Der Bundesrat hat in seiner 897. Sitzung am 15. Juni 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu Artikel 1
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bereitschaft der Bundesregierung, für mehr Transparenz und für eine Stärkung des Wettbewerbs auf dem Kraftstoffmarkt zu sorgen.
- 2. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass es mit Blick auf die oligopolistische Marktstruktur auf dem Kraftstoffmarkt und deren Auswirkungen auf die Preisbildung einer zentralen behördlichen und fortlaufenden Marktbeobachtung bedarf, um die Aufdeckung und Sanktionierung von Kartellrechtsverstößen zu erleichtern.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung hinter den Notwendigkeiten und den vom Bundesrat in seiner Entschließung vom 30. März 2012 (BR-Drucksache 870/11(B) ) erhobenen Forderungen zurück bleibt. Die Beobachtung des Handels mit Kraftstoffen durch die Markttransparenzstelle mit dem Ziel, Verdrängungsstrategien oder missbräuchlich überhöhte Preise leichter und schneller als bisher aufdecken und verfolgen zu können, ist lediglich ein erster Schritt hin zu mehr Transparenz auf den Kraftstoffmärkten. Dies entspricht jedoch nicht der Forderung des Bundesrates nach der Einrichtung einer für Jedermann im Internet zugänglichen Datenbank, in die die Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber jede Preisänderung unverzüglich einstellen müssen. Ein solches System ist notwendig, um eine bessere Vergleichbarkeit der Kraftstoffpreise zu ermöglichen.
Dies führt zu einer höheren Preissensibilität bei den Verbrauchern und damit zu mehr Wettbewerb auf dem Kraftstoffmarkt. Der Bundesrat ist davon überzeugt, dass mehr Wettbewerb und Transparenz bei der Preisbildung im Ergebnis zu weniger starken Ausschlägen und zu stabileren Kraftstoffpreisen führen.
- 4. Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Veröffentlichung der Kraftstoffendkundenpreise für Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Markttransparenzstelle einzuführen und eine Evaluierung nach drei Jahren durchzuführen. Hierbei sollte die Möglichkeit standortbezogener Abfragen vorgesehen werden.
- 5. Der Bundesrat stellt fest, dass eine Beobachtung der Preisbildung auf den Kraftstoffmärkten nur zusammen mit einer gesetzlich geregelten Benzinpreisbremse die gewünschten Wirkungen erzielen kann.
- 6. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb auf, in Umsetzung des zuvor erwähnten Bundesratsbeschlusses vom 30. März 2012 die Regelungen zur Marktbeobachtung im Kraftstoffbereich um eine gesetzlich normierte Benzinpreisbremse zu ergänzen und so den Wettbewerb und die Transparenz auf dem Kraftstoffmarkt weiter zu stärken. Hierzu ist eine Regelung zu schaffen, nach der die Tankstellenbetreiber ihre Preise zu einem bestimmten Zeitpunkt der Markttransparenzstelle melden müssen, die dann ab einem bestimmten Zeitpunkt des Folgetages im Internet veröffentlicht werden und für 24 Stunden ihre Gültigkeit behalten.
- 7. Wegen der Besonderheiten des deutschen Marktes bittet der Bundesrat zu prüfen, ob die Betreiber kleiner und mittlerer freier Tankstellen vom Adressatenkreis der Benzinpreisbremse ausgenommen werden müssen. Für diesen Fall sollten sie aber die Möglichkeit erhalten, sich freiwillig den Regelungen zur Benzinpreisbremse zu unterwerfen. Ob ein Tankstellenbetreiber den Regelungen der Preisbremse unterliegt, müsste dann für die Verbraucher an der Tankstelle kenntlich gemacht werden.
- 8. Der Bundesrat weist im Übrigen darauf hin, dass die in § 47k GWB-E genannten Daten nur auf Anforderung der Markttransparenzstelle zu übermitteln sind. Die Voraussetzungen und der Umfang der Datenerhebung durch die Markttransparenzstelle werden im Gesetz nicht konkretisiert. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung deshalb sicherzustellen, dass sämtliche für die Aufdeckung eines Kartellrechtsverstoßes erforderlichen Daten erhoben werden und der Umfang der Datenerhebung nicht von einem im Gesetz nicht näher konkretisierten Anforderungsverhalten der Markttransparenzstelle abhängt.
Begründung:
Bei den Preisen für Benzin und Diesel ist in Deutschland seit 2009 ein massiver Preisanstieg zu verzeichnen. Allein von 2010 bis 2011 sind die durchschnittlichen Preise nach Angaben von Eurostat (statistische Amt der Europäischen Union) um mehr als 20 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung hat sich 2012 fortgesetzt und zu neuen Höchstpreisen geführt.
Die hohen Treibstoffkosten belasten die Verbraucherinnen und Verbraucher, insbesondere die Pendler, sowie die mittelständische Wirtschaft und die Industrie enorm.
Das Bundeskartellamt hat in seiner "Sektoruntersuchung Kraftstoffe" umfassend die Marktstruktur und die Mechanismen der Preissetzung bei Kraftstoffen untersucht. In Deutschland bilden die fünf großen Tankstellenbetreiber BP (Aral), ConocoPhilipps (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total ein Oligopol. Bundesweit entfallen auf diese Tankstellenbetreiber rund 65 Prozent des Kraftstoffabsatzes. Hinzu kommt, dass die Kraftstoffmärkte sehr transparent sind. Alle fünf Unternehmen verfügen über ein rechtlich zulässiges System der Preisbeobachtung und -meldung, das zeitnahe Reaktionen auf Veränderungen möglich macht.
In dieser Situation sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Situation der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern und für diese Erleichterungen zu schaffen.
Die Transparenz, die Tankstellenbetreiber hinsichtlich der Endkundenpreise haben, korrespondiert nicht in allen Punkten mit einer hinreichenden Transparenz für die Verbraucher. Daher ist es erforderlich, dass die Markttransparenzstelle die erhobenen Endkundenpreise für Kraftstoffe den Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Verfügung stellt.
Dies erhöht die Vergleichsmöglichkeiten und kann so den Wettbewerb fördern.
In seiner Entschließung vom 30. März 2012 (BR-Drucksache 870/11(B) ) hat der Bundesrat die Bundesregierung deshalb aufgefordert, eine für Jedermann im Internet zugängliche Datenbank bei einer unabhängigen Stelle einzurichten, in die die Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber jede Preisänderung unverzüglich einstellen müssen. Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas, der auch die Aufgaben der Erhebung, Sammlung und Auswertung von Daten hinsichtlich des Handels mit Kraftstoffen zugewiesen werden, wird diese Forderung nicht umgesetzt. Mit einer bloßen nachträglichen Kontrolle der Preise kann dem anhaltend hohen Preisniveau und den erheblichen Preisschwankungen und der damit einhergehenden Verunsicherung der Verbraucher nicht wirksam begegnet werden. Vielmehr bedarf es eines Systems, das es den Verbrauchern ermöglicht, die Kraftstoffpreise in Echtzeit vergleichen zu können.
Ohne eine Veröffentlichung der erhobenen Daten kann die gewünschte Transparenz für die Verbraucher nicht erreicht werden. Ein preissensibles Verhalten, welches auch Auswirkungen auf das Marktverhalten der Konzerne hat, ist ihnen daher nicht möglich.
Die Evaluierung dient dazu, die Wirkung des Gesetzes zu überprüfen. Sie soll insbesondere aufzeigen, welche Auswirkungen sich auf die Preisentwicklung bei Kraftstoffen und auf die Situation der mittelständischen Mineralölwirtschaft ergeben haben.
Darüber hinaus ist eine Regelung zu schaffen, die nicht nur den Zeitpunkt der Preiserhöhung und die Veröffentlichung der Kraftstoffpreise mit Hilfe einer Datenbank im Internet vorschreibt, sondern die die Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber verpflichtet, die zu einem bestimmten Zeitpunkt festgesetzten Preise über einen gewissen Zeitraum beizubehalten (Preiserhöhungsbremse).
Da erste wissenschaftliche Untersuchungen bezweifeln, dass eine Benzinpreisbremse nach österreichischem Vorbild Preis senkend wirkt, könnte in Anlehnung an das westaustralische Modell eine Regelung geschaffen werden, die einen festen Preissetzungstermin, eine Preisbindung für 24 Stunden und eine Veröffentlichung der Kraftstoffpreise im Internet vorsieht.
Aber auch eine derartige Preisbremse müsste den Gegebenheiten des deutschen Marktes angepasst werden. Insbesondere darf sie die Existenz kleiner und mittlerer freier Tankstellen nicht gefährden. Dabei erfasst der Begriff der "freien" Tankstelle solche Tankstellen, die nicht an die Marke eines Mitglieds des vom Bundeskartellamt im Rahmen der Sektoruntersuchung festgestellten Oligopols BP (Aral), ConocoPhilipps (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total gebunden sind.
Aufgrund der seitens der Verbände teilweise geäußerten Bedenken soll geprüft werden, ob die Betreiber kleiner und mittlerer freier Tankstellen von den Regelungen einer Benzinpreisbremse freizustellen sind. Denkbar ist beispielsweise eine Regelung, wonach die Betreiber kleiner und mittlerer freier Tankstellen die Möglichkeit erhalten, sich freiwillig den gesetzlichen Regelungen einer Benzinpreisbremse zu unterwerfen und selbst zu entscheiden, ob sie ihre Kraftstoffpreise freiwillig in die Internetdatenbank einstellen. Entscheiden sie sich dafür, müssten die eingestellten Preise selbstverständlich ebenfalls für 24 Stunden bindend sein.
Ob ein Tankstellenbetreiber den Regelungen der Preisbremse unterliegt, ist dann für die Verbraucher an der Tankstelle kenntlich zu machen. Die Verbraucher müssen erkennen können, ob der ausgewiesene Preis für den vorgegebenen Zeitraum bindend ist.
Die geforderten Regelungen sind für die Tankstellenbetreiber nicht mit einem zusätzlichen Kostenaufwand verbunden. Die zu veröffentlichenden Kraftstoffpreise sind bereits von der Meldepflicht des § 47k GWB-E erfasst.
Damit den Kartellbehörden tatsächlich die Aufdeckung und Sanktionierung von Kartellrechtsverstößen erleichtert wird, ist sicherzustellen, dass die Vollständigkeit und Verwertbarkeit der Datengrundlage nicht von dem im Gesetz nicht näher konkretisierten Anforderungsverhalten der Markttransparenzstelle abhängt. Dies ist nach dem derzeitigen Gesetzentwurf nicht gewährleistet. Denn die Tankstellenbetreiber und Kraftstofflieferanten sind nur nach entsprechender Anforderung der Markttransparenzstelle zur Übermittlung der Kraftstoffpreise verpflichtet.
Die grundsätzliche Konkretisierung des Anforderungsverhaltens der Markttransparenzstelle sollte vor dem Hintergrund der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts auch nicht einer später zu erlassenden Rechtsverordnung vorbehalten werden.
Zu Artikel 2
9. Zu Artikel 2 Nummer 10 (§ 68a Satz 2 und 3 EnWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eine Streichung der Sätze 2 und 3 des § 68a EnWG-E zu prüfen.
Begründung:
Das Verhältnis von Satz 1 und Satz 2 des § 68a EnWG-E erscheint nicht stimmig.
Satz 1 begründet die Pflicht der Bundesnetzagentur, Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat nach § 95a oder § 95b EnWG-E begründen, der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Damit dürfte aber zwangsläufig die Pflicht einhergehen, der Staatsanwaltschaft personenbezogene Daten zu übermitteln. Personenbezogene Daten sind nämlich Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person ( § 3 Absatz 1 BDSG). Ohne solche Einzelangaben dürfte die Staatsanwaltschaft kaum in die Lage versetzt werden können, zu prüfen, ob der Anfangsverdacht einer Straftat nach § 95a oder § 95b EnWG-E besteht. Die Staatsanwaltschaft in diese Lage zu versetzen, ist aber die Bundesnetzagentur nach Satz 1 verpflichtet.
Satz 2 könnte man dahingehend verstehen, dass es selbst dann, wenn es für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist, im Ermessen der Bundesnetzagentur steht ("kann"), ob sie personenbezogene Daten der Betroffenen an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Dies widerspräche der in Satz 1 statuierten Pflicht, Tatsachen anzuzeigen, die den Verdacht einer Straftat begründen. Satz 2 soll aber wohl eher nur die Befugnis der Bundesnetzagentur begründen, entsprechende Daten mitzuteilen. Diese Befugnis ergibt sich bereits aus der mit Satz 1 begründeten Pflicht.
Es sollte daher erwogen werden, § 68a Satz 2 EnWG-E zu streichen.
Satz 3, wonach die Staatsanwaltschaft über die Vornahme der erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung entscheidet, beinhaltet eine Selbstverständlichkeit und kommt deshalb ebenfalls für eine Streichung in Betracht. Soweit es heißt, die Staatsanwaltschaft entscheide über Durchsuchungen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, ist die Norm zudem ungenau, da im Regelfall, in dem keine Gefahr im Verzug vorliegt, das Gericht (und nicht die Staatsanwaltschaft) über Durchsuchungen entscheidet.
10. Zu Artikel 2 Nummer 14 ( § 95a Absatz 1 EnWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Strafbarkeit der Vornahme einer der in § 95 Absatz 1b EnWG-E bezeichneten vorsätzlichen Handlung unter der weiteren Voraussetzung, dass dadurch auf den Preis eines Energiegroßhandelsprodukts eingewirkt wird, in allen Begehungsvarianten dem Bestimmtheitsgebot und dem Nemotenetur-Grundsatz genügt.
Begründung:
Die Strafbarkeit der Vornahme einer der in § 95 Absatz 1b EnWG-E bezeichneten vorsätzlichen Handlung unter der weiteren Voraussetzung, dass dadurch auf den Preis eines Energiegroßhandelsprodukts eingewirkt wird, begegnet in zwei der drei Begehungsvarianten, die in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der REMIT-Verordnung genannt sind und auf die für die Begründung der Strafbarkeit Bezug genommen wird, Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots bzw. des Nemotenetur-Grundsatzes:
Was "sonstige Kunstgriffe" sind, die "irreführende Signale für das Angebot von Energiegroßhandelsprodukten ( ... ) geben könnten" (Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a, Ziffer iii der REMIT-Verordnung), dürfte für den Normadressaten nicht ohne Weiteres erkennbar sein.
Unter dem Gesichtspunkt des Nemotenetur-Grundsatzes erscheint Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a, Ziffer ii der REMIT-Verordnung bedenklich. Danach begeht u.a. eine Marktmanipulation, wer den Preis eines Energiegroßhandelsprodukts durch eine Person in der Weise beeinflusst, dass ein künstliches Preisniveau erzielt wird, "es sei denn, die Person, welche die Transaktion abgeschlossen ( ... ) hat, weist nach, dass sie legitime Gründe dafür hatte und dass diese Transaktion nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden Energiegroßhandelsmarkt verstößt".
Dem Beschuldigten in einem Strafverfahren einen Entlastungsbeweis anzusinnen und für den Fall von dessen Misslingen (unter den weiteren Voraussetzungen des § 95a Absatz 1 EnWG-E) eine Strafbarkeit vorzusehen, erscheint nicht zulässig. Der Amtsermittlungsgrundsatz dürfte gebieten, dass das Fehlen legitimer Gründe und der Verstoß gegen die zulässige Marktpraxis positiv festgestellt werden müssen, um eine Strafbarkeit zu begründen.