978. Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2019
A
1. Der federführende Wirtschaftsausschuss und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
B
Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat ferner, die nachfolgende Entschließung zu fassen:
2.
- a) Der Bundesrat stellt fest, dass Erdgas eine zentrale Rolle im Energiemix Deutschlands darstellt, die mittelfristig weiter zunehmen wird. Bedingt durch den Rückgang der eigenen Erdgasproduktion sowie der L-Gasgewinnung in den Niederlanden kommt der Gasversorgung eine besondere Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund besteht ein zentrales Interesse, eine sichere und diversifizierte Gasversorgung sicherzustellen.
- b) Der Bundesrat begrüßt die Verabschiedung einer LNG-Verordnung, mit der unter anderem die regulatorischen Rahmenbedingungen hinsichtlich Finanzierbarkeit der Anschlussbedingungen der LNG-Terminals an die deutsche Gasinfrastruktur geschaffen werden. Mit der Inbetriebnahme der LNG-Terminals wird sich die Gasversorgungssicherheit in Deutschland erhöhen.
- c) Der Bundesrat stellt fest, dass es zur Gewährleistung der Gasversorgungssicherheit in Deutschland eines übergreifenden Blicks auf das Zusammenspiel aller am Gasversorgungssystem beteiligten Marktakteure bedarf. Dabei kommt insbesondere auch den in Deutschland vorhandenen Gasspeichern für die Gasversorgungssicherheit eine besondere Bedeutung zu. Im Winter stellen sie regional einen wesentlichen Teil des benötigten Erdgases zur Verfügung und sind somit ein Garant für eine sichere Gasversorgung. Ohne Gasspeicher wäre zudem ein erheblicher Netzausbau für die Sicherstellung der Gasversorgung in Deutschland notwendig, der wesentlich höhere Kosten verursachen würde als die Gasspeicherung.
- d) Der Bundesrat weist darauf hin, dass Gasspeichern auch bei einem wesentlich höheren Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung eine große Bedeutung zukommen wird. Um eine weitgehend treibhausgasneutrale Energieversorgung in fernerer Zukunft zu ermöglichen, müssen die volatil erzeugten erneuerbaren Energien (insbesondere über Photovoltaik oder Windenergieanlagen) über Monate gespeichert werden können, damit der Gas- und Strombedarf ganzjährig gedeckt werden kann. Erneuerbare Gase (zum Beispiel Wasserstoff oder synthetisches Methan), die aus erneuerbar produziertem Strom umgewandelt wurden, können in Gasspeichern über lange Zeiträume hinweg gespeichert werden und bieten demzufolge die Lösung für eine der größten Herausforderungen der Energiewende; nämlich Energie langfristig zu speichern.
- e) Der Bundesrat stellt weiterhin fest, dass der Gasbedarf mit Umsetzung der Entscheidungen der Kommission für Wachstum, Strukturförderung und Beschäftigung in den nächsten Jahren steigen wird, wenn Kohlekraftwerksblöcke stillgelegt werden und diese durch Gaskraftwerke ersetzt werden, um dem deutschen Stromsystem die notwendigen gesicherten Leistungen zur Verfügung zu stellen.
- f) Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass bei den derzeitigen Rahmenbedingungen für den Betrieb von Gasspeichern in Deutschland Gasspeicher dauerhaft nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Die bei der Ein- und Ausspeicherung von Gas zu zahlenden Netzentgelte und die Konvertierungsumlage sind so ausgestaltet, dass ein Speicher in Deutschland höher belastet wird als ein konkurrierender Speicher im unmittelbar angrenzenden Ausland (zum Beispiel Niederlande, Österreich).
- g) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zur Sicherung der Gasspeicherinfrastruktur in Deutschland die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, damit diese höheren Belastungen im Vergleich zu Speichern in Nachbarländern rasch aufgehoben werden. Der Bundesrat hält es für notwendig, das Abgaben-, Entgelte- und Umlagesystem insgesamt zügig anzupassen, um die Schaffung eines EU-Gasbinnenmarktes mit gleichen Spielregeln zu ermöglichen und die Rahmenbedingungen für eine systemdienliche Nutzung von Speichern mit Blick auf die zunehmende Bedeutung der Sektorenkopplung zu schaffen.
- h) Der Bundesrat erinnert an seine Entschließung vom 11. Juli 2014 (BR-Drucksache 243/14(B) ), die darauf abzielte, den Beitrag der Gasspeicher zur deutschen Energieversorgung dauerhaft zu sichern. Diese Entschließung gab den Anstoß für das Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom Dezember 2015, welches die verstärkte Kontrahierung von Regelenergieprodukten durch die Marktgebietsverantwortlichen vorsieht. Der Bundesrat begrüßt diesen Ansatz grundsätzlich, hält aber die in den vergangenen Wintern (insbesondere im Winter 2017/2018) von den Marktgebietsverantwortlichen ausgeschriebenen regionalen Regelenergiebedarfe für eine nationale Gasmangellage für zu gering. Hierzu könnte die Sicherstellung von termingebundenen Mindestfüllständen der Gasspeicher einen Beitrag leisten. Zudem sollte aus Sicht des Bundesrates die Versorgungssicherheit dadurch erhöht werden, dass die Marktgebietsverantwortlichen ihre Leistungen nur an bestimmten Ein-/Ausspeisepunkten ausschreiben (Begrenzung auf Speicheranschlusspunkte).
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die deutschen Gasspeicherbetreiber stellen im Winter dem deutschen Gasnetz die regional erforderlichen Kapazitäten zur Verfügung. Damit wird ein Gasnetzausbau vermieden, der für eine Energieversorgung in Deutschland in den Wintermonaten notwendig wäre. Bedingt durch das aktuelle Marktdesign ist kein Marktakteur für die Gasversorgungssicherheit verantwortlich, frühzeitig für die deutsche Gasversorgung ausreichende Gasmengen in Gasspeichern einzulagern. Zwar wird konstatiert, dass durch Anpassung der regulatorischen Rahmen mit erweiterten Ausschreibungsoptionen (LTOs bzw. STB, DSM) ein Instrument eingeführt wurde, das den Aspekt der Gasversorgungssicherheit berücksichtigt. Allerdings wurden in den letzten Jahren nur unzureichende Mengen ausgeschrieben, um bei einem strengen Winter eine Mindestkapazität zum Ende des Winters sicherzustellen. Außerdem wird eine verstärkte Kopplung der Ausschreibungsoptionen an vorhandene Erdgasspeicher mit Blick auf einen im Engpassfall zeitnah wirksamen Beitrag zur Gewährleistung der Gasversorgungssicherheit als zielführend erachtet und sollte deshalb erwogen werden.
Wie die Länderübergreifende Krisenmanagementübung 2018 (LÜKEX 2018) gezeigt hat, könnte der Ausfall der Gasversorgung gravierende Auswirkungen haben, sowohl auf die Bevölkerung (ca. 50 Prozent der Wohnungen werden in Deutschland mit Erdgas beheizt) als auch auf die Wirtschaft.
3. Der Bundesrat stellt fest, dass vor dem Hintergrund des beabsichtigten Kohleausstiegs der Gasbedarf und insbesondere die Anforderungen an die Gasnetzinfrastruktur übergangsweise steigen werden, wenn im deutschen Stromversorgungssystem zunehmend Gaskraftwerke zur Sicherstellung der Versorgung eingesetzt werden. Um die steigende Kapazitätsnachfrage zu befriedigen, ist der bedarfsgerechte Ausbau des Gasnetzes im Rahmen des Netzentwicklungsplan-Prozesses sicherzustellen. Den Netzkunden müssen feste Kapazitäten zügig verfügbar gemacht werden. Gerade auch im Hinblick auf die bevorstehende Marktgebietszusammenlegung darf es zu keiner Einkürzung von festen Kapazitäten (FZK) kommen.
4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass für neue Gaskraftwerke ein fester, auf frei zuordenbaren Kapazitäten beruhender Zugang zum deutschen virtuellen Handelspunkt bei der Kapazitätsbuchung zwingend erforderlich ist. Diese Zusicherung fehlt in der bisherigen Gasnetzzugangsverordnung und muss dringend ergänzt werden.
5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, entsprechende Regelungen zu treffen, dass alle Anschlusswilligen, insbesondere neue Gaskraftwerke, einen festen Zugang zum deutschen virtuellen Handelspunkt erhalten. Ein Kapazitätsausbau, der keinen festen Zugang bereitstellt, wird den Herausforderungen der Energiewende nicht gerecht.
6. Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass mit Blick auf die zukünftige Beimischung von Wasserstoff künftige Gasnetzausbaumaßnahmen bereits jetzt wasserstofffest spezifiziert werden sollten.
Begründung zu den Ziffern 3 bis 6:
Gerade vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Kohleausstiegs und der notwendigen Dekarbonisierung der Energieversorgung ist auf absehbare Zeit von einem zusätzlichen Gas- und Kapazitätsbedarf auszugehen. Erforderlich sind allerdings zielgerichtete Investitionen in den Ausbau einer zukunftsfähigen Gasnetzinfrastruktur sowie der Neubau von Gaskraftwerken. Hierbei sollten auch schon die Anforderungen des Einsatzes der künftigen Grünen Gase und hier insbesondere des Wasserstoffs Berücksichtigung finden.
Aufgrund von Engpässen im aktuellen Gassystem legte bereits der Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Gas 2018 - 2028 fest, dass für neue Gaskraftwerke nur noch feste dynamisch zuordenbare Kapazitäten (DZK) zugrunde gelegt werden.
§ 38 und § 39 GasNZV werden von den Fernleitungsnetzbetreibern heute so interpretiert, dass ein Anschlusswilliger zwar Kapazitäten im Gasnetz erhält, dies aber kein fester Zugang zum deutschen Handelspunkt sein muss. Aus Sicht der Fernleitungsnetzbetreiber ist die Bereitstellung einer Verbindung zu einem Grenzübergangspunkt oder Gasspeicher hierfür ausreichend.
Insbesondere für neue Gaskraftwerke, die im Zuge des Kohleausstiegs für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit benötigt werden, ist jedoch ein fester, nichtunterbrechbarer Zugang zum virtuellen Handelspunkt zwingend erforderlich. Ansonsten müssen sich solche Kraftwerke zu hohen Kosten über zugeordnete Grenzpunkte vom Ausland versorgen. Für bestehende Gaskraftwerke, aber auch für im Rahmen des Kohleausstiegs neu hinzukommende Gaskraftwerke wäre es zudem problematisch, wenn nur eine feste Punkt-zu-Punkt-Verbindung zu einem Grenzübergangspunkt besteht, jedoch vom angrenzenden ausländischen Fernleitungsnetzbetreiber keine Zusicherung bezüglich eines festen und unterbrechungsfreien Zugangs zum dortigen Gashandelspunkt gewährt wird.
Bereits aus vergangenen Marktgebietszusammenlegungen innerhalb von Deutschland ist bekannt, dass es zu einer Verknappung von Kapazitäten kommen kann. Im Hinblick auf den steigenden Kapazitätsbedarf sollten entsprechende Kürzungen grundsätzlich vermieden werden.