A. Problem und Ziel
Das mit dem Verlust eines nahestehenden Menschen verbundene Leid ist unermesslich. Selbst bei einer fremdverursachten Tötung steht nahen Angehörigen nach ständiger Rechtsprechung nur dann ein Schmerzensgeldanspruch gegen den Verantwortlichen zu, wenn sie eine eigene Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 823 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erleiden. Dafür müssen psychische Beeinträchtigungen wie von den nahen Angehörigen empfundene Trauer und Schmerz medizinisch fassbar sein und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene im Todesfall erfahrungsgemäß ausgesetzt sind (grundlegend: Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 11. Mai 1971 - VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163, 165 f.; zuletzt: BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 - VI ZR 8/14, NJW 2015, 2246, 2247). Abgesehen von diesem Schadensersatz bei sogenanntem Schockschaden kann zwar der Ersatz von materiellen Schäden wie Beerdigungskosten, entgangener Unterhalt sowie entgangene Dienste verlangt werden. Für ihr seelisches Leid erhalten die Hinterbliebenen jedoch bisher keine Entschädigung. Auch eigene Schmerzensgeldansprüche, die von den Hinterbliebenen als Rechtsnachfolger des Getöteten geltend gemacht werden könnten, hat der Getötete in der Regel nicht erworben. Tritt der Tod sofort durch die schädigende Handlung ein, verliert der Geschädigte in diesem Moment die für die Entstehung eines Schmerzensgeldanspruchs erforderliche Rechtsfähigkeit.
Hinterbliebene sollen künftig im Sinne einer Anerkennung ihres seelischen Leids wegen der Tötung eines ihnen besonders nahestehenden Menschen von dem hierfür Verantwortlichen eine Entschädigung verlangen können.
B. Lösung
Im Fall der fremdverursachten Tötung sieht der Gesetzentwurf für Hinterbliebene, die zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld für das zugefügte seelische Leid gegen den für die Tötung Verantwortlichen vor, der sowohl bei der Verschuldens- als auch bei der Gefährdungshaftung gewährt wird.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner.
F. Weitere Kosten
Es ist mit weiteren Kosten in Höhe von jährlich nicht mehr als 240 Mio. Euro für die Erfüllung von Ansprüchen auf Hinterbliebenengeld zu rechnen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 9. Februar 2017
Die Bundeskanzlerin
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 23.03.17
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
Dem § 844 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Mai 2016 (BGBl. I S. 1190) geändert worden ist, wird der folgende Absatz 3 angefügt:
(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
Artikel 2
Änderung des Arzneimittelgesetzes
Dem § 86 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 11 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) geändert worden ist, wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
Artikel 3
Änderung des Gentechnikgesetzes
Dem § 32 Absatz 4 des Gentechnikgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2066), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 13 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) geändert worden ist, werden die folgenden Sätze angefügt:
"Der Ersatzpflichtige hat zudem dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
Artikel 4
Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche
Dem Artikel 229 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), das zuletzt durch Artikel 55 des Gesetzes vom 8. Juli 2016 (BGBl. I S. 1594) geändert worden ist, wird folgender § ... [einsetzen: nächste bei der Verkündung freie Zählbezeichnung] angefügt:
" § ... [einsetzen: nächste bei der Verkündung freie Zählbezeichnung]
Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Wenn die [zum Tode führende] Verletzung nach dem ... [einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 1 dieses Gesetzes] eingetreten ist, sind die durch das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld ... [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle] geänderten Vorschriften in folgenden Gesetzen anzuwenden:
- 1. Bürgerlichen Gesetzbuch,
- 2. Arzneimittelgesetz,
- 3. Gentechnikgesetz
- 4. Produkthaftungsgesetz,
- 5. Umwelthaftungsgesetz,
- 6. Atomgesetz,
- 7. Straßenverkehrsgesetz und
- 8. Haftpflichtgesetz."
Artikel 5
Änderung des Produkthaftungsgesetzes
Dem § 7 des Produkthaftungsgesetzes vom 15. Dezember 1989 (BGBl I S. 2198), das zuletzt durch Artikel 180 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
Artikel 6
Änderung des Umwelthaftungsgesetzes
Dem § 12 des Umwelthaftungsgesetzes vom 10. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2634), das zuletzt durch Artikel 9 Absatz 5 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) geändert worden ist, wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
Artikel 7
Änderung des Atomgesetzes
Das Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1843) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 15 wird wie folgt geändert:
- a) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:
(3) Die Deckungsvorsorge darf zur Erfüllung von Ansprüchen nach § 28 Absatz 3 nur herangezogen werden, wenn dadurch nicht die Deckung der Ersatzansprüche sonstiger Geschädigter beeinträchtigt wird."
- b) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4 und dem Wortlaut wird folgender Satz vorangestellt:
"Die nach Absatz 3 nachrangig zu erfüllenden Ersatzansprüche gehen den nachrangig zu erfüllenden Ersatzansprüchen nach den Absätzen 1 und 2 vor. "
2. Dem § 28 wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
3. In § 39 Absatz 1 wird die Angabe "1 und 2" durch die Angabe "1 bis 3" ersetzt.
Artikel 8
Änderung des Straßenverkehrsgesetzes
Dem § 10 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 24. Mai 2016 (BGBl. I S. 1217) geändert worden ist, wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
Artikel 9
Änderung des Haftpflichtgesetzes
Dem § 5 des Haftpflichtgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Januar 1978 (BGBl. I S. 145), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) geändert worden ist, wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
Artikel 10
Änderung des Luftverkehrsgesetzes
Das Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 698), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28 Juni 2016 (BGBl. I S. 1548) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Dem § 35 wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
2. Dem § 72 wird folgender Absatz 6 angefügt:
(6) Der durch das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld vom ... [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle dieses Gesetzes] angefügte § 35 Absatz 3 gilt nicht, wenn sich der Unfall vor dem ... [einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 12 dieses Gesetzes] ereignet hat."
Artikel 11
Änderung des Gesetzes zur Durchführung des Ersten Abkommens zur Vereinheitlichung des Luftprivatrechts
In § 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Durchführung des Ersten Abkommens zur Vereinheitlichung des Luftprivatrechts in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 96-2, veröffentlichten bereinigten Fassung wird die Angabe " §§ 21, 22 und 24" durch die Angabe " §§ 35, 36 und 38" ersetzt.
Artikel 12
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Der historische Gesetzgeber des zum 1. Januar 1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) stand dem Ersatz von Nichtvermögensschäden sehr zurückhaltend gegenüber. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) hat der Gesetzgeber dann aber bereits über die deliktische Verschuldenshaftung hinaus durch § 253 Absatz 2 BGB einen allgemeinen Anspruch auf Schmerzensgeld auch für die Gefährdungshaftung und für die Vertragshaftung eingeführt. Dieser Anspruch steht jedoch nur unmittelbar Geschädigten zu, die durch eine Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung in eigenen Rechtsgütern betroffen sind.
Mittelbar Betroffene, die keine Verletzung in eigenen deliktisch geschützten Rechten erlitten haben, sind vom geltenden Recht nur ausnahmsweise geschützt und dies auch nur für materielle Schäden: Im Falle einer fremdverursachten Tötung können die Hinterbliebenen nach den §§ 844 und 845 BGB Beerdigungskosten und entgangenen Unterhalt sowie entgangene Dienste ersetzt verlangen. Immaterieller Schadensersatz in Gestalt eines Schmerzensgeldes wird den Hinterbliebenen vom geltenden Recht im Gegensatz zu zahlreichen anderen europäischen Ländern nur ausnahmsweise gewährt. Voraussetzung dafür ist, dass die Hinterbliebenen unmittelbar geschädigt sind, weil sie infolge der Tötung eines nahen Angehörigen eine eigene Gesundheitsbeschädigung im Sinne der §§ 823 Absatz 1 und 253 Absatz 2 BGB erlitten haben. Haftungsauslösend ist für den immateriellen Schadensersatz dann nicht die Tötung des anderen, sondern die eigene Gesundheitsbeschädigung. Eine solche Gesundheitsbeschädigung liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn sich das mit dem Verlust des Angehörigen verbundene seelische Leid in medizinisch relevanter Weise auf die körperliche Befindlichkeit der Hinterbliebenen auswirkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss der jeweilige Anspruchsteller darlegen und ggf. beweisen, dass sein seelisches Leid noch über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgeht, denen Hinterbliebene beim Tod eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind (grundlegend: BGH, Urteil vom 11. Mai 1971 - VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163, 165 f.; zuletzt: BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 - VI ZR 8/14, NJW 2015, 2246, 2247).
Die in Folge einer fremdverursachten Tötung von Hinterbliebenen erlittene Trauer und das seelische Leid werden vom geltenden Recht demnach als entschädigungslos hinzunehmendes Schicksal angesehen.
Hinterbliebenen, die in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zum Getöteten standen, soll nun ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf angemessene Entschädigung in Geld für das zugefügte seelische Leid eingeräumt werden. Unabhängig vom Nachweis einer medizinisch fassbaren Gesundheitsbeeinträchtigung (in Gestalt eines "Schockschadens") hat der für die Tötung Verantwortliche dem Hinterbliebenen eine Entschädigung für dessen seelisches Leid zu leisten. Die Entschädigung soll und kann keinen Ausgleich für den Verlust des Lebens darstellen. Was der Verlust eines Menschen für seine Hinterbliebenen bedeutet, kann ebenfalls nicht in Geld bemessen werden. Mit der Entschädigung soll der Hinterbliebene jedoch in die Lage versetzt werden, seine durch den Verlust des besonders nahestehenden Menschen verursachte Trauer und sein seelisches Leid zu lindern.
Der Gesetzentwurf trägt zugleich der Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Rechnung, die nationale Rechtsordnung müsse nach Artikel 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention nahen Angehörigen eines Getöteten jedenfalls bei einer möglichen staatlichen Mitverantwortung für den Todesfall auch einen zivilrechtlichen Geldanspruch einräumen (EGMR, Urteil vom 17. März 2005, Bubbins ./. Großbritannien, Nr. 50196/99, Rn. 166 ff.; EGMR, Urteil vom 3. April 2001, Keenan ./. Großbritannien, Nr. 27229/95, Rn. 125 ff.). Da die Neuregelung auch auf Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 des Grundgesetzes (GG) Anwendung findet, deckt sie solche Fallgestaltungen mit ab.
II. Anwendungsbereich
Die Einbeziehung von Fällen der Gefährdungshaftung in den Anwendungsbereich des Hinterbliebenengeldes ist geboten: Die Trauer der Hinterbliebenen um den Getöteten ist unabhängig davon, ob dieser sein Leben durch eine schuldhafte Handlung eines anderen oder durch eine haftungsbewehrte Gefahrenquelle verloren hat, deren Gefährlichkeit sich im Tod des Angehörigen und dem hierdurch bedingten Leid realisiert hat, und die ein anderer zu verantworten hatte. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld besteht nicht nur für diejenigen nebengesetzlichen Gefährdungshaftungen, in die er mit diesem Gesetz ausdrücklich aufgenommen wird, sondern er gilt zum Beispiel über § 117 Absatz 1 des Bundesberggesetzes (BBergG) auch für die Bergschadenshaftung nach den §§ 114 ff. BBergG.
Ein Hinterbliebenengeld soll nur bei einer fremdverursachten Tötung gewährt werden, nicht hingegen dann, wenn eine schwere Verletzung eines besonders nahestehenden Menschen der Grund für zugefügtes Leid ist. Die seelischen Belastungen von Menschen, die einem schwer Verletzten besonders nahestehen, sind zwar oftmals nicht weniger groß als jene, die die Hinterbliebenen eines Getöteten erleiden. Dem überlebenden Geschädigten stehen allerdings eigene Schmerzensgeldansprüche nach § 253 Absatz 2 BGB gegen den Verantwortlichen zu, so dass schon jetzt Ansprüche wegen der Beeinträchtigung immaterieller Interessen bestehen können. Zudem vermeidet die Festlegung auf das in Todesfällen zugefügte Leid drohende Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen schweren Verletzungen, bei denen zugefügtes Leid einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld auslösen würde, und solchen Verletzungen, bei denen dies nicht der Fall wäre.
Den Anspruch auf Hinterbliebenengeld über die Deliktshaftung hinaus auf die Vertragshaftung auszudehnen, ist nicht erforderlich: Die Hinterbliebenen werden häufig nicht in den Schutzbereich eines zwischen dem Getöteten und dem für die Tötung Verantwortlichen abgeschlossenen Vertragsverhältnisses einbezogen sein, so dass sie aus diesem Vertrag auch keine eigenen Ansprüche werden herleiten können. Für die verbleibenden Fälle ist zu berücksichtigen, dass nebeneinander bestehende vertragliche und deliktische Ansprüche wegen der Tötung eines Angehörigen zu weitgehend parallelen Ergebnissen führen würden. Ist der Tod durch eine Pflichtverletzung nach § 280 Absatz 1 BGB verursacht worden, ist in der Regel auch ein deliktischer Anspruch auf Hinterbliebenengeld gegeben. Ein zusätzlicher vertraglicher Anspruch auf Hinterbliebenengeld hätte daher kaum eigenständige Bedeutung. Lediglich § 618 Absatz 3 BGB und § 62 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB) erklären für bestimmte Vertragsverhältnisse die Vorschriften der §§ 844 bis 846 BGB nach geltendem Recht in der Vertragshaftung für entsprechend anwendbar. Dieser Verweis soll sich künftig gleichermaßen auf § 844 Absatz 3 des Entwurfs zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB-E) erstrecken.
Ausnahmsweise soll auch für die Passagierschadenshaftung im Luftverkehr ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld bestehen. Zwar beruht diese Haftung auf einem Beförderungs- oder Reisevertrag. Wegen des Ausschlusses der allgemeinen deliktsrechtlichen Ansprüche des nationalen Haftungsrechts (Artikel 24 Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Warschauer Abkommen; RGBl. 1933 II S. 1039), Artikel 29 Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen; BGBl. 2004 II, S. 458, Artikel 3 Absatz 1 Verordnung (EG) Nr. 2027/97 (ABl. L 285 vom 17.10.1997, S. 1) in Verbindung mit Artikel 29 Montrealer Übereinkommen, § 48 LuftVG) und der abschließenden Regelungen der Rechtsfolgen im Todesfall (§ 1 Absatz 1 Gesetz zur Durchführung des Ersten Abkommens zur Vereinheitlichung des Luftprivatrechts (BGBl. Teil III, Gliederungsnummer 96-2, Durchführungsgesetz zum Warschauer Abkommen), § 1 Absatz 1 Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz (BGBl. I S. 550) und § 49 LuftVG jeweils in Verbindung mit § 35 LuftVG) würde andernfalls ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld in den Fällen fremdverursachter Tötung im Luftverkehr entfallen.
Eine Erstreckung des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld kommt darüber hinaus auch für die Passagierschadenshaftung im Eisenbahn- und Seeverkehr in Betracht. Zwar gelten in diesem Bereich weitgehend internationale Regelungen. Diese stehen jedoch der Zubilligung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld zumindest nicht entgegen. Denn die im innerstaatlichen Recht enthaltenen Regelungen über die außervertragliche Haftung im Seeverkehr sind bei der Beurteilung der Frage heranzuziehen, wie ein auf diese internationalen Regelungen gestützter Schadensersatzanspruch zu bemessen ist, auch wenn es sich dabei letztlich um vertragliche Ansprüche handelt (vgl. für den Seeverkehr: BGH, Urteil vom 16. Dezember 1996 - Az. II ZR 271/95; BGH, Urteil vom 16. Dezember 1996 - Az. II ZR 266/95). Entsprechendes wird auch für die Passagierschadenshaftung im Eisenbahnverkehr vertreten (vgl. Jürgen Basedow, Der Transportvertrag, 1987, S. 448 f.). Der neu geschaffene Anspruch auf Hinterbliebenengeld ist deshalb vor diesem Hintergrund auch bei der Passagierschadenshaftung im See- und Schienenverkehr sowie im Eisenbahnverkehr zu berücksichtigen.
III. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Im Fall der fremdverursachten Tötung wird Hinterbliebenen, die in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zum Getöteten standen, im Sinne einer Anerkennung ihres seelischen Leids ein gegen den Verantwortlichen gerichteter Anspruch auf Hinterbliebenengeld eingeräumt, der sowohl in der deliktischen Verschuldenshaftung als auch in der Gefährdungshaftung gilt.
Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld wird in einem neuen § 844 Absatz 3 BGB-E geregelt. Um den Anspruch auch in der Gefährdungshaftung zu gewähren, enthält der Gesetzentwurf Regelungen im Arzneimittelgesetz, Gentechnikgesetz, Produkthaftungsgesetz, Umwelthaftungsgesetz, Atomgesetz, Straßenverkehrsgesetz, Haftpflichtgesetz sowie im Luftverkehrsgesetz.
IV. Alternativen
Keine.
V. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Bürgerliches Recht). Das Hinterbliebenengeld ergänzt den Bestand der bisher durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung gewährten Ansprüche des außervertraglichen Haftungsrechts bei Personenschäden. Der Gesetzentwurf zielt damit insgesamt auf die Regelung einer dem bürgerlichen Recht zugehörigen Materie.
VI. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen
Verträgen
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.
Die Ergänzung der Arzneimittelhaftung und der Produkthaftung um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ist durch die Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. L 210 vom 7.8.1985, S. 29; im Folgenden Produkthaftungsrichtlinie) nicht ausgeschlossen. Sofern die Arzneimittelhaftung nicht ohnehin nach Artikel 13 als besondere Haftungsregelung von den Vorgaben der Produkthaftungsrichtlinie befreit ist, ist die Zulässigkeit einer solchen Regelung jedenfalls in Ansehung von Artikel 9 der Produkthaftungsrichtlinie nicht zweifelhaft, der eine Entschädigung bei Todesfällen zulässt bzw. eine entsprechende Öffnungsklausel enthält.
Ebenfalls kann das nationale Luftverkehrsrecht um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ergänzt werden, der auch für Luftbeförderungen gilt, die dem Warschauer Abkommen, dem Montrealer Übereinkommen und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 unterliegen (vgl. § 1 Absatz 1 Durchführungsgesetz zum Warschauer Abkommen, § 1 Absatz 1 Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz). Dies ist zulässig, da in diesen Übereinkünften und der Verordnung die Person des Ersatzberechtigten und die Rechtsfolgen der Haftung nicht geregelt sind. Dies bleibt dem nationalen Recht überlassen (vgl. Artikel 24 Absatz 2 Satz 2 Warschauer Abkommen, Artikel 29 Satz 1, 2. Halbsatz Montrealer Übereinkommen und Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 in Verbindung mit Artikel 29 Satz 1, 2. Halbsatz des Montrealer Übereinkommens).
VII. Gesetzesfolgen
1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Verwaltungsverfahren werden von diesem Gesetzentwurf nicht berührt, da der Anspruch auf Hinterbliebenengeld zivilrechtlich durchgesetzt wird. Die Rechtsanwendung wird vereinfacht, da die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld gesetzlich festgelegt werden.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Der Entwurf berührt keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Die Prüfung ergibt, dass weder die Managementregeln der Nachhaltigkeit noch die Indikatorenbereiche bzw. Nachhaltigkeitspostulate der Indikatorik einschlägig sind bzw. auf das Regelungsvorhaben angewandt werden können.
3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
4. Erfüllungsaufwand
Keiner.
5. Weitere Kosten
Unter Zugrundelegung von jährlich etwa
- - 3 000 fremdverursachten Todesfällen im Straßenverkehr,
- - 1 500 auf ärztliche Behandlungsfehler zurückgehenden Todesfällen,
- - 500 Opfern vollendeter Mord- und Totschlagsdelikte sowie
- - geschätzten weiteren 1 000 haftungsauslösenden Todesfällen (darunter Gefährdungshaftungsfälle außerhalb des Straßenverkehrs)
- - sowie von durchschnittlich 4 Hinterbliebenen je Todesfall ist von jährlich etwa 24 000 Haftungsfällen auszugehen.
Angesichts der durchschnittlichen Beträge von etwa 10 000 Euro, die derzeit von den Gerichten bei der Tötung eines Angehörigen als Entschädigung für sog. Schockschäden, die über das gewöhnliche Maß an Trauer und seelischem Leid hinausgehen, zugesprochen werden, ist mit jährlichen Gesamtkosten durch die Zahlung von Hinterbliebenengeld von nicht mehr als rund 240 Mio. Euro zu rechnen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Zahlungen den Hinterbliebenen zufließen.
Zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit Vertragsanpassungen bzw. der Neukalkulation von Versicherungsprämien entstehen der (Versicherungs-)Wirtschaft nicht, da Tarifüberprüfungen und Beitragsanpassungen ohnehin regelmäßig (gemeinhin jährlich) erfolgen. Besondere Umstellungsmaßnahmen werden daher nicht erforderlich sein. Die für die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Ermittlung und Prüfung von Ansprüchen sowie für sonstige Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Schadensregulierung anfallenden Kosten werden neben der zu erwartenden Steigerung des Schadensaufwands insgesamt nicht nennenswert ins Gewicht fallen.
6. Weitere Gesetzesfolgen
Keine.
VIII. Befristung; Evaluierung
Eine Befristung des Gesetzes ist nicht vorgesehen, da dauerhaft ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld gewährt werden soll.
Dieses Regelungsvorhaben wird spätestens fünf Jahre nach dem Inkrafttreten evaluiert. Dabei wird die Bundesregierung in fachlich geeigneter Weise prüfen, ob und inwieweit die beabsichtigten Wirkungen des Regelungsvorhabens erreicht worden sind. Die Bundesregierung wird ferner untersuchen, wie sich die Kosten entwickelt haben. Die Evaluierung wird die Frage nach unbeabsichtigten Nebenwirkungen sowie nach der Akzeptanz und Praktikabilität der Regelungen einschließen.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
§ 844 Absatz 3 BGB-E regelt den Anspruch auf Hinterbliebenengeld für den Bereich der unerlaubten Handlungen des BGB. Wer durch eine solche unerlaubte Handlung den Tod eines Menschen verursacht, hat nach § 844 Absatz 3 BGB-E den Hinterbliebenen, die zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen, für das durch die Tötung zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.
Liegen sowohl die Voraussetzungen auf Ersatz eines "Schockschadens" nach § 823 Absatz 1 in Verbindung mit 253 Absatz 2 BGB vor als auch die Voraussetzungen nach § 844 Absatz 3 BGB-E, geht der Anspruch auf Ersatz des Schockschadens dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld vor bzw. letztgenannter geht in erstgenanntem auf. Insbesondere soll die gesetzliche Einräumung des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld nicht dazu führen, dass ein (weitergehender) Anspruch auf Erstattung des Schockschadens - bei Vorliegen der Voraussetzungen - ausgeschlossen wäre. Daneben gibt es Fälle, in denen sowohl §§ 823 ff. in Verbindung mit § 253 Absatz 2 BGB als auch §§ 823 ff. BGB in Verbindung mit § 844 Absatz 3 BGB-E eigenständige Bedeutung insofern zukommt, als nur die Voraussetzungen einer der beiden Anspruchsgrundlagen erfüllt sind. Für §§ 823 ff. BGB in Verbindung mit § 844 Absatz 3 BGB-E gilt dies etwa, wenn die besonderen von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für den Ersatz von Schockschäden, etwa eine medizinisch fassbare Gesundheitsbeeinträchtigung als Folge des Todes des nahen Angehörigen, nicht vorliegen. Für §§ 823 ff.in Verbindung mit § 253 Absatz 2 BGB ist dies anzunehmen, wenn die Voraussetzungen der Rechtsprechung für den Ersatz von Schockschäden vorliegen, aber der Anwendungsbereich der § 823 ff. BGB in Verbindung mit § 844 Absatz 3 BGB-E in persönlicher oder sachlicher Hinsicht nicht eröffnet ist, weil beispielsweise die besonders nahestehende Person schwer verletzt überlebt hat.
Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten ist nach § 846 BGB bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld zu berücksichtigen. Gleiches gilt für eine von dem Getöteten zu verantwortende Betriebsgefahr (zu § 846 BGB allgemein: Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 846 Rn. 6). Es gelten für den Anspruch im Übrigen die Regelungen zur Deliktsfähigkeit (§§ 827, 828 BGB) und zur Gesamtschuld (§ 840 BGB). Der Anspruch ist nicht höchstpersönlich, sondern übertragbar und vererbbar. Anwendung finden die für Schadensersatzansprüche geltenden Verjährungsregelungen: Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld verjährt nach § 197 Absatz 1 Nummer 1 BGB bei einer vorsätzlichen Tötung nach 30 Jahren. Im Übrigen gilt für Hinterbliebenengeldansprüche die dreijährige Regelverjährung nach § 195 BGB und die dreißigjährige Höchstverjährungsfrist nach § 199 Absatz 2 BGB.
Ebenso gelten für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld diejenigen Vorschriften außerhalb des BGB, die an das Vorliegen einer Schadensersatzverpflichtung anknüpfen. Dies betrifft insbesondere Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes und des Pflichtversicherungsgesetzes, die sich auf eine Haftpflicht wegen Tötung beziehen.
Zu Satz 1
§ 844 Absatz 3 Satz 1 BGB-E bestimmt, dass der Ersatzpflichtige dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten hat.
Anspruchsberechtigt sind die Hinterbliebenen, die zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen. Dieses liegt regelmäßig vor, wenn nahe Familienangehörige betroffen sind. Dazu zählen der Ehegatte, der Lebenspartner, die Eltern und die Kinder des Getöteten. Für diese enthält Satz 2 eine gesetzliche Vermutung des besonderen persönlichen Näheverhältnisses. Anspruchsberechtigt können daneben andere Personen sein, die jedoch die Umstände, aus denen sich ihr besonderes persönliches Näheverhältnis zum Getöteten ergibt, darlegen und gegebenenfalls beweisen müssen.
Für das Vorliegen eines besonderen persönlichen Näheverhältnisses ist die Intensität der tatsächlich gelebten sozialen Beziehung erheblich. Die Beziehung muss eine Intensität aufweisen wie sie in den in Satz 2 aufgeführten Fällen typischerweise besteht. Die Verbundenheit zwischen dem Getöteten und seinen Hinterbliebenen muss folglich den gesetzlich vermuteten besonderen persönlichen Näheverhältnissen entsprechen. Wenn dies vorliegt, können zum Beispiel Partner einer ehe- oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Verlobte (auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Stief- und Pflegekinder sowie Geschwister des Getöteten zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehören.
Das besondere persönliche Näheverhältnis zwischen dem Getöteten und dem Hinterbliebenen muss bereits zur Zeit der Verletzung bestanden haben. Es kommt auf die Verletzung des unmittelbar Betroffenen an, die zu dessen Tod führte. Tritt der Tod nicht sofort, sondern mit zeitlicher Verzögerung als mittelbare Folge einer durch die unerlaubte Handlung beigebrachten Körperverletzung ein, muss das besondere persönliche Näheverhältnis zur Zeit der Körperverletzung bestanden haben. Insoweit lehnt sich § 844 Absatz 3 BGB-E an § 844 Absatz 2 BGB an, so dass die dazu entwickelten Grundsätze zur Auslegung herangezogen werden können.
Jeder Hinterbliebene hat in vollem Umfang Anspruch auf ein Hinterbliebenengeld, soweit er die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. In vielen Fällen fremdverursachter Tötung werden daher mehrere Hinterbliebene anspruchsberechtigt sein. Anspruchsgegner ist derjenige, der die unerlaubte Handlung begangen hat oder zum Beispiel im Fall des § 833 BGB für die Gefahrenquelle verantwortlich ist, und dadurch den Tod eines Menschen und das seelische Leid der Hinterbliebenen verursacht hat.
Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Absatz 3 BGB-E setzt voraus, dass ein Mensch durch eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB getötet wurde. Einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld können demnach unerlaubte Handlungen nach § 823 Absatz 1 BGB sowie § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit das Leben schützenden Schutzgesetzen (wie z.B. die §§ 211, 212 oder 222 StGB) auslösen, ebenso aber auch Fälle der §§ 831, 832, 833, 836 und 839 BGB.
Ein Anspruch nach § 844 Absatz 3 BGB-E besteht nur dann, wenn sämtliche Voraussetzungen der betreffenden unerlaubten Handlung vorliegen, d.h. in der Person des Anspruchsgegners müssen die haftungsbegründenden Voraussetzungen einer der deliktsrechtlichen Haftungen nach den §§ 823 ff. BGB erfüllt sein. Sofern die Haftung des Verantwortlichen für eine unerlaubte Handlung ausgeschlossen oder begrenzt ist (z.B. nach § 831 Absatz 1 Satz 2 BGB), unterliegt auch der Entschädigungsanspruch diesen Einschränkungen.
Durch seine unerlaubte Handlung muss der Anspruchsgegner den Tod des unmittelbar Betroffenen verursacht haben. Die Feststellung der Kausalität der unerlaubten Handlung für die Tötung kann problematisch sein, wenn der Tod nicht sofort, sondern erst mit zeitlicher Verzögerung als mittelbare Folge einer durch die unerlaubte Handlung beigebrachten Körperverletzung eintritt. Ebenso wie Ansprüche aus den §§ 823 ff., 844 BGB entsteht der Anspruch auf Hinterbliebenengeld dem Grunde nach bereits mit Zufügung der Körperverletzung (vgl. dazu allgemein: BGH, Urteil vom 13. Februar 1996 - VI ZR 318/94, NJW 1996, 1674). Auch wenn die unerlaubte Handlung für den Tod kausal war, kann die Haftung des Verantwortlichen unter Zurechnungsgesichtspunkten einzuschränken sein. Der Tod des unmittelbar Betroffenen muss sich auch unter Zugrundelegung der Kriterien der Adäquanz sowie des Schutzzwecks der Norm als Folge der unerlaubten Handlung darstellen (vgl. zu § 844 BGB: Wagner, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Auflage 2013, § 844 Rn. 15). Dieser Zusammenhang wird umso zweifelhafter, je größer der zeitliche Abstand zwischen Körperverletzung und Todeseintritt ist (vgl. zu § 844 BGB: Röthel, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2015, § 844 Rn. 44). Der Anspruchsgegner muss rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben, soweit dies für die jeweilige unerlaubte Handlung vorausgesetzt wird. Erfordert die unerlaubte Handlung schuldhaftes Verhalten, so genügt es ebenso wie im Rahmen des § 844 Absatz 1 und 2 BGB, wenn sich das Verschulden des Anspruchsgegners auf die Herbeiführung einer Körperverletzung bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1996 - VI ZR 318/94, NJW 1996, 1674). Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Tod zur Zeit der Körperverletzung schon vorhersehbar war (vgl. Röthel, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2015, § 844 Rn. 43; Wagner, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Auflage 2013, § 844 Rn. 15). Besondere Verschuldensmaßstäbe, z.B. nach den §§ 1359 und 1664 Absatz 1 BGB, sind zu berücksichtigen.
Ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld setzt auch voraus, dass der Hinterbliebene infolge der Tötung seelisches Leid empfunden hat. Das Gesetz schränkt den Begriff des seelischen Leids bewusst nicht ein und sieht insbesondere kein Mindestmaß vor. In aller Regel wird das für den Anspruch vorausgesetzte besondere persönliche Näheverhältnis zum Getöteten indizieren, dass der Hinterbliebene infolge der Tötung seelisches Leid empfindet. Nur bei einem Hinterbliebenen, der keine innere Beziehung zum Getöteten hatte oder aus besonderen Gründen dessen Tod nicht als Verlust empfindet, wird dies nicht der Fall sein. Und nur wenn der Hinterbliebene seelisches Leid empfindet, dieses allerdings nicht aus der Tötung herrührte, kann es ausnahmsweise an der notwendigen Kausalität zwischen Tötung und seelischem Leid fehlen. In solchen Fällen hat der Anspruchsgegner die Möglichkeit, die Indizwirkung zu widerlegen.
Sind die Voraussetzungen des § 844 Absatz 3 BGB-E erfüllt, besteht ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld. Die Bestimmung der Anspruchshöhe wird im Streitfall den Gerichten überlassen. Das Gesetz gibt Ziel und Zweck des Hinterbliebenengeldes vor: Es soll für das zugefügte seelische Leid geleistet werden. Bewertungen des verlorenen Lebens oder des Verlustes des besonders nahestehenden Menschen für den Hinterbliebenen können nicht in die Bemessung einfließen. Für die Bestimmung der Anspruchshöhe sind Erwägungen der Angemessenheit zu Grunde zu legen.
§ 287 der Zivilprozessordnung ist anzuwenden. Die Höhe des Schmerzensgeldes bei Schockschäden und die insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze könnten eine gewisse Orientierung geben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf Hinterbliebenengeld keine außergewöhnliche gesundheitliche Beeinträchtigung voraussetzt.
Soweit der Anspruch auf Hinterbliebenengeld im Rahmen von Amtshaftungsansprüchen nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG geltend gemacht wird, kann die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen sein. Wenn es um eine mögliche staatliche Mitverantwortung für den Todesfall geht, muss nahen Angehörigen eines Getöteten eine Geldzahlung in angemessener Höhe für das ihnen aus dem Todesfall entstandene Leid verschafft werden (EGMR, Urteil vom 13. März 2012, Reynolds ./. Großbritannien, Nr. 2694/08, Rn. 60 ff. m.w. N.; EGMR, Urteil vom 17. März 2005, Bubbins ./. Großbritannien, Nr. 50196/99, Rn. 166 ff.; EGMR, Urteil vom 3. April 2001, Keenan ./. Großbritannien, Nr. 27229/95, Rn. 125 ff.).
Zu Satz 2
Nach Satz 1 steht das Hinterbliebenengeld nur Hinterbliebenen zu, die zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen. Das einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld rechtfertigende besondere persönliche Näheverhältnis liegt regelmäßig vor, wenn nahe Familienangehörige betroffen sind. Satz 2 enthält deshalb eine (widerlegliche) gesetzliche Vermutung für die Fälle, in denen eine formale familienrechtliche Beziehung zwischen dem Hinterbliebenen und dem Getöteten bestand. Die Bedeutung des Begriffs "Hinterbliebener" in anderen Regelungsbereichen bleibt hiervon unberührt.
Die Vermutung greift, wenn der Hinterbliebene ein Ehegatte, ein Lebenspartner im Sinne des § 1 Absatz 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG), ein Elternteil oder ein Kind - in der Regel ein leibliches oder adoptiertes Kind - des Getöteten war. In diesen Fällen stellt die familienrechtliche Beziehung ein Indiz dafür dar, dass sich der Hinterbliebene und der Getötete auch in tatsächlicher Hinsicht persönlich besonders nahestanden. Damit soll soweit wie möglich vermieden werden, dass diejenigen Hinterbliebenen, die zum Getöteten in einer formalen familienrechtlichen Beziehung nach Satz 2 standen, die Tatsachen, aus denen sich die Existenz eines besonderen persönlichen Näheverhältnisses ergibt, vor Gericht darlegen und gegebenenfalls auch noch beweisen müssen.
Die Vermutung kann vom Anspruchsgegner im Einzelfall widerlegt werden ( § 292 ZPO). Dies kann Fälle betreffen, in denen zwischen dem Getötetem und einem nach Satz 2 privilegierten Anspruchsteller nur noch ein formales familienrechtliches Band bestand, oder auch wenn die Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner getrennt lebten und die Voraussetzungen des § 1933 BGB bzw. des § 10 Absatz 3 LPartG vorlagen. Nach diesen Vorschriften ist der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner vom Erbrecht ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gegeben waren und der Getötete die Scheidung der Ehe bzw. Aufhebung der Lebenspartnerschaft beantragt oder ihr zugestimmt hatte oder wenn der Getötete berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte. In diesen Konstellationen wäre es nicht gerechtfertigt, dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise zwischen ihm und dem Getöteten gleichwohl noch ein besonderes persönliches Näheverhältnis bestand. Es soll so vermieden werden, dass dem formal Verwandten, der kein besonderes persönliches Näheverhältnis zu dem Getöteten mehr unterhielt, ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld als unerwarteter Vorteil zukommt.
Daneben sollen mit Blick auf heute gelebte verschiedene Familiensituationen (z.B. sog. "Patchwork"-Familien) auch Personen anspruchsberechtigt sein, die mit dem Getöteten nicht in einer formalen familienrechtlichen Beziehung nach Satz 2 standen. Dies kann gegeben sein, wenn zwischen dem Hinterbliebenen und dem Getöteten eine besondere, tatsächlich gelebte soziale Beziehung bestand, die in ihrer Intensität den in Satz 2 aufgeführten Beziehungen entspricht. Besteht keine formale familienrechtliche Beziehung wie in den Fällen des Satzes 2, kann das Vorliegen eines besonderen persönlichen Näheverhältnisses allerdings nicht generell unterstellt werden, sondern muss nach Satz 1 dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden.
Zu Artikel 2 (Änderung des Arzneimittelgesetzes)
Mit § 86 Absatz 3 des Entwurfs zum Arzneimittelgesetz (AMG-E) wird die Gefährdungshaftung für Arzneimittel nach den §§ 84 ff. des Arzneimittelgesetzes (AMG) bei tödlichen Unfällen um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ergänzt. Die Regelung entspricht inhaltlich § 844 Absatz 3 BGB-E.
Auf den Hinterbliebenengeldanspruch nach § 84 AMG in Verbindung mit § 86 Absatz 3 AMG-E sind die für Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Arzneimittelgesetz geltenden Vorschriften anwendbar. Dies betrifft insbesondere die Kausalitätsvermutung ( § 84 Absatz 2 AMG), die Auskunftsansprüche ( § 84a AMG), die Regelungen zur Gesamtschuld ( § 93 AMG) und zum Mitverschulden (§ 85 AMG) sowie die Haftungsbefreiungen, Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach § 84 Absatz 3 AMG und § 88 AMG und die Deckungsvorsorgepflicht (§ 94 AMG). Es gelten außerdem Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Arzneimittelgesetz betreffen. Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Kügel / Müller / Hofmann, AMG, 2. Auflage 2016, § 86 Rn. 5).
Zu Artikel 3 (Änderung des Gentechnikgesetzes)
Mit § 32 Absatz 4 Satz 5 und 6 des Entwurfs zum Gentechnikgesetz (GenTG-E) wird die Gefährdungshaftung des Betreibers aus § 32 des Gentechnikgesetzes (GenTG) bei tödlichen Unfällen um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ergänzt. Die Regelung entspricht inhaltlich § 844 Absatz 3 BGB-E.
Auf den Hinterbliebenengeldanspruch nach § 32 Absatz 1 GenTG in Verbindung mit Absatz 4 Satz 5 und 6 GenTG-E sind die für Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Gentechnikgesetz geltenden Vorschriften anwendbar. Dies betrifft insbesondere die Regelung zur Gesamtschuld nach § 32 Absatz 2 GenTG, zum Mitverschulden nach § 32 Absatz 3 GenTG und zur Haftungsbegrenzung nach § 33, weiterhin die Regelungen zur Ursachenvermutung nach § 34 GenTG, zu den Auskunftsansprüchen nach § 35 GenTG und zur Deckungsvorsorge nach § 36 GenTG. Es gelten außerdem Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötungen nach dem Gentechnikgesetz betreffen. Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Sprau, in: Palandt, 74. Auflage 2015, § 846 Rn. 2; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 846 Rn. 2).
Zu Artikel 4 (Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche)
Artikel 4 sieht als Überleitungsvorschrift vor, dass die zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld geänderten Vorschriften anzuwenden sind, wenn die Verletzung nach dem nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingetreten ist. Für die Änderung im Luftverkehrsrecht gilt eine eigenständige Überleitungsvorschrift.
Zu Artikel 5 (Änderung des Produkthaftungsgesetzes)
Mit § 7 Absatz 3 des Entwurfs zum Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG-E) wird die Gefährdungshaftung für Produkte nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) bei tödlichen Unfällen um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ergänzt. Die Regelung entspricht inhaltlich § 844 Absatz 3 BGB-E.
Auf den Hinterbliebenengeldanspruch nach § 1 ProdHaftG in Verbindung mit § 7 Absatz 3 ProdHaftG-E sind die für Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Produkthaftungsgesetz geltenden Vorschriften anwendbar. Dies betrifft insbesondere die Definitionen (§§ 2 bis 4 ProdHaftG), die Regelungen zur Gesamtschuld ( § 5 ProdHaftG) und zum Mitverschulden ( § 6 ProdHaftG) sowie die Haftungsbefreiungen, Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach § 1 Absatz 2 bis 4 sowie den §§ 10, 12 und 13 ProdHaftG. Es gelten außerdem Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Produkthaftungsgesetz betreffen. Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Sprau, in: Palandt, 74. Auflage 2015, § 846 Rn. 2; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 846 Rn. 2).
Zu Artikel 6 (Änderung des Umwelthaftungsgesetzes)
Mit § 12 Absatz 3 des Entwurfs zum Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG-E) wird die Gefährdungshaftung beim Betrieb umweltgefährdender Anlagen nach den §§ 1 und 2 Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) bei tödlichen Unfällen um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ergänzt. Die Regelung entspricht inhaltlich § 844 Absatz 3 BGB-E.
Auf den Hinterbliebenengeldanspruch nach §§ 1f. UmweltHG in Verbindung mit § 12 Absatz 3 UmweltHG-E sind die für Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Umwelthaftungsgesetz geltenden Vorschriften anwendbar. Dies betrifft insbesondere die Begriffsbestimmungen ( § 3 UmweltHG), die Ursachenvermutung (§§ 6, 7 UmweltHG) und die Auskunftsansprüche (§§ 8 bis 10 UmweltHG), weiterhin die Haftungsbefreiungen, Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach den §§ 4, 15 UmweltHG, die Regelung zum Mitverschulden nach § 11 UmweltHG sowie zur Deckungsvorsorge nach den §§ 19, 20 UmweltHG. Es gelten außerdem Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Umwelthaftungsgesetz betreffen. Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Sprau, in: Palandt, 74. Auflage 2015, § 846 Rn. 2; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 846 Rn. 2).
Zu Artikel 7 (Änderung des Atomgesetzes)
Nummer 2 ergänzt mit § 28 Absatz 3 des Entwurfs zum Atomgesetz (AtG-E) die Gefährdungshaftung nach den §§ 25, 27 ff. des Atomgesetzes (AtG) in Verbindung mit dem Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Februar 1976 (Pariser Atomhaftungsübereinkommen; BGBl. II S. 310, 311) und des Protokolls vom 16. November 1982 (BGBl. 1985 II S. 690) und dem Gemeinsamen Protokoll vom 21. September 1988 über die Anwendung des Wiener Übereinkommens und des Pariser Übereinkommens (Gemeinsamen Protokoll BGBl. 2001 II S. 202, 203), nach den §§ 25a, 27 ff. AtG in Verbindung mit dem Brüsseler Reaktorschiff-Übereinkommen (BGBl. 1975 II S. 977) und nach den §§ 26 ff. AtG bei tödlichen Unfällen um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld. Die Regelung entspricht inhaltlich § 844 Absatz 3 BGB-E.
Die Einfügung von § 28 Absatz 3 AtG-E hat zur Folge, dass sich im Falle einer Haftung nach dem Pariser Übereinkommen in Verbindung mit den in § 25 Abs. 1 bis 4 des Atomgesetzes bezeichneten Fällen oder in den anderen Fällen einer Haftung nach dem Atomgesetz die Zahl der potentiellen Anspruchsteller um die nach § 28 Absatz 3 AtG-E anspruchsberechtigten Hinterbliebenen erhöht. Die Erhöhung der Anzahl der Anspruchsberechtigten hat unmittelbare Auswirkungen auf den Umfang der durch Genehmigungsinhaber aufgrund von § 13 des Atomgesetzes für die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen vorzuhaltenden Deckungsvorsorge. Aufgrund des potentiell hohen Schadensausmaßes im Falle eines etwaigen nuklearen Unglücks, dem eine - in der Natur der Sache liegend - in der Höhe begrenzte Deckungsvorsorge gegenübersteht, ist es geboten, dass die Deckungsvorsorge zur Befriedigung von Ansprüchen auf Hinterbliebenengeld nur dann herangezogen werden darf, wenn dadurch nicht die Deckung der Ersatzansprüche sonstiger Geschädigter beeinträchtigt wird. Nummer 1 a) gestaltet den Anspruch auf Hinterbliebenengeld daher als nachrangig aus der Deckungsvorsorge zu befriedigenden Anspruch aus.
Nummer 1 b) sowie Nummer 3 enthalten Folgeänderungen.
Auf den Hinterbliebenengeldanspruch nach §§ 25 ff. AtG in Verbindung mit den vorgenannten Übereinkommen und mit § 28 Absatz 3 AtG-E sind die für Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Atomgesetz geltenden Vorschriften anwendbar. Dies sind neben den Vorschriften der genannten Übereinkünfte insbesondere die Regelungen der § 25, § 25a und § 26 AtG sowie die Haftungsbefreiungen, Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach den §§ 31 und 32 AtG, die Regelungen zum Mitverschulden (§ 27 AtG) und zu mehreren Verursachern (§ 33 AtG). Erfasst sind hiervon auch die Vorschriften des Atomgesetzes über die Deckungsvorsorge (§§ 13 bis 15 AtG). Es gelten außerdem Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Atomgesetz betreffen. Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Sprau, in: Palandt, 74. Auflage 2015, § 846 Rn. 2; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 846 Rn. 2).
Zu Artikel 8 (Änderung des Straßenverkehrsgesetzes)
Mit § 10 Absatz 3 des Entwurfs zum Straßenverkehrsgesetz (StVG-E) wird die Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeughalters und die Haftung des Fahrers für vermutetes Verschulden nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) bei tödlichen Unfällen um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ergänzt. Die Regelung entspricht inhaltlich § 844 Absatz 3 BGB-E.
Auf den Hinterbliebenengeldanspruch nach § 7 Absatz 1 StVG oder § 18 StVG in Verbindung mit § 10 Absatz 3 StVG-E sind alle Vorschriften anwendbar, die für Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Straßenverkehrsgesetz gelten. Dies betrifft insbesondere die Haftungsbefreiungen, Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach § 7 Absatz 2 und 3, den §§ 8 und 8a sowie den §§ 12 bis 12b StVG. Anwendbar sind auch die Regelungen zum Mitverschulden nach § 9 StVG und zur Verursachung durch mehrere Fahrzeuge (§ 17 StVG) sowie die Regelungen über Verjährung (§ 14 StVG), Verwirkung (§ 15 StVG) und über die Anwendbarkeit des allgemeinen Deliktsrechts (§ 16 StVG). Es gelten außerdem die Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Straßenverkehrsgesetz betreffen. Dies sind insbesondere Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes und des Pflichtversicherungsgesetzes, die sich auf eine Haftpflicht wegen Tötung im Straßenverkehr beziehen. Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Jahnke, in: Burmann / Heß / Hühnermann / Jahnke / Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 10 StVG Rn. 20 f.).
Zu Artikel 9 (Änderung des Haftpflichtgesetzes)
Mit § 5 Absatz 3 des Entwurfs zum Haftpflichtgesetz (HPflG-E) wird die Gefährdungshaftung bei dem Betrieb einer Schienen- oder Schwebebahn nach § 1 Haftpflichtgesetz (HPflG) und bei dem Betrieb von Energieanlagen nach § 2 HPflG sowie die Verschuldenshaftung für Repräsentanten nach § 3 HaftPflG bei tödlichen Unfällen um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ergänzt. Die Regelung entspricht inhaltlich § 844 Absatz 3 BGB-E.
Auf den Hinterbliebenengeldanspruch nach §§ 1f. HPflG in Verbindung mit § 5 Absatz 3 HPflG-E sind alle Vorschriften anwendbar, die für Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Haftpflichtgesetz gelten. Dies betrifft insbesondere die Haftungsbefreiungen, Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach § 1 Absatz 2 und 3 sowie § 9 HPflG, die Regelung zum Mitverschulden nach § 4 HPflG und zur Verursachung durch mehrere Haftpflichtige (§ 13 HPflG). Es gelten außerdem Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung nach dem Haftpflichtgesetz betreffen. Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; BGH, Urteil vom 18. November 1993 - III ZR 178/92, NJW-RR 1994, 603, 604).
Zu Artikel 10 (Änderung des Luftverkehrsgesetzes)
Die Nichtverschuldenshaftung für Passagiere und Dritte bei tödlichen Unfällen durch zivile und militärische Luftfahrzeuge nach dem Luftverkehrsgesetz (LuftVG) wird um einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld ergänzt.
Zu Nummer 1 (Änderung des § 35)
Dafür wird in § 35 LuftVG ein neuer Absatz 3 eingefügt. Die Regelung entspricht inhaltlich § 844 Absatz 3 BGB-E. Über die Verweise in den §§ 49, 53 Absatz 1 und § 54 Absatz 3 LuftVG auf § 35 Absatz 3 LuftVG-E wird auch in den Fällen des § 45 LuftVG sowie des § 53 Absatz 1 und des § 54 Absatz 1 ein Hinterbliebenengeld gewährt.
Die Änderung betrifft zunächst die Haftung nach den §§ 33 ff. LuftVG für Personen, die nicht im Luftfahrzeug befördert werden (Dritte), bei tödlichen Unfällen durch zivile Luftfahrzeuge. Auf den Hinterbliebenengeldanspruch nach § 33 LuftVG in Verbindung mit § 35 Absatz 3 LuftVG-E sind die für Schadensersatzansprüche bei Tötung gegen den Luftfahrzeughalter nach der luftverkehrsrechtlichen Dritthaftung geltenden Vorschriften anwendbar. Dies betrifft insbesondere die Regelungen zum Mitverschulden (§ 34 LuftVG) und zur Gesamtschuld (§ 41 LuftVG) sowie die Haftungsbefreiungen, Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach § 33 Absatz 2, § 37 und § 39 LuftVG, die Regelungen zur Deckungsvorsorgepflicht nach § 43 LuftVG und zum Gerichtsstand nach § 56 Absatz 1 LuftVG. Es gelten außerdem Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung Dritter nach dem Luftverkehrsgesetz betreffen, wie etwa die Versicherungspflicht nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 785/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber (ABl. L 138 vom 30.04.2004, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 285/2010 (ABl. L 87 vom 7.4.2010, S. 19). Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Sprau, in: Palandt, 74. Auflage 2015, § 846 Rn. 2; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 846 Rn. 2).
Der Anspruch gilt auch für die Haftung nach den §§ 44 ff. LuftVG für Personen, die im Luftfahrzeug befördert werden, bei tödlichen Unfällen durch zivile Luftfahrzeuge, da § 49 LuftVG auf den das Hinterbliebenengeld ergänzenden § 35 Absatz 3 LuftVG-E verweist. Auf den Anspruch sind die für Schadensersatzansprüche bei Tötung gegen den Luftfrachtführer nach der luftverkehrsrechtlichen Passagierhaftung geltenden Vorschriften anwendbar. Dies betrifft insbesondere die Haftungsbefreiungen, Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach § 45 Absatz 2 und 3 sowie § 49a LuftVG, die Regelungen zum Mitverschulden (§ 49 in Verbindung mit §. 34 LuftVG) sowie zur Beförderung durch mehrere Luftfrachtführer (§ 48a Absatz 1 LuftVG), zur Haftung des vertraglichen und des ausführenden Luftfrachtführers (§ 48b LuftVG), zur Deckungsvorsorgepflicht nach den §§ 50, 51 LuftVG und zum Gerichtsstand nach § 56 Absatz 1 LuftVG. Es gelten außerdem Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung von Passagieren nach dem Luftverkehrsgesetz betreffen, wie etwa die Versicherungspflicht nach Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 785/2004 . Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Sprau, in: Palandt, 74. Auflage 2015, § 846 Rn. 2; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 846 Rn. 2).
Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld gilt auch für Luftbeförderungen, die dem Warschauer Abkommen und dem Montrealer Übereinkommen unterliegen, da die Durchführungsgesetze zum Warschauer Abkommen und zum Montrealer Übereinkommen (§ 1 Absatz 1 Durchführungsgesetz zum Warschauer Abkommen, § 1 Absatz 1 MontrealerÜbereinkommen-Durchführungsgesetz) auf den um das Hinterbliebenengeld im neuen Absatz 3 erweiterten § 35 LuftVG verweisen. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld unterfällt auch der Deckungsvorsorgeverpflichtung nach der Verordnung (EG) Nr. 785/2004 , was sich unmittelbar aus Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 1 der genannten Verordnung ergibt. Die Hinterbliebenen müssen sich ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten nach Artikel 21 des Warschauer Abkommens bzw. Artikel 20 Satz 2 des Montrealer Übereinkommens anrechnen lassen.
Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld gilt ferner für die Passagierschadenshaftung nach der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 889/2002. Diese Verordnung wird bzgl. der konkreten Rechtsfolgen des vorgesehenen Schadensersatzes durch das nationale Recht ergänzt, welches durch die Verweisung des § 49 LuftVG auf den insoweit ergänzten § 35 LuftVG künftig auch das Hinterbliebenengeld umfasst.
Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld gilt weiterhin für die Haftung nach § 53 Absatz 1, 1. Halbsatz LuftVG für Personen, die nicht im Luftfahrzeug befördert werden (Dritte), bei tödlichen Unfällen durch militärische Luftfahrzeuge, da diese Vorschrift auf die Regelungen der §§ 33 ff. LuftVG und damit auf den um das Hinterbliebenengeld erweiterten § 35 LuftVG verweist. Auf den Anspruch sind die für Schadensersatzansprüche bei Tötung eines Dritten gegen den Halter des militärischen Luftfahrzeugs geltenden Vorschriften anwendbar. Dies betrifft insbesondere die Regelungen zum Mitverschulden (§ 53 Absatz 1, 1. Halbsatz in Verbindung mit § 34 LuftVG), zur Gesamtschuld (§ 53 Absatz 1, 1. Halbsatz in Verbindung mit § 41 LuftVG) und zum Gerichtsstand (§ 56 Absatz 1 LuftVG) sowie die Haftungsbefreiungen, Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach § 53 Absatz 1, 1. Halbsatz in Verbindung mit § 33 Absatz 2 oder § 39 LuftVG sowie der Wegfall der Haftungsbegrenzung nach § 37 LuftVG, den § 53 Absatz 1, 2. Halbsatz LuftVG anordnet. Es gelten außerdem Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung Dritter durch militärische Luftfahrzeuge nach § 53 Absatz 1, 1. Halbsatz LuftVG betreffen. Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Sprau, in: Palandt, 74. Auflage 2015, § 846 Rn. 2; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 846 Rn. 2).
Der Anspruch besteht schließlich auch für die Haftung nach § 54 Absatz 1 Satz 1 LuftVG für Personen, die im Luftfahrzeug befördert werden, bei tödlichen Unfällen durch militärische Luftfahrzeuge, da § 54 Absatz 2 LuftVG für die Rechtsfolgen auf § 49 LuftVG und dieser wiederum auf den um das Hinterbliebenengeld erweiterten § 35 LuftVG verweist. Auf den Anspruch sind die für Schadensersatzansprüche bei Tötung einer beförderten Person gegen den Halter des militärischen Luftfahrzeugs nach § 54 Absatz 1 Satz 1 LuftVG geltenden Vorschriften anwendbar. Dies betrifft insbesondere die Haftungsbegrenzungen nach § 54 Absatz 1 Satz 2 LuftVG sowie die Regelungen zum Mitverschulden (§ 53 Absatz 1 und 3 in Verbindung mit §§ 49, 34 LuftVG) und zum Gerichtsstand (§ 56 Absatz 1 LuftVG). Es gelten außerdem die Vorschriften anderer Gesetze, soweit sie Schadensersatzansprüche bei Tötung beförderter Personen durch militärische Luftfahrzeuge nach § 54 Absatz 1 Satz 1 LuftVG betreffen. Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten oder eine von diesem zu verantwortende Betriebsgefahr muss sich der Hinterbliebene anrechnen lassen (vgl. § 846 BGB; Sprau, in: Palandt, 74. Auflage 2015, § 846 Rn. 2; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 846 Rn. 2).
Zu Nummer 2 (Einfügung des § 72 Absatz 6)
Mit Nummer 2 wird mit einem eingefügten § 72 Absatz 6 LuftVG-E eine Übergangsvorschrift für die in diesem Gesetz enthaltene Änderung des Luftverkehrsgesetzes geschaffen.
Die Übergangsregelung gilt sowohl für den in die außervertragliche Haftung nach dem Luftverkehrsgesetz eingestellten Anspruch auf Hinterbliebenengeld als auch für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld im Rahmen der vertraglichen Haftung aus dem Luftbeförderungs- oder Reisevertrag bei Tötung des Reisenden nach §§ 45, 49 LuftVG in Verbindung mit § 35 Absatz 3 LuftVG-E. Die Übergangsregelung gilt außerdem für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach Artikel 17 Absatz 1, Artikel 21 Montrealer Übereinkommen, § 1 Absatz 1 Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz in Verbindung mit § 35 Absatz 3 LuftVG-E, für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 17 Warschauer Abkommen, § 1 Absatz 1 Durchführungsgesetz zum Warschauer Abkommen in Verbindung mit § 35 Absatz 3 LuftVG-E sowie für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld im Rahmen der Passagierschadenshaftung nach der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 889/2002 in Verbindung mit § 35 Absatz 3 LuftVG-E. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld soll erst für solche Luftverkehrsunfälle gelten, die sich nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ereignet haben.
Zu Artikel 11 (Änderung des Gesetzes zur Durchführung des Ersten Abkommens zur Vereinheitlichung des Luftprivatrechts)
Mit Artikel 11 werden die Verweise auf die Rechtsfolgen der deutschen Drittschadenshaftung in § 1 Absatz 1 des Durchführungsgesetzes zum Warschauer Abkommen aktualisiert. Dies ist zwar nicht durch die Einführung eines Hinterbliebenengeldes bedingt, soll aber bei dieser Gelegenheit vorgenommen werden. Eine inhaltliche Änderung der Ansprüche ist damit nicht verbunden.
Zu Artikel 12 (Inkrafttreten)
Artikel 12 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Absatz 1 NKRG: NKR-Nr. 4007, BMJV: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.
I. Zusammenfassung
Bürgerinnen und Bürger | keine Auswirkungen |
Wirtschaft Weitere Kosten: | jährlich rund 240 Millionen Euro |
Verwaltung | keine Auswirkungen |
Evaluierung | Das Regelungsvorhaben wird nach spätestens fünf Jahren evaluiert. Dabei wird die Bundesregierung in fachlich geeigneter Weise prüfen, ob und inwieweit die beabsichtigten Wirkungen erreicht worden sind. Die Bundesregierung wird ferner untersuchen, wie sich die Kosten entwickelt haben. Die Evaluierung wird die Frage nach unbeabsichtigten Nebenwirkungen sowie nach der Akzeptanz und der Praktikabilität der Regelungen einschließen. |
Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem vorliegenden Regelungsentwurf. |
II. Im Einzelnen
Mit dem Regelungsvorhaben will das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eine Änderung des Schadensersatzrechts im Falle fremdverschuldeten Todes naher Angehöriger vornehmen:
Nach derzeitiger Rechtslage kann neben dem Ersatz materiellen Schadens (z.B. entgangener Unterhalt) Ausgleich für das zugefügte Leid nur verlangt werden, wenn ein sog. Schockschaden vorliegt. Als Schockschaden gelten psychische Beeinträchtigungen,
die medizinisch fassbar sind und über gesundheitliche Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene im Todesfall erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.
Zukünftig soll den Hinterbliebenen auch unterhalb dieser Schwelle ein Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld zustehen, sofern sie zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen. Der Anspruch soll sowohl bei der Verschuldens- als auch bei der Gefährdungshaftung gewährt werden.
II.1. Erfüllungsaufwand
Bürgerinnen und Bürger/Verwaltung
Für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Verwaltung entsteht kein Erfüllungsaufwand. Wirtschaft
Bei der Versicherungswirtschaft ist das Regelungsvorhaben mit Personal- und Sachaufwand verbunden, den das BMJV auf der Grundlage der Verbandsanhörung nachvollziehbar als gering einschätzt.
II.2 Weitere Kosten
Die Versicherer werden jedoch mit weiteren Kosten in Höhe von rund 240 Millionen Euro jährlich belastet, die das Ressort auf der Grundlage höchstrichterlicher Rechtsprechung zum sog. Schockschaden sowie der Verbandsanhörung nachvollziehbar wie folgt ermittelt hat:
Der überwiegende Teil jährlicher Schadensfälle ist im Straßenverkehr (3.000) sowie bei medizinischer Behandlung (1.500) zu erwarten; ferner muss von 500 Tötungsdelikten und 1.000 weiteren haftungsauslösenden Todesfällen, darunter Gefährdungshaftung außerhalb des Straßenverkehrs und Arbeitsunfälle, ausgegangen werden. Bei der so geschätzten Gesamtzahl von 6.000 Schadensfällen und durchschnittlich vier Hinterbliebenen entstehen 24.000 Haftungsfälle.
Auf diese 24.000 Haftungsfälle hat das BMJV die durchschnittlich von den Gerichten für Schockschäden zugesprochene Entschädigungssumme (10.000 Euro) übertragen, sodass sich der Ansatz von 240 Millionen Euro ergibt.
II.3 Evaluierung
Das Regelungsvorhaben wird nach spätestens fünf Jahren evaluiert. Dabei wird die Bundesregierung in fachlich geeigneter Weise prüfen, ob und inwieweit die beabsichtigten
Wirkungen erreicht worden sind. Die Bundesregierung wird ferner untersuchen, wie sich die Kosten entwickelt haben. Die Evaluierung wird die Frage nach unbeabsichtigten Nebenwirkungen sowie nach der Akzeptanz und der Praktikabilität der Regelungen einschließen.
III. Votum
Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen in dem vorliegenden Regelungsentwurf.
Dr. Ludewig Dr. Holtschneider
Vorsitzender Berichterstatter