Der Niedersächsische Ministerpräsident Hannover, den 30. November 2004
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Niedersächsische Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 30. November 2004 beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte
- Entschließung des Bundesrates für eine nachhaltige Reform der gewerblichen Unfallversicherung und des Insolvenzgeldes
zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 807. Sitzung am 17. Dezember 2004 zu setzen. Der Antrag soll anschließend den Ausschüssen zur Beratung zugewiesen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Wulff
Anlage
Entschließung des Bundesrates für eine nachhaltige Reform der gewerblichen Unfallversicherung und des Insolvenzgeldes Unternehmen entlasten Arbeitsschutz sichern
Der Bundesrat möge beschließen:
I. Reformbedarf in der gewerblichen Unfallversicherung und beim Insolvenzgeld
Der Bundesrat stellt fest, dass die Belastungen der Unternehmen durch die Beiträge zur gewerblichen Unfallversicherung in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Das für die gewerbliche Unfallversicherung aufzubringende Umlagesoll stieg von 8,5 Mrd. Euro in 1999 auf 9 Mrd. Euro im Jahre 2003.
Von den Ausgaben der Berufsgenossenschaften entfielen 2003 7,6 Milliarden Euro auf Entschädigungsleistungen, rund ein Drittel davon (2,6 Milliarden Euro) auf die Rehabilitation (vor allem Heilbehandlung), zwei Drittel (rund 5 Milliarden Euro) machten die Renten und sonstige finanzielle Entschädigungen aus. Die Kosten für Prävention erhöhten sich auf knapp 728 Millionen Euro.
Bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften sind gegenwärtig insgesamt drei Millionen Unternehmen mit 42 Millionen Beschäftigten pflichtversichert. Für die meisten Unternehmen bewegen sich die Beiträge zur Berufsgenossenschaft bei rund 1% der Bruttolohnsumme. Ein besonderes Problem sind die Beiträge der Unternehmen in Branchen mit überdurchschnittlichem Arbeitsunfallrisiko und rückläufigen Beschäftigtenzahlen wie z.B. für Unternehmen der Baubranche. Hier erreichen die Beitragssätze regional unterschiedlich - im Durchschnitt 3 bis 4,5 Prozent, bei einzelnen Unternehmen erreichen die Beitragssätze sogar bis zu 8 Prozent der Bruttolohnsumme des jeweiligen Unternehmens.
Der Durchschnittsbeitrag in der gewerblichen Unfallversicherung ist für das Jahr 2003 zum zweiten Mal hintereinander angestiegen, er hat sich im Durchschnitt aller Branchen und Gefahrklassen von 1,33 Prozent der Lohnsumme im Jahre 2002 auf 1,35 Prozent der Lohnsumme im Jahre 2003 erhöht.
Die Aufwendungen für das ausschließlich durch die Unternehmen finanzierte Insolvenzgeld, die im Rahmen einer Sonderumlage von den Berufsgenossenschaften für die Bundesagentur für Arbeit eingezogen werden, sind in den letzten Jahren auf Grund einer deutlichen Zunahme der Unternehmensinsolvenzen drastisch angestiegen: von 670 Millionen Euro im Jahre 1993 auf über 1,7 Milliarden Euro im Jahre 2003 hat sich das Insolvenzgeld mehr als verdoppelt. Der Umlagesatz für diese Aufwendungen macht inzwischen 0,3 Prozent der Lohnsumme der Unternehmen aus.
Insgesamt werden die Unternehmen durch die Beiträge zu den gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Aufwendungen für das Insolvenzgeld in erheblichem Maße finanziell belastet. Die Beiträge zu den gewerblichen Berufsgenossenschaften und zum Insolvenzgeld erhöhen das Niveau der Lohnnebenkosten und wirken damit beschäftigungsfeindlich. Dies gilt insbesondere für die Unternehmen der Baubranche, die bereits von einer längeren Strukturkrise und einem Verfall der Baupreise betroffen sind.
II. Eckpunkte für eine grundlegende Reform der gewerblichen Unfallversicherung
Der Bundesrat bekräftigt die Notwendigkeit und die Bedeutung der gesetzlichen Unfallversicherung als Bestandteil der sozialen Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist geprägt von der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht und dem Prinzip des sozialen Schutzes der Arbeitnehmerschaft bei Ausübung einer versicherten Beschäftigung. Die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung werden unabhängig von einer Verschuldensfrage oder der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens gewährt. Sie bewahrt damit die Unternehmen von unter Umständen ruinösen Ersatzforderungen. Die Aktivitäten der Unfallversicherungsträger im Bereich der Prävention haben dazu beigetragen, dass insbesondere die Zahl der Arbeitsunfälle seit Jahren rückläufig ist. Der Bundesrat ist aber der Auffassung, dass es einer grundlegenden Reform der gewerblichen Unfallversicherung mit folgenden Zielen bedarf:
- · Steigerung der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit,
- · Bürokratieabbau und Deregulierung,
- · Senkung der finanziellen Belastungen der Unternehmen und
- · Aufrechterhaltung eines angemessenen Arbeitschutzniveaus.
Der Bundesrat spricht sich vor diesem Hintergrund für folgende Reformmaßnahmen aus:
1. Überwindung des Dualismus im Arbeitsschutz
Historisch gewachsen besteht in Deutschland ein "duales Arbeitsschutzsystem", in dem staatliche Institutionen (Arbeitschutzverwaltung der Länder) und Berufsgenossenschaften mit unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen und Kompetenzen für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit wirken.
Ein Kernbereich dieses dualen Arbeitsschutzsystems ist die hoheitliche Überwachung der Unternehmen durch
- · die Berufsgenossenschaften hinsichtlich der Einhaltung der von ihnen als autonomes Recht erlassenen und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) zu genehmigenden Unfallverhütungsvorschriften und
- · die Arbeitschutzverwaltung der Länder hinsichtlich der Einhaltung der maßgeblichen staatlichen Rechtsvorschriften.
Den Berufsgenossenschaften sind im Jahre 2003 im Rahmen der Prävention für die Erstellung von Unfallverhütungsvorschriften, Beratung und Überwachung von Unternehmen, sowie Aus- und Fortbildung Aufwendungen in Höhe von rd. 730 Millionen Euro entstanden.
In der Praxis ist ein Abstimmungsaufwand zwischen der Arbeitsschutzverwaltung der Länder und den Berufsgenossenschaften notwendig, um keine Doppelprüfungen durchzuführen. Vereinzelnd treten dennoch Doppelprüfungen auf. Ein vollständiger Ausschluss von Doppelprüfungen durch eine entsprechende Rechtsänderung im Sinne einer ausschließlichen Zuständigkeitszuweisung dürfte von den Unternehmen im Sinne eines Bürokratieabbaus als Entlastung empfunden werden.
Der Bundesrat spricht sich aus folgenden Erwägungen für eine hoheitliche Aufsicht allein bei der Arbeitsschutzverwaltung der Länder aus:
- · Das von Deutschland ratifizierte Übereinkommen 81 über die Arbeitsaufsicht in Gewerbe und Handel der International Labour Organisation (ILO) Internationale Arbeitsorganisation aus dem Jahre 1947 fordert staatliche Aufsicht im gewerblichen Bereich.
- · Die Umsetzung von EU-Richtlinien im Arbeitsschutz soll zukünftig nicht durch Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften erfolgen, da hierdurch eine flächendeckende Geltung nicht gewährleistet ist.
- · Die Arbeitsschutzverwaltung der Länder hat Erfahrung in der Anwendung der staatlichen Ordnungsinstrumente (Genehmigungen, Verwaltungsverfügungen, Bußgelder). Sie verfügt über eine große Kundennähe in der Fläche und hat Erfahrungen im sozialen Arbeitsschutz(z.B. Mutter-, Jugend- und Arbeitszeitschutz).
- · Eine Entlastung der gewerblichen Berufsgenossenschaften von hoheitlichen Aufsichtsfunktionen zieht eine finanzielle Entlastung auf Seiten der Unternehmen nach sich.
Wenn die Berufsgenossenschaften von der hoheitlichen Aufsicht im Arbeitsschutz entbunden werden, steht für die Überwachung der Einhaltung der von ihnen erlassenen Unfallverhütungsvorschriften kein körperschaftlicher Träger mehr zur Verfügung. Demzufolge ist auch die Befugnis der gewerblichen Berufsgenossenschaften zum Erlass von Unfallverhütungsvorschriften aufzuheben.
2. Vereinfachte Regelungen für Fachkräfte für Arbeitssicherheit
Arbeitgeber haben Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen, die sie beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung unterstützen sollen. Die Berufsgenossenschaften können bisher gem. § 14 Abs. 1 S. 2 ASiG durch Unfallverhütungsvorschriften bestimmen, welche Maßnahmen Arbeitgeber zur Erfüllung ihrer Pflicht nach § 1 ASiG zu treffen haben. Hierbei haben sich in der Vergangenheit überhöhte Anforderungen an die Bestellung und das Anforderungsniveau der Fachkräfte für Arbeitssicherheit entwickelt. Nach Abschaffung dieser Regelungskompetenz der Berufsgenossenschaften sind staatliche Regelungen zu treffen.
Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass
- 1. die Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit in allen Betrieben bis zu 50 Arbeitnehmern durch den Unternehmer selbst wahrgenommen werden können,
- 2. ein verringertes Anforderungsniveau (Vorausbildung, Lehrgangslänge, Einsatzumfang) für beauftragte Angestellte in Betrieben bis zu 50 Mitarbeitern definiert wird,
- 3. Einsatzzeiten von Fachkräften für Arbeitssicherheit für die übrigen Betriebe in einheitlicher Weise über die Grenzen der Berufsgenossenschaften hinweg festgelegt werden,
- 4. in allen Betrieben auch künftig voll ausgebildete externe und interne Fachkräfte zugelassen werden.
3. Vereinfachte Regelungen für Betriebsärzte
Arbeitgeber haben neben den Fachkräften für Arbeitssicherheit Betriebsärzte zu bestellen, die sie beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung unterstützen sollen. Die Berufsgenossenschaften können bisher gem. § 14 Abs. 1 S. 2 ASiG durch Unfallverhütungsvorschrift bestimmen, welche der Maßnahmen Arbeitgeber zur Erfüllung dieser Pflicht zu treffen haben. Auch hier haben sich Regelungen zur Bestellung der Betriebsärzte bei den einzelnen Berufsgenossenschaften entwickelt, die die Unternehmen unverhältnismäßig belasten. Nach einer Abschaffung der Kompetenz zum Erlass von Unfallverhütungsvorschriften sind entsprechende staatliche Regelungen zu treffen.
Der Bundesrat spricht sich dafür aus,
- 1. eine indirekte betriebsärztliche Betreuung (Bedarfsberatung) bei kleineren Betrieben bis zu 200 Arbeitnehmern zuzulassen,
- 2. Einsatzzeiten von Betriebsärzten für die übrigen Betriebe in einheitlicher Weise über die Grenzen der Berufsgenossenschaften hinweg festzulegen.
4. Förderung der Prävention in den Unternehmen
Die Vermeidung von Unfällen und auch Berufskrankheiten ist dann am erfolgreichsten, wenn sie von den Unternehmen aus eigenem Antrieb betrieben wird. Hier können finanzielle Anreize die verstärkte Prävention durch die Betriebe fördern. Finanzielle Anreize für die Unternehmen, in den Arbeitsschutz zu investieren und dadurch zu Kostensenkungen in der gewerblichen Unfallversicherung beizutragen, finden sich in den §§ 157 und 162 SGB VII.
Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass diese Instrumente der Berufsgenossenschaften verstärkt werden müssen, um die Unternehmen zu vermehrter Prävention zu veranlassen (z.B. durch Einführung von Arbeitsschutzmanagementsystemen).
5. Einheitlicher Mindestbeitrag für Unternehmen ohne ständig Beschäftigte
Die gem. § 161 SGB VII durch Satzung der einzelnen Berufsgenossenschaften bestimmten einheitlichen Mindestbeiträge stellen insbesondere für Unternehmen ohne ständig Beschäftigte bisweilen eine unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastung dar.
Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass für solche Unternehmen ein bundesweit einheitlicher Mindestbeitrag gesetzlich bestimmt werden sollte, der deutlich unter den gegenwärtig satzungsmäßig bestimmten Mindestbeiträgen liegt.
6. Obligatorische Abfindung von Renten
Der Bundesrat hat bereits mit Beschluss vom 23.05.03 (BR-Drs. 231/03 (PDF) ) die Bundesregierung aufgefordert, eine obligatorische Abfindung von Renten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit unter 35 vom Hundert einzuführen. Die Bundesregierung hat hierauf noch nicht durch entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen reagiert.
Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung und fordert die Bundesregierung erneut auf, entsprechend seinem vorgenannten Beschluss tätig zu werden.
7. Umkehrung des Vorrangprinzips beim Zusammentreffen von Renten
Gemäß § 93 SGB VI sind Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung vorrangig vor Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Dieses bedeutet im Ergebnis, dass einer Beitragsleistung zur gesetzlichen Rentenversicherung entsprechend keine adäquate Rentenleistung gegenübersteht.
Bei einer Umkehrung des gegenwärtigen Vorrangprinzips würden die Unternehmen im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung um insgesamt rd. 890 Millionen Euro entlastet, die gesetzliche Rentenversicherung um 890 Millionen Euro belastet.
Der Bundesrat spricht sich daher für eine Umkehrung des Vorrangprinzips beim Zusammentreffen von Renten aus der gesetzliche Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung aus.
8. Mehr Wirtschaftlichkeit beim Abschluss von Verträgen über die Vergütungen der Leistungserbringer
Der Bundesrat hat bereits mit dem oben genannten Beschluss vom 23.05.2003 eine Begrenzung der Heilbehandlungskosten zu Lasten der Unfallversicherung durch eine Stärkung des Wirtschaftlichkeitsprinzips in den Vergütungsregelungen mit den Leistungserbringern gefordert. Die Bundesregierung hat hierauf bislang noch nicht durch entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen reagiert.
Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung und fordert die Bundesregierung auf, eine Regelung zur Stärkung des Wirtschaftlichkeitsprinzips in den Vergütungsregelungen mit den Leistungserbringern einzuführen.
III. Öffnung der gewerblichen Berufsgenossenschaften für den Wettbewerb
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf zu prüfen, wie das bestehende System der branchenbezogenen Berufsgenossenschaften mit jeweiliger Zwangsmitgliedschaft der Unternehmen für einen Wettbewerb geöffnet werden kann.
Die Berufsgenossenschaften sind bisher keinem Wettbewerb ausgesetzt. Eine Steuerung von Prävention, Erbringung von Rehabilitations- und Entschädigungsleistungen sowie der Verwaltungskosten über einen Wettbewerb der Berufsgenossenschaften gibt es bisher nicht.
Die Öffnung der Berufsgenossenschaften für den Wettbewerb hätte aus Sicht des Bundesrates den Vorteil, dass der Druck auf die Effizienz bei der Aufgabenerledigung erhöht würde. Die Verwaltungskosten und die Leistungserbringung bei den Berufsgenossenschaften würden auf den Prüfstand gestellt. Die Präventionsberatung durch die Berufsgenossenschaften würde einer Wirksamkeitskontrolle unterzogen und dadurch effizienter werden. Schließlich entstünde ein vermehrter Druck zu Fusionen unter den Berufsgenossenschaften, um durch gemeinsame Verwaltungen und Leistungserbringung Kosten zu senken.
Im Hinblick auf die Einführung von Wettbewerb sollten aus Sicht des Bundesrates folgende Elemente geprüft werden:
- · Wahlfreiheit der Unternehmen unter den Berufsgenossenschaften als erster Schritt. Eine Wahlfreiheit von Unternehmen würde die Aufgabe der Branchengebundenheit bedeuten.
- · Mittelfristige Öffnung des Wettbewerbs auch für andere Anbieter wie z.B. Versicherungsunternehmen (nach einer Übergangsfrist von z.B. 5-7 Jahren), um echten Wettbewerb zu ermöglichen und ggf. strategische Marktabgrenzungen der Berufsgenossenschaften untereinander zu vermeiden.
- · Entlastung der Berufsgenossenschaften von hoheitlichen Aufgaben (Dualismus), da die Berufsgenossenschaften nicht auf der einen Seite Leistungsanbieter und auf der anderen Seite Ordnungshüter sein können.
- · Einführung eines weit gehenden Altlastenausgleichs unter den Berufsgenossenschaften für die bestehenden Rentenfälle, um Startgleichheit der Berufsgenossenschaften für den Wettbewerb sicherzustellen.
- · Der Altlastenausgleich findet nur einmalig statt. Mit dem Altlastenausgleich werden die finanziellen Aufwendungen für Renten bis zu einem Stichtag auf alle Berufsgenossenschaften verteilt
- · Verbleib der neuen Rentenfälle in der Kostenverantwortung der jeweiligen Berufsgenossenschaft. Sollte ein Unternehmen die Berufsgenossenschaft wechseln, bleibt die finanzielle Verantwortung bei der bisherigen Berufsgenossenschaft, die deshalb Rückstellungen bilden muss.
- · Gesetzliche Verpflichtung der Berufsgenossenschaften, angemessene Rückstellungen für zu erwartende Leistungsansprüche (Renten) zu bilden; die Rückstellungen gehen in die Beitragskalkulation ein.
- · Risikoäquivalente Beitragsbemessung durch die Berufsgenossenschaften: Die Berufsgenossenschaften müssen ihre Beiträge nach den entstehenden Kosten einschließlich notwendiger, angemessener Rückstellungen (plus Umlage zum Altlastenfonds) bemessen. Unternehmen mit erfolgreicher Prävention haben im Vergleich zum Branchendurchschnitt weniger Arbeitsunfälle und werden deshalb durch niedrigere Prämien oder Beitragsrückerstattungen belohnt.
- · Uneingeschränkter Kontrahierungszwang auf der Anbieterseite wegen der Pflichtversicherung auf der Unternehmensseite; keine Berufsgenossenschaft darf den Abschluss einer Unfallversicherung verwehren, auch wenn es sich um überdurchschnittlich hohe Risiken handelt.
- · Die Versicherungsaufsicht (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen) hat die Aufgabe, die Einhaltung des Kontrahierungszwanges durch die Anbieter zu prüfen und ggf. durchzusetzen. Die Aufgaben der Aufsicht beschränken sich auf die Prüfung der finanziellen Solidität der Berufsgenossenschaften, die Überwachung angemessener Rückstellungen, die Durchsetzung des Kontrahierungszwanges und auf eine Missbrauchsaufsicht über die Beitragsgestaltung beschränken; eine Genehmigung von Gefahrtarifen entfällt.
IV. Entlastung der Unternehmen beim Insolvenzgeld
Die Aufwendungen für das ausschließlich durch die Unternehmen finanzierte Insolvenzgeld, die im Rahmen einer Sonderumlage von den Berufsgenossenschaften für die Bundesagentur für Arbeit eingezogen werden, sind in den letzten Jahren auf Grund einer deutlichen Zunahme der Unternehmensinsolvenzen drastisch angestiegen: von 670 Millionen Euro im Jahre 1993 auf über 1,7 Milliarden Euro im Jahre 2003 hat sich das Insolvenzgeld mehr als verdoppelt. Der Umlagesatz für diese Aufwendungen macht inzwischen 0,3 Prozent der Lohnsumme der Unternehmen aus.
Der Bundesrat spricht sich für den Erhalt des Insolvenzgeldes und der alleinigen Finanzierungsverantwortung der Unternehmerseite aus.
Der Bundesrat hält jedoch eine Absenkung der Höhe des Insolvenzgeldes in Anlehnung an das Leistungsniveau des Arbeitslosengeldes für erforderlich.
Dadurch können der Umlagesatz für das Insolvenzgeld gesenkt und die Unternehmen deutlich entlasten werden.
V. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf,
- 1. umgehend einen Gesetzentwurf zur Reform der gewerblichen Unfallversicherung und des Insolvenzgeldes mit den unter II. und IV. genannten Eckpunkten vorzulegen sowie
- 2. dem Bundesrat baldmöglichst über das Ergebnis des unter III. dargestellten Prüfauftrages zu berichten.