Der Bundesrat hat in seiner 966. Sitzung am 23. März 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass das reibungslose Funktionieren einer stärker integrierten Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) geeignete politische Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene erfordert. Die weiter bestehende Notwendigkeit zu strukturellen Reformen in den Mitgliedstaaten im Rahmen des Prozesses der wirtschaftspolitischen Steuerung wird durch den Bundesrat ebenfalls gesehen.
- 2. Er verweist darauf, dass bereits im Programmplanungszeitraum 2014 bis 2020 eine Verbindung zwischen den Prioritäten des Europäischen Semesters und dem Haushaltsplan der Union vorgesehen ist, die insbesondere über eine stärkere Verknüpfung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) mit dem Europäischen Semester umgesetzt wird. Der Bundesrat erkennt an, dass eine solche Verknüpfung unter bestimmten Bedingungen und hier insbesondere unter strikter Beachtung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (vergleiche BR-Drucksache 521/16(B) ) sowie der Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Mitgliedstaaten sachgerecht sein kann.
- 3. Er bezweifelt jedoch, dass der vorgeschlagene Weg, die leistungsgebundene Reserve nach Artikel 20 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 ganz oder teilweise der Unterstützung von Strukturreformen der Mitgliedstaaten zuzuweisen und der geteilten Mittelverwaltung zu entziehen, zielführend ist.
- 4. Zwar unterstützt der Bundesrat grundsätzlich den Ansatz der Kommission, notwendige Strukturreformen im Zusammenhang mit dem Europäischen Semester künftig stärker über positive Anreize als über Sanktionen zu befördern (vergleiche BR-Drucksache 543/17(B) ). Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum es dazu einer erweiterten Möglichkeit zur Überführung von bislang der geteilten Mittelverwaltung unterliegenden Mitteln für kohäsionspolitische Ziele in die direkte Mittelverwaltung durch die Kommission bedarf. Schon heute können Mitgliedstaaten Teile ihrer aus den ESI-Fonds finanzierten Mittel der Technischen Hilfe auf das im Mai 2017 verabschiedete Programm zur Unterstützung von Strukturreformen für den Zeitraum 2017 bis 2020 übertragen.
- 5. Der Bundesrat betont, dass viele der laufenden Operationellen Programme aufgrund der bestehenden Verknüpfung von Europäischem Semester und ESI-Fonds bereits Fördermaßnahmen zur Umsetzung von Strukturreformen enthalten, welche gleichzeitig kohäsionspolitische Zielsetzungen adressieren. Sofern in den Mitgliedstaaten und Regionen die Notwendigkeit gesehen wird, diese Ansätze zu verstärken, kann dies über Programmänderungen bzw. über eine Neuzuweisung der leistungsgebundenen Reserve auf die entsprechenden Programmprioritäten im Verfahren nach Artikel 22 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 umgesetzt werden. Er geht davon aus, dass die Kommission entsprechenden Änderungs- bzw. Neuzuweisungsanträgen der Mitgliedstaaten und Regionen offen gegenüberstehen würde.
- 6. Der Bundesrat weist darüber hinaus nochmals (vergleiche BR-Drucksache 543/17(B) ) darauf hin, dass er den Vorschlag, für den Zeitraum nach 2020 ein neues, von den ESI-Fonds unabhängiges Instrument zur Umsetzung von Strukturreformen einzuführen, für inkonsistent hält, da es dem erklärten Ziel der Kommission widerspricht, in der kommenden Förderperiode die EU-Förderinstrumente zu reduzieren und sich auf eine Optimierung des Einsatzes bestehender Förderinstrumente zu konzentrieren. Vor diesem Hintergrund sieht er keine Notwendigkeit, die Einführung eines direkt verwalteten Instruments zur Unterstützung von Strukturreformen mit einer aus Mitteln der ESI-Fonds finanzierten Pilotphase zu testen.
- 7. Er wiederholt vielmehr seine Bitte an die Kommission zu prüfen, wie im Rahmen der ESI-Fonds, zum Beispiel über höhere EU-Kofinanzierungssätze, die positiven Anreize für Strukturreformen effektiv verstärkt werden können.
- 8. Gleichzeitig betont der Bundesrat, dass die Ziele und Aufgaben der regional ansetzenden EU-Kohäsionspolitik weit über die Unterstützung gesamtstaatlicher Strukturreformen im Kontext der Stärkung der WWU hinausgehen. Nur gemeinsam mit auf die Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts ausgerichteten Fördermaßnahmen können Strukturreformen ihre volle Wirkung entfalten und neue Disparitäten vermieden werden. Die Kohä-sionspolitik ist das wirkungsvollste Instrument der EU, um Investitionen zur Umsetzung europäischer Politiken auf regionaler und lokaler Ebene zu generieren und dabei die spezifischen Bedarfe differenziert zu berücksichtigen. Dies erleichtert die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger vor Ort mit den europäischen Politiken und verstärkt deren Wirksamkeit (vergleiche BR-Drucksache 521/16(B) und 543/17(B) ).
- 9. Insgesamt fordert der Bundesrat daher, dass in der folgenden Förderperiode die Finanzierung von Maßnahmen zur Unterstützung von Reformzusagen der Mitgliedstaaten nicht zulasten der in geteilter Mittelverwaltung umgesetzten ESI-Fonds und der damit einhergehenden regionalen Gestaltungsfreiheit bei der Programmierung der Mittel erfolgen darf.
- 10. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.