992. Sitzung des Bundesrates am 3. Juli 2020
Der federführende Ausschuss für Familie und Senioren und der Ausschuss für Frauen und Jugend empfehlen dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 28. Mai 2020 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgendem Grund einberufen wird:
Zu Artikel 1 Nummer 16 (§ 9a Absatz 4 - neu -, Absatz 5 AdVermiG)
In Artikel 1 Nummer 16 ist § 9a wie folgt zu ändern:
- a) Nach Absatz 3 ist folgender Absatz 4 einzufügen:
(4) Die Beratungspflicht besteht ferner nicht, wenn die Ehe bei Geburt des Kindes bereits bestand. Damit entfällt auch das Erfordernis einer fachlichen Äußerung nach § 189 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit."
- b) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5.
- c) Im neuen Absatz 5 ist die Angabe "1 bis 3" durch die Angabe "1 bis 4" zu ersetzen.
Begründung:
Den bereits im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen von der verpflichtenden Beratung bei Stiefkindadoption (§ 9a Absatz 3 AdVermiG) soll eine weitere hinzugefügt werden: Keine Beratungspflicht soll bestehen, wenn die Ehe bei der Geburt des Kindes bereits bestand. Ohne diese Änderung hätte das Gesetz eine Verschärfung der Ungleichbehandlung von Zwei-Mütter-Ehen zur Folge.
Die Beratungspflicht bei einer Stiefkindadoption auch in einer bestehenden Ehe zwingt die Beteiligten zu einer Offenlegung intimster Lebensumstände, Wünsche und Vorstellungen. Bereits dies stellt eine Belastung der durch Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützten Familie dar. Dieser Grundrechtseingriff ist auch nicht durch den Schutz des Kindeswohls gerechtfertigt. Bereits jetzt ist die Annahme Minderjähriger nur zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient. Die Entscheidung hierüber trifft das Familiengericht unter Anhörung des hierzu berufenen Jugendamtes. Es gibt keinerlei Veranlassung zur Annahme, Familiengerichte und Jugendämter hätten diese Aufgabe bisher nicht gewissenhaft und kompetent erfüllt.
In das dem Kind nach Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes zustehende Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung wird durch die Beratungspflicht eingegriffen, indem es eine im Kindeswohl liegende Adoption von nicht zu rechtfertigenden Voraussetzungen (Beratungspflicht) abhängig macht und bei Nichtberatung zwingend versagt.
Anders als verschiedengeschlechtliche Paare, in deren Partnerschaft ein Kind hineingeboren wird, ist die Mit-Mutter bei lesbischen Elternpaaren weiterhin auf die Stiefkindadoption angewiesen, um eine gemeinsame rechtliche Elternschaft zu erhalten. Bei verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren ist der Ehemann nach § 1592 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) automatisch Vater eines von der Ehefrau geborenen Kindes. Auch ohne Ehe können verschiedengeschlechtliche Paare die Vaterschaft gemäß § 1592 Nummer 2 BGB im Wege der Vaterschaftsanerkennung herbeiführen. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit bewusst voraussetzungsarm ausgestaltet und insbesondere nicht von der biologischen Vaterschaft abhängig gemacht. Auch diese Möglichkeit ist der Mit-Mutter verwehrt. Ein miteinander verheiratetes lesbisches Paar wird somit sogar schlechter gestellt als ein nicht miteinander verheiratetes verschiedengeschlechtliches Paar.
Diese Ungleichbehandlung wird durch die vorgesehene Neuregelung weiter vertieft. Es werden durch § 9a des Adoptionsvermittlungsgesetzes und § 189 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) weitere Hürden für die Adoption aufgebaut und in § 196a FamFG(neu) sogar ein absoluter Versagungsgrund eingeführt.
Da Zwei-Mütter-Ehen derzeit abstammungsrechtlich auf die Stiefkindadoption verwiesen werden, ist in das vorliegende Gesetz eine Regelung aufzunehmen, mit der diese von den zusätzlichen Hürden ausgenommen werden.