Der Bundesrat hat in seiner 891. Sitzung am 16. Dezember 2011 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Der Bundesrat begrüßt, dass mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs auf außerhalb geregelter Märkte gehandelte Finanzinstrumente das durch die G20- Staaten formulierte Ziel, kein Markt, kein Marktteilnehmer und kein Produkt dürfe unreguliert bleiben, ein Stück näher rückt.
Allerdings ist bereits heute die Abgrenzung zwischen unbedenklichem und verbotenem Verhalten schwierig. Umso wichtiger ist es, diese Unsicherheit nicht noch weiter zu erhöhen. Ansonsten steht zu befürchten, dass die Institute zur Vermeidung möglicher Sanktionen die Aufsichtsbehörden mit einer übermäßigen Zahl von Meldungen "überfluten". Eine solche Zunahme der Quantität zu Lasten der Qualität würde die Effektivität der Missbrauchsbekämpfung bedrohen. Deshalb sollte bereits die Verordnung für ein möglichst hohes Maß an Rechtsklarheit sorgen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verlauf der Beratungen in den Gremien der EU darauf hinzuwirken, dass noch einmal geprüft wird, ob Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e des Verordnungsvorschlags den Erfordernissen des im nationalen Recht geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots des Artikels 103 GG und der Rechtssicherheit in hinreichendem Maße genügt.
Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e des Verordnungsvorschlags wären als Insiderinformationen auch solche - nicht unter die Buchstaben a, b, c oder d dieser Bestimmung fallende - Informationen zu qualifizieren, "die einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und der Öffentlichkeit in der Regel nicht verfügbar sind, die jedoch, wenn sie einem verständigen Investor verfügbar wären, der regelmäßig an diesem Markt und mit dem betreffenden Finanzinstrument oder einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt handelt, von diesem als relevant bei der Entscheidung über die Bedingungen betrachtet würden, zu denen Geschäfte mit dem Finanzinstrument oder einem zugehörigen Waren-Spot-Kontrakt abgeschlossen werden sollten".
Diese Regelung kann in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen, weil ihre tatbestandliche Fassung nicht hinreichend klar erkennen lässt, welche Sachverhalte sie erfassen soll.
Das Verbot von Insider-Geschäften soll sich gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e auch auf Informationen erstrecken, die nicht ausreichend präzise sind, um für den Emittenten eine Offenlegungspflicht zu begründen. Hiervon sollen Informationen betroffen sein, die der Öffentlichkeit in der Regel nicht verfügbar sind, aber von einem "verständigen Investor" als "relevant" für Entscheidungen über einen Geschäftsabschluss betrachtet würden. Sowohl nach dem Sanktionsrichtlinienvorschlag (BR-Drucksache 646/11 (PDF) ), als auch nach den bestehenden Vorschriften des WpHG sollen Insider-Geschäfte strafbar sein. Dabei handelt es sich um eine sogenannte "Blankettstrafnorm", d.h. der Unrechtsgehalt ist ohne entsprechende "Auffüllungsnormen" nicht erkennbar. In einem solchen Fall müssen auch die "Auffüllungsnormen" und damit die Definition verbotener Insider-Geschäfte den Anforderungen des Artikels 103 Absatz 2 GG genügen. Hiernach müssen Straf- oder Bußgeldnormen so konkret gefasst sein, dass ihre Tragweite und der Anwendungsbereich erkennbar sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Bei den vielfältigen und kaum überschaubaren Möglichkeiten "geschäftsrelevanter" Umstände ist dies hier zweifelhaft. Aufgrund der Auswirkungen auf das Strafrecht muss aber die Vereinbarkeit mit den nationalen verfassungsrechtlichen Vorgaben sichergestellt sein.