Der Bundesrat hat in seiner 963. Sitzung am 15. Dezember 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich, dass die Kommission eine Mitteilung zu einer Agenda für einen sozial verträglichen Übergang zu sauberer, wettbewerbsfähiger und vernetzter Mobilität für alle vorgelegt hat. Dies gilt ebenso für den strategischen Ansatz der Kommission, durch ein Paket von Regulierungs- und Fördermaßnahmen eine saubere, wettbewerbsfähige und vernetzte Mobilität für alle zu realisieren und bei der Gestaltung der Zukunft der Mobilität für Europa eine weltweite Führungsrolle zu erreichen.
- 2. Er vermisst in der Mitteilung der Kommission konkrete Bezüge zur Förderung des nicht motorisierten Verkehrs, insbesondere des Radverkehrs, und des umweltverträglichen Verkehrsträgers Schiene. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass der nicht motorisierte Verkehr und der öffentliche Personenverkehr stärkere Berücksichtigung in der Agenda finden. Dies gilt sowohl für die grundsätzliche planerische Berücksichtigung als auch für die technologischen Entwicklungen.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass der nicht motorisierte Verkehr und der öffentliche Personenverkehr stärkere Berücksichtigung finden. Dieses gilt sowohl für die grundsätzliche planerische Berücksichtigung als auch für die technologischen Entwicklungen. Der Fußgänger- und Radverkehr macht in den meisten europäischen Städten gut 20 Prozent bis 40 Prozent aller Wege aus. Die Auswertung der durch Mobiltelefone und Navigationssysteme übertragenen Verkehrsinformationen zeigt im Stauindex, dass Städte mit hohem Radverkehrsanteil grundsätzlich einen niedrigeren Stauanteil aufweisen als Städte, die primär auf technologische Lösungen setzen. Zukünftige Technologielösungen sollten daher auch stärker Einsatzfelder für den Rad- und Fußverkehr berücksichtigen, wie zum Beispiel in intelligenten Ampelprogrammen mit Sensoren für Radfahrer und Fußgänger oder auch grüne Wellen mit Anzeigen auf der Strecke für den Radverkehr. Diese Betonung der nachhaltigen Verkehrsmittel sollte auch in den EU-Forschungsprojekten entsprechend berücksichtigt werden.
- 4. Er unterstützt die Zielstellung der Kommission, den Übergang Europas zu emissionsarmer Mobilität zu beschleunigen und dazu auch die CO₂-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zu überarbeiten. Nach Ansicht des Bundesrates sollte die Fortschreibung der Flottengrenzwerte möglichst ambitioniert und auf der Basis realitätsnaher Testzyklen erfolgen, wobei der Umstieg auf den WLTP-Zyklus (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) dazu ein erster wichtiger Schritt ist. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im Rat dafür einzusetzen, dass über die Weiterentwicklung von Test- und Marktüberwachungsverfahren künftig sichergestellt wird, dass die regulierten Emissionen die realen Emissionen auf der Straße repräsentativ abbilden.
- 5. Er weist darauf hin, dass der von der Kommission angestrebte umfassende Regelungsrahmen für saubere Technologien und zur Einführung CO₂-armer Kraftstoffe in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Automobilindustrie erarbeitet werden sollte, um sicherzustellen, dass die Vorgaben zügig und entsprechend den technischen Möglichkeiten umgesetzt werden können.
- 6. Der Bundesrat bewertet kritisch:
- - dass die Vorstellungen der Kommission zur Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren die Suburbanisierung und soziale Segregation fördern, indem sie für sozial schwächer Gestellte den Zugang zu den Innenstädten mit Fahrzeugen signifikant verteuern und mit einer Mautpflicht für Lieferfahrzeuge unter 7,5 Tonnen für kleine Handwerks- und Gewerbebetriebe die Erwerbstätigkeit erschweren. Innenstädte müssen auch in der Zukunft für Menschen aller Schichten erreichbar bleiben,
- - dass die Kommission durch Verschärfung des Wettbewerbs erreichte Lohn-und Sozialstandards unterlaufen will,
- - dass die Kommission mit Regelungen zur lokalen Mobilitätsplanung in die Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden eingreifen will und
- - dass die geplanten Änderungen zum Berufs- und Marktzugang eine massive Erhöhung des Verwaltungsaufwandes mit sich bringen (vergleiche die Stellungnahme des Bundesrates vom 7. Juli 2017, BR-Drucksache 441/17(B) ).
- 7. Er begrüßt, dass die Kommission eine Mitteilung zu einer Agenda für einen sozial verträglichen Übergang zu sauberer, wettbewerbsfähiger und vernetzter Mobilität für alle vorgelegt hat.
Vor dem Hintergrund, dass von dieser Agenda alle Europäerinnen und Europäer profitieren sollen, werden auch Aussagen zur Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen (vergleiche beispielsweise Nummer 3.1 der Mitteilung) vermisst. Der Weg hin zu einer nachhaltigen Mobilität darf diese Belange mit Blick auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der EU nicht außer Acht lassen. So wird in Artikel 20 der UN-Behindertenrechtskonvention die Aussage getroffen, dass die Vertragspartner - also auch die EU - wirksame Maßnahmen zu treffen haben, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen.