A. Problem und Ziel
Immer öfter erstellen Zuhörer, Prozessbeobachter oder auch Verfahrensbeteiligte in Gerichtsverhandlungen heimlich Bild- und/oder Tonaufnahmen und verbreiten sie anschließend im Internet. Besonders in Erscheinung treten dabei Personen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bestreiten, ihr Rechtssystem nicht anerkennen und den Repräsentanten des Staates ihre Legitimation absprechen (v.a. sogenannte "Reichsbürger"): Sie fertigen und verwenden ihre
Aufzeichnungen insbesondere zur Selbstdarstellung, Bloßstellung,
Einschüchterung oder Nötigung. Der rasante technische Fortschritt erlaubt es inzwischen auch praktisch jedermann, kaum erkennbare, oft preisgünstige Klein- und Kleinstgeräte zu erwerben und unauffällig Aufnahmen in guter Qualität zu fertigen.
In Bezug auf Gerichtsverhandlungen ist ein derartiges Verhalten besonders sozialschädlich, da es die geordnete Rechtspflege, namentlich die Rechts- und Wahrheitsfindung, sowie die Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten beeinträchtigen kann. Das regelmäßig heimliche Vorgehen verhindert zudem, dass Gerichtsvorsitzende die Aufnahmen und ihre spätere Veröffentlichung/ihren Gebrauch von Anfang an mit sitzungspolizeilichen Maßnahmen effektiv unterbinden können. Dass solche Fälle trotz der niedrigen Entdeckungswahrscheinlichkeit in jüngerer Zeit vermehrt festgestellt wurden, lässt auf ein erhebliches Dunkelfeld schließen.
Das geltende Recht, insbesondere das Strafrecht, gibt auf diese gefährliche Entwicklung keine befriedigende Antwort, obwohl die bedrohten Belange eindeutig
- - auch - für eine strafrechtliche Reaktion sprechen und effektive Schutzmaßnahmen erfordern. Das Droh- und Sanktionspotenzial bleibt damit begrenzt.
Eine eigenständige strafrechtliche Regelung kann diese Lücken wirksam schließen. Sie kann das erforderliche Bewusstsein für das Unrecht heimlicher Aufnahmen stärken, abschreckend wirken und zugleich unmissverständlich klarmachen, dass derartige Taten sozialschädlich sind und mit den hierdurch eröffneten strafprozessualen Möglichkeiten konsequent verfolgt und geahndet werden.
B. Lösung
Der Gesetzentwurf schlägt die Einführung eines Straftatbestands "Verbotene Aufnahmen in Gerichtsverhandlungen" in das Strafgesetzbuch vor. Danach soll mit Strafe bedroht werden, wer in einer Verhandlung vor dem erkennenden Gericht von einer daran beteiligten anderen Person ohne Wissen des Vorsitzenden eine Bild- oder Tonaufnahme herstellt oder überträgt. Daneben wird auch das Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer derart hergestellten Aufnahme unter Strafe gestellt.
Eine qualifizierte Strafdrohung ist vorgesehen, wenn sich die Tat auf eine während nichtöffentlicher Verhandlung hergestellte oder übertragene Aufnahme bezieht.
Daneben werden Regelungen zur Einziehung der Bild- und Tonträger und zur Strafbarkeit des Versuchs geschaffen.
C. Alternativen
Beibehaltung des bisherigen, unbefriedigenden Zustands.
D. Haushaltsaufgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten.
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner.
F. Weitere Kosten
Durch die Einführung eines neuen Straftatbestands können den Länderhaushalten Verfahrens- und Vollzugskosten entstehen, deren genaue Höhe sich nicht näher beziffern lässt.
Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen
Der Bayerische Ministerpräsident München, 28. März 2017
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuchs
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 353d die Angabe " § 353e Verbotene Aufnahmen in Gerichtsverhandlungen" eingefügt.
2. Nach § 353d wird folgender § 353e eingefügt:
" § 353e Verbotene Aufnahmen in Gerichtsverhandlungen
- (1) Wer in einer Verhandlung vor dem erkennenden Gericht von einer daran beteiligten anderen Person ohne Wissen des Vorsitzenden eine Bild- oder Tonaufnahme herstellt oder überträgt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine nach Satz 1 hergestellte Aufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht.
- (2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Bild- oder Tonaufnahme während nichtöffentlicher Verhandlung herstellt oder überträgt oder eine derartig hergestellte Aufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- (3) Der Versuch ist strafbar.
- (4) Die Bild- oder Tonträger, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung des Entwurfs und Notwendigkeit der Regelungen
In der forensischen Praxis ist zunehmend festzustellen, dass im Rahmen von Gerichtsverhandlungen heimlich Bild- und/oder Tonaufnahmen hergestellt und derartige Aufzeichnungen in der Folge nicht selten auch Dritten zugänglich gemacht werden. In Erscheinung treten insoweit insbesondere Zuhörer und Prozessbeobachter, bisweilen aber auch Verfahrensbeteiligte, die in ihrem Verhalten nicht selten von unlauteren, verfahrensfremden Motiven getragen sind.
Zu nennen sind zuvorderst Personen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bestreiten, das Rechtssystem nicht anerkennen und den Repräsentanten des Staates ihre Legitimation absprechen (v.a. sogenannte "Reichsbürger") und die ihre Aufzeichnungen insbesondere zu Zwecken der Selbstdarstellung, Bloßstellung, Einschüchterung oder Nötigung anfertigen und verwenden. Der rasante technische Fortschritt und die weitreichende Verfügbarkeit derartiger Geräte erlaubt es dabei praktisch jedermann, mit kaum erkennbaren, gleichwohl preisgünstigen Klein- und Kleinstgeräten unauffällig Aufnahmen in guter Qualität zu fertigen.
Entsprechende Aufnahmevorrichtungen sind häufig in äußerlich unverdächtigen Gegenständen wie Datenbrillen, Videokugelschreibern und Schlüsselanhängern versteckt, was die Raffinesse zeigt, mit der heimliche Aufzeichnungen getätigt werden. Derartige Gegenstände sind bei Einlasskontrollen nur schwer zu erkennen und auch in der Sitzung bleiben sie meist unentdeckt, da die Geräte zur Aufnahme nicht in Richtung der Verfahrensbeteiligten gehalten werden müssen und auch sonst unauffällig bedient werden können. Hinzu kommen die Aufnahmemöglichkeiten, die Alltagsgegenstände, wie Smartphones, Laptops und Tablets, serienmäßig bieten. Da derartige Gegenstände mit Blick auf berechtigte Belange von Verfahrensbeteiligten - namentlich wegen der zunehmenden elektronischen Aktenführung - oder der Medien nur eingeschränkt aus der Verhandlung verbannt werden können, besteht ein beträchtliches Risiko, dass die Aufnahmemöglichkeiten auch tatsächlich genutzt werden.
Das Phänomen der Bild- und Tonaufnahmen bei Gerichtsverhandlungen wird dadurch verstärkt, dass sich immer mehr Menschen unter Hintanstellung berechtigter Individual- und Allgemeininteressen berufen fühlen, Vorgänge durch digitale Aufzeichnungen festzuhalten, zu kommentieren und ggf. auch Dritten zugänglich zu machen.
Im Rahmen von Gerichtsverhandlungen ist ein derartiges Verhalten besonders sozialschädlich, da es die Belange einer geordneten Rechtspflege, den Prozess der Rechts- und Wahrheitsfindung und Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten beeinträchtigen kann. Das regelmäßig heimliche Vorgehen verhindert zudem, dass Gerichtsvorsitzende die Aufnahmen und ihre spätere Veröffentlichung/ihren Gebrauch von Anfang an mit sitzungspolizeilichen Maßnahmen effektiv unterbinden können. Dass solche Fälle trotz der niedrigen Entdeckungswahrscheinlichkeit in jüngerer Zeit vermehrt festgestellt wurden, lässt auf ein erhebliches Dunkelfeld schließen.
Das geltende Recht, insbesondere das Strafrecht, gibt auf derartiges Verhalten keine zufriedenstellende Antwort (hierzu unter 1.), obwohl besonders schutzwürdige Güter und Interessen (hierzu unter 2.) - auch - für eine strafrechtliche Reaktion sprechen und effektive Maßnahmen erfordern (hierzu unter 3.).
1. Aktuelle Gesetzeslage
De lege lata besteht keine umfassende Strafbarkeit von Bild- und/oder Tonaufnahmen im Rahmen von Gerichtsverhandlungen. Lediglich das Anfertigen von Tonaufnahmen in nichtöffentlicher Sitzung und das Gebrauchen bzw. Zugänglichmachen derart hergestellter Aufnahmen unterliegen unstreitig der Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Absatz 1 StGB. Darüber hinaus kommt eine Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (§ 33 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG) in Betracht, wenn Bildaufnahmen ohne die Zustimmung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Bei der Herstellung von Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen kommen häufig nur sitzungspolizeiliche Maßnahmen in Betracht, welche jedoch aufgrund ihrer insbesondere zeitlichen Grenzen und des heimlichen Vorgehens der Akteure kein umfassendes Vorgehen - vor allem auch keinen dauerhaften Einbehalt und (nach h. M.) keine Löschung von unbefugten Aufzeichnungen - ermöglichen.
Im Einzelnen:
a) Strafrechtliche Verbote
aa) Anfertigung von Aufnahmen
Das bloße Anfertigen von Bildaufnahmen ohne Einwilligung des Abgebildeten ist - unabhängig davon, ob es in einem Gerichtssaal stattfindet - grundsätzlich nicht strafbar. Insbesondere lässt sich derartiges Verhalten grundsätzlich nicht durch
§ 201a Absatz 1 Nummer 1 und 2 StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) erfassen.
Ist die Bildaufnahme als Filmaufnahme - wie wohl regelmäßig - auch mit Tonaufnahmen verbunden, kommt eine Strafbarkeit nach § 201 Absatz 1 Nummer 1 StGB in Betracht. Voraussetzung ist allerdings, dass es um die Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Worts geht. Da Gerichtsverhandlungen grundsätzlich öffentlich sind, fehlt es - jedenfalls nach herrschender Meinung (vgl. MüKo-Graf, StGB, 2 Aufl. 2012, § 201 Rn. 16; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 201 Rn. 10; Altenhain, Gutachten C zum 71. Deutschen Juristentag 2016, C 103) - bei den Äußerungen der Prozessbeteiligten im Rahmen der Verhandlung im Gerichtssaal an einem nichtöffentlich gesprochenen Wort. Im Ausnahmefall kann anderes gelten, etwa wenn vertrauliche Gespräche zwischen einem Verteidiger und seinem Mandanten oder Verständigungs-Gespräche im Richterzimmer mitgeschnitten werden. Auch bei nichtöffentlichen Gerichtsverhandlungen - z.B. Strafverfahren gegen Jugendliche oder bei Ausschluss der Öffentlichkeit nach §§ 170 ff. GVG - sind die Äußerungen im Gerichtssaal nichtöffentlich, da sie nicht für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis unmittelbar verstehbar sind (vgl. MüKoGraf a.a.O.Rn. 16; Leckner/Eisele a.a. O. Rn. 10).
bb) Veröffentlichung von Aufnahmen
Für Bildaufnahmen ist in der Regel erst die spätere Veröffentlichung oder Verbreitung strafrechtlich relevant. Das Verbreiten eines ohne Einwilligung des Betroffenen hergestellten Bildnisses kann nach § 33 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG strafbar sein. Ob die Tat, auch wenn keine Einwilligung des Abgebildeten vorliegt, im Einzelfall nach § 23 KunstUrhG gerechtfertigt sein kann, ist umstritten (verneinend Mitsch, ZRP 2014, 137, 140) und wohl nur einzelfallbezogen zu beantworten (vgl. Fricke, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3 Aufl. 2009, § 23 KUG Rn. 15 ff., 26; Dreier, in: Dreier/ Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 23 KUG Rn. 9). Die Strafverfolgung setzt gemäß § 33 Absatz 2 KunstUrhG einen Strafantrag des Verletzten voraus. Wenn die Bildaufnahme ausnahmsweise geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, kommt im Fall ihres Zugänglichmachens eine Strafbarkeit nach § 201a Absatz 2 StGB in Betracht, wobei auch hier die Strafverfolgung - jedenfalls grundsätzlich - von einem Strafantrag abhängig ist (vgl. § 205 Absatz 1 Satz 2 StGB).
Wer ein nichtöffentlich gesprochenes Wort unbefugt aufnimmt und diese Aufnahme einem Dritten zugänglich macht, z.B. auch per Einstellung in sozialen Netzwerken, auf YouTube, etc., macht sich nach § 201 Absatz 1 Nummer 2 StGB strafbar. Die
Strafverfolgung setzt hier einen Strafantrag des Verletzten voraus (vgl. § 205 Absatz 1 Satz 1 StGB). Hingegen wird die - auch ohne Zustimmung des Betroffenen erfolgende - Veröffentlichung von Aufnahmen des öffentlich gesprochenen Wortes von § 201 StGB nicht erfasst.
Unter besonderen Umständen kommt auch eine Strafbarkeit nach anderen Vorschriften (z.B. § 44 Absatz 1 i.V.m. § 43 Absatz 2 Nummer 1 BDSG, § 17 Absatz 2 UWG, § 353d Nummer 1, 2 StGB) in Betracht.
cc) Besitz von Aufnahmegeräten
Nach § 148 Absatz 1 Nummer 2 Buchst. a Telekommunikationsgesetz (TKG) macht sich strafbar, wer entgegen § 90 Absatz 1 Satz 1 TKG eine dort genannte Sendeanlage oder sonstige Telekommunikationsanlage besitzt, die ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuscht oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet ist und auf Grund dieser Umstände oder auf Grund seiner Funktionsweise in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt ist, das nicht öffentliche gesprochen Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen. Unabhängig davon, dass die Reichweite des Begriffs der "Telekommunikationsanlage" im Einzelnen nicht geklärt erscheint - namentlich ist unklar, ob vorauszusetzen ist, dass ihre Aufnahmen synchron übermittelt werden (vgl. Graulich, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 2 Aufl. 2015, § 90 Rn. 10; Foderà-Pierangeli, JurPC Web-Dok. 179/2008, Abs. 20 ff.; diff. MüKoAltenhain, StGB - Nebenstrafrecht II, 2. Aufl. 2015, § 148 Rn. 44 ff.) -, greift die Strafbarkeit nach dieser Regelung jedenfalls nicht für Mobiltelefone und Laptops, die aufgrund ihrer Funktionsweise auch für das unbemerkte Abhören oder die unbemerkte Bildaufnahme geeignet sind (und praktisch häufig auch verwendet werden), jedoch nicht hierzu bestimmt sind.
dd) Fazit
Die bestehenden strafrechtlichen Regelungen sind unzureichend: Vor allem die Herstellung von Bild- und Tonaufnahmen bei Gerichtsverhandlungen wird durch die strafrechtlichen Regelungen bislang nur sehr fragmentarisch erfasst. Bei Bildaufnahmen kommt eine strafrechtliche Sanktionierung grundsätzlich nur in den Fällen des Verbreitens und öffentlich Zugänglichmachens in Betracht, bei Tonaufnahmen nur die Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes und das Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer derartigen Aufnahme.
Wenn hiernach strafrechtliche Regelungen eingreifen, sind diese zudem auf den Individualschutz ausgerichtet, was u.a. darin zum Ausdruck kommt, dass die Strafverfolgung grundsätzlich einen Strafantrag des Verletzten voraussetzt (vgl. § 33 Ab- satz 2 KunstUrhG, § 205 StGB). Öffentliche Belange, namentlich solche der Rechtspflege, finden keine ausreichende Berücksichtigung. Auch greift der Strafrechtsschutz - gerade im Fall der Verbreitung der Bildaufnahmen - erst sehr spät ein. Insbesondere bei deren Veröffentlichung im Internet ist es kaum mehr möglich, die vollständige Löschung der Aufnahme zu erreichen. Hinzu kommt, dass es hier ohne besondere Mühe möglich ist, die Person des Verbreiters zu verschleiern und den strafrechtlichen Schutz ins Leere laufen zu lassen. Auch die Strafbarkeit des Besitzes von Aufnahmegeräten ("digitalen Spionagegeräten") kann das Phänomen nur partiell erfassen.
Infolge der strafrechtlichen Lücken kommen im Fall der Herstellung, Übertragung oder Verbreitung der Bild- und Tonaufnahmen nur eingeschränkt repressive Maßnahmen, wie insbesondere die Sicherstellung und Beschlagnahme von Bild- und Tonträgern (§§ 94 ff., 111b ff. StPO) sowie deren spätere Einziehung (§§ 74 ff. StGB) in Betracht. Damit werden nicht nur präventive Belange beeinträchtigt, sondern auch die Möglichkeit, durch geeignete strafprozessuale Mittel die betreffenden Personen ausfindig zu machen und gegen diese gegebenenfalls auch zivilrechtlich vorzugehen.
b) Nichtstrafrechtliche Maßnahmen gegen Aufnahmen im Rahmen von Gerichtsverhandlungen
Auch die sitzungspolizeilichen oder polizeilichen Regelungen enthalten ein nur begrenzt wirksames Instrumentarium zum Vorgehen gegen Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen.
aa) Maßnahmen nach dem Gerichtsverfahrensgesetz (GVG)
Das Gerichtsverfassungsrecht enthält für die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen, die nicht zur Veröffentlichung gedacht sind, kein Verbot.
§ 169 Satz 2 GVG bestimmt lediglich, dass Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig sind (zur Anwendbarkeit außerhalb des Bereichs der ordentlichen Gerichtsbarkeit vgl. § 52 Satz 4 ArbGG, § 55 VwGO, § 52 Absatz 1 FGO, § 61 Absatz 1 SGG). Im Wege sitzungspolizeilicher Maßnahmen nach § 176 GVG kann der Vorsitzende freilich über die Erlaubnis von Bild- und Tonaufnahmen in der Sitzung befinden, wobei er die Rechte der Betroffenen zu wahren hat (vgl. auch Nummern 128, 129 der Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldverfahren; zur Anwendbarkeit der §§ 176 ff. GVG außerhalb des Bereichs der ordentlichen Gerichtsbarkeit vgl. § 9 Absatz 2 Satz 1 ArbGG, § 55 VwGO, § 52 Absatz 1 FGO, § 61 Absatz 1 SGG). Problematisch ist insoweit jedoch, dass er von entsprechenden Aufnahmen häufig keine Kenntnis bekommt und von seinen sitzungspolizeilichen Befugnissen keinen Gebrauch machen kann. Es ist nicht selten nur dem Zufall zu verdanken, wenn beabsichtigte Aufzeichnungen rechtzeitig unterbunden werden können, weil das Anfertigen einer Aufnahme in der Sitzung oftmals nur schwer zu erkennen ist. Ist dies im Einzelfall anders, kommen Maßnahmen auf der Grundlage der §§ 176 ff. GVG in Betracht. Diese beinhalten (freilich mit gewissen Beschränkungen des Adressatenkreises) das Entfernen des Störers aus dem Sitzungssaal, Ordnungsgeld und Ordnungshaft.
Besteht ein gesetzlich oder gerichtlich angeordnetes Verbot, das Aufnahmen im Sitzungssaal untersagt, und liegen Anhaltspunkte vor, dass es zu Zuwiderhandlungen kommen wird, so können die Anwesenden zur Verhinderung verbotswidriger Aufzeichnungen dazu aufgefordert werden, mitgeführte Aufnahmegeräte abzugeben und diese bis zum Ende der Sitzung in Gewahrsam genommen werden (vgl. § 176 GVG).
Für den dauerhaften, d.h. über das Ende der Sitzung hinausgehenden Einbehalt des verwendeten Bild- oder Tonträgers bieten dagegen weder die sitzungspolizeilichen Maßnahmen des Gerichtsverfassungsrechts noch Ländergesetze über die sicherheits- und ordnungsrechtlichen Befugnisse der Justizbediensteten oder das Hausrecht des Gerichtsvorstandes eine ausreichende Grundlage (vgl. LR-Wickern, StPO, Bd. 10 - GVG, EGGVG, 26. Aufl. 2010, § 176 Rn. 28; Maul, MDR 1970, 287, 288; a. A. LG Ravensburg, NStZ-RR 2007, 348). Zweifelhaft und umstritten ist auch, ob eine ausreichende (gerichtsverfassungs-)gesetzliche Handhabe besteht, die Löschung bereits getätigter Aufnahmen zu veranlassen. Überwiegend wird dies - zumeist implizit - verneint und lediglich auf die Möglichkeit einer Inverwahrungnahme bzw. Wegnahme der Aufnahmeträger rekurriert (vgl. LR-Wickern a.a.O. § 176 Rn. 28; BeckOK-StPO/Walther, 27. Ed. 1.1.2017, § 176 GVG Rn. 16; Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Gutachten zum Verbot von Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen, 2013, S. 108; Maul, MDR 1970, 278, 288; bejahend hingegen Altenhain, Gutachten C zum 71. Deutschen Juristentag 2016, C 103). Selbst wenn man die Frage bejaht, bleibt die Schwierigkeit, dass eine Überprüfung der vollständigen Löschung zumeist nicht sicher möglich ist.
Da eine gefestigte Rechtsprechung zu dieser Thematik nicht vorhanden ist, werden - gerade auch in der Praxis - unterschiedliche Standpunkte bezüglich der Reichweite sitzungspolizeilicher Maßnahmen vertreten und die bestehende Rechtsunsicherheit beklagt (vgl. Altenhain a.a. O. C 104).
In Fällen, in denen erst nach der Sitzung bekannt wird, dass während der Verhandlung Aufnahmen gefertigt wurden, ist ein ordnungsrechtliches Eingreifen auf der Grundlage des Gerichtsverfassungsrechts nicht mehr möglich. Derartige Fälle sind auch nicht ungewöhnlich. So erlangen staatliche Stellen nach Sitzungsende von den Aufnahmen etwa dadurch Kenntnis, dass Parteien, Beschuldigte, Zeugen oder Dritte sich gegenüber dem erkennenden Gericht der Inhaberschaft derartiger Aufnahmen berühmen oder sie auf Veröffentlichungen im Internet aufmerksam gemacht werden.
bb) Maßnahmen nach Polizeirecht
Eine über die Sitzung hinausgehende Sicherstellung von Ton- oder Bildträgern kann unter Umständen durch präventive Maßnahmen auf der Grundlage des Polizeirechts bewirkt werden.
So kann nach dem VGH
Mannheim (NVwZ-RR 2008, 700) auch das Fotografieren einer Person, die sich nicht im persönlichen Rückzugsbereich, sondern in der Öffentlichkeit aufhält, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild) verstoßen und nach Maßgabe des Polizeirechts das Einschreiten der Polizei rechtfertigen. Der Verwaltungsgerichtshof sah die Beschlagnahme als Sicherungsmaßnahme im Hinblick auf den erst noch zu beantragenden gerichtlichen Rechtsschutz als rechtmäßig an. Die Polizei sei zu Recht von einer besonderen Dringlichkeit ausgegangen, da gerade die unbefugte Verfügungsmöglichkeit über eine Fotografie in Rede gestanden habe und ohne einen sofortigen polizeilichen Zugriff unkontrollierte Vervielfältigungen zu besorgen gewesen seien.
Hält der Vorsitzende Richter daher den dauerhaften, über das Ende der Sitzung hinausgehenden und somit von Maßnahmen der Sitzungspolizei gem. § 176 GVG nicht mehr gedeckten Einbehalt des Aufzeichnungsgeräts für erforderlich, so bleibt ihm nur die Möglichkeit, die zuständige Polizeidienststelle zu verständigen. Die Beamten der Polizei haben dann aufgrund eigener Kompetenzen über das weitere Vorgehen zu entscheiden (vgl. auch VGH Mannheim, NVwZ 2001, 1292; BVerwGE 143, 74; BVerfG, Beschl. v. 24.07.2015 - 1 BvR 2501/13).
Eine gleichsam automatische Pflicht zum Einschreiten lässt sich aus den gesetzlichen Regelungen aber nicht ableiten. Nicht übersehen werden darf auch, dass ein solches polizeiliches Tätigwerden zum Schutz privater Rechte regelmäßig nur dann in Betracht kommen wird, wenn ein Geschädigter, der sich durch die Aufnahme in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, auch zur Ergreifung zivilrechtlicher Rechtsbehelfe bereit ist. Überdies muss die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Aufnahme im Wege der Abwägung der Umstände des Einzelfalles durch die Polizeibeamten festgestellt werden.
cc) Fazit
Polizeiliche und sitzungspolizeiliche Regelungen bieten nur einen eingeschränkten, unzureichenden Schutz gegen (insbesondere heimliche) Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen. Die Reichweite der insoweit gewährten Befugnisse ist zudem in rechtlicher Hinsicht nicht abschließend geklärt. Hinzu kommt, dass hierauf gestützte Maßnahmen auch in ihren Wirkungen nicht hinreichend effektiv und abschreckend erscheinen, um eine Verletzung der betroffenen Güter und Interessen zu verhindern.
2. Schutzzwecke und Schutzgüter
Ein strafrechtliches Verbot, das heimliche Aufnahmen oder Übertragungen bei Gerichtsverhandlungen sowie spätere Verbreitungshandlungen sanktioniert, flankiert und ergänzt die Regelungen zu den sitzungspolizeilichen Befugnissen (§§ 176 ff. GVG). Hinter letztgenannten Regelungen steht der Schutz einer geordneten Rechtspflege, des Prozesses der Wahrheits- und Rechtsfindung sowie der Rechte der Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerfG, NJW 1996, 310). Auf diese Schutzzwecke richtet sich auch der Schutz der Strafnorm. Die Androhung und ggf. Durchsetzung einer Strafe soll darüber hinaus das erforderliche öffentliche Bewusstsein für die Illegitimität entsprechenden Verhaltens stärken, von derartigem Handeln abhalten und zugleich unmissverständlich klarmachen, dass derartige Taten sozialschädlich und auf der Basis der hierdurch eröffneten strafprozessualen Möglichkeiten konsequent zu verfolgen und zu ahnden sind. Im Einzelnen:
a) Schutz der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten
Das Verbot von Aufnahmen dient ganz wesentlich dem Schutz von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Verfahrensbeteiligten. Ton- und Bildaufnahmen, deren Übertragung und Verbreitung greifen in das grundgesetzlich geschützte Recht am eigenen Wort und am eigenen Bild ein. Die Herstellung und Übertragung geschieht dabei in der Sondersituation der Gerichtsverhandlung. Diese Sondersituation zeichnet sich dadurch aus, dass sich die meisten Verfahrensbeteiligten der Gerichtsverhandlung - im Gegensatz zu anderen Auftritten in der Öffentlichkeit - nicht freiwillig stellen und zugleich gehalten sind, an ihr durch persönliches Erscheinen und Wortbeiträge mitzuwirken (was die Möglichkeiten des Selbstschutzes einschränkt). Die exponierte Stellung der Verfahrensbeteiligten ist dabei dem Zweck des Verfahrens geschuldet. So haben Angeklagte und Zeugen die Pflicht, vor Gericht zu erscheinen und an der Verhandlung in gewisser Weise mitzuwirken. Zeugen sind beispielsweise verpflichtet, Angaben zu ihrer Person zu machen und je nach Verhandlungsstoff unter Umständen auch über intime und beschämende Details zu berichten (vgl. auch LR-Wickern, StPO, Bd. 10 - GVG, EGGVG, 26. Aufl. 2010, § 169 GVG Rn. 41). Mit dieser hoheitlich auferlegten Anwesenheits- und Mitwirkungspflichten korrespondiert die Pflicht des Staates, die Verfahrensbeteiligten effektiv vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu schützen.
Der Anspruch auf Schutz der Persönlichkeitsrechte erstreckt sich dabei auch auf Organe der Rechtspflege, namentlich Gericht, Staatsanwaltschaft und Rechtsanwälte, die kraft der ihnen obliegenden Aufgaben anlässlich ihrer Teilnahme an einer öffentlichen Gerichtsverhandlung im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen, mag auch der Umfang des Schutzes hinter dem der von dem Verfahren betroffenen Privatpersonen zurückbleiben (vgl. BVerfGE 119, 309, 323 f.; BVerfG, NJW 2014, 3013, 3014).
Der erforderliche Schutz der Persönlichkeitsrechte hat auch Auswirkungen auf die Bestimmung von dessen Reichweite. Zum Zwecke effektiven Schutzes ist es angezeigt, bereits den Prozess der Herstellung der Bild- und Tonaufnahmen wegen ihrer potenziell unbegrenzten Verbreitungsmöglichkeiten und wegen der Schwierigkeit der Kontrolle ihrer späteren Nutzung und Verwertung zu erfassen (vgl. auch BR-Drs. 492/16 (PDF) , S. 14). Es ist inzwischen jedermann ohne große Mühe möglich, Ton- und/oder Bildaufnahmen von einer anderen Person über das Internet oder soziale Netzwerke einer theoretisch weltweiten Öffentlichkeit auszusetzen. Sobald aber derartige Inhalte im Internet zugänglich sind, ist es praktisch unmöglich, sie dort wieder vollständig und dauerhaft zu löschen. Ein Zuwarten bis zur tatsächlichen Zugänglichmachung der Aufnahme würde die Rechtsverletzung erheblich vertiefen. Hierbei ist auch zu bedenken, dass sich die Ermittlung der Verantwortlichen bei Veröffentlichungsvorgängen über das Internet, insbesondere bei der Einbeziehung ausländischer Provider oder der Verwendung von Anonymisierungstechniken, äußerst schwierig bzw. unmöglich gestaltet. Erst recht erforderlich ist es, bereits die unbefugte Übertragung an Dritte ohne dauerhafte Speicherung (z.B. im Wege des Live-Streaming) vom Tatbestand zu erfassen, denn hierdurch wird der Kreis der Personen, die Kenntnis von den Vorgängen in der Hauptverhandlung haben, über die Gerichtsöffentlichkeit hinaus erweitert.
b) Schutz von Interessen der Rechtspflege
Neben den Aspekt des Persönlichkeitsschutzes treten die im Allgemeininteresse liegenden Belange der Rechtspflege, namentlich die Rechts- und Wahrheitsfindung sowie die Sicherstellung eines geordneten Verfahrensablaufs unter Wahrung des Anspruchs der Beteiligten auf ein faires Verfahren.
Wesentliches Anliegen einer Gerichtsverhandlung ist die Wahrheitsfindung. Sie ist von zentraler und unumstößlicher Bedeutung, da das Gericht an den nach seiner
Überzeugung als wahr festgestellten Sachverhalt verbindliche und teilweise auch empfindliche Rechtsfolgen knüpft. Für dieses zentrale Gut gehen von heimlich angefertigten Bild- und Tonaufnahmen Gefahren aus. Das betrifft insbesondere die Gefahr, dass auf diese Weise gerichtlich noch nicht vernommenen Zeugen der bisherige Verhandlungsverlauf wortlautgetreu zur Kenntnis gelangen kann und sie ihr Aussageverhalten - bewusst oder unbewusst - an diesen anpassen können. Hierdurch wird dem Gericht auch die Konfrontation von Zeugen mit Widersprüchen zwischen ihrer Aussage und dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme als Instrument der Wahrheitsfindung genommen.
Zu denken ist ferner an eine durch die Verbreitung bewusst tendenziöser Aufnahmen erzeugte Vorverurteilung des Angeklagten eines Strafprozesses in sozialen Netzwerken und der öffentlichen Wahrnehmung. Auch führt eine Mitteilung in Bild und Ton, die das mutmaßliche Tatgeschehen mit dem Angeklagten in Verbindung bringt, insbesondere dann zu erheblichen Beeinträchtigungen, wenn der Angeklagte von den Tatvorwürfen ganz oder zum Teil freigesprochen wird oder wenn sich die Vorwürfe nicht oder jedenfalls nicht vollständig erhärten lassen (vgl. BR-Drs. 429/16 (PDF) , S. 11).
Mit Blick auf Zeugen, aber auch andere Verfahrensbeteiligte ist insbesondere auch daran zu denken, dass diese durch Bild- oder Tonaufnahmen ihres Auftretens vor Gericht Gefährdungen, insbesondere Bedrohungen oder Angriffen aus der Öffentlichkeit, ausgesetzt sein können, etwa wenn Bilder von Polizeibeamten als Zeugen auf extremistischen Internetseiten verbreitet werden (vgl. auch LR-Wickern, StPO, Bd. 10 - GVG, EGGVG, 26. Aufl. 2010, § 169 GVG Rn. 41). Derartige Aufnahmen kollidieren nicht nur mit berechtigten Persönlichkeitsinteressen, sondern sind auch geeignet, Belange der Rechtspflege zu beeinträchtigen, indem sie das Verhalten von Verfahrensbeteiligten beeinflussen und diese beispielsweise einschüchtern oder mit öffentlichen Erwartungshaltungen konfrontieren. Wenn - gerade bei Verhandlungen zu öffentlich kontrovers diskutierten Fällen oder schwierigen Verfahrensbeteiligten - mit der unbefugten Herstellung und ggf. Verbreitung von Bild- und/oder Tonaufzeichnungen gerechnet werden muss und Verfahrensbeteiligte befürchten, Objekt einer zurechtgeschnittenen Schau zu werden, wird ein ungezwungenes Verhalten erschwert. Verfahrensbeteiligte können sich dazu gedrängt sehen, ihr Verhalten anzupassen und jede Bewegung, Formulierung oder Betonung hierauf einzurichten (vgl. auch BVerfGE, 103, 44, 68 f.). Die Freiheit, die mit der Flüchtigkeit des Verhaltens, namentlich des gesprochenen Wortes, einhergeht und ein unbefangenes Auftreten und Aussageverhalten in der Gerichtsverhandlung ermöglicht, geht dadurch verloren. Andererseits besteht auch die Gefahr, dass sich Verfahrensbeteiligte in Kenntnis oder Erwartung von heimlichen Aufnahmen als Selbstdarsteller inszenieren und hierdurch der Prozess der Rechts- und Wahrheitsfindung beeinträchtigt wird.
Die mit Ton- und Bildaufnahmen verbundenen Gefahren können auch Organe der Rechtspflege betreffen. Das gilt namentlich mit Blick auf die Gefahr, dass heimlich angefertigte Aufzeichnungen von Gerichtsverhandlungen in entstellter, wirklichkeitsverzerrender Form oder versehen mit schmähenden Kommentaren im Internet auftauchen und dort rasend schnell - und zugleich mit der Gefahr von Nachahmungstaten - Verbreitung finden. Dass derartiges Verhalten geeignet ist, das Ansehen der Justiz und damit auch die Autorität des Staates zu untergraben, liegt auf der Hand.
c) Rechtssicherheit
Nebeneffekt einer strafrechtlichen Regelung, die ohne Wissen des Vorsitzenden hergestellte, übertragene oder verbreitete Bild- oder Tonaufnahmen bewehrt, ist, dass die Rechtssicherheit im Umgang mit derartigen Fällen und insbesondere den Tatwerkzeugen gestärkt wird. Derzeit behelfen sich die einzelnen Justizbehörden in der Praxis auf unterschiedlichen Wegen. Diese reichen von einer extensiven Auslegung der sitzungspolizeilichen Befugnisse (Sicherstellung und Inverwahrungnahme der Aufnahmen nach Entdeckung, vgl. LG Ravensburg, NStZ-RR 2007, 348, bzw. Anordnung der Löschung der Aufnahme) über die extensive Auslegung des Straftatbestands der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, § 201 Absatz 1 Nummer 1 StGB (nichtöffentlich gesprochenes Wort trotz öffentlicher Hauptverhandlung, so etwa AG München, Beschl. v. 24.08.2015 - ER IV Gs 5350/15, unveröffentlicht; LG München I, Beschl. v. 26.10.2015 - 12 Qs 21/ 15, unveröffentlicht; ferner Mitsch, ZRP 2014, 137, 139) bis hin zum Verbot der Mitnahme elektronischer Geräte in kritischen Verfahren und intensiven Einlasskontrollen zur vorläufigen Sicherstellung solcher Geräte.
Diese Vorgehensweisen zeigen das in der Praxis vielfach gesehene Bedürfnis, effektiv gegen die Anfertigung (insbesondere) heimlicher Aufnahmen im Sitzungssaal vorzugehen und die unterschiedlichen Versuche, sich mangels einer klaren oder als ausreichend empfundenen gesetzlichen Regelung selbst zu behelfen. Eine entsprechende Strafnorm, die unbefugte Aufnahmen in Gerichtsverhandlungen bewehrt, dient damit letztlich auch der Sicherstellung eines einheitlichen Umgangs mit heimlichen Bild- und Tonaufnahmen im Rahmen von Gerichtsverhandlungen sowie zur Vermeidung einer Überdehnung bestehender gesetzlicher Regelungen. Zugleich wird auch die Anwendung strafprozessualer Instrumente eröffnet und insbesondere die Möglichkeit der Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen geschaffen.
3. Folgerungen
Eine eigenständige strafrechtliche Regelung kann die aufgezeigten Gesetzeslücken im Interesse der genannten Schutzgüter schließen und das erforderliche Bewusstsein für die Illegitimität entsprechenden Verhaltens stärken, von derartigem Handeln abhalten und zugleich unmissverständlich klarmachen, dass derartige Taten sozialschädlich sind und auf der Basis der hierdurch eröffneten strafprozessualen Möglichkeiten zu verfolgen und zu ahnden sind.
Auch der 71. Deutsche Juristentag 2016 hat sich in seiner Strafrechtsabteilung unter der Überschrift "Öffentlichkeit im Strafverfahren - Transparenz und Schutz der Verfahrensbeteiligten" mit dem Thema befasst und mit großer Mehrheit (74 : 19 : 18) beschlossen:
"Die rechtswidrige Herstellung von Bild- und Tonaufnahmen in der Hauptverhandlung und deren Veröffentlichung sollte unter Strafe gestellt werden."
II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Der Gesetzentwurf schlägt die Einführung eines Straftatbestands "Verbotene Aufnahmen in Gerichtsverhandlungen" ins Strafgesetzbuch vor. Danach soll mit Strafe bedroht werden, wer in einer Verhandlung vor dem erkennenden Gericht von einer daran beteiligten anderen Person ohne Wissen des Vorsitzenden eine Bild- oder Tonaufnahme herstellt oder überträgt. Daneben wird auch das Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer derart hergestellten Aufnahme unter Strafe gestellt.
Eine qualifizierte Strafdrohung ist vorgesehen, wenn sich die Tat auf eine während nichtöffentlicher Verhandlung hergestellte oder übertragene Aufnahme bezieht.
Daneben werden Regelungen zur Einziehung der Bild- und Tonträger und zur Strafbarkeit des Versuchs geschaffen.
III. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Art. 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).
Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.
IV. Auswirkungen
Durch die Einführung eines neuen Straftatbestands können den Länderhaushalten Verfahrens- und Vollzugskosten entstehen, deren genaue Höhe sich nicht näher beziffern lässt.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuchs)
Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung zur Einfügung von § 353e StGB.
Zu Nummer 2 (§ 353e StGB)
Der Gesetzentwurf entscheidet sich dafür, die Norm im 30. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs zu verankern und sie unmittelbar nach § 353d StGB als neue Vorschrift § 353e StGB "Verbotene Aufnahmen in Gerichtsverhandlungen" einzufügen. Zwar will die Überschrift des 30. Abschnitts - Straftaten im Amt - zu dem Jedermannsdelikt der verbotenen Aufnahmen bei Gerichtsverhandlungen auf den ersten Blick nicht recht passen. Doch sind in diesem Abschnitt wegen des Sachzusammenhangs auch Delikte geregelt, die keine Amtsträgereigenschaft voraussetzen (vgl. Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, Vorbem. zu §§ 331 ff. Rn. 1). Maßgeblich für eine entsprechende Einordnung spricht der enge Regelungszusammenhang mit § 353d StGB:
§ 353d StGB enthält eine Zusammenfassung - vom Schutzgut unterschiedlicher - strafbewehrter Mitteilungsverbote über Gerichtsverhandlungen. Während § 353d Nummer 1 StGB dem Schutz der Sicherheit des Staates dient, bezweckt § 353d Nummer 2 StGB die Wahrung von Belangen der Sicherheit des Staates, des Persönlichkeits- und des Geheimnisschutzes.
§ 353d Nummer 3 StGB dient schließlich dem Schutz sowohl der Unbefangenheit wie auch der Persönlichkeitsinteressen der Verfahrensbeteiligten. Verbindendes Element der in § 353d StGB zusammengefassten Tatbestände ist der Umstand, dass unzulässige Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen oder mit Bezug hierauf unter Strafe gestellt werden. Vorliegend geht es dagegen nicht um Mitteilungen, sondern um Aufnahmen bei Gerichtsverhandlungen, wobei bereits das Stadium des Anfertigens der Aufnahme und nicht erst die Informationsweitergabe, das Zugänglichmachen unter Strafe gestellt wird. Trotz des engen Bezugs fügt sich der hiesige Regelungsgegenstand daher nicht mehr ohne systematischen Bruch in das Gefüge des § 353d StGB ein.
Der enge Bezug kommt - über das verbindende Elemente des Schutzes im Zusammenhang mit Gerichtsverhandlungen - insbesondere darin zum Ausdruck, dass die Regelungen in § 353e StGB-E und in § 353d Nummer 3 StGB einen weitgehend gleichgerichteten doppelten Schutz verfolgen. In beiden Fällen geht es um den Schutz sowohl von Belangen der Rechtspflege, insbesondere der Rechts- und Wahrheitsfindung, wie auch von Persönlichkeitsinteressen der Verfahrensbeteiligten. Während allerdings bei § 353e StGB-E das besondere Persönlichkeitsrecht in Gestalt des Rechts am eigenen Bild und am eigenen Wort hinsichtlich aller Verfahrensbeteiligten betroffen ist, richtet sich § 353d Nummer 3 StGB auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des vom Verfahren Betroffenen, der durch Veröffentlichung "amtlicher Papiere" nicht an den Pranger gestellt werden soll, noch bevor überhaupt eine gerichtliche Überprüfung erfolgt ist (vgl. LK-Vormbaum, StGB, 12. Aufl. 2009, § 353d Rn. 39 m.w. N.). Während bei § 353d Nummer 3 StGB v.a. das Allgemeininteresse am Schutz der Unbefangenheit von Verfahrensbeteiligten in Rede steht, dient der neue § 353e StGB weitergehend dem Schutz rechtsstaatlicher Belange, wie insbesondere des Prozesses der Rechts- und Wahrheitsfindung und dem Interesse an einem geordneten Verfahren (vgl. oben sub A. I. 2.
b). Anders als bei § 353e StGB-E bleibt der Schutz nach § 353d Nummer 3 StGB der Sache nach auch auf bestimmte Verfahrensarten (Straf-, Bußgeld-, Disziplinarverfahren) beschränkt.
Der kumulative Schutz von Allgemein- und Individualinteressen, insbesondere die Ausrichtung (auch) auf Belange der Rechtspflege, spricht andererseits entscheidend gegen eine Einordnung der Regelung in den Kontext der Vorschriften über die Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, mithin in den 15. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs.
Zu Absatz 1
Zu dem Merkmal "Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht"
Der Tatbestand beschränkt sich auf ein Verbot von Aufnahmen, die in einer "Verhandlung vor dem erkennenden Gericht" hergestellt oder übertragen werden. Insoweit knüpft die Regelung an die gleichlautende Formulierung in § 169 Satz 1 GVG an. Die - mündliche - Verhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache und schließt mit der Beendigung der amtlichen Tätigkeit des Gerichts nach Verkündung des Urteils. Nicht zur Verhandlung gehören die Zeiten zwischen Beginn der Sitzung und Beginn der Verhandlung, zwischen Ende der Verhandlung und Ende der Sitzung sowie während der Verhandlungspausen (vgl. LR-Wickern, StPO, Bd. 10 - GVG, EGGVG, 26. Aufl. 2010, § 169 GVG Rn. 7, 42). Durch die Begrenzung der Vorschrift auf das Stadium der "Verhandlung" wird insbesondere dem berechtigten Interesse der Presse an der Herstellung von Bild- und Tonaufnahmen in der Sitzung (aber außerhalb der Verhandlung) Rechnung getragen (vgl. etwa BVerfGE 91, 125; BVerfG, NJW 2000, 2890; NJW 2002, 2021; NJW 2003, 2523; NJW 2009, 350).
Erkennendes Gericht meint den Spruchkörper, der die Endentscheidung in der Sache zu treffen hat, und zwar in der vom Gesetz jeweils vorgeschriebenen Besetzung.
Die Eingrenzung auf Verhandlungen "vor dem erkennenden Gericht" hat zur Folge, dass Verfahrensabschnitte nicht erfasst werden, in denen andere Richter tätig werden als diejenigen, die zur Mitwirkung im Hauptverfahren und der hierauf bezogenen Entscheidung berufen sind. Dies betrifft etwa die Tätigkeit eines ersuchten oder beauftragten Richters oder Verhandlungen, die das Verfahren wegen Richterablehnung betreffen (vgl. LR-Wickern, StPO, Bd. 10 - GVG, EGGVG, 26. Aufl. 2010, § 169 GVG Rn. 6). In diesen Stadien ist das Verfahren nicht öffentlich (vgl. § 169 Satz 1 GVG). Die Gefahr von heimlichen Bild- und Tonaufzeichnungen bzw. -übertragungen ist dadurch deutlich reduziert; bei Tonaufnahmen greift überdies der Schutz des § 201 Absatz 1 StGB. Zugleich wird damit auch der unterschiedlichen Bedeutung der Verfahrensabschnitte Rechnung getragen. Schließlich lassen auch die in der forensischen Praxis gesammelten Erkenntnisse eine weitergehende Tatbestandsfassung (derzeit) nicht als geboten erscheinen.
Die Vorschrift enthält darüber hinaus keine Begrenzung auf bestimmte Gerichtszweige oder Verfahrensarten (abweichend § 353d Nummer 3 StGB). Heimliche Ton- und Bildaufnahmen bzw. -übertragungen können zwar bislang vor allem im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, namentlich der Strafgerichtsbarkeit, festgestellt werden. Im Einzelfall können aber auch Verhandlungen im Bereich der Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und möglicherweise auch der Finanzgerichtsbarkeit betroffen sein. Es erschiene willkürlich, bestimmte Verfahrensarten prinzipiell auszunehmen, zumal es häufig mehr von dem konkreten Fall und der Person des Täters abhängt, ob entsprechende Tathandlungen vorgenommen werden, als von dem betroffenen Gerichtszweig oder der betroffenen Verfahrensart.
Zu dem Merkmal "Bild- oder Tonaufnahme von einer daran beteiligten anderen Person"
Gegenstand der Tat sind Bild- und/oder Tonaufnahmen von einer an der Verhandlung beteiligten anderen Person.
Der Begriff der "Bildaufnahme" ist wie bei § 201a StGB zu verstehen. Gemeint sind gegenständliche, perpetuierbare und zur Vervielfältigung oder Übertragung geeignete Verkörperungen eines visuell erfassbaren Abbilds, insbesondere Film- und Fotoaufnahmen. Nicht umfasst sind hingegen bloße Zeichnungen oder Karikaturen (vgl. Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 201a Rn. 4), deren Erfassung angesichts der Regelungsintention auch nicht erforderlich erscheint. Eine dauerhafte Verkörperung ist, wie sich aus der Tatvariante des "Übertragens" ergibt, nicht vorausgesetzt.
Für die "Tonaufnahme" gilt Entsprechendes. Erfasst wird insbesondere die Aufzeichnung akustischer (und auf eine Person zurückführbarer) Signale in Form des gesprochenen Wortes, aber etwa auch in Gestalt von Weinen, Schluchzen o.ä.
Häufig wird zugleich eine Bild- und eine Tonaufnahme vorliegen.
Geschützt werden nur Bild- und/oder Tonaufnahmen von einer an der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht beteiligten anderen Person. Dabei muss die betroffene Person auf der Aufnahme nicht zwingend (deutlich und vollständig) erkennbar sein. Erforderlich ist jedoch, dass sie - ggf. auch über die ebenfalls aufgenommene Umgebung - grundsätzlich identifizierbar ist. Die Beschränkung des Tatbestands auf Aufnahmen von Personen trägt dem Umstand Rechnung, dass die Vorschrift neben dem Schutz von Interessen der Rechtspflege maßgeblich auch auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte abzielt.
Der geschützte Personenkreis umfasst Verfahrensbeteiligte, also Personen, die im Rahmen der Verhandlung unmittelbar mitwirken und hierauf bezogene Aufgaben und Pflichten haben - etwa Richter nebst ehrenamtlichen Richtern, Staatsanwälte, Urkundsbeamte, Parteien und deren Prozessvertreter, Angeklagte und Verteidiger, Nebenkläger und Nebenklägervertreter, Zeugen und Sachverständige - in Abgrenzung zu bloßen Zuhörern und Prozessbeobachtern. Dass Zuhörer und Prozessbeobachter nicht erfasst werden, rechtfertigt sich insbesondere daraus, dass die Verfahrensbeteiligten sich anders als Zuhörer und Prozessbeobachter der Verhandlung nicht notwendig freiwillig stellen, den Verfahrensbeteiligten besondere Funktionen bei der Rechts- und Wahrheitsfindung zukommen, primär die Verfahrensbeteiligten im Fokus öffentlichen Interesses stehen und sich dementsprechend heimliche Bild- und Tonaufnahmen auch praktisch auf diesen Personenkreis konzentrieren.
Erfasst wird nur die Aufnahme von einer anderen verfahrensbeteiligten Person. Dies trägt dem Übermaßverbot Rechnung. Wenn etwa ein Verteidiger sein eigenes Plädoyer ohne Wissen des Vorsitzenden auf einen Tonträger aufzeichnet, besteht kein ausreichendes Strafbedürfnis.
Täter kann demgegenüber jeder sein. Lediglich der Vorsitzende des Gerichts scheidet hier aus, da die Tat nur ohne sein Wissen begangen werden kann.
Zu den Tathandlungen
Tathandlungen nach Satz 1 sind das Herstellen und Übertragen, Tathandlungen nach Satz 2 das Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer Bild- und Tonaufzeichnung.
Die Tatvariante des Herstellens umfasst, angelehnt an das zu § 201a Absatz 1
Nummer 1 StGB anerkannte Begriffsverständnis, sämtliche Handlungen, mit denen optische oder akustische Informationen auf einem analogen oder digitalen Träger abgespeichert werden (vgl. BT-Drs. 015/2466, S. 5). Ebenfalls in Anlehnung an § 201a Absatz 1 Nummer 1 StGB ist die zweite Tatvariante ausgestaltet. Mit dem Begriff der Übertragung sollen auch hier Fälle des Livestreamings ohne dauerhafte Speicherung erfasst werden (vgl. SSW-Bosch, StGB, 3. Aufl. 2016, § 201a Rn. 18). Wenn die Übertragung durch Speicherung verkörpert wird, liegt darin bereits ein Herstellen.
Die Tathandlung nach Satz 2 erfasst - vergleichbar § 201 Absatz 1 Nummer 2, § 201a Absatz 1 Nummer 3 StGB - zunächst das Gebrauchen der nach Satz 1 hergestellten Aufnahme. Gebrauchen ist jede Nutzung der Ton- oder Bildaufnahme für eigene oder fremde, private oder öffentliche, persönliche oder kommerzielle Zwecke; namentlich auch das Speichern, Kopieren und Archivieren. Erfasst ist auch eine Verwendung nur gegenüber der betroffenen Person, etwa zu nötigenden oder beleidigenden Zwecken (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 201a Rn. 15). In der zweiten Alternative des Satzes 2 wird darauf abgestellt, dass die Aufnahme einer dritten Person zugänglich gemacht wird. Dies ist - wie auch bei § 201a Absatz 2 StGB - der Fall, wenn dem Dritten der Zugriff auf die Aufnahme an sich oder die Kenntnisnahme ihres Inhalts ermöglicht wird (vgl. Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 201a Rn. 15a).
Zum Merkmal "Ohne Wissen des Vorsitzenden"
Tatbestandsmäßig sind nur Bild- und Tonaufnahmen bzw. -übertragungen, die ohne Wissen des oder der Vorsitzenden angefertigt werden. Bereits aus diesem Grund scheiden Aufnahmen aus, die zu Verfahrenszwecken (vgl. LR-Wickern, StPO, Bd. 10 - GVG, EGGVG, 26. Aufl. 2010, § 169 GVG Rn. 46) oder sonst mit Zustimmung des oder der Vorsitzenden angefertigt worden sind. Die Beschränkung des Wortlauts auf die maskuline Form ("des Vorsitzenden") dient lediglich der sprachlichen Vereinfachung.
Eine - aus Sicht des Vorsitzenden - heimliche Aufzeichnung oder Übertragung nimmt dem Vorsitzenden die Möglichkeit, von seinen sitzungspolizeilichen Befugnissen nach § 176 GVG Gebrauch zu machen. Hierdurch werden zugleich die dahinter stehenden Schutzinteressen (s.o.) beeinträchtigt oder jedenfalls gefährdet. Darüber hinausgehend erscheint es nicht geboten, das tatbestandliche Handeln zusätzlich von eine Zustimmung des Vorsitzenden abhängig zu machen. Als Organ der Rechtspflege ist der Vorsitzende gehalten, im Falle einer Beeinträchtigung berechtigter Interessen durch Bild- und/oder Tonaufnahmen im Rahmen der Verhandlung einzuschreiten. Nimmt er entsprechendes Verhalten ohne Beanstandung hin, so lässt sich - jedenfalls für die strafrechtliche Bewertung - auch das Nichteinschreiten als eine bewusste Entscheidung (vgl. Nummer 129 Absatz 3 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren) werten, die es nicht als unabdingbar geboten erscheinen lässt, die Strafbarkeit auch auf diese Fälle zu beziehen.
Infolge der Anknüpfung der Strafbarkeit an ein Handeln ohne Wissen des Vorsitzenden steht die Vorschrift der Möglichkeit nicht entgegen, dass der Vorsitzende unter Abwägung der betroffenen Belange im Einzelfall auch außerprozessualen Zwecken dienende Bild- und/oder Tonaufnahmen im Rahmen der Verhandlung zulässt.
Zum Vorsatz
Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln (vgl. § 15 StGB), wobei dolus eventualis ausreichend ist. Bei einem Ortstermin des Gerichts muss der Täter insbesondere erfassen, dass es sich hierbei um eine "Verhandlung" im Sinne der Vorschrift handelt.
Zur Rechtswidrigkeit
Für Fragen der Rechtfertigung gelten die allgemeinen Grundsätze. Angesichts des kumulativen Schutzes von Allgemein- und Individualinteressen kann das Einverständnis des von der Bild- oder Tonaufnahme betroffenen Verfahrensbeteiligten weder tatbestandsausschließend noch rechtfertigend wirken. Insoweit entspricht die Rechtslage im Ergebnis der bei § 353d Nummer 3 StGB (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 27.06.2014 - 2 BvR 429/12, NJW 2014, 2777, Rn. 26 bis 28). Freilich kann in solchen speziellen Konstellationen das Unrecht der Tat im Ausnahmefall derart gering sein, dass hierauf nicht mit dem Mittel der Strafe reagiert werden muss. Das vorhandene rechtliche Instrumentarium, namentlich die Vorschriften über die Opportunitätseinstellung gem. §§ 153 ff. der Strafprozessordnung, bietet insoweit hinreichende Möglichkeiten einer angemessenen Sachbehandlung im Einzelfall.
Wo Bild- und/oder Tonaufzeichnungen oder -übertragungen im Einzelfall gesetzlich erlaubt sind, entfällt die Strafbarkeit. So regelt etwa § 17a Bundesverfassungsgerichtsgesetz die Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Soweit die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind, erfolgen die Aufnahmen selbst dann rechtmäßig, wenn sie nicht offen, sondern heimlich und damit ohne Wissen des Vorsitzenden entstehen.
Zur Strafdrohung
Als Strafdrohung sieht der Tatbestand Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor. Dieser Strafrahmen erscheint ausreichend, aber auch erforderlich, um das Unrecht der Tat angemessen zu ahnden. Auch fügt sich die Strafdrohung damit in den Kontext der der Regelung verhältnismäßig nahe stehenden Straftatbestände (§§ 201, 201a, 353d StGB, §§ 33 Abs. 1, 22, 23 KunstUrhG, § 148 Abs. 1 Nr. 2 TKG) mit den dortigen Strafdrohungen ein.
Zu Absatz 2
Absatz 2 sieht eine Strafschärfung vor, wenn die Bild- und Tonaufzeichnung während nichtöffentlicher Verhandlung hergestellt oder übertragen wird. Davon umfasst sind sowohl Fälle, in denen die Verhandlung bereits kraft Gesetzes nichtöffentlich ist (vgl. § 48 Absatz 1 JGG, § 170 GVG), als auch Fälle, in denen die Öffentlichkeit kraft Gerichtsbeschlusses ausgeschlossen ist (vgl. etwa §§ 48 Absatz 3 Satz 2, 104 Absatz 2, 109 Absatz 1 Satz 4 JGG, §§ 171a, 171b, 172 GVG). Sofern letztgenannte Fälle betroffen sind, greift die qualifizierte Strafdrohung nur ein, wenn die Aufzeichnung oder Übertragung während des Zeitraums erfolgt, zu dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen war. Die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung wird nicht dadurch aufgehoben, dass das Gericht einzelnen Personen den Zutritt gestattet (vgl. § 175 Absatz 2 GVG, § 48 Absatz 2 JGG; siehe MüKo-Graf, StGB, 2 Aufl. 2012, § 201 Rn. 16; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 201 Rn. 10).
Das erhöhte Unrecht der Tat ergibt sich aus den Sachgründen, die hinter den jeweiligen Regelungen zum Ausschluss der Öffentlichkeit stehen und diese legitimieren, insbesondere also aus besonderen Geheimnis- oder Persönlichkeitsschutzinteressen.
Absatz 2 unterfallende Taten werden auch nicht bereits durch die Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Absatz 1 StGB ausreichend erfasst. Denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf Tonaufzeichnungen und findet auf reine Bildaufnahmen keine Anwendung. Zudem schützt sie lediglich Individualinteressen, was zur Folge hat, dass die Strafverfolgung grundsätzlich von einem Strafantrag des Verletzten abhängig ist (vgl. § 205 Absatz 1 Satz 1 StGB) und dessen Einverständnis den Tatbestand oder jedenfalls die Rechtswidrigkeit ausschließt.
Zu Absatz 3
Absatz 3 ordnet in allen Fällen die Strafbarkeit des Versuchs an (vgl. §§ 12, 23 Absatz 1 StGB). Erfasst werden auf diese Weise namentlich die Fälle, in denen der Täter alles für die Aufzeichnung oder Übertragung Notwendige getan hat, es aber beispielsweise aus technischen Gründen nicht zu einer tatrelevanten Aufzeichnung oder Übertragung kommt.
Zu Absatz 4
Die Einziehung der Aufnahmen bzw. der Datenträger ist im Fall von Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Alternative 1 und 2 bereits auf der Grundlage von § 74 StGB möglich. Im Fall von Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Alternative 3 ermöglicht Absatz 4 Satz 1 die Einziehung der Aufnahmen bzw. der Datenträger, da sie als bloße Beziehungsgegenstände anzusehen sind; auch dann müssen nach § 74 Absatz 4 StGB die Voraussetzungen von § 74 Absatz 2 oder 3 StGB erfüllt sein. Nach Absatz 4 Satz 2 ist die Einziehung gegenüber tatunbeteiligten Dritten auch in den Fällen des § 74a StGB möglich.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.