Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 6)

A. Problem und Ziel

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes wurde am 20. November 1989 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. In der Bundesrepublik Deutschland ist diese Konvention am 5. April 1992 mit der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft getreten, zunächst allerdings mit Vorbehalten. Am 15. Juli 2010 hat die Bundesregierung gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen erklärt, dass sie die 1992 erklärten Vorbehalte zurücknimmt. Seitdem gelten die Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention vorbehaltlos für alle in Deutschland lebenden Kinder.

Kinder sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts selbst Träger subjektiver Rechte sowie Wesen mit eigener Menschenwürde und einem eigenen Recht auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit (BVerfG vom 29. Juli 1968, BVerfG 24, 119). Dies kommt in der derzeitigen Fassung des Grundgesetzes jedoch nicht explizit und damit nicht deutlich genug zum Ausdruck. Zur Hervorhebung der besonderen Bedeutung sollen deshalb die Berücksichtigung des Wohls und der Interessen von Kindern in den Verfassungstext aufgenommen werden.

B. Lösung

Einfügung eines neuen Absatzes 5 in Artikel 6 des Grundgesetzes, der die Grundrechte von Kindern ausdrücklich benennt. Der bisherige Absatz 5 wird Absatz 6.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen

Für die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen und für die sonstigen Kosten hat die Grundgesetzänderung keine unmittelbaren Folgen.

Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6)

Die Ministerpräsidentin Düsseldorf, 21. März 2017

des Landes Nordrhein-Westfalen

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6) zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 31. März 2017 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Hannelore Kraft

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6)

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen enthält bereits seit 2002 in Artikel 6 Absätze 1 und 2 gesonderte Kinderrechte; in vergleichbarer Form gilt dies auch für die Mehrzahl der anderen Länderverfassungen.

Durch Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes, der das Elternrecht zur Pflege und Erziehung ihres Kindes garantiert, wird Kindern kein eigenes Grundrecht zugewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. April 2008 die Subjektstellung des Kindes gestärkt und festgestellt, dass "Kinder nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung sind", sondern dass ein K i.d.R. chtssubjekt und Grundrechtsträger ist, dem "die Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten". Das Grundgesetz enthält bislang allerdings kein ausdrücklich normiertes eigenständiges Grundrecht für Kinder.

Viele Verbände, Nicht-Regierungs-Organisationen und Persönlichkeiten fordern seit Jahren, die Rechte von Kindern zu verstärken und dies durch Erwähnung der Grundrechte von Kindern im Grundgesetz zum Ausdruck zu bringen. Die Stellung von Kindern in der Gesellschaft soll so gestärkt und das allgemeine Bewusstsein dafür geschärft werden, dass Kinder eigene Grundrechte haben, die zu respektieren sind.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Die gewählte Formulierung als Ergänzung des Artikel 6 konzentriert sich auf die Umsetzung zweier zentraler Bestimmungen aus der UN-Kinderrechtskonvention: dem "Kindeswohlprinzip" aus Artikel 3 Absatz 1 und dem "Recht auf Beteiligung und Berücksichtigung" aus Artikel 12 Absatz 1. Sie greift damit zwei Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention auf, die im geltenden Recht und in der Rechtspraxis derzeit noch nicht hinreichend beachtet werden. Gleichzeitig ist sie dynamisch und trägt dem Entwicklungsstand und dem Reifegrad des betroffenen Kindes Rechnung.

Dabei geht es nicht um eine pauschale Gleichstellung von Kindern und Erwachsenen (Kinder sind eben nicht "Kleine Erwachsene"), sondern um eine Interessenabwägung, die das bestehende Ungleichgewicht im Kontext der konkreten Umstände des Einzelfalls beleuchtet. Kindesinteressen müssen nicht unweigerlich überwiegen, sind aber bei jeder Entscheidung mit zu bedenken, die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche hat.

Die neue Normstruktur des Artikel 6 Grundgesetz garantiert, dass das in Absatz 2 und 3 geregelte Elternrecht nicht angetastet wird und regelt gleichzeitig den Auftrag an den Gesetzgeber zur Überprüfung und gegebenenfalls Erweiterung der bisherigen Beteiligungsrechte, was durch einfachgesetzliche Regelung umgesetzt werden kann. Ergänzt wird dies durch die ausdrückliche Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft auf den Schutz und die Förderung von Kindern und die Sorge für kindgerechte Lebensbedingungen.

Zu Artikel 2

Artikel 2 bestimmt, dass dieses Gesetz einen Tag nach seiner Verkündung in Kraft tritt.