Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Verbesserung des Vollzugs im Unterhaltsvorschussrecht

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

1. Reduzierung der Ausgaben

2. Zusätzliche Einnahmen

3. Vollzugsaufwand

E. Sonstige Kosten

Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Verbesserung des Vollzugs im Unterhaltsvorschussrecht

Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 30. April 2010
Der Staatssekretär

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Landesregierung Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten


mit dem Ziel zuzuleiten, die Einbringung gemäß Artikel 76 Absatz 1 Grundgesetz beim Deutschen Bundestag zu beschließen.
Ich bitte, gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen zu veranlassen.


Mit freundlichen Grüßen
Hubert Wicker

Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Verbesserung des Vollzugs im Unterhaltsvorschussrecht

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes

Das Unterhaltsvorschussgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.07.2007 (BGBl. I, S. 1446), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes vom 21.12.2007 (BGBl. I, S. 1950), wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Abgabenordnung

Die Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.10.2002 (BGBl. I, S. 3866), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 30.07.2009 (BGBl. I, S. 2774), wird wie folgt geändert:

§ 93 Absatz 8 Satz 1 wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Revision

Artikel 4
Inkrafttreten

Begründung

I. Allgemeiner Teil

Mit den Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) werden Kinder allein stehender Elternteile finanziell unterstützt, wenn der andere Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, sich der Pflicht zur Zahlung von Unterhalt ganz oder teilweise entzieht, hierzu nicht oder nicht in hinreichendem Maße in der Lage ist oder wenn er verstorben ist und der betreuende Elternteil deswegen auf sich allein gestellt ist. Dazu sichert es Kindern von Alleinerziehenden bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres Unterhaltszahlungen in Höhe des Mindestunterhaltes abzüglich anzurechnenden Erstkindergeldes, längstens für die Dauer von 72 Monaten.

Nach den gegenwärtigen Bestimmungen des Unterhaltsvorschussgesetzes führt eine Heirat oder die Begründung einer Lebenspartnerschaft des allein erziehenden Elternteils, bei dem das Kind lebt, allerdings zum Leistungsausschluss. Geht der allein erziehende Elternteil dagegen eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein und ist die andere Person nicht gleichzeitig Vater oder Mutter des leistungsberechtigten Kindes, wird Unterhaltsvorschuss weitergewährt. Mit den Änderungen in § 1 Abs. 3 UVG wird eine Schlechterstellung ehelicher Lebensgemeinschaften gegenüber nichtehelicher Lebensgemeinschaft im Unterhaltsvorschussgesetz vermieden.

Im Falle der Unterhaltsleistung nach dem UVG geht der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Unterhaltsschuldner nach § 7 UVG im Umfang der erbrachten Leistung auf das Land über. Zur Durchsetzung dieses Rückgriffsanspruchs stehen den Unterhaltsvorschusskassen zwar Auskunfts- und Anzeigepflichten nach § 1 Abs. 3, § 6 UVG zur Seite. So sind neben beiden Elternteilen auch der Arbeitgeber, Versicherungsunternehmen und die Sozialleistungsträger verpflichtet, Auskünfte über den Wohnort und die Einkünfte des Unterhaltsschuldners zu erteilen.

Die Erfahrungen der Praxis zeigen allerdings, dass gerade die Auskünfte des familienfernen unterhaltspflichtigen Elternteils zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen oftmals nur unvollständig und unrichtig erfolgen. Durch die Einführung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen des automatisierten Datenabgleichs und Kontenabrufs eröffnet sich den Unterhaltsvorschussbehörden zum einen die Möglichkeit, die erfolgten Angaben auf Ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Zum anderen ist zu erwarten, dass mit der Einführung und Bekanntmachung dieser Instrumente Unterhaltsschuldner von sich aus ihrer Anzeige- und Auskunftspflicht in umfassenderer Weise nachkommen als es trotz der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung bisher der Fall ist.

Eine in Baden-Württemberg landesweit bei den Unterhaltsvorschussstellen durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass ein solches Instrumentarium als wirksames Mittel bei den Bemühungen um eine Steigerung der Einnahmen aus Rückgriffen allgemein begrüßt wird. Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern unterbleiben bisher häufig deshalb oder verlaufen negativ, weil ein automatisierter Datenabgleich mit den von den Kreditinstituten an das Bundeszentralamt für Steuern nach § 45d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) übermittelten Daten nicht zulässig ist. Gleich verhält es sich mit den den Unterhaltsvorschussbehörden bislang verwehrten Kontenabrufersuchen. Der Kontenabruf ermöglicht, Erkenntnisse über den Bestand von Konten zu gewinnen, die vom Unterhaltschuldner eventuell nicht angegeben wurden, und die ihrerseits wiederum oftmals weitere Ansätze für erfolgreiche Vollstreckungsmaßnahmen bieten können. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich der automatisierte Datenabgleich und Kontenabruf als wirkungsvolle Instrumente bei der Durchsetzung der Rückgriffsansprüche erweisen werden. Zudem werden durch die bisherige unbefriedigende Rechtslage effiziente Verfahrensabläufe behindert und Verfahrenszeiten unnötig verlängert. Dies entspricht nicht dem Interesse der berechtigten Kinder und des staatlichen Gemeinwohls. Die Erweiterung der rechtlichen Möglichkeiten für staatliche Stellen, Auskünfte über Einkommen und Vermögen der Unterhaltsschuldner zu erhalten, ist im Verhältnis zur Überprüfungsmöglichkeit für private Unterhaltsgläubiger auch dadurch gerechtfertigt, dass beim Unterhaltsvorschuss der Staat und damit die Gemeinschaft der Steuerzahler für den Unterhalt der Kinder aufkommt.

Der Gesetzentwurf sieht deshalb Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes sowie der Abgabenordnung vor, mit denen den Unterhaltsvorschussstellen die Ermächtigung eines automatisierten Datenabgleichs mit dem Bundeszentralamt für Steuern sowie eines automatisierten Kontenabrufs zum Abgleich vorhandener Konten bei den Kreditinstituten eingeräumt wird.

Diese bereits beim BAföG und beim Wohngeld bestehende Möglichkeit hat sich auch als wirksames Mittel zur Verhinderung von missbräuchlicher Inanspruchnahme herausgestellt. So ist etwa beim BAföG seit der dortigen Einführung im Jahr 2001 die Zahl der auffälligen Fälle in Baden-Württemberg um drei Viertel zurückgegangen. Der Gesamtrückforderungsbetrag betrug seit dem Jahr 2001 bis zum 31.12.2008 über 40 Mio. Euro.

Die mit dem Gesetzentwurf vorgesehenen Eingriffe in den grundrechtsrelevanten Bereich des Elternteils, bei dem das Kind nicht lebt, insbesondere in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sind durch die berechtigten Interessen des Kindes sowie durch überwiegende Interessen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Mit dem Gesetzentwurf wird die Durchsetzung der Regressansprüche gegen Unterhaltsschuldner deutlich erleichtert. Insofern ist davon auszugehen, dass die Bearbeitung durch die Unterhaltsvorschussstellen effizienter ausgestaltet werden kann und die Verfahrenszeiten sich insgesamt verkürzen. Damit wird auch dem Kindeswohl Rechnung getragen. Zudem wird mit dem Gesetz eine finanzielle Entlastung der Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen angestrebt.

Die bundesweite Rückgriffsquote, d.h. das Verhältnis der Einnahmen aus Rückgriffen zu den Ausgaben nach dem UVG, liegt bei derzeit durchschnittlichen 19,5 Prozent. Erfahrungen aus der Praxis über unrichtige und unvollständige Angaben der Unterhaltspflichtigen legen nahe, dass durch die Einführung des automatisierten Datenabgleichs und Kontenabrufs eine messbare Steigerung erreicht werden kann. In welchem Umfang eine Verbesserung der Einnahmen aus dem Rückgriff gegenüber dem Verpflichteten oder gar eine Verringerung der Ausgaben erwartet werden kann, ist derzeit allerdings nicht verlässlich einzuschätzen und bleibt den mit der Neuregelung zu gewinnenden Erfahrungen vorbehalten.

Um insoweit auch datenschutzrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Neuregelung ausreichend Rechnung zu tragen, sieht der Gesetzentwurf eine Überprüfung zum 31.12.2013 vor, ob die Einführung des automatisierten Datenabgleiches und Kontenabrufes auch im Bereich des Unterhaltsvorschusses sich in der Praxis als wirksames Mittel bewährt hat.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 - Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes

Zu Nr. 1

Nachdem die bisherige Regelung den Leistungsausschluss nur im Falle des Zusammenlebens des betreuenden Elternteils mit dem anderen Elternteil des Kindes vorsieht, wird mit der Änderung in § 1 Abs. 3 UVG der Leistungsausschluss auf alle Fälle der Bildung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft des allein erziehenden Elternteils mit einer anderen volljährigen Person gleich welchen Geschlechts erweitert.

Damit wird der berechtigten Kritik Rechnung getragen, dass nach bisherigem Recht die Stiefelternfamilie und das eheähnliche Zusammenleben der leiblichen Eltern des Kindes zum Leistungsausschluss führt, während das ehe- oder partnerschaftsähnliche Zusammmenleben mit einem Dritten den Anspruch unberührt lässt. Diese unter sachlichen und systematischen Gesichtspunkten unbefriedigende Privilegierung nichtehelicher Lebensgemeinschaften wird durch die Änderung bereinigt. Die bisherige Schlechterstellung von ehelichen gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften wird dadurch vermieden. Nichteheliche Lebensgemeinschaften werden im Sozialrecht bereits auch beim Bezug von SGB II-Leistungen berücksichtigt, indem auch sie eine Bedarfsgemeinschaft gem. § 7 Absatz 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch bilden. Zudem trägt die Neuregelung dem gewandelten Gesellschaftsbild Rechnung, wonach eine Heirat trotz langjährigem Zusammenleben mit einem Partner mittlerweile oftmals unterbleibt, der auf sich zunächst allein gestellte Elternteil aber de facto längst nicht mehr allein erziehend ist.

Zu Nr. 2

Das Unterhaltsvorschussgesetz sieht bereits in § 6 Abs. 1 bis 5 Auskunfts- und Anzeigepflichten in Bezug auf den Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, vor. Diese sollen mit der Gesetzesänderung um einen neuen Absatz 6 erweitert werden. Vorgesehen ist, die Unterhaltsvorschussstellen vor allem in datenschutzrechtlicher Hinsicht zu ermächtigen, die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem das Kind nicht lebt, im Hinblick auf erteilte Freistellungsaufträge und mögliche Kapitalerträge im Wege des automatisierten Datenabgleichs beim Bundeszentralamt für Steuern überprüfen zu können.

Nach § 45d Abs.1 EStG sind Schuldner von Kapitalerträgen, d.h. insbesondere Banken und Kreditinstitute, im Falle der Erteilung eines Freistellungsauftrages verpflichtet, den Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift der Person sowie die Kapitalerträge, für die deshalb vom Steuerabzug Abstand genommen worden bzw. bei denen die Erstattung von Kapitalertragssteuer beim Bundeszentralamt für Steuern beantragt worden ist, an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln.

Der neue Absatz 6 eröffnet zukünftig auch den Unterhaltsvorschussstellen die Möglichkeit, automatisiert zu überprüfen, ob solche Daten beim Bundeszentralamt vorhanden sind. Dazu dürfen die Unterhaltsvorschussstellen dem Bundeszentralamt die für den Abgleich unabdingbaren persönlichen Daten des zu Überprüfenden übermitteln. Im Anschluss an den Abgleich haben sowohl die Unterhaltsvorschussstellen als auch das Bundeszentralamt die nicht mehr zweckentsprechend nutzbaren Daten unverzüglich zu vernichten. Damit wird der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen auf das zur Zielerreichung notwendige Mindestmaß beschränkt. Der Grundrechtseingriff ist somit verhältnismäßig und gerechtfertigt.

Zu Artikel 2 - Änderung der Abgabenordnung

Nach § 93 Abs. 8 der Abgabenordnung (allgemei/steuerao_ges.htm ) dürfen die für die Verwaltung der dort aufgezählten Gesetze zuständigen Behörden seit dem 18. August 2007 das Bundeszentralamt für Steuern ohne Zwischenschaltung der Finanzämter ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 AO bezeichneten Daten abzurufen. Dabei handelt es sich um Kontostammdaten der Bankkunden und sonstigen Verfügungsberechtigten, wie z.B. Name, Geburtsdatum, Kontonummern und Depots. Kontenstände und Kontobewegungen können auf diese Weise nicht abgefragt werden. Informationen hierüber können sich die Behörden nur auf Grundlage anderer Ermächtigungsnormen beschaffen.

Durch die vorgesehene Änderung des § 93 Abs. 8 Satz 1 erhalten die Unterhaltsvorschussstellen im Hinblick auf den Kontenabruf dieselbe Rechtsstellung wie die schon bislang in § 93 Abs. 8 Satz 1 genannten Behörden. Dies ist sachgerecht. Den Unterhaltsvorschussstellen kommen dabei keine erleichterten Voraussetzungen zugute. Ihre Ermächtigung gilt in dem gleichen Umfang wie für die anderen berechtigten Behörden auch.

Die Regelung ermächtigt zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. In Satz 1 sind diejenigen außersteuerlichen Zwecke abschließend aufgezählt, für die ein Kontenabruf zulässig ist, nämlich wenn dies zur Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen erforderlich ist und zuvor ein Auskunftsersuchen an den Pflichtigen nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht.

Für die Feststellung und Durchsetzung des Rückgriffsanspruchs nach § 7 UVG ist die Regelung des Kontenabrufs aus den bereits genannten Gründen und in diesen Fallkonstellationen erforderlich. Deshalb ist § 93 Abs. 8 Satz 1 AO dahingehend zu erweitern, dass den Unterhaltsvorschussstellen das Abrufersuchen zur "Überprüfung der Rückgriffsvoraussetzungen nach § 7 des Unterhaltsvorschussgesetzes" möglich ist.

Die so erweiterte Vorschrift des § 93 Abs. 8 AO trägt auch dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2007 (1 BvR 1550/03; 1 BvR 2357/04; 1 BvR 603/05) Rechnung. Hierin hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert, Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit Blick auf das Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit präzise festzulegen.

Ein solcher Eingriff ist auch verhältnismäßig (BVerfG a.a.O.):

Zu Artikel 3 - Revision

Um datenschutzrechtlichen Belangen im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Neuregelung nach Artikel 1 Nr. 2 und Artikel 2 ausreichend Rechnung zu tragen, sieht der Gesetzentwurf eine Überprüfung zum 31.12.2013 vor, ob der automatische Datenabgleich und Kontenabruf sich auch im Bereich des Unterhaltsvorschusses als wirksames Mittel bewährt haben.

Zu Artikel 4 - Inkrafttreten

Das Gesetz soll drei Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten. Damit wird den zuständigen Stellen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und dem Bundeszentralamt für Steuern ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf die neue Rechtslage gegeben.