Drucksache: 395/20 (PDF) in Verbindung mit
Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz - COM (2020) 275 final Drucksache: 399/20 (PDF)
Der Bundesrat hat in seiner 993. Sitzung am 18. September 2020 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Allgemeines
- 1. Der Bundesrat dankt der Kommission für die Impulse zur Weiterentwicklung der mitgliedstaatlichen Systeme der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung, die sie in ihrer Mitteilung "Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz" (im Folgenden: Kompetenzagenda) und in ihrem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz (im Folgenden: Empfehlung) gegeben hat. Er ist überzeugt, dass der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung eine entscheidende Rolle für Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zukommt, und betont die Notwendigkeit nationaler und europäischer Anstrengungen in diesem Bereich.
- 2. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Förderung von flexiblen und resilienten Berufsbildungssystemen und unterstreicht die Bedeutung der in der Mitteilung gewählten Schwerpunkte: Stärkung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit, Gewährleistung der sozialen Gerechtigkeit, Stärkung der Resilienz sowie die Verwirklichung lebenslangen Lernens. Dadurch wird unter anderem die Voraussetzung geschaffen, die erforderliche Kompetenzentwicklung zu stärken und den Zugang zu kompetenzadäquater Beschäftigung zu verbessern. Diese Schwerpunkte stehen deshalb bereits heute auch im besonderen Fokus der nationalen Politiken.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Artikel 165 und 166 AEUV die Verantwortung für den Bereich der allgemeinen Bildung und der beruflichen Bildung, einschließlich der Hochschulbildung, den Mitgliedstaaten zuweisen. Dazu gehören unter anderem die Festlegung von verbindlichen Regeln und Standards, aber auch Fragen der Lehrplan- und Curricula-Gestaltung, der Leistungsbewertung und der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonal, der Validierung und Anerkennung von Qualifikationen sowie der Setzung von finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen für Bildungseinrichtungen. Vor diesem Hintergrund betont der Bundesrat, dass alle Organe der EU die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen der Kompetenzordnung und unter Achtung des Subsidiaritätsprinzips und des Harmonisierungsverbotes lediglich fördern, unterstützen und ergänzen können. Sie haben dabei die Besonderheiten der nationalen Bildungssysteme zu berücksichtigen und die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungswesens strikt zu beachten. Die Gestaltungsentscheidungen und die Umsetzung der Ziele müssen auf der Ebene der Mitgliedstaaten und nach Maßgabe von deren Rechtsordnungen erfolgen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt unter den genannten Maßgaben ausdrücklich die europäische Zusammenarbeit als Chance eines vertieften und freiwilligen Informations- und Erfahrungsaustausches für neue ergänzende und unterstützende Impulse zur Weiterentwicklung der Bildungssysteme der Mitgliedstaaten. Die EU kann einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung einer europäischen Dimension im Bildungswesen leisten und die Mobilität, die Anerkennung von Abschlüssen und Lernzeiten sowie die Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen unterstützen, nicht aber steuern oder bestimmen. Der Bundesrat bekräftigt in diesem Zusammenhang seine ablehnende Haltung zur Durchführung von sogenannten Peer-Review-Aktivitäten als (verbindliche) Kontroll- und Qualitätssicherungsinstrumente gegenüber den Mitgliedstaaten, die auch der Kompetenzordnung und dem Subsidiaritätsprinzip widersprechen.
- 5. Er stellt fest, dass die Kompetenzagenda auf eine verstärkte Verschränkung und Zusammenarbeit des Bildungsbereichs mit anderen Handlungsfeldern der EU, wie etwa der Beschäftigungs- oder der Forschungspolitik, abzielt. Dabei begrüßt er ausdrücklich das Bemühen um eine verbesserte Zusammenarbeit und eine stärkere Nutzung von Synergieeffekten. Er fordert jedoch, dass die verbesserte Zusammenarbeit nicht zu einer Aufgabe oder Vermischung der für die beteiligten Politikbereiche in den EU-Verträgen festgelegten spezifischen Rahmenbedingungen und Kompetenzgrundlagen führen darf, und warnt ausdrücklich davor, beispielsweise über eine stärkere Verschränkung der EU-Bildungskooperation mit der EU-Beschäftigungspolitik, die in dem letztgenannten Bereich vorgesehenen weitergehenden Unionskompetenzen auf den Bildungsbereich auszudehnen.
- 6. Der Bundesrat nimmt den beschäftigungspolitischen Grundtenor der vorliegenden Kommissionsmitteilung zur Kenntnis. Die Stärkung der Beschäftigungs- und Wettbewerbsfähigkeit sind in Europa von großer Bedeutung. Angesichts der primär auf Arbeitsmarkterfordernisse ausgerichteten Mitteilung weist er jedoch erneut darauf hin, dass Bildung kein bloßes Instrument zur Erreichung von Wachstum und Beschäftigungsfähigkeit darstellt. Vielmehr gilt es, einen deutlich umfassenderen, ganzheitlichen Bildungsanspruch zu verfolgen, der auf die personale, kognitive und soziale Bildung des Einzelnen abzielt und damit die gesellschaftliche und politische Teilhabe und die Entfaltung der Gesamtpersönlichkeit des Einzelnen im Blick hat. Der Bundesrat kritisiert vor diesem Hintergrund, dass die vorliegende Mitteilung ihre Ziele - trotz verschiedener Bezugnahmen etwa auf die Entwicklung von Kompetenzen zur Unterstützung des ökologischen und des digitalen Wandels - im Kern auf arbeitsmarktpolitische Sachzwänge fokussiert. Er weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch auf die Chancen der nonformalen und informellen Bildung hin. Hier hat beispielsweise die EU-Jugendstrategie mit ihren drei Kernbereichen "Beteiligen - Begegnen - Befähigen" interessante Anregungen zur Stärkung des erweiterten Bildungsverständnisses für die regionale und kommunale Ebene in der EU gegeben.
- 7. Der Bundesrat stellt grundsätzlich fest, dass die Kompetenzagenda und auch der parallel vorgelegte Vorschlag der Ratsempfehlung eine Vielzahl von Maßnahmen anreißen, deren abschließende Beurteilung aufgrund derzeit noch fehlender Informationen zur Konzeptionierung, zur konkreten Ausgestaltung und insbesondere auch zur notwendigen Finanzierung nicht möglich ist. Er weist darauf hin, dass eine Beschlussfassung oder Vorfestlegungen zur Durchführung von Initiativen, deren konkrete Ausgestaltung, Kostenrahmen und Kostentragung nicht zumindest grundlegend umrissen sind, weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene angezeigt sind. Hier ist zunächst einer detaillierten Machbarkeitsprüfung unter Einbeziehung aller inhaltlichen und finanziellen Auswirkungen der Vorzug zu geben.
Pakt für Kompetenzen
- 8. Der Bundesrat begrüßt die grundsätzliche Absicht, die Zusammenarbeit von Unternehmen, Sozialpartnern und Interessenträgern mit einem Pakt für Kompetenzen zu fördern. Er gibt jedoch zu bedenken, dass ein derartiger europäischer Pakt auf die spezifischen rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen und Angebote in den Bildungssystemen der Mitgliedstaaten sowie die unterschiedlichen Rollen und Interessen aller Akteure, die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschiedenste Ausprägungen aufweisen können, Rücksicht nehmen muss und diesen nicht zuwiderlaufen darf. Bei der Ausgestaltung des Paktes ist daher darauf zu achten, dass keine den Rahmenbedingungen und Strukturen der nationalen Bildungssysteme widersprechenden Parallelsysteme und -strukturen geschaffen oder gefördert werden, die letztlich dazu geeignet wären, nationale Bildungssysteme und -politiken zu unterlaufen.
- 9. Der Bundesrat fordert vor diesem Hintergrund, dass die Teilnahme an dem vorgeschlagenen Pakt für Kompetenzen freiwillig bleiben muss und seine geplante Funktion als zentrale Anlaufstelle auf EU-Ebene und der damit verknüpfte erleichterte Zugang zu Informationen über EU-Finanzierungsinstrumente für Kompetenzen nicht zu einem mittelbaren Verpflichtungsinstrument für potenzielle Teilnehmer werden dürfen. Soweit die zentrale Anlaufstelle darüber hinaus mit der verbindlichen Festlegung von Berufsprofilen oder von Aus-, Fort- und Weiterbildungsprogrammen betraut werden sollte, wäre dies als Eingriff in mitgliedstaatliche Kompetenzen abzulehnen.
Europäische Hochschulnetzwerke
- 10. Der Bundesrat begrüßt und unterstützt die weitere Umsetzung der Initiative "Europäische Hochschulnetzwerke". Er weist jedoch darauf hin, dass die Europäischen Hochschulnetzwerke nicht zu einem Instrument der Standardisierung bzw. Harmonisierung der europäischen Hochschullandschaft werden dürfen.
- 11. Der Bundesrat lehnt daher Überlegungen zur Schaffung eines "Europäischen Hochschulstatuts" sowie zur Etablierung eines "Europäischen Hochschulabschlusses" ("European degree") ab. Diese Maßnahmen würden den ersten Schritt zu einem europäischen Hochschulrahmenrecht und damit den Einstieg in eine von der europäischen Kompetenzordnung ausgeschlossene europäische Harmonisierung des Hochschulrechts bilden.
Strukturfragen der nationalen Bildungssysteme und -einrichtungen
- 12. Soweit die Kommission eine Reihe von Initiativen zur Gestaltung von mitgliedstaatlichen Rahmenbedingungen und Strukturen im Bildungsbereich vorschlägt, wie etwa die Einführung von Maßnahmen für Lehrkräfte, die dem Mangel an MINT-Lehrkräften entgegenwirken sollen, oder die EU-Initiative zur Schaffung von individuellen Lernkonten, einschließlich unterstützender Maßnahmen zur Transparenz und Validierung von Bildungsangeboten oder dem Angebot von Bildungsurlaub, verweist der Bundesrat nicht nur auf die kompetenziellen Grenzen der EU, sondern auch auf die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien und die unterschiedlichen Strukturen der mitgliedstaatlichen Bildungssysteme.
- 13. Der Bundesrat lehnt die von der Kommission geforderte pauschale Umgestaltung der Hochschuleinrichtungen in stärker unternehmerisch orientierte Organisationen und ihre bessere Ausrichtung am jeweiligen wirtschaftlichen Umfeld ab. Das Ziel, Hochschulbildung immer stärker gezielt am (regionalen) Fachkräftebedarf und dem Prinzip des "beruflichen Lernens in der Hochschule" auszurichten, muss mittelfristig zu einem veränderten Verständnis von Hochschulbildung als akademische Berufsausbildung führen. Das Bestreben einer einseitigen Fokussierung der Hochschulen auch im Sinne einer gezielten inhaltlich gestaltenden Einflussnahme auf die Curricula der Hochschulen greift in die Freiheit von Forschung und Lehre ein. Darüber hinaus stehen Hochschulen bereits heute in einem breiten Austausch mit Unternehmen und stellen dem Arbeitsmarkt ein breites Potenzial an akademisch qualifizierten Fachkräften bereit. Eine weitere Einengung des Bildungsauftrags der Hochschulen auf rein arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen ist abzulehnen. Auf die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Bildungsverständnisses wurde bereits in dieser Stellungnahme hingewiesen.
Schaffung europäischer Kompetenzrahmen und Kernprofile
- 14. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kompetenzagenda im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung - einschließlich der Hochschulbildung - in verschiedenen Kontexten die Entwicklung bzw. Unterstützung von europäischen Kompetenzrahmen mit spezifischen Ausbildungsinhalten vorsieht, wie etwa den Kompetenzrahmen für Forschende, für unternehmerische Kompetenzen oder für Bildung in den Bereichen Klimawandel, Umweltfragen, saubere Energien und nachhaltige Entwicklung. Darüber hinaus ist die Definition von Kernkompetenzen für Forschende sowie die Entwicklung von Kompetenzniveaus für Umweltfragen und von Kernprofilen für grüne Kompetenzen und im Bereich der beruflichen Bildung zur Förderung von Exzellenz und Internationalisierung angedacht. Bezüglich dieser Ankündigung zur Entwicklung von europäischen Rahmenvorgaben gibt der Bundesrat zu bedenken, dass die Bildungssysteme in den Mitgliedstaaten äußerst vielgestaltig und unterschiedlich sind, und hinterfragt vor diesem Hintergrund grundsätzlich den europäischen Mehrwert der Erstellung von einheitlichen Rahmenwerken im Bildungsbereich.
- 15. Darüber hinaus weist der Bundesrat darauf hin, dass die angedachte Entwicklung von Kompetenzrahmen und Kernprofilen nicht zu einem Eingriff in die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Bildungsinhalte und die Ausgestaltung der Lehre führen und deren Harmonisierung durch die EU nach sich ziehen darf. Daher wird der Ansatz der Kommission abgelehnt, gerade durch die Schaffung von europäischen Kernprofilen im Bereich der beruflichen Bildung, die Entwicklung gemeinsamer Lehrpläne, Qualifikationen und Micro-Credentials zu begünstigen. Auch im Zusammenhang mit den Planungen der Kommission, Lehrpläne für die offene Wissenschaft und für ein Wissenschaftsmanagement für Forschende zu entwickeln sowie fächerübergreifende und innovative Unterrichts- und Lernkonzepte in Schulen, Berufsbildungseinrichtungen und Hochschulen zu fördern, erinnert der Bundesrat an die in den Artikeln 165 und 166 AEUV eng gefassten Kompetenzen der EU und die ausschließliche Kompetenz der Mitgliedstaaten für diesen Bereich.
- 16. Ferner weist er darauf hin, dass die ausschließliche Kompetenz für die Ausgestaltung von Ausbildungsgängen, Lehrinhalten und Curricula bei den Mitgliedstaaten bzw. den Hochschulen liegt und eine - auch mittelfristig angelegte - Harmonisierung gemäß den Artikeln 165 und 166 AEUV ausdrücklich nicht das Ziel einer europäischen Bildungspolitik sein darf. Demgegenüber wären derartige Rahmenwerke jedoch zumindest geeignet, rechtliche Zuständigkeiten, Definitionshoheiten und die Gestaltung von Bewertungsmaßstäben auf die europäische Ebene zu verlagern. Der Bundesrat erinnert vor diesem Hintergrund daran, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen lediglich beispielgebenden Charakter haben können und keinerlei verbindliche Vorgaben für die Mitgliedstaaten entfalten dürfen. Soweit sich die Maßnahmen auf den Bereich der Hochschulen beziehen, weist er zusätzlich auch auf die notwendige Einhaltung der garantierten Freiheit von Forschung und Lehre hin.
Modularisierung von Bildungsangeboten
- 17. Der Bundesrat betont, dass die Einführung modularer Angebote die bestehenden Strukturen der Bildungssysteme der Mitgliedstaaten lediglich ergänzen, keinesfalls aber ersetzen darf. Die in der Bundesrepublik Deutschland erfolgreiche Verknüpfung von theoretischer und praktischer Berufsausbildung basiert auf einem ganzheitlichen Bildungs- und Berufsverständnis und einer Orientierung an Berufsbildern, dem die Ausrichtung an Modulen und Teilqualifikationen zuwiderlaufen kann. Eine zu starke und ohne Berücksichtigung der spezifischen Umstände umgesetzte Modularisierung sowie die damit verbundene zeitliche und räumliche Aufsplitterung von Lernerfahrungen erweisen sich in diesem Kontext als kontraproduktiv, sofern sie über reine Fort- und Weiterbildungsangebote hinausgehen. Unter diesen Maßgaben sind die vorgeschlagene verstärkte Modularisierung von Bildungsangeboten und die beabsichtigte Einführung von sogenannten Micro-Credentials kritisch zu sehen.
- 18. Der Bundesrat unterstreicht, dass die dargestellten Bedenken zu den Ansätzen einer verstärkten Modularisierung von Bildungsangeboten auch für den Hochschulbereich gelten, soweit sie zu einer Aufweichung des Studiengang-Prinzips führen. Durch das Kumulieren kleiner und kleinster Lerneinheiten dürfen die von den Hochschulen im Zusammenhang konzipierten Studiengänge nicht ersetzt werden. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass die etablierten Abschlüsse, die dem Prinzip einer umfassenden Gesamtqualifikation folgen, entwertet werden.
Mobilität, Anerkennung und Validierung
- 19. Der Bundesrat begrüßt und unterstützt die vielfältigen Maßnahmen der EU zur Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität im Bildungsbereich. Er bekräftigt insbesondere das Ziel, jungen Menschen in Europa die Möglichkeit zu geben, einen Teil ihrer Ausbildung oder ihres Studiums in einem anderen Mitgliedstaat zu absolvieren, betont aber zugleich, dass insoweit Möglichkeiten geschaffen, aber keine Verpflichtungen begründet werden sollten. Die verpflichtende Festlegung der Mobilität als regulären Bestandteil, insbesondere der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung, ist insoweit nicht erforderlich. Der Bundesrat weist darauf hin, dass sich Auslandsaufenthalte längerer Dauer gerade in der beruflichen Bildung aus praktischen Gründen oft als schwierig erweisen. Hierauf gilt es, bei der Ausgestaltung von entsprechenden Maßnahmen Rücksicht zu nehmen. Darüber hinaus verweist er auch auf die Chancen der niederschwelligen nonformalen grenzüberschreitenden Mobilität, wie sie beispielsweise im Jugendbereich über das Erasmus+-Programm und das Europäische Solidaritätskorps gefördert wird. Ein zusätzlicher Fokus bei der Förderung der Mobilität sollte aus seiner Sicht bei sozial Benachteiligten liegen.
- 20. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission darin überein, dass Lernerfahrungen und Abschlüsse, die im Ausland erworben werden, nicht losgelöst von der Ausbildung im Inland betrachtet werden dürfen, sondern vielmehr für diese förderlich sein müssen. Eine essenzielle Voraussetzung für die Attraktivität von Lernaufenthalten im Ausland ist auch hier eine einfache und möglichst vollständige Anerkennung von Lernzeiten und Abschlüssen. Ein umfassender Automatismus ist hingegen in Anbetracht der Diversität der Abschlüsse und der mitgliedstaatlichen Bildungssysteme weder umsetzbar noch wünschenswert. Die Mitgliedstaaten müssen die Möglichkeit einer Äquivalenzprüfung grundsätzlich behalten. Aufgrund der Diversität der europäischen Bildungslandschaft wäre ein Verzicht auf jegliche Äquivalenzprüfungen nur realistisch bei einer weitgehenden inhaltlichen Angleichung der Bildungssysteme, was aufgrund der eindeutigen Kompetenzzuordnungen im Bildungsbereich nicht umsetzbar ist. Der Bundesrat stellt fest, dass für die gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen innerhalb der EU bereits wirksame Instrumentarien bestehen, die eine Anerkennung ohne wesentliche Hindernisse schon jetzt ermöglichen. Nichtsdestotrotz ist - unter gleichzeitiger Beachtung notwendiger Qualitäts- und Nachprüfbarkeitsgesichtspunkte - eine weitere Verbesserung und Fortentwicklung der bestehenden Anerkennungssysteme und -instrumentarien wünschenswert, um noch bestehende Hindernisse weiter zu reduzieren.
- 21. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung des nonformalen und informellen Lernens erkennt der Bundesrat grundsätzlich an, dass die Sichtbarmachung von auf diesen Wegen erworbenen Lernergebnissen durch geeignete Validierungsverfahren für den Einzelnen, die Gesellschaft und die Wirtschaft positive Effekte zeitigen kann, soweit diese Lernerfahrungen Relevanz für den Arbeitsmarkt besitzen. Dabei dürfen jedoch die herausgehobene Bedeutung und der Wert formaler Abschlüsse und Qualifikationen nicht aus dem Blick verloren werden. Gleichzeitig erinnert der Bundesrat, mit Blick auf die Überlegungen der Kommission zur Entwicklung eines strategischen Rahmens für die Anerkennung von Querschnittskompetenzen zur Unterstützung von Validierungsfachleuten und weiterer Maßnahmen zur Unterstützung der Validierung von Querschnittskompetenzen durch Arbeitgeber und Arbeitsvermittlungen, an die eng gefassten Unionskompetenzen im Bildungsbereich und stellt fest, dass die Einrichtung und die Ausgestaltung nationaler Verfahren zur Anerkennung und Validierung von Qualifikationen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen.
Sammlung und Analyse von Bildungsdaten
- 22. Im Zusammenhang mit den geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Erkenntnisse über Kompetenzen sowie zur Überwachung und statistischen Analyse der Kompetenzentwicklung, einschließlich der Taxonomie der Kompetenzen für Forschende und der Taxonomie von Kompetenzen für den ökologischen Wandel, weist der Bundesrat grundsätzlich darauf hin, dass alle Vorschläge zum Sammeln und Analysieren von Bildungsdaten sowie zur Verknüpfung und zum Abgleich von Daten öffentlicher und privater Stellen einen europäischen Mehrwert besitzen müssen, der in angemessenem Verhältnis zu dem verursachten personellen und finanziellen Mehraufwand auf Seiten der Mitgliedstaaten und ihrer Bildungseinrichtungen steht. Eine abgestimmte Agenda für die Sammlung und Analyse von Bildungsdaten bedarf daher nicht nur einer Benennung potenzieller Analysetechnologien, sondern vor allem einer transparenten Definition der mit der Analyse verfolgten Zwecke. Insbesondere bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist der Mehrwert zusätzlicher Informationen mit den schützenswerten Interessen der Betroffenen abzuwägen. Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen sind jederzeit einzuhalten.
- 23. Der Bundesrat hinterfragt vor diesem Hintergrund beispielsweise die im Rahmen des Entwurfs der Empfehlung geforderte EU-weite Erhebung bei berufsbildenden Schulen sowie die steigende Zahl und den Umfang der mitgliedstaatlichen Berichtspflichten gegenüber der EU und weist dabei auf den dadurch verursachten enormen personellen und finanziellen Aufwand auf Seiten der Mitgliedstaaten und ihrer Bildungseinrichtungen hin.
- 24. Der Bundesrat begrüßt die von der Kommission angestrebte Verbesserung der Verbreitung der Erkenntnisse und Ergebnisse der europäischen Bildungszusammenarbeit als wesentliche Voraussetzung eines erfolgreichen Prozesses gegenseitigen Voneinanderlernens in der EU. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Schaffung europaweiter Online-Angebote und Plattformen dabei als Foren für einen Informationsaustausch einen europäischen Mehrwert erzielen kann, erinnert jedoch auch in diesem Zusammenhang an das notwendige angemessene Verhältnis zu den verursachten Kosten auf Seiten der Mitgliedstaaten und ihrer Bildungseinrichtungen.
- 25. Im Zusammenhang mit der Europass-Plattform weist der Bundesrat ergänzend darauf hin, dass europaweite Online-Angebote und Plattformen mit maßgeschneiderten Informationen über Kompetenztrends oder Kompetenzbedarfe sowie Hilfs- und Stellenangebote für Menschen, die ihre berufliche Laufbahn planen, grundsätzlich zu begrüßen sind, jedoch nicht zu europäischen Instrumenten für die Anerkennung und Validierung von Berufsqualifikationen weiterentwickelt werden dürfen, die in die mitgliedstaatlichen Zuständigkeiten für diesen Bereich eingreifen.
Benchmarks und Indikatoren
- 26. Der Bundesrat weist grundsätzlich darauf hin, dass quantitative oder qualitative Benchmarks und Indikatoren zur Überprüfung der mitgliedstaatlichen Bildungssysteme immer nur in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten festzulegen sind. Sie bedürfen außerdem einer äußerst sorgfältigen Prüfung bezüglich des jeweils zu erwartenden europäischen Mehrwerts, ihrer Relevanz, ihrer konkreten Messbarkeit und der Vergleichbarkeit der Daten im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der mitgliedstaatlichen Bildungssysteme sowie einer Kosten-Nutzen-Analyse unter besonderer Berücksichtigung des damit verbundenen Verwaltungsaufwands für die Mitgliedstaaten.
- 27. Der Bundesrat hält es gerade vor dem Hintergrund der derzeit noch nicht abschließend absehbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft der Mitgliedstaaten für ratsam, bei der Verabredung gemeinsamer Zielsetzungen in Form von bereits bis zum Jahr 2025 zu erzielenden europäischen Durchschnittsbezugswerten realistischen Ansätzen den Vorrang vor zu ambitionierten Erwartungshaltungen zu geben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Benchmarks und Indikatoren auf Maßnahmen aufsetzen, die bislang nur vorgeschlagen oder noch in der Entwicklung begriffen sind.
- 28. Er weist darauf hin, dass die Überlegungen der Kommission, im Zusammenhang mit den Indikatoren zur Teilnahme von Erwachsenen an Bildungsmaßnahmen und zur Teilnahme von gering qualifizierten Erwachsenen an Bildungsmaßnahmen jeweils auf den Zeitraum der letzten zwölf Monate abzustellen, wesentlich aussagekräftiger sind, als die Bezugnahme auf einen Zeitraum von lediglich vier Wochen bei dem Indikator für den Anteil arbeitsloser Erwachsener, die eine Lernerfahrung jüngeren Datums gemacht haben. Es sind viele Fälle denkbar, in denen die Teilnahme an Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten aus persönlichen Gründen nicht möglich ist.
Umsetzung der Agenda
- 29. Der Bundesrat legt Wert darauf, dass jede der im Rahmen der Kompetenzagenda vorgeschlagenen Maßnahmen mit einem erkennbaren europäischen Mehrwert verknüpft sein muss, der darüber hinaus in angemessenem Verhältnis zu den Kosten ihrer Umsetzung zu stehen hat. Dabei ist der personelle und finanzielle Aufwand für nationale Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen auf ein Minimum zu beschränken. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat auch auf die Notwendigkeit einer Bestandsanalyse bestehender Initiativen und Programme auf nationaler und europäischer Ebene hin, damit Redundanzen vermieden werden.
- 30. Er unterstützt die Kommission grundsätzlich in ihrem Vorhaben, das Potenzial der EU-Finanzierungsprogramme voll auszuschöpfen. Der bloße Verweis auf europäische Finanzierungsquellen, wie das Erasmus+-Programm oder die europäischen Struktur- und Investitionsfonds, ist jedoch nicht ausreichend. Diese Mittel müssen in der Regel auch einer Vielzahl anderer Zielsetzungen dienen. Der Bundesrat fordert, dass sich die Kommission in ihren Mitteilungen konkret zur geplanten Finanzierung angekündigter Aktivitäten äußert.
- 31. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat darauf hin, dass es nicht Aufgabe der EU ist, im Bereich der europäischen Bildungszusammenarbeit unmittelbare oder mittelbare Vorgaben für nationale Haushalte zu machen. Dies gilt auch für Zielvorgaben, die nur durch nationale Finanzierungspflichten zu erfüllen sind und über das Europäische Semester und den damit verbundenen möglichen Konsequenzen für die Finanzierungsinstrumente der EU einer Überwachung und Kontrolle auf europäischer Ebene unterliegen und dadurch den Charakter einer freiwillig umsetzbaren Empfehlung zumindest faktisch verlieren. Die Beteiligung an freiwilligen Maßnahmen im Bildungsbereich darf nicht zur Vorbedingung für die Vergabe von allgemeinen EU-Fördermitteln gemacht und somit zu einer mittelbaren Verpflichtung werden.
- 32. Die Kommission kündigt in der Mitteilung an, dass das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung weiterhin eine wichtige Rolle bei der Überwachung politischer Reformen in den Bereichen der allgemeinen und beruflichen Bildung und Kompetenzen spielen wird. Angesichts der dargelegten Verzahnung mit dem Europäischen Semester weist der Bundesrat nachdrücklich darauf hin, dass die durch das Prinzip der Freiwilligkeit geprägte europäische Bildungszusammenarbeit nicht verstärkt in die wirtschaftspolitische Koordinierung des Europäischen Semesters mit seinen finanzwirksamen Sanktions- und Kontrollmechanismen einbezogen werden darf. Formalisierte Kontrolle, Überwachung, Bewertung und damit Steuerung durch die europäische Ebene würden dem Grundsatz der Freiwilligkeit der europäischen Bildungskooperation widersprechen.
- 33. Der Bundesrat nimmt die Überlegungen der Kommission zur Kenntnis, die Umsetzung der Kompetenzagenda und einer eigenen Governance der EU-Politik für die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung mit Hilfe von Expertengruppen und darüber hinaus mit Beratungsgremien, wie dem dreigliedrigen Beratenden Ausschuss für die Berufsbildung, sowie durch eine stärkere unmittelbare Zusammenarbeit mit Interessenträgern vorantreiben zu wollen. Er unterstützt ausdrücklich die Einbeziehung von Beratungs- und Expertengremien sowie die Zusammenarbeit von und mit Interessenträgern als Möglichkeit zur Einbindung von wertvollen Erfahrungen und Kenntnissen aus der Praxis. Der Bundesrat unterstreicht jedoch auch die besondere Rolle des Bildungsausschusses des Rates und des Bildungsministerrates der EU als formale Entscheidungsgremien und weist darauf hin, dass durch die Planungen der Kommission keine Parallelstrukturen entstehen dürfen, die zur Schwächung der Rolle der Ratsgremien und der Mitgliedstaaten führen. Der Bundesrat fordert daher in jeder Phase eine aktive Einbeziehung der relevanten Gremien des Rates und der Mitgliedstaaten.
Vorschlag einer Empfehlung des Rates zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz
- 34. Der Bundesrat begrüßt die Vorlage des Empfehlungsvorschlags. Dieser enthält eine Reihe von wichtigen Impulsen zur Weiterentwicklung, Modernisierung und Stärkung der mitgliedstaatlichen Aus-, Fort- und Weiterbildungssysteme, die auf eine kontinuierliche, flexible und zukunftsorientierte Kompetenzentwicklung junger Menschen sowie die Förderung von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Mobilität und Durchlässigkeit in der beruflichen Bildung zielen.
- 35. Der Bundesrat weist grundsätzlich darauf hin, dass Strukturfragen der Bildungssysteme, einschließlich der beruflichen Aus- und Weiterbildung, in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen müssen die Unterschiedlichkeit der Systeme sowie der rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen berücksichtigen und achten. So können etwa die Ausgestaltung öffentlichprivater Partnerschaften, die Idee der hybriden Lehrkräfte oder die Forderung nach angemessener Autonomie, Unterstützung und Finanzierung der Anbieter beruflicher Aus- und Weiterbildung immer nur innerhalb der von den Mitgliedstaaten gesetzten strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen und der festgelegten Qualitätsstandards der nationalen Bildungssysteme realisiert werden.
- 36. In diesem Zusammenhang betont er, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nur Empfehlungscharakter besitzen und die Entscheidung über das "Ob" und das "Wie" der Umsetzung in den Händen der Mitgliedstaaten liegt. Soweit die Kommission eigene Unterstützungsmaßnahmen, wie die Unterstützung von Strukturreformen oder den Ausbau von Unterstützungsdiensten, anbietet, dürfen diese nicht zu einem mittelbaren Verpflichtungs- und Harmonisierungsinstrument auf europäischer Ebene weiterentwickelt werden.
- 37. Der Bundesrat sieht in der Aufhebung der ECVET- und EQAVET-Empfehlungen eine folgerichtige Entscheidung. Die Übernahme von Elementen und spezifischen Instrumenten aus diesen Empfehlungen ist unter Verweis auf die grundsätzliche Positionierung in dieser Stellungnahme insofern als kritisch zu betrachten, als diese der Zielsetzung zur Schaffung von Transparenz nur unter Wahrung der mitgliedstaatlichen Verantwortlichkeiten dienen können.
- 38. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der vorliegende Vorschlag der Empfehlung an verschiedenen Stellen eine einseitige Betonung des Ausbaus und der Entwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung auf höherem Qualifikationsniveau (EQR-Stufen 5 bis 8) vornimmt, so etwa bei den Zentren der beruflichen Exzellenz und bei den Programmen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung. Er merkt dies auch deshalb an, weil insbesondere auch Personen mit einem Qualifikationsniveau der EQR-Stufen 1 bis 4 beispielsweise für den ökologischen und digitalen Wandel einen wichtigen Beitrag leisten und entsprechend im Rahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung gefördert werden müssen.
- 39. Der Bundesrat begrüßt den Gedanken, bewährte Strukturen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung der EU-Mitgliedstaaten im Sinne einer stärkeren Internationalisierung der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung als globale Bezugsgröße bekannt zu machen und Öffentlichkeitsarbeit zur Steigerung der Attraktivität der Berufsbildung zu betreiben. Er weist jedoch darauf hin, dass der Ansatz, eine globale Bezugsgröße zu definieren, nicht mit dem Ziel einer Nivellierung bzw. Harmonisierung der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Bildungssysteme der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung einhergehen darf.
- 40. Er weist im Hinblick auf die Forderung der Kommission nach der Bereitstellung nationaler Ressourcen in angemessenem Umfang zur Verwirklichung der vorgeschlagenen Maßnahmen auf seine Position zu Vorgaben der EU für die nationalen Haushalte in dieser Stellungnahme hin.
- 41. Ebenso weist der Bundesrat auf seine grundsätzlichen Anmerkungen zu Benchmarks und Indikatoren in dieser Stellungnahme hin. Im Zusammenhang mit den konkret im Rahmen des vorliegenden Entwurfs der Empfehlung vorgeschlagenen Benchmarks und Indikatoren ist zu bedenken, dass viele Absolventen einer Ausbildung hieran eine Fortbildung oder ein weiterqualifizierendes Studium anschließen und damit nicht unmittelbar erwerbstätig sind. Dieser Umstand sollte in die Messung einfließen. Weiter begrüßt er das grundsätzliche Ziel zur Ausweitung des arbeitsplatzbasierten Lernens als grundlegendes Strukturmerkmal beruflicher Bildungsprozesse. Ausgehend von der deutschen dualen Berufsausbildung gibt er zu bedenken, dass auch schulische Ausbildungszeiten, die in engem zeitlichen und strukturellen Zusammenhang mit der Ausbildung am eigentlichen Arbeitsplatz stehen, in die Messung einfließen sollten.
- 42. Der Bundesrat wendet sich gegen die Verankerung einer pauschalen und generellen Aufforderung an die Kommission zur Gewährleistung eines qualitativen und quantitativen Monitorings im Bildungsbereich, einschließlich der Weiterverwendung der gewonnenen Daten in anderen europäischen Rahmen für Monitoring, und fordert, insbesondere vor dem Hintergrund der damit verbundenen Belastung für die Mitgliedstaaten und einer effektiven Kontrolle der Datenströme und der Gewährleistung des Datenschutzes, die Festlegung klarer Vorgaben, unter denen die Kommission qualitatives und quantitatives Monitoring betreiben kann. Insoweit verweist der Bundesrat auf seine Position zu den Voraussetzungen von Initiativen zur Sammlung und Analyse von Daten im Bildungsbereich in dieser Stellungnahme. Die Datenverfügbarkeit auf europäischer Ebene darf sich nicht hin zu einer europäischen Steuerungskompetenz über Ziele, Indikatoren und Benchmarks verdichten, die das Subsidiaritätsprinzip aushöhlt und letztlich die Artikel 165 und 166 AEUV ins Leere laufen lässt.
- 43. Er unterstreicht die Notwendigkeit, den zweifachen - ökologischen und digitalen - Wandel durch geeignete Instrumente der beruflichen Bildung zu unterstützen. Maßnahmen der beruflichen Bildung im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit tragen gleichzeitig dazu bei, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere jedoch auch Jugendliche und junge Erwachsene, durch den Erwerb von Kompetenzen zu befähigen, sich diesem Wandel anzupassen, diesen Wandel mitzugestalten und mit Notsituationen und wirtschaftlichen Schocks zurechtzukommen.
- 44. Aus Sicht des Bundesrates leisten auch die Freiwilligendienste einen wertvollen Beitrag, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen berufsbezogene und soziale Kompetenzen zu vermitteln. Sie bieten einen organisatorischen und pädagogisch gestalteten Rahmen, der es erlaubt, sich nach der Schulausbildung beruflich zu orientieren. Freiwilligendienste, wie zum Beispiel das Freiwillige ökologische Jahr, bieten den Teilnehmenden die Chance, umwelt- und nachhaltigkeitsbezogene sowie soziale Kompetenzen zu entwickeln, die den Grundstein für eine erfolgreiche Berufsausbildung legen können und die dem eigenen beruflichen Fortkommenden dienen. Zudem wird hierdurch der notwendige ökologische Umbau der Wirtschaft unterstützt, indem die Teilnehmenden ihre umwelt- und nachhaltigkeitsbezogenen Kompetenzen in ihren beruflichen Alltag einbringen.
- 45. Vor diesem Hintergrund sollte der Empfehlungsvorschlag zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz entsprechend ergänzt werden. Die Freiwilligendienste als Instrument in der beruflichen Bildung zur Vermittlung umwelt- und nachhaltigkeitsbezogener Kompetenzen sollten darin ausdrücklich Erwähnung finden. Dabei ist auch darauf abzustellen, dass sie auskömmlich finanziert werden.
- 46. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen über den Empfehlungsvorschlag auf der europäischen Ebene für eine Aufnahme der Freiwilligendienste in die Empfehlung einzusetzen.
- 47. Darüber hinaus weist er auf seine in dieser Stellungnahme enthaltenen Positionen zur Kompetenzagenda hin, insbesondere zur Wahrung der Kompetenzordnung und des Subsidiaritätsprinzips; zur Ganzheitlichkeit des Bildungsanspruches; zur Durchführung von Peer-Reviews als Instrumente der Qualitätssicherung, zur Mobilität und zu den Anerkennungs- und Validierungsinstrumenten; zur Schaffung europäischer Kompetenzrahmen und Kernprofile; zur Gestaltung von Lehrplänen und Lehrinhalten; zur Modularisierung von Bildungsangeboten, einschließlich der Einführung von sogenannten Micro-Credentials; zur Sammlung und Analyse von Bildungsdaten; zu Berichtspflichten für Mitgliedstaaten gegenüber der EU; zu Vorgaben der EU für die nationalen Haushalte, zur Rolle des Europäischen Semesters im Bildungsbereich sowie zur Ausgestaltung einer Governance der EU-Politik für die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme
- 48. Der Bundesrat stellt fest, dass sich die gegenständlichen Vorlagen im Kern mit Themen beschäftigen, die innerstaatlich im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder in den Bereichen der allgemeinen und beruflichen Bildung, einschließlich der Hochschulbildung, betreffen. Dies betrifft unter anderem die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Festlegung von Kompetenzrahmen und Kernprofilen, aber auch zur Lehrplan- und Curricula-Gestaltung, zur Aus-, Fort- und Weiterbildung des Lehrpersonals sowie zur Validierung und Anerkennung von Qualifikationen. Er weist deshalb darauf hin, dass die vorliegende Stellungnahme des Bundesrates insoweit gemäß § 5 Absatz 2 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen ist.
Direktzuleitung an die Kommission
- 49. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission. Er behält sich gesonderte Stellungnahmen zu den beabsichtigten Einzelmaßnahmen vor.