Bundesministerium des Innern Berlin, 24. November 2016
Parlamentarischer Staatssekretär
An die Präsidentin des Bundesrates Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
am 11. April 2014 hat der Bundesrat zu der zehnten Änderung der Aufenthaltsverordnung (BR-Drucksache 075/14(B) ) eine Entschließung gefasst, in der festgestellt wurde, dass die Gebühren für Aufenthaltstitel assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger unterhalb der Beschaffungskosten der Ausländerbehörden liegen und in diesem Zusammenhang auf die kritische Haushaltssituation vieler Kommunen hingewiesen. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die den Kommunen in Rechnung gestellten Kosten einen bestimmten Betrag nicht übersteigen sollen.
Die Bundesregierung hat sich intensiv mit den Punkten der Entschließung auseinandergesetzt. Die sich daraus ergebende Stellungnahme ist diesem Schreiben als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ole Schröder
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates zur Zehnten Verordnung zur Änderung der Aufenthaltsverordnung BR-Drucksache 075/14(B)
Zum o.g. Beschluss des Bundesrates verweist die Bundesregierung einleitend auf die Begründung zur Verordnung vom 26. Februar 2014 (BR-Drucksache 075/14 (PDF) ). Ergänzend wird zu den darin aufgeführten Petita, insbesondere zur Kostenreduktion für die Ausstellung von Ausweisdokumenten, wie folgt Stellung genommen.
- 1. Die Bundesregierung begrüßt, dass der Bundesrat der Zehnten Verordnung zur Änderung der Aufenthaltsverordnung in seiner Sitzung am 11. April 2014 zugestimmt hat, mit der ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. März 2013 (1 C 12.12) umgesetzt wurde. In seiner Entscheidung hatte das Bundesverwaltungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union die ausländerrechtlichen Gebühren, die von einem assoziationsberechtigten türkischen Arbeitnehmer für Aufenthaltsdokumente erhoben worden waren, als mit dem Assoziationsrecht EU-Türkei nicht vereinbar erklärt, weil sie im Vergleich zu entsprechenden Gebühren für Unionsbürger unverhältnismäßig hoch seien.
- 2. Bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungsverordnung am 10. Mai 2014 haben die Gebührenregelungen der Aufenthaltsverordnung nicht zwischen Personen, die sich auf die assoziationsrechtlichen Regelungen berufen können und sonstigen Drittstaatsangehörigen, unterschieden. In dem entschiedenen Fall waren von einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen Gebühren in Höhe von 30 Euro, 40 Euro und 135 Euro erhoben worden, während Unionsbürger für entsprechende Dokumente entweder keine oder aber nur eine verhältnismäßig geringe Gebühr von 8 Euro entrichten mussten. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht darin eine Diskriminierung im Sinne des Art. 10 ARB 001/80 gesehen und zudem einen teilweisen Verstoß gegen die Stillhalteklausel aus Art. 13 ARB 001/80 angenommen hatte, wurde die Gebühr für Aufenthaltstitel für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige mit der Änderungsverordnung gemäß den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts auf 28,80 Euro bzw. für Personen unter 24 Jahren auf 22,80 Euro gesenkt. Diese entspricht damit den Kosten für einen deutschen Personalausweis, die die Obergrenze für Gebührenforderungen an EU-Bürger im Ausländerrecht darstellen. Ebenfalls mit der Änderungsverordnung sind solche Gebühren für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angepasst worden, die zwar in der Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung nicht ausdrücklich angesprochen worden sind, bei denen aber die Erwägungen des Gerichts weiteren Anpassungsbedarf erkennen ließen. Dies betrifft aufenthaltsrechtliche Amtshandlungen im Zusammenhang mit der Erteilung von Aufenthaltstiteln sowie bestimmte pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen.
- 3. Der Bundesregierung ist bewusst, dass die Anpassung der Regelungen der Aufenthaltsverordnung an die Vorgaben der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dazu geführt hat, dass die Gebühren für Aufenthaltstitel assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger unterhalb der Beschaffungskosten der Ausländerbehörden liegen. Sie stellt daher ausdrücklich klar, dass die mit der Änderungsverordnung eingeführten neuen gebührenrechtlichen Regelungen nur den Personenkreis der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen betreffen. Dazu gehört insbesondere,
- - wer als türkischer Arbeitnehmer dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland angehört oder
- - wer als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Genehmigung erhalten hat, zu ihm zu ziehen oder
- - wer als Kind türkischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland eine Berufsausbildung abgeschlossen hat unabhängig von der Dauer seines Aufenthalts, sofern ein Elternteil in der Bundesrepublik Deutschland mindestens drei Jahre ordnungsgemäß beschäftigt war.
- 4. Die Bundesregierung verfolgt nicht zuletzt angesichts der kritischen Haushaltssituation vieler Kommunen weiterhin das Ziel, die Kosten für die Erstellung von Aufenthaltstiteln möglichst zu senken. Dabei müssen aber auch stets die Rahmenbedingungen und die Ausgestaltung laufender Verträge in den Blick genommen werden. Da der Preis für den elektronischen Aufenthaltstitel, den die Kommunen an die Bundesdruckerei bezahlen, vertraglich auf 30,80 Euro festgelegt ist, besteht seitens der Bundesregierung kein unmittelbarer Handlungsspielraum, um gegenüber der Bundesdruckerei auf eine Preisanpassung nach unten hinzuwirken. Dieser Preis wurde entsprechend dem öffentlichen Preisrecht als Selbstkostenfestpreis auf Grundlage der tatsächlichen Kosten kalkuliert und unterliegt einer periodischen Preisprüfung. Die Bundesregierung wird das Anliegen daher im Rahmen der nächsten Preisprüfung im Jahr 2017 berücksichtigen.
- 5. Die Bundesregierung weist zudem darauf hin, dass unabhängig von der Gebührenproblematik in zurückliegender Zeit eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen wurde, die zu einer finanziellen Entlastung von Ländern und Kommunen beigetragen haben und noch beitragen werden. Beispielhaft seien die folgend genannten Maßnahmen erwähnt:
- - Bereits im Jahre 2014 hatten sich Bund und Länder darauf verständigt, die Länder und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern zu entlasten.
Zu den konkret vereinbarten Maßnahmen gehören u.a. die mietzinsfreie Überlassung von Immobilien zur Unterbringung von Asylbewerbern mit einer geschätzten Kostenentlastung in der Größenordnung von 25 Millionen Euro p.a. Mit den in diesem Zusammenhang gleichfalls verab- redeten Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) und des Sozialgerichtsgesetzes wurden Länder und Kommunen in einer Größenordnung von ca. 31 Millionen Euro im Jahre 2015 und von jeweils ca. 43 Millionen Euro in den Folgejahren entlastet. Hinzu kommen Entlastungen der Kommunen bei den Impfkosten von ca. 10 Millionen Euro. - Als Ergebnis einer Verabredung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September 2015 hat der Bund den für 2015 vorgesehenen Betrag zur Entlastung der Länder um eine Milliarde Euro erhöht, die über Umsatzsteuerpunkte verteilt werden. Seit dem 1. Januar 2016 trägt darüber hinaus der Bund einen Teil der Kosten für den Zeitraum von der Registrierung bis zur Erteilung des Asylbescheides durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Der ermittelte durchschnittliche Aufwand pro Asylbewerber nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von 670 Euro monatlich wird den Ländern erstattet. Einbezogen sind darin alle Fälle, die am 1. Januar 2016 im Verfahren sind und im Laufe des Jahres in das Verfahren kommen für die jeweilige Dauer. Unter den zugrunde gelegten Prämissen (durchschnittlich 800.000 Asylbewerber im Verfahren beim BAMF und einer Verfahrensdauer von fünf Monaten) ergibt sich daraus ein rechnerischer Betrag von 2,68 Mrd. Euro. Ende 2016 erfolgt eine Spitzabrechnung für 2016, die bei der für 2017 festzulegenden Abschlagszahlung berücksichtigt wird.
- - Darüber hinaus wird den Ländern für diejenigen Asylantragsteller, die nicht als asylberechtigt anerkannt wurden, für pauschal einen Monat ebenfalls 670 Euro erstattet. Dabei wird unterstellt, dass die Hälfte der Antragsteller anerkannt wird. Auch dieser Betrag wird Ende 2016 - anhand der Zahl der nichtanerkannten Bewerber - spitz abgerechnet.
- - Zur Finanzierung der Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leistet der Bund einen Beitrag zur Finanzierung in Höhe von 350 Mio. Euro jährlich. Sobald die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen deutlich rückläufig ist, erfolgt eine Überprüfung der Leistung des Bundes. Auch wird der Bund etwaige finanzielle Spielräume im Bundeshaushalt, die durch den Wegfall des Betreuungsgeldes bis 2018 entstehen, dazu nutzen, Länder und Kommunen bei Maßnahmen zur Verbesserung der Kinderbetreuung zu unterstützen (durch Umsatzsteuerverteilung).
- - Bereits im Jahre 2014 hatten sich Bund und Länder darauf verständigt, die Länder und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern zu entlasten.