965. Sitzung des Bundesrates am 2. März 2018
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Initiative der Kommission, mit dem vorgelegten Verordnungsvorschlag die Kapitalmärkte zu stärken, um Investitionen zu fördern, neue Finanzierungsquellen für Unternehmen zu erschließen, privaten Haushalten bessere Chancen zu bieten und die Wirtschafts- und Währungsunion zu stärken. Der Bundesrat unterstützt die Kommission in ihrem Ziel, die noch fehlenden Bausteine zur Vollendung der Kapitalmarktunion bis 2019 zu setzen. Die Regelung der Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen, deren Dienstleistungen ein wesentlicher Bestandteil einer gut funktionierenden Kapitalmarktunion sind, ist dabei ein sehr wichtiger Schritt und positiv zu bewerten.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, für Wertpapierfirmen einen aufsichtsrechtlichen Rahmen zu schaffen, der auf diese Firmen genau zugeschnitten und nicht lediglich aus dem Aufsichtsrahmen für Kreditinstitute abgeleitet ist. Er teilt dabei die Einschätzung der Kommission, dass ein solcher passgenauer Aufsichtsrahmen deutlich besser als bisher eine Balance zwischen dem Aufsichtsaufwand und -ertrag (Finanzstabilität und Anlegerschutz) herstellt. [Diese Neuregelung erfordert richtigerweise auch Bestimmungen zur Höhe des Anfangskapitals, der tatsächlichen Durchführung der Aufsicht und der damit verbundenen Pflichten (BR-Drucksache 776/17 (PDF) ).]
- 3. Positiv sieht der Bundesrat insbesondere den Ansatz der Kommission im Verordnungsvorschlag, durch eine Teilung der Wertpapierfirmen in drei Klassen und eine entsprechende Differenzierung in den anzuwendenden Vorgaben Proportionalität erreichen zu wollen.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob die Gruppe der Wertpapierfirmen, die in der Klasse 2 zusammengefasst sind, tatsächlich zum aufsichtsrechtlichen Ziel passt.
- 5. Wertpapierfirmen übernehmen Tätigkeiten von anderen beaufsichtigten Marktteilnehmern (zum Beispiel Alternative Investment Fonds). Durch den vorliegenden Verordnungsvorschlag kann es in diesen Fällen dazu kommen, dass dasselbe Risiko doppelt beaufsichtigt wird, was zu zusätzlichen Kosten sowohl bei den Betroffenen als auch bei der Aufsicht führt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung deshalb darauf hinzuwirken, dass derartige aufsichtliche Doppelungen vermieden werden.
- 6. Ungeachtet dessen hat er Bedenken, ob die Ermittlung des erforderlichen Eigenkapitals gerade für kleine Wertpapierfirmen in der Klasse 2 handhabbar ist. Denn zur Ermittlung des erforderlichen Eigenkapitals sieht der Verordnungsvorschlag eine Vergleichsrechnung zwischen Mindesteigenmitteln, Eigenmitteln auf Basis der fixen Kosten und Eigenmitteln auf Basis von "K-Faktoren" vor. Diese K-Faktoren sind Kriterien zur Ermittlung der Risiken einer Wertpapierfirma hinsichtlich Markt, Kunden und Unternehmen. Hinzu kommt eine Vergleichsrechnung innerhalb der K-Faktoren zum Marktrisiko. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung darauf einzuwirken, dass diese komplexen Vergleichsberechnungen unter dem Aspekt der Proportionalität im Hinblick auf das Erreichen des aufsichtlichen Ziels geprüft werden.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob die komplexen Vergleichsberechnungen zwischen Mindesteigenmitteln, Eigenmitteln auf Basis der fixen Kosten und Eigenmitteln auf Basis von "K-Faktoren" zur Ermittlung des erforderlichen Eigenkapitals mittlerer Wertpapierfirmen der Klasse 2 unter dem Aspekt der Proportionalität für das Erreichen des aufsichtlichen Ziels tatsächlich erforderlich sind.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sicherzustellen, dass an Wertpapierfirmen, die künftig zur Klasse 2 gehören, im Ergebnis keine höheren Anforderungen als an systemrelevante Wertpapierfirmen gestellt werden. Bei allen Unterschieden in der Berechnungsmethodik darf es nicht dazu kommen, dass von einer systemrelevanten Wertpapierfirma bei der Berechnung eine geringere Kapitalunterlegung gefordert wird als von einer nicht systemrelevanten Wertpapierfirma.
- 9. In der Gesamtschau sollten für mittlere Wertpapierfirmen der Klasse 2 keine höheren Anforderungen als für systemrelevante Wertpapierfirmen der Klasse 1 gelten.
Begründung zu Ziffern 2, 3, 4, [7 und 9] (nur gegenüber dem Plenum):
Bisher wurden die Eigenkapitalanforderungen für Wertpapierfirmen nach denselben Grundsätzen wie für Kreditinstitute gestellt. Dies ist nicht sachgerecht. Ein an die besonderen Gegebenheiten der Wertpapierfirmen angepasstes Regime ist daher grundsätzlich zu begrüßen.
Es ist aber zweifelhaft, ob die Ermittlung des erforderlichen Eigenkapitals gerade für die vergleichsweise kleinen Wertpapierfirmen in der Klasse 2 handhabbar ist. Zur Ermittlung des erforderlichen Eigenkapitals sieht der Verordnungsvorschlag eine Vergleichsrechnung zwischen Mindesteigenmitteln, Eigenmitteln auf Basis der fixen Kosten und Eigenmitteln auf Basis von "K-Faktoren" vor. Hinzu kommt eine Vergleichsrechnung innerhalb der K-Faktoren zum Marktrisiko.
Die Kriterien, die der Einordnung der Wertpapierfirmen in Klasse 3 (kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirmen) und Klasse 2 (weder kleine noch systemrelevante Wertpapierfirmen) dienen, sind jedoch so weit gefasst, dass im Ergebnis die Bandbreite der Wertpapierfirmen, die von der Klasse 2 umfasst wird, zu undifferenziert ist. Fehlt eine der Voraussetzungen für kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirmen in Artikel 12 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags, zum Beispiel
- - Risikopositionen aus dem Handel mit Finanzinstrumenten gleich Null, - verwahrte und verwaltete Kundenvermögenswerte gleich Null sowie
- - gehaltene Kundengelder gleich Null,
hat beispielsweise ein Vermögensverwalter mit eingeschränkter Zulassung nach KWG die mit der Klasse 2 verbundenen Vorgaben bezüglich Eigenkapital, Liquidität, Meldewesen und Offenlegungspflichten zu erfüllen - unabhängig von seiner Größe, Personalausstattung und verwaltetem Vermögen. Eine solche scharfe Abgrenzung kann bei der Vielfalt der Betroffenen in den Mitgliedstaaten zu unerwünschten Ergebnissen führen.
Nach der Eigenkapitalverordnung (CRR) ist es systemrelevanten Wertpapierfirmen möglich, bei der Berechnung des Eigenkapitals nach dem Standardansatz in Bezug auf das allgemeine Marktrisiko Abschläge vorzunehmen. Ermitteln Wertpapierfirmen der Klasse 2 ihr Eigenkapital nach dem vereinfachten Standardansatz, wie er in dem vorliegenden Verordnungsvorschlag vorgesehen ist, ist kein Abschlag möglich (Artikel 22 des Verordnungsvorschlags). Somit wäre es zumindest denkbar, dass im konkreten Einzelfall von einer systemrelevanten Wertpapierfirma bei der Berechnung eine geringere Kapitalunterlegung gefordert wird als von einer nicht systemrelevanten Wertpapierfirma.
- 10. Außerdem sollte eine künftige Änderung der Definition für kleine, nicht verflochtene Wertpapierfirmen (Klasse 3) - mit den daraus resultierenden Erleichterungen - unter Einbeziehung des Europäischen Parlaments und des Rates erfolgen. Daher fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass in Artikel 54 Absatz 3 und Absatz 6 des Verordnungsvorschlages ein Verweis auf Artikel 12 Absatz 5 aufgenommen wird.
- 11. Der Bundesrat hält es für eine grundlegende Änderung in der Regulierungssystematik, dass systemrelevante Wertpapierfirmen Kreditinstituten gleichgestellt werden und im Euroraum der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank im Rahmen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus unterliegen sollen. Hierdurch besteht aber die Chance, die Konvergenz der Aufsichtsstandards in der EU zu verbessern. Mit Blick auf den "Brexit" sind einheitliche Regulierungs-und Aufsichtsstandards für Wertpapierfirmen aus der EU und aus Drittstaaten wichtig.
- 12. Im Hinblick auf die von dem Verordnungsvorschlag mitumfasste Änderung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich in den weiteren Verhandlungen dieses Verordnungsvorschlags und bei zukünftigen Initiativen dafür einzusetzen, dass die darin enthaltenen Regelungen zu Vorhandelstransparenzanforderungen für Handelsplätze im Hinblick auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate aus Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 geändert werden. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, veröffentlichen die aktuellen Geld- und Briefkurse und die Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen, die über ihre Systeme für Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate, Derivate, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, und Auftragspakete mitgeteilt werden. Diese Anforderung soll auch für verbindliche Interessenbekundungen gelten.
- 13. Änderungsbedarf sieht der Bundesrat hinsichtlich Marktbetreibern und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben und zur Veröffentlichung der vorgenannten Informationen während der üblichen Handelszeiten auf kontinuierlicher Basis verpflichtet sind. Die Bundesregierung wird gebeten darauf hinzuwirken, dass diese Veröffentlichungspflicht nicht nur, wie bisher, nicht für solche Geschäfte mit Derivaten von nichtfinanziellen Gegenparteien gilt, durch die die objektiv messbaren Risiken verringert werden und die in direktem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit oder der Geschäftsfinanzierung der nichtfinanziellen Gegenpartei oder der betreffenden Gruppe stehen. Über die bisherige Regelung hinaus sind außerdem Geschäfte mit Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten von der Veröffentlichungspflicht auszunehmen, die vor ihrem Zustandekommen an einem geregelten Markt bereits von den beteiligten Gegenparteien außerbörslich abgeschlossen oder abgesprochen wurden, wobei der Eintritt anderer Gegenparteien, als der an dem Abschluss oder der Absprache beteiligten Gegenparteien, am geregelten Markt ausgeschlossen ist.
- 14. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die von der Änderung betroffenen Börsengeschäfte außerhalb Europas schon länger existieren, in Deutschland und Europa aber erst mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 relevant geworden sind. Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 unterliegen Händler der Pflicht, sämtliche Geschäfte "clearen" zu müssen, durch welche ihr Portfolio in Bezug auf verschiedene OTC-Derivate jeweils einen bestimmten Schwellwert übersteigt. Die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 bezieht aber Geschäfte, bei denen vor ihrem Zustandekommen am regulierten Markt (= Börse) zunächst außerbörslich Absprachen oder Abschlüsse so erfolgen, dass im Zeitpunkt des (erneuten) Vertragsschlusses am regulierten Markt der Eintritt Dritter in diese Geschäfte ausgeschlossen ist, nicht in die genannte Schwellenwertberechnung mit ein. Dies betrifft insbesondere - aber nicht nur - Händler und Handelsteilnehmer an Waren- und Warenderivatebörsen (Commodity Markets), die jeweils derartige Funktionalitäten des Börsenhandels anbieten.
- 15. Im Rahmen der Arbeit vor Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 zum 3. Januar 2017 ist für diese Art der Börsengeschäfte eine erhebliche Regelungslücke aufgefallen. Eine Veröffentlichung von Vorhandelsinformationen, wie sie Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 in seiner bisherigen Fassung verlangt, ist bei diesen Börsengeschäften den Marktplatzbetreibern praktisch nicht möglich, da diese von keiner der an dem Börsengeschäft beteiligten Parteien Informationen aus dem Vorfeld des Börsengeschäfts erhalten. Der Bundesrat äußert die Vermutung, dass die praktischen Auswirkungen der dargestellten Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 in Bezug auf Geschäfte mit OTC-Derivaten, das heißt die praktische Relevanz dieser von den Börsen angebotenen Funktionabilitäten, bei dem teils parallel stattfindenden Verordnungsgebungsverfahren bezüglich der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 offenbar übersehen wurden.
- 16. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
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- 17. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.