C(2018) 3737 final
Europäische Kommission
Brüssel, 21.6.2018 C(2018) 3737 final
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU über ein Katastrophenschutzverfahren der Union {
COM (2017) 772 final} und zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Ausschuss der Regionen - Stärkung des EU-Katastrophenschutzes: rescEU - Solidarität und Verantwortung
{COM (2017) 773 final}.
Die Kommission begrüßt die generelle Unterstützung, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Ausdruck gebracht hat. Im Laufe der letzten Monate hat EU-Kommissar Christos Stylianides mehrmals Deutschland besucht und hatte dabei die Gelegenheit, den Kommissionsvorschlag zu skizzieren und sich mit Vertretern der Bundesregierung und der Regierungen vieler Bundesländer darüber auszutauschen. Der Kommissar wird weiterhin proaktiv den Kontakt mit ihnen suchen, um ihre Bedenken und Überlegungen zu hören und zu verstehen.
Die Kommission nimmt auch die in der Stellungnahme des Bundesrates vorgebrachten Subsidiaritätsbedenken zur Kenntnis. In diesem Zusammenhang möchte die Kommission betonen, dass der Vorschlag über ein Katastrophenschutzverfahren der Union ihrer Auffassung nach weder über die Zuständigkeiten der Europäischen Union im Bereich des Katastrophenschutzes hinausgeht noch gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. Der Standpunkt der Kommission wird im beigefügten Anhang näher erläutert.
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister Michael MÜLLER
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland
Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrates geäußerten Bedenken mit diesen Ausführungen ausgeräumt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermans Erster Vizepräsident
Christos Stylianides Mitglied der Kommission
Anhang
Die Kommission hat alle in der Stellungnahme des Bundesrates dargelegten Bedenken sorgfältig geprüft und merkt dazu Folgendes an:
- 1. Die vorgeschlagenen Änderungen des Katastrophenschutzverfahrens der Union sollen bestehende Strukturen stärken und maßvolle Verbesserungen ermöglichen. Dabei sollen keine zusätzlichen Kompetenzen oder Befugnisse an die Kommission übertragen werden.
Die Änderungen stehen mit Artikel 196 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) im Einklang, da die Hauptverantwortung im Bereich des Katastrophenschutzes bei den Mitgliedstaaten verbleibt. Nur im Falle eines Hilfeersuchens eines Mitgliedstaats können europäische Bewältigungskapazitäten mobilisiert werden (zunächst die für den Pool bereitgehaltenen Kapazitäten und dann, jedoch nur wenn diese nicht ausreichen, rescEU-Kapazitäten).
Im Übrigen ist für die Entsendung von Hilfe stets das Einverständnis des ersuchenden Staates erforderlich. Dies zeigt deutlich, dass für die Krisenbewältigung weiterhin die betroffenen Mitgliedstaaten zuständig sind. Mit dem Vorschlag sollen lediglich die Maßnahmen der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 196 Absatz 1 Buchstabe a AEUV unterstützt und ergänzt werden.
Das bewährte auf Solidarität beruhende System bleibt im Wesentlichen unverändert. Die Kommission ist nicht der Auffassung, dass der Vorschlag auf eine Zentralisierung des Katastrophenschutzes hinausläuft. Vielmehr müssen die Notfallteams weiterhin in die Koordinierungsmechanismen auf lokaler Ebene integriert sein und unter der Führung der betreffenden Behörden agieren.
- 2. Gemäß Artikel 196 AEUV fördert die Union "die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, um die Systeme zur Verhütung von Naturkatastrophen oder von vom Menschen verursachten Katastrophen und zum Schutz vor solchen Katastrophen wirksamer zu gestalten". Das beste Mittel der Union zur " Unterstützung und Ergänzung der Tätigkeit der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Risikoprävention "1 und zur Verwirklichung des oben genannten Ziels ist der Austausch von Informationen2 bzw. von detaillierteren Informationen3, insbesondere in jenen Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten bereits Verpflichtungen eingegangen sind4.
Die Übermittlung der vollständigen Risikobewertungen, hat eine doppelte Funktion. Zum einen liefern die vollständigen Bewertungen Informationen zur Unterstützung des Katastrophenrisikomanagements im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Union, zum anderen ermöglichen sie ein besseres Verständnis der Risiken in Europa und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten.
Die Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, Informationen auszutauschen, ist die am wenigsten restriktive Option und ist angemessen, denn die Mitgliedstaaten können nach eigenem Ermessen über den Inhalt des für den Austausch bestimmten Materials entscheiden. Im Einklang mit den geltenden Bestimmungen des Artikels 6 des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU würden keine sensiblen Informationen ausgetauscht. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass im Einklang mit Artikel 196 Absatz 2 AEUV keine Harmonisierung von Rechtsvorschriften vorgeschlagen wird.
- 3. In Bezug auf die Entwicklung der rescEU-Noallbewältigungskapazitäten, die der Bundesrat als "eigene Kapazitäten" bezeichnet, ist festzustellen, dass die Europäische Union nicht beabsichtigt, die Rolle der nationalen Katastrophenschutzbehörden zu übernehmen.
Erstens sollten rescEU-Kapazitäten als eine taktische Reserve erachtet werden, die nur in Anspruch genommen werden kann, wenn alle anderen verfügbaren Kapazitäten (d.h. nationale Kapazitäten einschließlich der für den Pool bereitgestellten Kapazitäten) für eine wirksame Katastrophenbewältigung nicht ausreichen. Dass diese Kapazitäten als "letztes Mittel" gedacht sind, wird durch explizite Querverweise in Artikel 12 des Vorschlags auf die Artikel 15 und 16 des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU über ein Katastrophenschutzverfahren der Union deutlich gemacht. Diese beiden Artikel, nach denen der hilfeersuchende Mitgliedstaat für die Leitung der Hilfseinsätze zuständig ist und die Kommission bei Einsätzen außerhalb der Union eine kohärente Bereitstellung der Hilfe unterstützt, wurden nicht geändert. Ferner geben diese Artikel einen Überblick über die Maßnahmen, die die Kommission ergreifen muss, wenn sie um Hilfe ersucht wird. Die Kommission lädt natürlich zuallererst die Mitgliedstaaten ein, freiwillig Hilfe anzubieten, bevor sie sie zur Entsendung "spezifischer Kapazitäten" (d.h. der im Pool bereitgehaltenen Kapazitäten) auffordert. Erst als letztes Mittel kann die Kommission "zusätzliche Maßnahmen" ergreifen und z.B. rescEU-Kapazitäten anfordern, "um die Koordinierung der Bewältigung zu erleichtern".
Zweitens sollen rescEU-Kapazitäten nur auf ein über das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen gestelltes Hilfeersuchen hin für Bewältigungsmaßnahmen im Rahmen des Unionsverfahrens zur Verfügung gestellt werden. Dies wird ausdrücklich in Artikel 12 Absatz 7 des Vorschlags festgelegt, um sicherzustellen, dass die Europäische Union Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Einklang mit Artikel 2 Absatz 5 und Artikel 196 AEUV und mit dem Grundsatz der Subsidiarität unterstützt und ergänzt.
Obwohl die Europäische Union rescEU-Kapazitäten finanzieren und über ihren Einsatz entscheiden würde, wäre es Sache des hilfeersuchenden Mitgliedstaats, die operative Koordinierung zwischen seinen eigenen Kapazitäten und den rescEU-Kapazitäten zu erleichtern.
- 4. Darüber hinaus ist, insbesondere in Bezug auf den Grundsatz der Subsidiarität, festzustellen, dass der Vorschlag Artikel 1 Absatz 3 des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU über ein Katastrophenschutzverfahren der Union nicht ändert, in dem die "primäre Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den Schutz von Menschen, der Umwelt und des Eigentums, einschließlich Kulturgütern, in ihrem Hoheitsgebiet im Falle von Katastrophen sowie für die Ausstattung ihrer Katastrophenmanagementsysteme mit ausreichenden Kapazitäten, damit sie angemessen und konsequent auf Katastrophen von einer Art und Größenordnung reagieren können, mit denen nach vernünftigem Ermessen zu rechnen ist und auf die eine entsprechende Vorbereitung erfolgen kann", verankert ist.
- 1. Nach Artikel 196 Absatz 1 Buchstabe a AEUV.
- 2. D.h. Zusammenfassungen der Risikomanagementpläne.
- 3. Dies ist der Fall bei Risikobewertungen. Die Kommission würde es begrüßen, wenn sie nicht nur deren Zusammenfassungen, sondern die vollständigen Bewertungen erhielte.
- 4. Siehe Artikel 6 des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über ein Katastrophenschutzverfahren der Union (ABI. L 347 vom 20.12.2013, S. 924).