COM (2018) 374 final; Ratsdok. 9536/18
970. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Bedeutung der Europäischen territorialen Zusammenarbeit
- 1. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Europäische territoriale Zusammenarbeit (ETZ/Interreg) einen bedeutenden Beitrag zur europäischen Integration und Kohäsion, zur Förderung eines guten nachbarschaftlichen Miteinanders in Europa und zur Sichtbarkeit der EU durch die Zusammenarbeit vor Ort über Staatsgrenzen hinweg leistet. Insofern trägt Interreg wesentlich zur Schaffung eines bürgernäheren Europas bei. Daher begrüßt er, dass die Kommission den bedeutenden europäischen Mehrwert von Interreg durch die Vorlage eines eigenen Verordnungsvorschlags anerkannt hat. Vor diesem Hintergrund und angesichts der europapolitischen Herausforderungen, den Zusammenhalt in der Union langfristig zu sichern, fordert der Bundesrat eine Stärkung von Interreg.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die grundsätzliche Fortführung der grenzüberschreitenden und der transnationalen Zusammenarbeit in allen Regionen Europas sowie der Unterstützungsnetzwerke für die interregionale Kooperation.
- 3. Der Bundesrat anerkennt das Bemühen der Kommission um eine stärkere Kodifizierung der Regeln für die ETZ. Gleichzeitig enthält der Verordnungsvorschlag neben einer Reihe von Ermächtigungen für delegierte Rechtsakte nach wie vor viele Verweise auf die neu vorgeschlagene Dachverordnung (BR-Drucksache 227/18 (PDF) ) und die neu vorgeschlagene Verordnung über den europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE, BR-Drucksache 228/18 (PDF) ). Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für eine weitergehende Rechtsvereinheitlichung einzusetzen.
- 4. Der Bundesrat würdigt, dass anstelle der Abkürzung ETZ/Interreg in der vorgeschlagenen Verordnung durchgängig einheitlich verwandt wird und dadurch Interreg als Marke klarer platziert wird.
- 5. Der Bundesrat kritisiert insofern die vorgesehenen Kürzungen im Bereich der bewährten und effektiv wirkenden Programme der grenzübergreifenden, transnationalen und interregionalen Zusammenarbeit. Er fordert, dass eine Mittelausstattung für die Interreg-Programme im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 vorgesehen wird, die mindestens der aktuellen Förderperiode entspricht (vergleiche bereits die Stellungnahme des Bundesrates vom 6. Juli 2018, BR-Drucksache 166/18(B) ).
- 6. Der Bundesrat sieht zudem Klärungsbedarf hinsichtlich der Berechnungsmethode der Mittelzuweisung. So erschwert beispielsweise die Neuzuordnung von Programmräumen mit Seegrenzen die Nachvollziehbarkeit der Entwicklung der Mittelausstattung für die grenzübergreifende und transnationale Zusammenarbeit.
- 7. Der Bundesrat hält - auch vor dem Hintergrund des immer wieder betonten europäischen Mehrwertes der ETZ - die geplante Mittelausstattung für unzureichend. Insbesondere die drastische Reduzierung der Mittel für die grenzübergreifende Zusammenarbeit ("Bestandteil 1") kann nicht nachvollzogen werden. Die Veränderung der ETZ-Architektur darf nicht zulasten der grenzübergreifenden [und transnationalen] Zusammenarbeit erfolgen.
- 8. Der Bundesrat begrüßt die Verordnungsvorschläge der Kommission für die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds für die neue Förderperiode, die eine tragfähige Grundlage für die weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene bilden. Er verweist auf die Notwendigkeit, auch für Interreg zum Start der neuen Programmphase 2021 bis 2027 über verlässliche und abschließende Rechtsgrundlagen zu der Programmplanung und -umsetzung sowie zu eCohesion verfügen zu können.
- 9. Der Bundesrat würdigt grundsätzlich die Anstrengungen der Kommission, bei den Regelungen für die Verwaltungs- und Kontrollsysteme und bei der Umsetzung von Interreg künftig stärker dem mehrstaatlichen Charakter der Interreg-Programme Rechnung zu tragen. Er begrüßt, dass die Kommission dem EU-Recht klaren Vorrang gegenüber dem nationalen Recht einräumt, bedauert jedoch, dass sie sich nicht für eine alleinige Regelung auf der Basis des EU-Rechts ausgesprochen hat. Hiermit bleiben für die umsetzenden Behörden weiterhin Unsicherheiten bei der Programmimplementierung bestehen.
- 10. Der Bundesrat würdigt das Bestreben der Kommission, durch Flexibilisierungen und Vereinfachung die Verfahren und Abläufe zu verschlanken und somit eine dringend notwendige Reduzierung des Verwaltungsaufwandes (zum Beispiel durch Vereinfachung von Prüfungs- und Kontrollregeln, Pauschalisierung von Kosten) zu erreichen. Dessen ungeachtet hält er weitergehende Ansätze für eine umfassende Vereinfachung zur Reduzierung der Hürden und administrativen Lasten für die Programmverwaltungen und die Begünstigten für erforderlich.
- 11. Der Bundesrat würdigt die im Verordnungsvorschlag enthaltenen Vereinfachungsansätze. Nach Auffassung des Bundesrates gehen diese jedoch nicht weit genug.
- 12. Der Bundesrat betrachtet daher den vorgelegten Vorschlag für die Interreg-Verordnung als gute Grundlage für die Diskussion der Kommission mit den Mitgliedstaaten, sieht jedoch in entscheidenden Punkten noch Nachbesserungsbedarf.
Interreg-Bestandteile
- 13. Der Bundesrat begrüßt, dass die grenzübergreifenden, transnationalen und interregionalen Kooperationsprogramme im Rahmen von Interreg grundsätzlich fortgeführt werden. Die Schwerpunktsetzung auf wirtschaftliche Zusammenarbeit und Innovation darf allerdings nicht dazu führen, dass andere wichtige Schwerpunktbereiche, die gerade angesichts der zunehmenden Spannungen innerhalb der EU von erheblicher Bedeutung für die Zukunft sind, in den Hintergrund treten. Dies betrifft insbesondere Projekte der Zusammenarbeit zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Institutionen und Verwaltungen. Er betont, dass die Programme eine eigenständige Berechtigung haben, und fordert eine grundsätzliche Beibehaltung der bewährten Programme. Bei eventuellen Änderungen der Programme oder der Programmräume hält er es für erforderlich, dass die Änderungen sinnvoll begründet sind und die deutschen Länder frühzeitig beteiligt werden.
- 14. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die konkreten Programmräume erst mit einem delegierten Rechtsakt der Kommission präzisiert werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung und die Kommission um eine frühzeitige Einbindung in die Diskussion über die Programmräume und fordert eine rechtzeitige Festlegung der konkreten Programmräume.
- 15. Der Bundesrat lehnt die ersatzlose Streichung von "Interreg Europe" ab. Er spricht sich dafür aus, dass auch zukünftig interregionale Kooperationsprojekte, die nicht allein auf die Förderung von Innovationsinvestitionen ausgerichtet sind, über ein eigenes Instrument gefördert werden. Die erfolgreiche projektbasierte Zusammenarbeit im Rahmen des Programms "Interreg Europe" hat in besonderem Maße zu einem Zusammenwachsen in Europa beigetragen.
- 16. Der Gesamtprozess der transnationalen Zusammenarbeit muss nach Auffassung des Bundesrates für Lösungen außerhalb makroregionaler Ansätze offengehalten werden. Er wendet sich in diesem Zusammenhang dezidiert gegen die Auflösung bewährter Programmräume, wie dem Programmraum "Mitteleuropa". Eine Auflösung würde für einige Regionen die Möglichkeit zur transnationalen Kooperation versperren bzw. aufgrund fehlender funktionaler Bezüge zu anderen Programmräumen erheblich einschränken.
- 17. Der Bundesrat würdigt grundsätzlich den Ansatz der Kommission, mit der Schaffung eines interregionalen Investitionsinstruments die Pilotierung und Kommerzialisierung von interregionalen Innovations- und Investitionsprojekten zu befördern. Die breite Anwendung dieses Instruments setzt jedoch voraus, dass bestehende Partnerschaften auch für neue Beteiligte offen sind und nicht nur bereits bestehende Partnerschaften gefördert werden.
- 18. [Der Bundesrat sieht die Herausnahme eines der fünf vorgeschlagenen "Bestandteile" der ETZ aus der geteilten Mittelverwaltung kritisch.] Überdies passen die {- inhaltlich als sinnvoll erachteten -} "interregionalen Innovationsinvestitionen" ("Bestandteil 5") nicht zur Logik der ["klassischen"] Interreg-Programme {und reduzieren das für Kooperationsprogramme vorgesehene Budget zusätzlich}. [Sie sollten als reines Investitionsinstrument der EFRE-Verordnung zugeordnet werden.] Der Bundesrat plädiert dafür, den "Bestandteil 5" vollständig aus der ETZ-Architektur herauszulösen und die dafür vorgesehenen Mittel den anderen Bereichen der territorialen Zusammenarbeit wieder zuzuweisen.
- 19. Der Bundesrat fordert in diesem Zusammenhang die Konkretisierung des vorgeschlagenen "Bestandteils 5" für Interreg und hält eine Klärung seiner konkreten Rolle im gesamten Zusammenspiel der vorgesehenen Innovationsinstrumente zur Exzellenzförderung für erforderlich. Er schlägt außerdem vor, das Thema in europaweite Programme wie "Horizont Europa" aufzunehmen.
- 20. Der Bundesrat lehnt zudem eine direkte Mittelverwaltung für "interregionale Innovationsinvestitionen" ("Bestandteil 5") ab. Er fordert auch für diese die Anwendung des Prinzips der geteilten Mittelverwaltung mit Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten.
Strategische Ausrichtung, Ziele und Indikatorik
- 21. Der Bundesrat hält die angestrebte thematische Konzentration grundsätzlich für richtig, weist aber darauf hin, dass in den Vorschlägen der Kommission bedeutende Ziele, wie die Bewältigung des demografischen Wandels, sowie für Interreg wichtige Prioritäten, wie [beispielsweise] die Förderung des grenzübergreifenden Tourismus, damit nicht [unmittelbar] abgebildet werden.
- 22. Der Bundesrat nimmt die für den EFRE vorgeschlagenen fünf politischen Ziele und das Interregspezifische Ziel "Bessere Interreg-Governance" zur Kenntnis, hält aber eine Klärung für notwendig, was hierunter genau zu verstehen ist. Er begrüßt ferner die beim Thema "Mehr Sicherheit in Europa" genannten Maßnahmen als wichtigen Beitrag zur Bewältigung aktueller Herausforderungen und verweist auf die bereits in der laufenden Förderperiode erprobten Möglichkeiten von entsprechenden Kooperationsprojekten. Er lehnt jedoch deren Klassifizierung als "Interregspezifisches Ziel" ab, da dies nicht mit dem genuinen kohäsionspolitischen Auftrag von Interreg in Einklang zu bringen ist und einen falschen Eindruck einer besonderen Bringschuld von Interreg in diesem Bereich vermittelt. Der Bundesrat schlägt außerdem vor, das für die Kohäsionspolitik relevante Ziel einer Verbesserung der langfristigen sozioökonomischen Integration von Migrantinnen und Migranten nach der Aufnahmephase in Artikel 14 Absatz 3 Buchstabe e des Verordnungsvorschlags zu ergänzen.
- 23. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die geforderte strategischere Ausrichtung der Interreg-Programme auch durch eine inhaltliche Verknüpfung mit bestehenden makroregionalen Strategien. Die Interreg-Programme bilden eine wichtige Säule zur Unterstützung der Umsetzung der makroregionalen Strategien. Gleichwohl bedarf es Lösungen, wie deren staatenübergreifende Governance besser gefördert werden kann. Programmräume mit makroregionalen Strategien sollten nicht beschnitten, sondern wie bisher beibehalten werden. Gegebenenfalls sollte der Zuschnitt der Programmräume auf die entsprechenden Makroregionen ausgeweitet werden, um eine bessere Verzahnung zu ermöglichen.
- 24. Der Bundesrat begrüßt und bekräftigt zugleich, dass auch diejenigen Interreg-Programme, die keinen Bezug zu maritimen oder makroregionalen Strategien ausweisen, eine eigenständige strategische Berechtigung haben.
- 25. Der Bundesrat würdigt grundsätzlich die Einführung Interregspezifischer Indikatoren zur Messung der Ergebnisse und des europäischen Mehrwerts der Kooperationsprogramme.
- 26. Der Bundesrat stellt fest, dass der Forderung nach einem einzigen Indikatorenkatalog für Interreg nicht Rechnung getragen wurde. Die ETZ-Programme müssen weiterhin sowohl Interreg- als auch Output- und Ergebnisindikatoren des EFRE auswählen. Der Bundesrat fordert eine Überarbeitung des Indikatorenkatalogs für die ETZ.
- 27. Er weist darauf hin, dass die vorgeschlagenen Indikatoren nicht geeignet sind, den prozessbezogenen Mehrwert grenzübergreifender, transnationaler und interregionaler Zusammenarbeit abzubilden und somit positive Steuerungsimpulse zu geben (zum Beispiel verbesserte Handlungsfähigkeit von Schlüsselakteuren oder Verbesserung von Arbeits- und Entscheidungsprozessen). Der Bundesrat fordert daher eine entsprechende Anpassung der Indikatoren oder mehr Spielräume für die Programme bei der Ausgestaltung des Indikatorensystems. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass die dezentrale Erhebung der erforderlichen Daten durch die Programme einen erheblichen Mehraufwand verursacht und fordert daher die Vorhaltung entsprechender Datenbanken auf europäischer Ebene.
- 28. Der Bundesrat fordert, dass die im 7. Kohäsionsbericht beschriebenen besonderen Kooperationsherausforderungen für Grenzräume mit einem sozioökonomischen Gefälle sowie die besonderen Kooperationshemmnisse in dünn besiedelten und sich entleerenden Grenzräumen in der künftigen INTERREG-Mittel-zuweisung Berücksichtigung finden. Die vorgeschlagene Zuweisung von Mitteln für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ausschließlich nach der in Grenzregionen lebenden Bevölkerungszahl in einem Mitgliedstaat wird dieser Situation nicht gerecht. Insbesondere die in Kriterium 8 von Anhang XXII der neu vorgeschlagenen Dachverordnung (BR-Drucksache 227/18 (PDF) ) vorgenommene Benachteiligung von dünn besiedelten unmittelbaren Grenzregionen bei der Mittelzuweisung wird abgelehnt.
Programmplanung
- 29. Im Zusammenhang mit der angestrebten Vereinfachung hinterfragt der Bundesrat die Festlegungen über die finanzielle Programmplanung für den Zeitraum 2021 bis 2025, die unter anderem vorsehen, dass alle Programme - unabhängig davon, ob sich Änderungen aus der Halbzeitbewertung ergeben oder nicht - die Finanzplanung für die verbleibenden zwei Jahre der Förderperiode zur Genehmigung vorlegen.
- 30. Dies würde einen nicht abzuschätzenden Verwaltungsaufwand verursachen und gegebenenfalls eine Gefährdung der Erreichung der Programmziele aufgrund eines vorübergehenden Umsetzungsstillstands nach sich zu ziehen.
- 31. Dies würde einen nicht abzuschätzenden Aufwand verursachen[, zu Planungsunsicherheiten führen] und einen vorübergehenden Stillstand der Programmumsetzung nach sich ziehen.
- 32. Der Bundesrat hält daran fest, dass die Programmplanung wie bisher sieben Jahre umfasst [und Programmänderungen nur im Bedarfsfall bei der Kommission zur Genehmigung eingereicht werden].
- 33. Der Bundesrat kritisiert, dass diese Form der Halbzeitüberprüfung auch Folgen für die Ko-Finanzierung für die Durchführung der Interreg Programme (gemäß Artikel 16 Absatz 5 des Verordnungsvorschlags) hat, die vor diesem Hintergrund nicht für sieben Jahre zugesagt werden kann.
- 34. Der Bundesrat sieht kritisch, dass die Kriterien und Methodik der Projektauswahl in der neuen Förderperiode vor Einreichung des Programms mit der Kommission konsultiert werden müssen. Dies bedeutet einen zusätzlichen Aufwand für die Programmbehörden, konterkariert die Vereinfachungsbemühungen und stellt die Kompetenz der Begleitausschüsse in Frage.
- 35. Der Bundesrat bemängelt darüber hinaus, dass für die bi- und multilateralen Projekte, die häufig eine intensivere Vorbereitungszeit und Umsetzungsphase benötigen, die zweijährige Restlaufzeit (nach Freigabe der Finanzmittel) zudem zu knapp bemessen ist.
- 36. Der Bundesrat bedauert, dass es nicht gelungen ist, bereits mit der neuen Interreg-Verordnung Interreg beihilfefrei zu stellen, wie es auch die "High Level Group on Simplification" in ihrem Abschlussbericht empfahl. In diesem Zusammenhang begrüßt der Bundesrat den Ansatz der Kommission, Maßnahmen von Interreg in die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung aufzunehmen, um eine generelle beihilferechtliche Rechtfertigung für Interreg zu erreichen. Dennoch bekräftigt der Bundesrat seine Forderung aus seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 2017 (BR-Drucksache 543/17(B) ), Interreg aufgrund seiner besonderen Zielsetzungen in Abstimmung mit den zuständigen Generaldirektionen beihilfefrei zu stellen.
- 37. Der Bundesrat hebt die Bedeutung der bürgernahen Kleinprojekte hervor und begrüßt ausdrücklich die im Verordnungsvorschlag enthaltene Option, Kleinprojektefonds (KPF) im Rahmen von Interreg-Programmen einzurichten. Er betont, dass die Kleinprojekte das grenzenlose Europa unmittelbar vor Ort erfahrbar machen. Er fordert daher, dass dieser Fonds von den anderen inhaltlichen Prioritäten freisteht. Der Bundesrat fordert darüber hinaus, dass die Kapazität des Kleinprojektefonds (maximal 20 000 000 Euro oder 15 Prozent der Gesamtmittelzuweisung) nicht durch nachträgliche Kürzungen/Finanzkorrekturen (n+2 oder Wiedereinziehungen) im Laufe der Programmumsetzung gekürzt werden darf.
- 38. Der Bundesrat erwartet, dass die Verwaltung der KPF flexibel ausgestaltet werden kann und lehnt die einengenden Vorgaben wie zum Beispiel die Bedingung, dass es sich bei Trägern um eine grenzüberschreitende juristische Person oder ein EVTZ handeln muss, ab. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat darauf hin, dass diese Anforderung an den Kleinprojektefondsverwalter von vielen gegenwärtig Begünstigten nicht erfüllt werden (kann) und damit bewährte Strukturen nicht weiter genutzt werden könnten. Er hält es zudem für angebracht, Kleinprojekte nicht nur in der unmittelbaren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Bestandteil 1) einzusetzen, sondern sieht auch Bedarfe für deren Anwendung im transnationalen Kontext (Bestandteil 2).
- 39. Der Bundesrat begrüßt, dass die KPF erstmals in einer EU-Verordnung verankert wurden. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass die Anforderungen an die Begünstigten von KPF ("muss eine grenzüberschreitende juristische Person oder ein EVTZ sein") von vielen gegenwärtig Begünstigten nicht erfüllt werden und damit bestehende Strukturen nicht weiter genutzt werden können.
- 40. Der Bundesrat stellt fest, dass zukünftig Kleinprojekte, die mit einem öffentlichen Betrag von nicht mehr als 100 000 Euro gefördert werden, als Kosten je Einheit oder mit Pauschalbeträgen oder Pauschalfinanzierungen unterstützt werden sollen. Diese Verpflichtung sollte aus Sicht des Bundesrates durch eine Empfehlung ersetzt werden. Zwar ist es auch ihm ein wichtiges Anliegen, den Vollzug von EU-Programmen möglichst einfach und unbürokratisch zu gestalten. Bei der bekannten Heterogenität und Vielfalt der bisher realisierten Interreg-Kleinprojekte erscheint die obligatorische Berechnung von Pauschalbeträgen vielfach schon aus Mangel an Bezugsfällen oder Referenzdaten nicht unkritisch.
Monitoring und Evaluierung
- 41. Der Bundesrat hält die vorgesehene zweimonatliche Übermittlung von aktuellen Programmdaten an die Kommission für zu engmaschig. Überdies darf sie nach Auffassung des Bundesrates nicht zu einer weiteren Verkomplizierung der Datenerfassungssysteme führen. Eine Um- bzw. Neuprogrammierung der Systeme ist aufwändig und teuer. Die Datenberichterstattung sollte deshalb auf bestehende Datenfelder zurückgreifen.
- 42. Der Bundesrat lehnt daher die Einreichung von Daten zum finanziellen und materiellen Programmfortschritt (Finanzdaten und Indikatoren) im Turnus von zwei Monaten bei der Kommission ab. Zurzeit gilt die Regelung, dass die Werte der Output- und Ergebnisindikatoren einmal pro Jahr der Kommission übermittelt werden. Die vermehrte Anforderung von aktuellen Werten in kürzeren Zeiträumen führt zu einem höheren administrativen Aufwand, vor allem bei den Begünstigten selbst.
- 43. Der Bundesrat begrüßt die zukünftige größere Flexibilität bei Programmänderungen.
Förderfähigkeit
- 44. Der Bundesrat begrüßt die Vorschläge der Kommission zur weiteren Vereinfachung ausdrücklich. Der Bundesrat sieht jedoch die Nicht-Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer bei Vorhaben ab 5 Millionen Euro Gesamtkosten kritisch. Das bedeutet für großvolumige Projekte, insbesondere auch für die Kleinprojektefonds, die als ein Projekt behandelt werden, deutlich höhere Eigenkosten. Insbesondere für Universitäten, KMU, Nichtregierungsorganisationen (NROs) und vergleichbare Einrichtungen könnte dies zur weiteren Abkehr von Interreg führen.
- 45. Der Verordnungsvorschlag enthält eine Reihe von Bestimmungen, welche die finanziellen Spielräume der Länder und die Flexibilität des Programmvollzugs einengen.
- 46. [Der Bundesrat bedauert die Begrenzung der Kofinanzierungssätze für Interreg-Programme und erachtet die Höhe von 70 Prozent für unzureichend.] Die Festlegung, dass die EU-Kofinanzierungssätze auf der Programmebene 70 Prozent nicht übersteigen dürfen, stellt für viele Begünstigte, insbesondere für Nichtregierungsorganisationen und Vereine, eine kaum zu bewältigende Hürde dar. [Die Kofinanzierungssätze sollten flexibel gehandhabt und den Erfordernissen in den jeweiligen Programmräumen entsprechend festgelegt werden können. Dies gilt insbesondere auch für Programme mit Instrumenten für Heranfüh-rungsbeihilfen (IPA) und Europäischen Nachbarschaftsinstrumenten (ENI).]
- 47. Im Hinblick auf diese mit finanziellen Belastungen und Risiken für die Mitgliedstaaten verbundenen Neuregelungen bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich für die Beibehaltung der in der aktuellen Förderperiode geltenden Bestimmungen einzusetzen. Überdies kritisiert der Bundesrat, dass die Kommission die finanzielle Verantwortung für die aufgrund einer Unregelmäßigkeit gezahlten, nicht wiedereinziehbaren Beträge auch in der neuen Förderperiode vollständig den Mitgliedstaaten überlässt.
- 48. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Anforderungen an das EDV-System im Rahmen von eCohesion bereits in der laufenden Förderperiode 2014 bis 2020 zu hohen Kosten, technischen Schwierigkeiten und daraus resultierenden Verzögerungen führen. Änderungen in Richtung Vereinheitlichung und mit Blick auf die Digitalisierung und effizientere Datennutzung sind notwendig und wichtig, sollten an den laufenden Systemen jedoch nur dann verlangt werden, wenn sie verhältnismäßig und unbedingt erforderlich sind.
Verwaltung und Kontrolle
- 49. Der Bundesrat unterstreicht die wichtige Rolle, die den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Interreg-Programme zukommt, und begrüßt die Bestrebungen der Kommission, Verwaltungsvereinfachungen zu ermöglichen. Einige der neu vorgeschlagenen Regelungen lassen allerdings befürchten, dass sich die Kommission in der kommenden Förderperiode stärker als bisher in die Ausgestaltung und inhaltliche Steuerung der einzelnen Interreg-Programme einbringen wird. So bedeutet beispielsweise die vorherige Konsultation der Kriterien für die Projektauswahl (Artikel 22 des Verordnungsvorschlags) einen zusätzlichen Aufwand für die Programmbehörden und stellt die Entscheidungskompetenz der Mitgliedstaaten infrage.
- 50. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Regelung zur Vorhabenprüfung (Stichprobenverfahren gemäß Artikel 48 des Verordnungsvorschlags) nicht sehr eindeutig ist und daher folgende Aspekte näher erläutert werden müssen: die Art der Daten, die von der Kommission erwartet werden, um die Stichprobe der operativen Prüfungen zu ziehen, die Kriterien für den Zug der Stichproben (Repräsentativitäts- und Risikokriterien et cetera) und welche Methode bei der Extrapolation der festgestellten Unregelmäßigkeiten angewandt werden soll.
- 51. Die neue Regelung, dass bei "Meinungsverschiedenheiten zwischen der Verwaltungsbehörde und der Prüfbehörde in Bezug auf die Förderfähigkeit [als solche] eines [im Rahmen des betreffenden Interreg-Programms] ausgewählten Interreg-Vorhabens" die Meinung der Verwaltungsbehörde Vorrang hat, wird begrüßt. Meinungsverschiedenheiten zwischen Verwaltungs- und Prüfbehörden entstehen jedoch häufig in Bezug auf Förderfähigkeitsregeln in den Programmen, Dokumentationspflichten der Begünstigten und die Bewertung von Fehlerfeststellungen. Diese Divergenzen können mangels einer übergeordneten Instanz oft nicht aufgelöst werden. Der Bundesrat [schlägt deshalb vor] und {bittet insofern die Kommission zu erwägen}, bei der Kommission eine unabhängige Clearingstelle zur Schlichtung von besonders schwerwiegenden und/oder finanziell erheblichen Streitfällen zwischen Verwaltungsbehörden und Prüfbehörden einzurichten.
- 52. Der Bundesrat kritisiert, dass die Verwaltungsbehörden zukünftig Aufgaben, die die Verwaltungsprüfungen betreffen (sogenannte First Level Control, unter anderem Belegprüfungen der Begünstigten und Vor-Ort-Überprüfungen der Vorhaben; vergleiche Artikel 68 Absatz 1 der vorgeschlagenen Dachverordnung (BR-Drucksache 227/18 (PDF) ) nur noch an eine zwischengeschaltete Stelle delegieren dürfen, welche diese Aufgaben für das gesamte Programmgebiet wahrnimmt. In den bi- und multilateralen Programmen ist trotz übergeordneter EU-Vorgaben vielfach nationales Recht maßgeblich (zum Beispiel Vergaben, Reisekosten, elektronische Belegführung et cetera). Das Einhalten dieser gesetzlichen Bestimmungen kann vielfach (zum Beispiel wegen Sprachbarrieren) faktisch nicht geprüft werden. In den transnationalen Interreg-Programmen, bei denen weitaus mehr Mitgliedstaaten als in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit an einem Interreg-Programm beteiligt sind, potenziert sich das Problem entsprechend. Der Bundesrat fordert daher, dass die Bestimmungen der vorgeschlagenen Dachverordnung in Verbindung mit der vorgeschlagenen Interreg-Verordnung gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten in einem Programmraum von der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde abweichende Kontrollinstanzen für die Verwaltungsprüfungen bestimmen können.
- 53. Interreg-Programme stehen aufgrund ihres internationalen Charakters vor größeren administrativen Herausforderungen, gleichzeitig verfügen sie nur über eine vergleichsweise geringe Mittelzuweisung.
- 54. Angesichts der hohen Komplexität der Interreg-Programme hält der Bundesrat den Schwellenwert von 2 Prozent für die extrapolierte Gesamtfehlerquote der Interreg-Programme einer Population, aus der eine Stichprobe für Prüfungen durch die Prüfbehörden ausgewählt wurde, für zu gering. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für eine Erhöhung der Wesentlichkeitsschwelle einzusetzen.
- 55. Der Bundesrat fordert daher die Anhebung der Fehlerrelevanzgrenze auf 5 Prozent. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass für Fehler eines Projektpartners in einem Programm nicht andere Kooperationsprogramme haftbar gemacht werden.
- 56. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Extrapolation der Fehlerquote für die bi- und multilateralen Interreg-Programme nicht verhältnismäßig ist. So kann beispielsweise ein finanzieller Fehler eines einzelnen Begünstigten aus einem Mitgliedstaat auf das gesamte Programm(gebiet) hochgerechnet werden und möglicherweise zu einem Zahlungsstopp führen. Die Grundannahme, dass ein in einem Projekt gefundener Fehler auch in allen anderen Projekten auftreten muss, trifft auf Interreg-Programme nicht zu, weil grundsätzlich mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind und die Projektpartnerschaften folglich immer aus sehr unterschiedlichen Partnern bestehen. Extrapolation wird den Interreg-Programmstrukturen nicht gerecht.
- 57. Der Bundesrat begrüßt die Vereinfachung der Prüfungen auf zweiter Ebene ausdrücklich.
Finanzverwaltung
- 58. [Der Bundesrat erkennt an, dass die Kommission Anstrengungen unternimmt, die aufwändigen Regelungen für die Verwaltungs- und Kontrollsysteme zu vereinfachen, um den Aufwand für die Programmverwaltungen und die Zuwendungsempfänger verhältnismäßig zu gestalten. Dazu gehören insbesondere vereinfachte Benennungsverfahren für die Verwaltungs- und Bescheinigungsbehörden der Programme, vereinfachte Kostenoptionen bei der Abrechnung, der Single-Audit-Ansatz sowie das Stichprobenverfahren für die Vorhabenprüfungen.] Der Bundesrat bedauert, dass die in die Omnibusverordnung eingeflossenen Erfahrungen für die laufende Förderperiode, zum Beispiel im Hinblick auf die Regelungen zur Personalkostenabrechnung, nicht in die neue Interreg-Verordnung aufgenommen wurden.
- 59. Mit der Reduzierung der Vorschusszahlungen und der durch die Koppelung an die Zahlungsanträge notwendigen Vorfinanzierung der Technischen Hilfe durch die Programmpartner verlagert die Kommission weitere finanzielle Belastungen auf die Ebene der Mitgliedstaaten. [Der Bundesrat sieht dies kritisch. Er fordert daher, dass die finanzielle Planungssicherheit und die hinreichende Ausstattung mit Technischer Hilfe über die gesamte Laufzeit und unabhängig vom tatsächlichen Umsetzungsgrad des Programms gewährleistet werden.]
- 60. Der Bundesrat begrüßt den Vorstoß der Kommission, für die Bestandteile 2, 3 und 4 die Technische Hilfe auf 7 Prozent zu erhöhen. Angesichts der ungleich höheren Mittelausstattung der Programme für die Bestandteile 2, 3 und 4 im Vergleich zu den Programmen des Bestandteils 1, die weiterhin 6 Prozent des EFRE-Programmvolumens als Technische Hilfe erhalten sollen, ist die Technische Hilfe aus Sicht des Bundesrates auch für Bestandteil 1 auf 7 Prozent festzulegen.
- 61. Der Bundesrat erkennt weiterhin die Absicht der Kommission an, den Verwaltungsaufwand für die Verwaltungsbehörden durch Anwendung einer Pauschalfinanzierung zu verringern. Er lehnt allerdings die Art der Anwendung (6 Prozent bzw. 7 Prozent auf Zahlungsanträge) entschieden ab. Sie würde dazu führen, dass die Technische Hilfe bis zum Abschluss des Programms für die Verwaltungsbehörde nicht mehr planbar wird. Dieses Problem könnte sich zum einen zu Beginn der Förderperiode zeigen:
Zu diesem Zeitpunkt werden hohe Kosten beispielsweise für die Anpassung der elektronischen Systeme fällig, wobei es kaum Projekte gibt, die Mittel abrufen können. Die reduzierten Vorschüsse in Höhe von 1 Prozent dürften ebenfalls nicht ausreichen. Zum anderen kann es aber auch zum Ende der Förderperiode hier zu finanziellen Lücken kommen, wenn eine Programmbelegung von unter 100 Prozent erreicht wird. Der Bundesrat empfiehlt daher, die 6 Prozent bzw. 7 Prozent Technische Hilfe direkt auf den jährlichen Vorschuss und ab dem 2. Jahr auf den jährlichen Vorschuss plus eingereichte Zahlungsanträge an die Programme auszuzahlen, sodass die Handlungs- und Funktionsfähigkeit der Programme sichergestellt werden kann.
- 62. Der Bundesrat lehnt die Rückkehr zur zweijährigen Frist für die Aufhebung der Mittelbindung (n+2) bei Interreg ab.
- 63. Die geplante Einführung einer "n+2-Regel" anstelle der in der laufenden Förderperiode angewandten "n+3-Regel" erschwert die Ausschöpfung der EFRE-Mittel durch ETZ-Projekte, die aufgrund ihres komplexen Charakters [ohnehin schwer und] oft nur mit hohem Zeitaufwand umzusetzen sind [als Projekte zum Beispiel im regulären EFRE].
- 64. Die in der laufenden Förderphase vorgegebene dreijährige Frist (n+3) hat sich bewährt und sollte fortgesetzt werden.
- 65. Der Bundesrat lehnt die Beschränkung auf zwei Mittelabrufe pro Jahr (auf Programmebene) entschieden ab. Insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Wiedereinführung der n+2-Regelung und der gekürzten Vorschüsse werden Programme in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Berücksichtigung und Direktzuleitung der Stellungnahme
- 66. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die vorstehenden Ausführungen und Forderungen bei der Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der Gestaltung und Ausrichtung von Interreg und den weiteren Beratungen des Verordnungsvorschlags auf EU-Ebene zu vertreten.
- 67. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die vorstehenden Ausführungen bei den weiteren Beratungen des Verordnungsvorschlags auf EU-Ebene zu berücksichtigen.
- 68. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission und das Europäische Parlament.