859. Sitzung des Bundesrates am 12. Juni 2009
A.
Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein Der Bundesrat lehnt den Gesetzentwurf ab.
Begründung
Das Bauforderungssicherungsgesetz ist zuletzt auf Initiative des Bundesrates durch das am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Forderungssicherungsgesetz vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2022, 2582) geändert worden. Seither sind auch Gelder Baugeld, die ein Unternehmer in der Kette nach dem Bauherrn erhält. Einbezogen werden damit auch Eigenmittel des Bauherrn, die dieser zum Beispiel an einen Bauträger zahlt. Der Bauträger ist danach verpflichtet, dieses Geld zweckentsprechend zu verwenden. Er muss damit die Leistungen seiner Subunternehmer an dem konkreten Bauprojekt desjenigen Bauherrn vergüten, von dem er das Geld erhalten hat; dies ist entgegen den Ausführungen im allgemeinen Teil der Begründung des Gesetzentwurfs (BR-Drucksache 443/09 (PDF) , S. 3 f.) nicht unklar (vgl. nur z.B. Stammkötter, Kommentar zum Bauforderungssicherungsgesetz, 3. Aufl., § 1 I, Rnr. 1). Durch diese Neuregelung wird das Risiko der Subunternehmer, im Fall einer Insolvenz des Bauträgers/Generalunternehmers Zahlungsausfälle zu erleiden, erheblich reduziert. Die Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzenden von Bauträgergesellschaften achten nun stärker als bisher darauf, dass Werklohnforderungen der von ihnen beauftragten Bauhandwerker bezahlt werden, weil ihnen sonst im Fall der Insolvenz der von ihnen vertretenen Gesellschaft sowohl die persönliche, zivilrechtliche Haftung gemäß § 823 Absatz 2 BGB i. V. m. § 1 BauFordSiG als auch eine strafrechtliche Verfolgung gemäß § 2 BauFordSiG droht.
Die Änderungsvorschläge der Bundesregierung sollen darauf abzielen, die Auswirkungen des Bauforderungssicherungsgesetzes abzumildern. Tatsächlich aber würden die erreichten Verbesserungen für die als Subunternehmer tätigen Handwerker wieder zunichte gemacht. Die vorgeschlagenen Änderungen würden allein Unternehmen zugutekommen, die überwiegend als Generalunternehmer oder Bauträger tätig sind.
Die für einen Änderungsbedarf des Bauforderungssicherungsgesetzes geltend gemachten Argumente greifen nicht. Der vorgebrachte Liquiditätsengpass trifft in erster Linie unseriös handelnde Bauträgergesellschaften und Generalunternehmen, die unterfinanzierte Bauvorhaben durchführen. Durch die vorgeschlagenen Änderungen wird lediglich die durch ein solches Vorgehen bestehende Gefahr von Liquiditätsengpässen auf die Subunternehmer verlagert. Auch ist es, anders als in der Begründung dargestellt, in der Regel nicht erforderlich, dass der Bauträger oder Generalunternehmer das Baugeld auf einem Treuhandkonto separiert: Um ein Pfandrecht der Hausbank zu verhindern, genügt regelmäßig ein einfaches, standardisiertes Schreiben, in dem die Bank über die Baugeldeigenschaft informiert wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1987 - VI ZR 270/86 -, NJW-RR 1988, 146; vgl. auch Nummer 14 Absatz 3 AGB-Banken). Eine Separierung des Baugeldes wäre erst dann erforderlich, wenn eine konkrete Pfändung durch Dritte droht.
Entgegen der Begründung des Gesetzentwurfs würde insbesondere die in Artikel 1 Nummer 2 (§ 1 Absatz 1 Satz 2 BauFordSiG) enthaltene zentrale Änderung der geltenden Regelung den Zweck des Forderungssicherungsgesetzes gefährden. Ziel des Bauforderungssicherungsgesetzes war und ist es, den am Bau beteiligten Personen zur Durchsetzung ihrer Werklohnforderung zu verhelfen, indem es sicherstellt, dass das Baugeld auch in der Baustelle verbleibt, für die es zur Verfügung gestellt wurde. Weder die Verwendung des Baugelds für eigene Zwecke noch die Bezahlung von Forderungen aus alten Bauvorhaben sind danach zulässig. Gerade dies würde über den vorliegenden Gesetzentwurf künftig aber ermöglicht werden. Denn wesentlicher Inhalt der vorgeschlagenen Änderungen ist, es den Bauträgern und Generalunternehmern zu ermöglichen, das für ein Bauprojekt erhaltene Geld auch für die Begleichung von Rechnungen aus anderen Bauprojekten zu verwenden. Dies würde dazu führen, dass bereits überschuldete Bauträger und Generalunternehmer mit den vereinnahmten Geldern im Schneeballsystem immer wieder "alte Löcher stopfen" könnten. Auf diese Weise könnten Bauträgergesellschaften und Generalunternehmer, die wirtschaftlich schon sehr angeschlagen sind, noch für längere Zeit am Markt agieren. Tritt dann doch die Insolvenz ein, müssten insbesondere die an dem jüngsten Projekt beteiligten Subunternehmer erhebliche, häufig sogar vollständige Zahlungsausfälle hinnehmen. Derzeit sind Subunternehmer in den Fällen, in denen ihr Auftraggeber für dieses jüngste Projekt Baugeld erhält, geschützt.
Der nach dem Gesetzentwurf formal verbleibende Schutz der Subunternehmer wäre im Übrigen nicht mehr praktikabel gewährleistet. Denn der Baugeldempfänger wird beinahe immer darlegen können, dass er das Baugeld für eine andere Maßnahme verwendet hat. Ein entsprechender Entlastungsbeweis dürfte jedoch für den Baugeldgläubiger in aller Regel nicht zu erschüttern sein, da hierfür einerseits die Kenntnis sämtlicher Kalkulationsgrundlagen erforderlich wäre, entsprechende Dokumentationspflichten aber nicht mehr bestehen. Im Ergebnis ist absehbar, dass der Schutz von Subunternehmern praktisch leerlaufen würde.
Die in Artikel 1 Nummer 1, 3 und 5 vorgeschlagenen Korrekturen stellen lediglich Folgeänderungen der in Nummer 2 enthaltenen und aus den oben genannten Gründen abzulehnenden Änderung dar. Auch mit ihnen soll der durch das Bauforderungssicherungsgesetz angestrebte Schutz der Subunternehmer aufgeweicht werden; eine Verbesserung der Rechtsstellung der Verbraucher gegenüber dem geltenden Recht enthalten sie nicht. Die Änderungen sind daher ebenfalls abzulehnen.
Schließlich verdient auch der in Artikel 1 Nummer 4 (§ 1 Absatz 2 BauFordSiG) enthaltene Änderungsvorschlag keine Unterstützung. Entgegen der Begründung des Gesetzentwurfs ist eine Änderung des geltenden § 1 Absatz 2 BauFordSiG nicht geboten. Diese Vorschrift will verhindern, dass das Entnahmerecht des selbst an der Herstellung des Baus beteiligten Baugeldempfängers zur Vorwegbefriedigung auf Kosten der übrigen Beteiligten eingesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1989 - VI ZR 281/88 -, NJW-RR 1989, 1045). Diese Regelung führt auch nicht zu einer erheblichen Vorfinanzierung des zu errichtenden Bauwerks durch den selbst an der Herstellung des Baus beteiligten Baugeldempfänger. In den Fällen, in denen nach Maßgabe des Baufortschritts gezahlt wird, kann der Baugeldempfänger von den mit einer Rate abzugeltenden Beträgen 50 Prozent des Wertes seiner eigenen Leistungen, Arbeiten und Auslagen für sich behalten, wenn und soweit diese Leistungen der Rate zuzuordnen sind. Nur von dem Rest muss er, ehe er einen weiteren Teil für sich verwendet, die (berechtigten) Forderungen aller anderen Personen erfüllen, die für den Bauabschnitt, für den die Rate bestimmt war, Leistungen erbracht haben. Sind diese befriedigt, so darf er alles, was von dieser Rate noch nicht verbraucht ist, auf seine Leistungen anrechnen. Mit der nächsten Rate hat er entsprechend zu verfahren. Stimmt die von dem Verkäufer aufgestellte Kalkulation, so kann es nie zu einer wesentlichen Vorfinanzierung des Baues durch ihn kommen; er kommt allenfalls etwas später in den Genuss seines Unternehmergewinns (vgl. BGH, Urteile vom 6. Juni 1989, a. a. O. und vom 19. November 1985 - VI ZR 148/84 -, NJW 1986, 1105).
Vor diesem Hintergrund sollten zunächst einmal die Auswirkungen der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Regelungen genau evaluiert werden. Wenn sich aus einer solchen Evaluation in der nächsten Legislaturperiode tatsächlich Korrekturbedarf ergeben sollte, wird der Bundesrat einem Änderungsgesetz, das die berechtigten Belange der Bauträger- und Generalunternehmer ebenso im Blick hat wie die der als Subunternehmer tätigen Bauhandwerker, nicht entgegenstehen. Eine erneute Änderung des Gesetzes ohne vorherige Auswertung der gerade erst in Kraft getretenen Novellierung würde dagegen das Vertrauen in die Bestandskraft gesetzgeberischer Entscheidungen zerstören und nur Rechtsunsicherheit schaffen.
2. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe a (§ 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 BauFordSiG)
Für den Fall, dass der Gesetzentwurf weiterverfolgt wird, ist folgende Änderung notwendig:
In Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe a sind nach dem Wort "Bauwerken" die Wörter ", das Wort "Anspruch" durch das Wort "Ansprüche" einzufügen.
Begründung
In § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 BauFordSiG ist eine redaktionelle Korrektur vorzunehmen, indem das Wort "Anspruch" durch das Wort "Ansprüche" ersetzt wird. Damit wird die - sprachlich korrekte - Fassung von Artikel 5 Buchstabe b des Entwurfs des Forderungssicherungsgesetzes (BT-Drucksache 16/511, S. 8) wiederhergestellt, die in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses unrichtig wiedergegeben (BT-Drucksache 016/9787, S. 9) und sodann in einer sprachlich unkorrekten Fassung vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde (BR-Drucksache 616/08 (PDF) , S. 3).
B.
- 3. Der federführende Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.