Der Bundesrat hat in seiner 988. Sitzung am 27. März 2020 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Die Bekämpfung der Kriminalität im Internet stellt die Strafverfolgungsbehörden vor eine große Herausforderung. Nicht nur bei der Bekämpfung von Hasskriminalität (vgl. BR-Drucksache 065/20 (PDF) ), sondern auch bei der Bekämpfung sonstiger Erscheinungsformen der Kriminalität im Internet bzw. mittels des Internets sind die Strafverfolgungsbehörden auf Auskünfte der Telemediendienstanbieter angewiesen, da diese oftmals den einzigen zielführenden Ermittlungsansatz bieten. Insbesondere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wie die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornographischer Schriften, die Verabredung zur Begehung schwerer Straftaten oder Betrugsdelikte werden in besonderem Maße im Internet begangen.
In diesem Zusammenhang bittet der Bundesrat die Bundesregierung, auf nationaler Ebene durch eine Statuierung des Marktortprinzips dafür Sorge zu tragen, dass die jeweiligen Anbieter von Telemediendiensten sich bei der Erfüllung von Auskunftspflichten gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nicht mehr darauf berufen können, dass die abgefragten Daten im Ausland gespeichert sind, da sie ihre Leistungen in Deutschland anbieten.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zudem, sich auf europäischer Ebene weiterhin für eine schnelle und zugleich grundrechts- und datenschutzsichernde
Umsetzung der angedachten Maßnahmen zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugangs zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen einzusetzen und dabei darauf hinzuwirken, dass den Herausforderungen bei der Bekämpfung der Kriminalität im Internet im besonderen Maße Rechnung getragen wird.
2. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Kostenschätzung im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten des Gesetzesvorhabens für die Landesjustizbehörden zu überprüfen.
Begründung:
Der nach dem Gesetzentwurf zu erwartende Kostenaufwand, insbesondere der bei den Landesjustizbehörden entstehende Personalmehrbedarf, wird in der Begründung des Gesetzentwurfs deutlich zu gering ermittelt. Ursächlich dafür sind insbesondere eine Zugrundelegung zu niedriger Mengen bei der Ermittlung des zu erwartenden Verfahrensaufkommens sowie eine methodisch nicht nachvollziehbare und zu niedrige Ermittlung des danach zu erwartenden Personalmehrbedarfs.
- a) Der Gesetzentwurf stützt seine Ausführungen zu dem zu erwartenden Verfahrensaufkommen maßgeblich auf die Transparenzberichte der sozialen Netzwerke für das 1. und 2. Halbjahr 2019. Die insoweit als relevant zugrunde gelegten Meldungen weisen im 2. Halbjahr 2019 einen deutlichen Anstieg gegenüber dem 1. Halbjahr 2019 auf.
Dieser Anstieg bleibt in der Begründung des Gesetzentwurfs unberücksichtigt.
Zudem erscheint überprüfungsbedürftig, auf welcher konkreten Grundlage die Annahme einer jährlichen Anzahl von ca. 250 000 von den Anbietern gemeldeten Inhalten im Gesetzentwurf basiert. Allein die für das soziale Netzwerk "Facebook" zugrunde gelegte Zahl von lediglich 1 824 relevanten Inhalten im Jahr 2019 dürfte deutlich zu gering sein. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bemisst die Schätzung ausschließlich anhand der durch die Anbieter sozialer Netzwerke im Rahmen der Transparenzberichte nach dem NetzDG kommunizierten Zahlen. Insbesondere im Falle von Facebook differieren diese Zahlen deutlich von den tatsächlich seitens des Netzwerkanbieters als Hassrede eingestuften und deshalb - auch ohne eine Beschwerde - gelöschten Inhalten. Hierzu hat Facebook selbst gemeldet, allein im ersten Quartal 2019 mehr als 160 000 Inhalte entfernt zu haben, die nach Ansicht des Unternehmens die Kriterien von Hassrede erfüllten. Jährlich handelte es sich hochgerechnet um etwa 640 000 Inhalte.
Zudem ist aufgrund des öffentlichen Diskurses über die Bedeutung von Hassrede im Internet und der damit einhergehenden Sensibilisierung der Betroffenen ein weiterer Anstieg der Beschwerden nach dem NetzDG, der nur geschätzt werden kann, zu erwarten. Dies sollte in die Prognose zumindest der Gesamtzahl der potenziell - nach Eingang einer Beschwerde - meldepflichtigen Inhalte einfließen.
- b) Weiter erscheint die Annahme des Gesetzentwurfs überprüfungsbedürftig, dass sich die Anzahl der Ermittlungsverfahren gegenüber der Zahl der Meldungen schon deshalb reduziere, weil das Bundeskriminalamt die Meldungen auf ihre strafrechtliche Relevanz prüfe (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 30).
Nach dem Gesetzentwurf sollen die Meldungen des von sozialen Netzwerken als strafbar bewerteten und aufgrund dieser Einschätzung gelöschten Inhalte jeweils nebst IP-Adresse vom Bundeskriminalamt nach Feststellung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde im Rahmen der Zentralstellenfunktion an die örtlich zuständige Ermittlungsbehörde zur Strafverfolgung übermittelt werden. Die Tätigkeit des Bundeskriminalamts soll sich im Rahmen der Zentralstellenfunktion zur Unterstützung bei der Verfolgung von Straftaten im Hinblick auf das vorliegende Verfahren damit lediglich auf die Maßnahmen beschränken, die erforderlich sind, um die zuständige Strafverfolgungsbehörde auf Landesebene festzustellen (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 30). Das Bundeskriminalamt soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs keine Aufgabe der Strafverfolgung übernehmen (ebd.). Dementsprechend soll es gerade keine Prüfung der strafrechtlichen Relevanz vornehmen dürfen.
Deshalb werden auf Basis der in dem Gesetzentwurf zugrunde gelegten Verfahrenszahlen nicht nur 150 000 Ermittlungsverfahren, sondern auch die - jedenfalls als sog. Anzeigesachen bei den Staatsanwaltschaften zu bearbeitenden - übrigen 100 000 Meldungen den Staatsanwaltschaften zur verfahrensabschließenden Entscheidung zugeleitet werden.
Aus welchen Erwägungen in der Kostenschätzung Abschläge zu den Verfahrensmengen aufgrund bereits jetzt verfolgter Inhalte (unter anderem aus dem Bereich der Kinderpornographie), aufgrund von Mehrfachmeldungen sowie aufgrund von Verfahrensverbindungen bei mehreren Postings durch denselben Nutzer vorgenommen werden, erschließt sich mangels konkreter Schätzgrundlagen für diese Abschläge ebenfalls nicht.
- c) Demgegenüber ist für die Kostenschätzung davon auszugehen, dass Google von seinen Plattformen ausweislich eines Berichts gegenüber der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen im 1. Halbjahr 2019 mehr als 23 500 und Facebook gemäß einer öffentlichen Mitteilung im I. Quartal 2019 mehr als 160 000 als Hassrede eingestufte Inhalte entfernt hatte. Auf Grundlage dieser Angaben waren jährlich insgesamt 687 000 Löschvorgänge allein für Google und Facebook ermittelt worden. Unter der praxisnahen Annahme, dass nur in der Hälfte der Löschvorgänge auch ein strafrechtlich relevanter, eine Meldepflicht auslösender Sachverhalt zugrunde liegt, waren mindestens 340 000 potentiell der Meldepflicht unterliegende Vorgänge ermittelt worden.
- d) Darüber hinaus erscheint auch die Annahme des Gesetzentwurfs, nur jedes dritte Ermittlungsverfahren werde ein Gerichtsverfahren nach sich ziehen, nicht zutreffend. Zum einen bleibt unberücksichtigt, dass für unter dem Richtervorbehalt stehende Ermittlungsmaßnahmen eine zusätzliche Belastung auf die Gerichte im Ermittlungsverfahren zukommen dürfte. Zum anderen dürfte eine Schätzung sachgerecht sein, nach der zumindest die Hälfte der Ermittlungsverfahren in ein Gerichtsverfahren mündet. Insofern ist von bundesweit mindestens 170 000 Gerichtsverfahren auszugehen.
- e) Neben der Zugrundelegung eines nicht nachvollziehbar niedrigen Verfahrensaufkommens wird auch der danach zu erwartende Personalmehrbedarf im Gesetzentwurf methodisch nicht nachvollziehbar und zu niedrig ermittelt:
Der Gesetzentwurf legt seinen Berechnungen jährliche Erledigungen zwischen 800 und 850 Verfahren je Staatsanwalt sowie 600 und 650 Verfahren pro Richter zugrunde.
Eine solche erledigungsbasierte Berechnung anhand von "Pensen" ist in der bundesweiten Personalbedarfsberechnung anhand des nach wissenschaftlichen Grundsätzen entwickelten Personalbedarfsberechnungssystems PEBB§Y nicht vorgesehen. Vielmehr sind die Bearbeitungsaufwände unterschiedlicher Geschäftsanfälle in entsprechenden Erhebungsgeschäften bundesweit streng empirischanalytisch erhoben und nach anschließender sachverständiger Plausibilisierung in Bundesbasiszahlen für bestimmte Produkte zusammengefasst worden. Der Personalbedarf für strafrechtliche Ermittlungs- und Gerichtsverfahren wird anhand dieser Bundesbasiszahlen aufgrund der dem Produkt zugeordneten Mengen (Verfahrenseingänge) ermittelt.
Demgegenüber ist eine "erledigungsbasierte" Berechnung im Gesetzentwurf nicht nachvollziehbar. Sie entspricht nicht den methodischen Vorgaben der bundesweit anerkannten Personalbedarfsberechnung nach PEBB§Y.
- f) Schließlich ist die Kostenschätzung des Gesetzentwurfs auch insoweit unvollständig, als der Gesetzentwurf keine Ausführungen zu Personalmehrbedarfen in den Laufbahngruppen 2.1 (gehobener Dienst) und 1.2 (mittlerer Dienst und Schreibdienst) enthält. Auch für diese Laufbahngruppen werden aufgrund der zusätzlichen Verfahren entsprechende Personalmehrbedarfe sowohl bei den Staatsanwaltschaften als auch bei den Gerichten entstehen.
3. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat weist darauf hin, dass neben den im Gesetzentwurf angesprochenen Mehrkosten im justiziellen Kernbereich auch mit Mehrkosten für die Länder im Polizeibereich zu rechnen ist, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen sind und in der Kostenschätzung des Bundes noch berücksichtigt werden sollten.
Begründung:
Es ist damit zu rechnen, dass durch notwendige Ermittlungsarbeit der Ermittlungsbehörden der Länder deutliche Mehrkosten im Polizeibereich entstehen werden, die im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt sind. Durch die Stellungnahme soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass auch diese Mehrkosten im weiteren Gesetzgebungsverfahren betrachtet werden müssen und in die Kostenschätzung des Bundes noch einfließen sollten.
4. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe d - neu - (§ 126 Absatz 1 Nummer 8 - neu - StGB)
Artikel 1 Nummer 3 ist wie folgt zu fassen:
"3. § 126 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- a) In Nummer 3 werden < ... weiter wie Vorlage ... >
- b) In Nummer 6 wird das Wort "oder" am Ende durch ein Komma ersetzt.
- c) Der Nummer 7 wird nach der Angabe " § 318 Absatz 1" das Wort "oder" angefügt.
- d) Nach Nummer 7 wird folgende Nummer 8 eingefügt:
"8. einen sexuellen Übergriff, eine sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung (§ 177 Absatz 4 bis 8)" "
Begründung:
Neben der Aufnahme der gefährlichen Körperverletzung in den Katalog des § 126 Absatz 1 StGB sollen außerdem auch die Delikte zu sexuellen Übergriffen, sexueller Nötigung sowie Vergewaltigung (§ 177 Absatz 4 bis 8 StGB) aufgenommen werden. Um einen ausreichenden strafrechtlichen Schutz für Frauen zu erreichen, müssen auch Ankündigungen zu solchen Straftaten ausdrücklich erfasst werden. Bei Straftaten nach § 177 Absatz 4 bis 8 StGB handelt es sich um Verbrechen, also Delikte, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft werden. Da Opfer von sexuellen Übergriffen, sexueller Nötigung und Vergewaltigung nahezu ausschließlich Frauen sind, ist die Aufnahme der Norm im Katalog des § 126 StGB ein weiterer Schritt zum wirksamen Schutz vor Gewalt gegen Frauen.
5. Zu Artikel 1 Nummer 5 bis 8 (§§ 185 bis 194 StGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit die strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der Ehre einer umfassend(er)en Modernisierung bedürfen und weitergehenden Schutz- und Reformerfordernissen anzupassen sind.
Begründung:
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht im Bereich der Beleidigungsdelikte verschiedene punktuelle Änderungen vor. So ist etwa ein Qualifikationstatbestand für öffentliche Beleidigungen vorgesehen oder eine klarstellende Ergänzung der Vorschrift zur üblen Nachrede und Verleumdung von Personen des politischen Lebens in § 188 Strafgesetzbuch (StGB).
Fraglich bleibt aber, ob der Gesetzentwurf dem tatsächlichen Reformbedarf damit bereits ausreichend Rechnung trägt. So entstammen die Regelungen zur Beleidigung, üblen Nachrede und Verleumdung noch aus der Zeit der Einführung des Reichsstrafgesetzbuches im Jahr 1871. Aus diesem Grund geben sie auch keine angemessene Antwort auf Phänomene, die erst in jüngerer Zeit, namentlich aufgrund der Entwicklung des Internets und der hiervon beeinflussten gesellschaftlichen Entwicklung zum Vorschein getreten sind und die erhebliche Gefahren - auch und gerade - für den Schutz der Persönlichkeit vor Ehrangriffen hervorgerufen haben. Das betrifft insbesondere Fälle der Äußerung gesteigerter Missachtung, wie sie in der Hassrede ("Hate Speech") zum Ausdruck kommt, etwa in Gestalt rassistischer Kommentare. In diesen Themenkreis gehören auch Fälle des "(Cyber-)Mobbings", sofern diese, wie häufig, (auch) in ehrverletzenden Äußerungen zum Ausdruck gelangen.
Namentlich auf diese Phänomene kennen die Regelungen des Beleidigungsstrafrechts bislang keine angemessene und hinreichend spezifische Antwort. So lässt sich den Tatbeständen der besondere Unwertgehalt derartiger Taten zumeist nicht entnehmen, auch fehlt es weiterhin an der Regelung strafschärfender Begehungsformen und schließlich werden die Taten durch die bestehenden Strafrahmen häufig in die Nähe von Bagatellkriminalität gerückt. Auch die Regelungsvorschläge im Gesetzentwurf der Bundesregierung tragen dem nicht ausreichend Rechnung.
Zweifel bestehen aber auch, ob die in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgenommene Ergänzung des § 188 Absatz 1 StGB den Schutzerfordernissen zugunsten von Personen des politischen Lebens ausreichend Rechnung trägt. Das betrifft etwa die Frage, ob der Schutz über Fälle der üblen Nachrede und Verleumdung hinaus auch auf Beleidigungen nach § 185 StGB erstreckt werden sollte. Gleichermaßen bleibt zu diskutieren, ob die bislang in § 188 StGB vorgesehene Eignungsklausel den Schutz politisch tätiger Personen nicht zu weitgehend einschränkt und die damit verbundene Bewertungsunsicherheit in der Strafrechtspraxis nicht durch eine anderweitige Regelung beseitigt werden sollte.
Schließlich erscheint auch die Ausgestaltung der zentralen Vorschriften zum Schutz der Ehre insgesamt überdenkenswert. So finden sich in den Strafvorschriften zur Beleidigung, zur üblen Nachrede und zur Verleumdung Grundtatbestand und Qualifikation - häufig gleichlautend und unübersichtlich - jeweils in einem einzigen Satz geregelt. Es liegt nahe, die strafschärfenden Begehungsformen aus den Einzelregelungen herauszunehmen und in einer gesonderten und weitgehend einheitlichen Regelung zusammen zu fassen. Auf diese Weise kann die Qualifikation als solche sichtbarer gemacht, die praktische Handhabung erleichtert und die Grundlage für eine angemessene Ahndung besonders schädlicher Formen der Beleidigung geschaffen werden.
Für die Frage, wie eine umfassende Modernisierung des Beleidigungsstrafrechts im Einzelnen aussehen könnte, kann beispielsweise an den Regelungsvorschlag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz für ein Gesetz zur nachdrücklichen strafrechtlichen Bekämpfung der Hassrede und anderer besonders verwerflicher Formen der Beleidigung angeknüpft werden.
6. Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 188 Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 - neu - StGB)
Artikel 1 Nummer 7 ist wie folgt zu fassen:
"7. Dem § 188 wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Eine im politischen Leben des Volkes stehende Person im Sinne von Absatz 1 ist eine Person, die auf europäischer Ebene, Bundes- oder Landesebene oder auf Ebene einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit aktiv tätig ist." "
Begründung:
Die vorgesehene Ergänzung in § 188 Absatz 1 Satz 2 StGB-E, wonach das politische Leben des Volkes bis zur kommunalen Ebene reicht, begegnet im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot Bedenken, weil daraus nicht hervorgeht, welcher Personenkreis genau erfasst ist. Dies gilt etwa für politisch auf Bezirksebene tätige Personen, wie dies bei der Freien und Hansestadt Hamburg beispielsweise der Fall ist. Es könnte auch fraglich sein, ob bei Mitgliedern von Bürgerinitiativen eine Betätigung auf kommunaler Ebene im Sinne des § 188 StGB-E zu bejahen wäre. Dem Wortlaut nach erscheint eine solche Annahme nicht ausgeschlossen, nach Sinn und Zweck - dem Schutz von kommunalen Amts- und Mandatsträger/-innen - aber eher nicht gewollt. Die Begründung verhält sich hierzu nicht. Es wäre daher zunächst der Rechtsprechung und wissenschaftlichen Literatur überlassen, Kriterien für den Anwendungsbereich der Vorschrift zu entwickeln.
Die im Gesetzentwurf des Bundesrates "Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von im politischen Leben des Volkes stehenden Personen" vom 29. November 2019, BR-Drucksache 418/19(B) , verwendete Definition ist demgegenüber vorzugswürdig. Sie begrenzt den geschützten Personenkreis, trägt den in einzelnen Ländern bestehenden Besonderheiten beim Verwaltungsaufbau Rechnung und schafft Rechtsklarheit.
Außerdem führt die Verortung der Definition in einem eigenen Absatz zu einer größeren Übersichtlichkeit der Vorschrift für die Rechtsanwender. Etwaige Verweise auf die Definition werden hierdurch erleichtert.
7. Zu Artikel 1 Nummer 9 Buchstabe a (§ 241 Absatz 1 StGB), Buchstabe b (§ 241 Absatz 4 StGB)
Artikel 1 Nummer 9 ist wie folgt zu ändern:
a) Buchstabe a ist wie folgt zu fassen:
"a) Dem Absatz 1 wird folgender Absatz 1 vorangestellt:
(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat
- 1. gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die körperliche Unversehrtheit, wenn die Tat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,
- 2. gegen die persönliche Freiheit,
- 3. gegen die körperliche Unversehrtheit oder eine Sache von bedeutendem Wert, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3) gegangen wird,
bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." "
b) In Buchstabe d sind in § 241 Absatz 4 StGB nach der Angabe "Absatzes 1" die Wörter "Ziffer 1 und 2" einzufügen.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
§ 241 StGB-E sieht in Absatz 1 eine Ausweitung des Bedrohungstatbestandes auf die Androhung einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert vor. Die derzeit allein strafbare Bedrohung mit der Begehung eines Verbrechens wird in § 241 Absatz 2 StGB-E mit einer im Höchstmaß auf Freiheitsstrafe von zwei Jahren angehobenen Strafe bedroht. Absatz 4 beinhaltet eine Qualifikation, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften begangen wird, und erhöht die in den Absätzen 1 und 2 angedrohten Freiheitsstrafen um jeweils ein Jahr.
§ 241 StGB soll - im Gegensatz zu § 126 StGB, dessen geschütztes Rechtsgut der öffentliche Friede ist (vgl. Fischer, StGB, 67. Auflg., § 126 Rn. 2) - den individuellen Rechtsfrieden schützen. Dabei ist die Eignung der Drohung zur Friedensstörung nach objektiven Maßstäben zu bestimmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.12.1994 - 2 BvR 1146/94 <juris>; BGH, Beschluss vom 15.01.2015 - 4 StR 419/14 - Rn. 9 <beckonline>; Eisele in Schönke/Schröder, StGB. 30. Auflg., § 241 Rn. 2). Maßgeblich für die Strafwürdigkeit ist, ob das Verhalten des Täters objektiv geeignet ist, einen solchen Effekt bei einem durchschnittlich empfindenden Menschen auszulösen (vgl. Sinn in Münchener Kommentar zum StGB, § 241 Rn. 2).
Die Androhung einer Tat gegen die körperliche Unversehrtheit, die nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist, namentlich einer vorsätzlichen Körperverletzung, § 223 StGB, oder gegen Sachen von bedeutendem Wert werden einem objektivierten Eignungsmaßstab zur Störung des individuellen Rechtsfriedens regelmäßig nicht gerecht. Das In-Aussicht-Stellen einer einfachen Körperverletzung, einer sexuellen Belästigung oder einer Sachbeschädigung dient vielfach nur der rhetorischen Ausschmückung und ist Teil von Alltagskommunikation. Strafwürdig ist es nur, wenn mit der Drohung eine Forderung oder eine herabsetzenden Äußerung verknüpft ist. Dann aber ist die Tat de lege lata bereits nach anderen Vorschriften, namentlich nach § 240 StGB oder als Ehrschutzdelikt, mit Strafe bedroht.
Die uferlose Ausweitung des Bedrohungstatbestands führt zudem zu einem Aufweichen der Deliktskonturen, insbesondere in Abgrenzung zur Nötigung, wenn mehr oder weniger jede Drohung mit einem empfindlichen Übel auch als Bedrohung unter Strafe gestellt wird.
Vermieden werden kann die ausufernde Pönalisierung verbaler Auseinandersetzungen, wenn auf die Ausweitung des Bedrohungstatbestandes auf Taten gegen die körperliche Unversehrtheit oder sexuelle Selbstbestimmung ohne ein im Mindestmaß erhöhtes Strafmaß abzusehen. In diesen Fällen werden die Äußerungen in der Regel ohnehin nicht zu einer gerichtlichen Befassung und Bestrafung führen, weil jedenfalls ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung fehlen und eine Verweisung auf den Privatklageweg geboten sein dürfte.
Mit einer Ausweitung des Tatbestandes auf diese Tatbegehungen würden letztlich nicht zu befriedigende Straferwartungen in der Öffentlichkeit geweckt und nicht unerhebliche Kapazitäten bei den Strafverfolgungsbehörden für Verfahren gebunden, die letztlich absehbar der Einstellung unterliegen.
Wenn allerdings die Äußerungen eine besondere Reichweite erfahren, weil sie einem unbestimmten Empfängerkreis zur Kenntnis gelangen, besteht die Gefahr der Nachahmung und der Steigerung der Aggressivität. Entsprechend den Erwägungen in dem Gesetzentwurf zu Artikel 1 Nummer 5 (Änderung des § 185 StGB) ist auch hier zu bedenken, dass "Äußerungen wegen der eingeschränkten Löschungsmöglichkeiten oftmals über einen langen Zeitraum durch einen großen Personenkreis abgerufen werden" und "für die Betroffenen deshalb besonders schwer" wiegen (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 35). Bei der öffentlichen, in einer Versammlung oder durch die Verbreitung von Schriften begangenen Bedrohung mit einer einfachen Körperverletzung oder einer Tat gegen eine Sache von bedeutendem Wert wird deshalb unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs von einer Eignung zur Störung des individuellen Rechtsfriedens auszugehen sein. In diesem Falle schließt auch die von der Rechtsprechung auf lediglich 750 Euro festgesetzte Untergrenze für eine "Sache von bedeutendem Wert" die generelle Eignung zur individuellen Friedensstörung nicht aus.
Das Erfordernis der öffentlichen, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften Tatbegehung entspricht der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzentwurfs, einer im Internet und insbesondere in den sogenannten sozialen Medien zunehmend zu beobachtenden Verrohung der Kommunikation zu begegnen und die freie Meinungsäußerung als Grundpfeiler der demokratischen pluralistischen Gesellschaft verteidigen.
Zu Buchstabe b:
Es handelt sich um eine Folgeänderung, da die Voraussetzungen der in § 241 Absatz 4 StGB-E vorgesehenen Strafschärfung bereits Tatbestandsvoraussetzungen des Grunddelikts nach § 241 Absatz 1 Nummer 3 StGB-E sind.
8. Zu Artikel 2 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 100j Absatz 1 Satz 2 StPO), Buchstabe b1 - neu - (§ 100j Absatz 3 Satz 4 StPO)
Artikel 2 Nummer 3 ist wie folgt zu ändern:
a) Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ist wie folgt zu fassen:
"bb) Satz 2 wird wie folgt gefasst:
"Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird ( § 113 Absatz 1 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes und § 15b des Telemediengesetzes), darf die Auskunft nur verlangt werden,
- 1. in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen,
- 2. in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen und der Sachverhalt, der erforscht werden soll, den Verdacht einer Straftat gemäß § 100b Absatz 2 begründet oder der Beschuldigte, dessen Aufenthaltsort ermittelt werden soll, im Verdacht einer solchen Straftat steht, oder sie zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes erforderlich ist." "
b) Nach Buchstabe b ist folgender Buchstabe b1 einzufügen:
"b1) In Absatz 3 ist Satz 4 wie folgt zu fassen:
"Im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 finden die Sätze 1 bis 3 keine Anwendung, wenn die betroffene Person vom Auskunftsverlangen bereits Kenntnis hat oder haben muss oder wenn die Nutzung der Daten bereits durch eine gerichtliche Entscheidung gestattet wird." "
Begründung:
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Abfrage von Passwörtern nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen:
"Die Zugangsdaten sollen nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten, wie sie im Katalog des § 100b Absatz 2 StPO genannt werden, sowie zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes übermittelt werden dürfen; die Übermittlung muss durch ein Gericht angeordnet worden sein. Der Katalog des § 100b Absatz 2 StPO wurde gewählt, weil er die Voraussetzungen einer Online-Durchsuchung regelt und wegen seiner hohen Grundrechtsrelevanz gemeinsam mit der Wohnraumüberwachung den engsten aller Straftatkataloge in der StPO darstellt." (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 43).
Dieser Ansatz ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung jedoch nicht konsequent umgesetzt. Zwar enthält die vorgeschlagene Fassung des § 15b Absatz 2 TMG-E einen Verweis auf den Straftatenkatalog des § 100b Absatz 2 StPO bzw. die Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes. Der korrespondierende Verweis in § 100j Absatz 1 Satz 2 StPO fehlt jedoch.
Nach dem Doppeltürmodell des Bundesverfassungsgerichts muss für entsprechende Ermittlungsmaßnahmen sowohl eine Befugnisnorm der Diensteanbieter für die Herausgabe, als auch eine Befugnisnorm der Strafverfolgungsbehörden für die Anforderung solcher Daten existieren. Folgerichtig müssen sich die Voraussetzungen aus der jeweiligen Befugnisnorm erschöpfend ergeben. Insofern ist es erforderlich, die vom Bundesgesetzgeber offenbar beabsichtigten Voraussetzungen aus § 15b Absatz 2 TMG-E auch in § 100j Absatz 1 Satz 2 StPO-E zu übernehmen. Durch den Änderungsantrag soll ein inhaltlicher
Gleichlauf zwischen den beiden Vorschriften geschaffen und vermieden werden, dass die strafprozessuale Ermächtigungsnorm nur unter Heranziehung weiterer Gesetze, auf die ein hinreichender Bezug fehlt, rechtskonform angewendet werden kann.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die unterschiedliche Eingriffsintensität offensichtlich unterschiedliche Voraussetzungen für die Herausgabe von Passwörtern für Telemediendienste einerseits und die Herausgabe von Passwörtern für Telekommunikationsdienste andererseits schaffen wollte. Diese Differenzierung ist in der dem Änderungsantrag zugrunde gelegten Formulierung des § 100j Absatz 1 Satz 2 StPO-E berücksichtigt worden.
Dasselbe gilt für eine Neufassung des § 100j Absatz 3 StGB-E. Auch hier ist eine Differenzierung zwischen Telekommunikationsdiensten und Telemediendiensten erforderlich.
9. Zu Artikel 2a - neu - (§ 18 - neu - StPOEG)
Nach Artikel 2 ist folgender Artikel 2a einzufügen:
"Artikel 2a
Änderung des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung
Im Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 312-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch ... geändert worden ist, ist folgender § 18 anzufügen:
§ 18 Übergangsregelung zum Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität
Die Übersichten nach § 101b Absatz 5 der Strafprozessordnung in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom ... [einfügen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle dieses Gesetzes] sind erstmalig für das Berichtsjahr 2021 zu erstellen. Für die vorangehenden Berichtsjahre ist § 101b Absatz 5 der Strafprozessordnung in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität geltenden Fassung anzuwenden."
Begründung:
Hinsichtlich der Erweiterung der statistischen Erfassung und Berichtspflichten in § 101b Absatz 5 StPO-E um Nutzungsdaten im Sinne des § 15 Absatz 1 TMG sollte eine Übergangsregelung dergestalt getroffen werden, dass die Erhebung erst ab dem Berichtsjahr 2021 erfolgt. Dies ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Jahresberichten.
10. Zu Artikel 4 (Änderung des BKAG), Artikel 6 Nummer 3 (§ 3a Absatz 2 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen,
- a) ob die Aufgaben, die dem Bundeskriminalamt (BKA) als Zentralstelle nach § 3a Absatz 2 NetzDG-E zukommen, präziser gefasst werden können,
- b) ob im Zuge der Präzisierung klargestellt werden kann, dass die zur Entgegennahme der auf Grundlage der Meldepflicht nach § 3a NetzDG-E übermittelten Meldungen zuständige Zentralstelle die Aufgabe hat, lediglich die ihr gemeldeten und nach dortiger Einschätzung strafrechtlich relevanten Inhalte an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zur Ermöglichung der Strafverfolgung weiterzuleiten.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Der Gesetzentwurf enthält keine eindeutige Bestimmung, welche Aufgaben das BKA als Zentralstelle wahrnehmen soll, wenn es nach § 3a Absatz 2 NetzDG-E die Meldungen der Netzwerkanbieter entgegen genommen hat.
§ 3a Absatz 2 NetzDG-E sieht hierzu lediglich vor, dass die Übermittlung der Meldungen an die Zentralstelle zum Zwecke der "Ermöglichung der Verfolgung von Straftaten" erfolgt. Auch unter Berücksichtigung der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt sich daraus keine eindeutige Aufgabenbeschreibung.
Einerseits wird ausgeführt (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 12), dass die Meldungen von der Zentralstelle im BKA "...nach Feststellung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde im Rahmen der Zentralstellenfunktion des BKA an die örtlich zuständige Ermittlungsbehörde zur Strafverfolgung übermittelt werden. Die Tätigkeit des BKA im Rahmen der Zentralstellenfunktion zur Unterstützung bei der Verfolgung von Straftaten beschränkt sich im Hinblick auf das vorliegende Verfahren auf die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die zuständige Strafverfolgungsbehörde auf Landesebene festzustellen. Das BKA übernimmt insoweit selber keine Strafverfolgung."
Danach käme der Zentralstelle die Aufgabe zu, mit den erforderlichen Maßnahmen die örtlich zuständige Ermittlungsbehörde zu bestimmen. Andererseits geht der Gesetzentwurf aber davon aus (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 14), dass das BKA "...nach Einschätzung, ob es sich um einen strafbaren Inhalt handelt, die beim sozialen Netzwerk gespeicherten Daten, soweit sie zur Identifizierung des Verfassers erforderlich sind, anfordern und diese Daten der zuständigen Strafverfolgungsbehörde in den Ländern übermitteln (soll)".
Diese Maßnahmen soll das BKA demnach lediglich in den Fällen ergreifen, in denen nach einer dortigen Prüfung strafrechtliche Relevanz besteht, um die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft festzustellen. In den übrigen Fällen bleibt offen, wie - und auch ob - eine zuständige Strafverfolgungsbehörde in den Ländern bestimmen wird.
Nach dem Gesetzentwurf ist es folglich nicht ausgeschlossen, dass das BKA bei der Auswertung der Meldungen eine Filterfunktion wahrnimmt und nur die nach dortiger Bewertung strafrechtlich relevanten Inhalte an die Strafverfolgungsbehörden weiterleitet. Dies findet Bestätigung in den zur Kostenbemessung zugrunde gelegten prognostizierten Verfahrenszahlen. Der Gesetzentwurf geht von 250 000 Meldungen, jedoch nur rund 150 000 neuen Ermittlungsverfahren jährlich aus, "da sich nicht nach allen Meldungen Ermittlungsverfahren anschließen werden" (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 30). In den Berechnungen des zusätzlichen Personalbedarfs bleiben die übrigen 100 000 Meldungen unberücksichtigt. Danach dürfte davon auszugehen sein, dass sie auch nicht als Anzeigesachen einen beachtlichen zusätzlichen Erfüllungsaufwand bei den Strafverfolgungsbehörden verursachen, sondern von der Zentralstelle eigenständig und abschließend bearbeitet werden. Hierfür sprechen auch die weiteren Ausführungen zu den Kosten im Gesetzentwurf (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 30):
"Durch das BKA werden im Rahmen der Zentralstellentätigkeit die Inhalte unter anderem auf ihre strafrechtliche Relevanz und die Aktualität der IP-Adresse geprüft. Hierdurch wird sich die Zahl der Meldungen, in denen bei den Staatsanwaltschaften Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, reduzieren."
Zu Buchstabe b:
Sofern der Aufgabenzuschnitt des BKA eine Filterfunktion der Zentralstelle nicht umfassen sollte, erscheint dies überprüfungsbedürftig.
Mit der Implementierung der Meldepflicht für Plattformbetreiber soll verhindert werden, dass strafbare Inhalte im Netz gelöscht und damit der strafrechtlichen Würdigung und gegebenenfalls Verfolgung entzogen werden. Die Meldung ist keine Strafanzeige, denn sie enthält kein eigenes Prüfungsbegehren des Plattformbetreibers. Sie erfolgt gleichsam "neutral" in Erfüllung einer dem Plattformbetreiber auferlegten gesetzlichen Pflicht.
Auch in der analogen Welt übermittelt die Polizei nicht sämtliche ihr zugetragenen Erkenntnisse ungefiltert der Staatsanwaltschaft. Zur Übernahme laienhafter rechtlicher Bewertungen verpflichtet sie auch das Legalitätsprinzip nicht, solange keine Strafanzeige erstattet wird und zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat nicht erkennbar sind. Die Vorlage aller Meldungen zur Bewertung an eine Staatsanwaltschaft - ungeachtet ihres Inhalts - hätte deshalb eine Vertiefung des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Nutzer zur Folge, die mangels Erforderlichkeit auch datenschutzrechtlich bedenklich ist. Im Vergleich zur analogen Welt, in der der Informationsfluss nur in den Grenzen des Erforderlichen erfolgt, führte dies zu einer Überregulierung der Netzkommunikation.
Schließlich spricht auch der Gesetzentwurf selbst davon, dass die Meldepflicht den Zweck verfolge, den zuständigen Behörden die Verfolgung etwaiger Straftaten zu "ermöglichen" (§ 3a Absatz 2 NetzDG-E). Hierfür spricht auch die Regelung in § 1 Absatz 4 NetzDG-E, wonach eine Beschwerde über einen rechtswidrigen Inhalt durch das Begehren seiner Entfernung oder der Sperrung des Zugangs zu ihm charakterisiert ist. Folgerichtig sieht § 2 Absatz 2 Nummer 5 NetzDG-E vor, dass die Netzbetreiber die Beschwerdeführer künftig gesondert auf die Möglichkeit einer Strafanzeige hinzuweisen haben.
11. Zu Artikel 5 Nummer 1 (§ 14 Absatz 2 TMG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit der Begriff der "zuständigen Stelle" in § 14 Absatz 2 TMG konkreter gefasst werden kann.
Begründung:
Die Formulierung in § 14 Absatz 2 TMG-E erscheint unabhängig von den vorgesehenen Änderungen klarstellungsbedürftig, soweit Auskünfte zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum betroffen sind.
§ 14 Absatz 2 TMG und ebenso § 14 Absatz 2 TMG-E erlauben es Diensteanbietern, Auskunft über Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist.
Die Erteilung dieser Auskunft setzt jedoch nach dem Wortlaut der Vorschrift eine "Anordnung der zuständigen Stellen" voraus. Bei Auskünften zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum stellt sich die Frage, wer diese "zuständigen Stellen" sein sollen.
In den einschlägigen Kommentierungen wird die Formulierung als "unpassend" (vgl. Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 14 TMG, Rn. 24) und "unklar" (vgl. Beck TMG/Dix, 1. Auflage 2013, TMG § 14 Rn. 54) kritisiert. Teilweise wird dabei vertreten, dass auch Private "zuständige Stellen" im Sinne von § 14 Absatz 2 TMG sein und eine Auskunftserteilung gegenüber dem Diensteanbieter "anordnen" können (vgl. Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 14 TMG, Rn. 24). Überwiegend wird dagegen davon ausgegangen, dass lediglich öffentliche Stellen "zuständige Stellen" im Sinne von § 14 Absatz 2 TMG sein können (vgl. Beck TMG/Dix, 1 Auflage 2013, TMG § 14 Rn. 54; Hanno Schmücker in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3 Auflage 2016, 53. Abschnitt : Rechtsfragen der Internetplattformen, Rn. 84, 86; Eßer/Kramer/von Lewinski: Auernhammer DSGVO/BDSG, 5 Auflage 2017, § 14 TMG Rn. 21; Heckmann in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Auflage 2017, Kap. 9, Rn. 395).
Im Normtext sollte eine Klarstellung erfolgen, zumal der Anwendungsbereich von § 14 Absatz 2 TMG-E auf die Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum begrenzt werden soll.
12. Zu Artikel 6 Nummer 2 (§ 3 Absatz 2 Nummer 5 NetzDG)
Artikel 6 Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:
"2. In § 3 Absatz 2 Nummer 5 werden nach dem Wort "begründet" ein Semikolon und die Wörter "dabei ist der Beschwerdeführer oder der von einem beanstandeten Inhalt Betroffene darauf hinzuweisen, dass gegen den Nutzer, für den der beanstandete Inhalt gespeichert wurde, Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag gestellt und auf welchen Internetseiten hierüber weitere Informationen erhalten werden können" eingefügt."
Begründung:
Die bisherige Formulierung des Gesetzentwurfs setzt voraus, dass der Beschwerdeführer zugleich derjenige ist, der von dem rechtswidrigen Inhalt betroffen ist. Nach den bisherigen Erfahrungen mit dem NetzDG ist dies jedoch oftmals nicht der Fall (so genannte "Third Party Complaints"). Diesem Umstand soll dadurch Rechnung getragen werden, dass neben dem Beschwerdeführer alternativ der von dem beanstandeten Inhalt Betroffene bzw. dessen Angehörige (im Fall der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener) über die Möglichkeiten der Strafanzeige und gegebenenfalls eines erforderlichen Strafantrags zu informieren sind.
13. Zu Artikel 7 (Einschränkung eines Grundrechts)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Aufzählung grundrechtseinschränkender Vorschriften in Artikel 7 um Artikel 4 Nummer 2 und Artikel 6 Nummer 3 zu ergänzen ist, um dem Zitiergebot des Artikels 19 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes vollumfänglich Rechnung zu tragen.
Begründung:
Artikel 7 nennt das Fernmeldegeheimnis ( Artikel 10 des Grundgesetzes) als eingeschränktes Grundrecht, weil durch die Änderung des § 100j StPO-E (Artikel 2 Nummer 3) und des § 15a Absatz 1 TMG-E (Artikel 5 Nummer 2) die Zuordnung dynamischer IP-Adressen ermöglicht wird und dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen zitierbedürftigen Eingriff in das genannte Grundrecht darstellt (vgl. Einzelbegründung zu Artikel 7). Die Zuordnung dynamischer IP-Adressen wird jedoch auch durch die Änderung des § 10 Absatz 2 BKAG-E (Artikel 4 Nummer 2) und durch § 3a Absatz 4 Nummer 2 NetzDG-E (Artikel 6 Nummer 3) ermöglicht.
Artikel 7 ist daher entsprechend zu ergänzen.
14. Zu Artikel 8 (Inkrafttreten)
In Artikel 8 sind die Absätze 2 und 3 durch folgenden Absatz zu ersetzen:
(2) Artikel 6 Nummer 1 bis 4 tritt am ... [einsetzen: Datum des ersten Tages des zehnten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] in Kraft."
Begründung:
Das vorgesehene Meldeverfahren gemäß § 3a NetzDG erfordert auf Seiten der Anbieter sozialer Netzwerke weitreichende technische und organisatorische Maßnahmen (Implementierung einer Schnittstelle, Schulung des Personals, Vorbereitung auf Auskunftsverlangen durch das Bundeskriminalamt). Auch das Bundeskriminalamt muss mit zusätzlichem Personal ausgestattet werden, um die Meldungen der Anbieter sozialer Netzwerke bearbeiten zu können. Um den beiderseits erforderlichen Vorbereitungshandlungen angemessen Zeit einzuräumen, soll die Frist für das Inkrafttreten der Neuregelungen von vier bzw. sieben Monaten auf einheitlich zehn Monate verlängert werden.