-Zugänge gerade nicht gefordert werden.
- 4. Das Ziel der Kommission, für eine schnelle und flächendeckende Verbreitung offener Wi-Fi-Zugänge zu sorgen, würde erheblich beschleunigt, wenn Betreiber offener Wi-Fi-Zugänge ein vollumfängliches Access-Provider-Privileg erhalten. Dies würde viele öffentliche Einrichtungen, gewerbliche Anbieter und Privatleute ermutigen, solche Netzzugänge anzubieten. Eine solche Regelung sollte unter anderem verhindern, dass Access-Provider Haftungsrisiken ausgesetzt sind und beispielsweise auch die Kosten für Unterlassungsverfügungen tragen müssen.
- 5. Der Bundesrat hat allerdings ernsthafte Zweifel, ob die vorgesehene Mittelausstattung der Maßnahme und die Ausrichtung der Förderung allein auf Erstinvestitionen, ohne Berücksichtigung von Betriebs- und Folgekosten, einen ausreichenden Fördereffekt bewirken werden. Er bittet daher, im weiteren Verfahren die Mittelausstattung und die eng gefasste Ausrichtung der Förderung kritisch zu überprüfen.
- 6. Der Bundesrat bittet sicherzustellen, dass die Maßnahme keine marktgetriebenen Investitionen, Angebote und Dienste im Bereich Telekommunikation behindert. Er bittet daher, Regelungen vorzusehen, die unangemessene Wettbewerbsverzerrungen und Beeinträchtigungen des Wettbewerbs verhindern.
Zu Artikel 2 Nummer 6 - Drahtlose Internetanbindung in Kommunen
- 7. Der Bundesrat empfiehlt eine Prüfung und Präzisierung der in Artikel 2 Nummer 6 beschriebenen Voraussetzungen und Definitionen.
- 8. Er empfiehlt insoweit eine genaue Definition, wann Angebote im Sinne der Verordnung "bereits existierende ähnliche private oder öffentliche Angebote in demselben Gebiet duplizieren". Eine Klarstellung, inwieweit sich dies auf die Abdeckung eines Bereiches, eine Kommune als Ganzes oder die zur Verfügung gestellten Bandbreiten bezieht, wäre aus Sicht des Bundesrates wichtig, damit nicht Kommunen benachteiligt werden, die bereits Wi-FiZugänge zur Verfügung stellen oder in denen andere private oder gewerbliche Anbieter dies tun, denn in diesen meist bevölkerungsreichen Kommunen wäre die finanzielle Unterstützung von WLAN-Angeboten besonders wirkungsvoll. Unter dem Begriff "Gebiet" sollte daher lediglich das jeweilige Ausstrahlungsgebiet von bereits existierenden öffentlichen WLAN-Routern zu verstehen sein. Es wären also nur Projekte ausgeschlossen, die bereits existierende (zum Beispiel auch qualitativ) ähnliche öffentliche Angebote in demselben Gebiet, in dem bereits ein entsprechender WLAN-Router ausstrahlt, "duplizieren".
- 9. Der Bundesrat regt an, den Grenzwert für die Geschwindigkeiten der unterstützten Zugänge so hoch anzusetzen, dass Kommunen, die bereits Zugänge mit niedrigeren Geschwindigkeiten anbieten, weiterhin Unterstützung für Breitbandzugänge erhalten können. Dies wäre im Sinne einer Förderung der flächendeckenden Verbreitung von Breitbandzugängen.
- 10. Er regt an, die in Artikel 2 Nummer 6 beschriebenen Voraussetzungen zu prüfen: Wenn ausschließlich Wi-Fi-Zugangspunkte unterstützt werden, die auf "modernster Technologie" beruhen und "mit dem Zugang zu innovativen digitalen Dienstleistungen" verbunden sind, könnte dies einige Regionen und Kommunen ausschließen. Eine digitale Spaltung würde so gerade vorangetrieben. Der Bundesrat regt daher flexible Kriterien dafür an, unter welchen Voraussetzungen Zugangspunkte gefördert werden können.
Weitere Stellungnahme und Direktzuleitung an die Kommission
- 11. Der Bundesrat behält sich vor, den Verordnungsvorschlag auf Grundlage des jeweiligen Diskussionsstandes auf europäischer Ebene erneut aufzurufen und zu kommentieren.
- 12. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.