869. Sitzung des Bundesrates am 7. Mai 2010
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt das Arbeitsprogramm der Kommission für 2010 zur Kenntnis. Er misst diesem eine besondere Bedeutung bei, da nunmehr die neue Kommission im Amt und der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist.
- 2. Der Bundesrat unterstützt die von der Kommission angekündigte Konzentration auf vier Aktionsbereiche: Bewältigung der Krise, Agenda für Bürgernähe, Entwicklung einer ehrgeizigeren und kohärenten globalen Agenda und die Modernisierung der Instrumente und Arbeitsweise der EU. Er begrüßt insbesondere, dass die Kommission den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten weiterhin auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa legen will.
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass das Arbeitsprogramm der Kommission auch einen mehrjährigen Überblick über die geplante Arbeit der Kommission in den kommenden Jahren enthält. Dies verbessert die Vorhersehbarkeit und Transparenz des Kommissionshandelns. Das Arbeitsprogramm der Kommission leistet damit grundsätzlich auch einen wichtigen Beitrag für den strategischen politischen Dialog zwischen den nationalen Parlamenten und der Kommission.
- 4. Der Bundesrat bedauert, dass die Kommission darauf verzichten will, eine jährliche Strategieplanung als Vorarbeit für das bisherige Legislativ- und Arbeitsprogramm vorzulegen. Daher werden die jährlichen Aktualisierungen des Arbeitsprogramms in den Mittelpunkt der Beratungen rücken. Der Bundesrat sieht in dem neuen Verfahren die Gefahr, dass die durch die bislang bei der Jährlichen Strategieplanung ermöglichte Einflussnahme des Europäischen Parlaments, des Rates und der nationalen Parlamente auf das Arbeitsprogramm im Frühstadium sich deutlich verringert. Der Bundesrat erwartet, dass mit dem neuen Verfahren keine Schmälerungen seiner konstruktiven Einflussnahme verbunden sind.
- 5. Der Bundesrat kritisiert, dass das Arbeitsprogramm als "zentraler Baustein der interinstitutionellen Planung" nur unvollständig auf Deutsch vorgelegt wurde. Er mahnt eindringlich die vollständige Übersetzung auch der Anhänge auch in die deutsche Sprache an. Dies gilt insbesondere für die geplanten monatlichen Berichte über den Stand der Durchführung des Arbeitsprogramms. Die Absicht der Kommission, diese als interne Arbeitsdokumente zu klassifizieren und daher nur in der vorwiegend englischen Originalfassung vorlegen zu wollen, wird abgelehnt.
- 6. Die Kommission sieht zu recht in den bereits im Rahmen ihrer Mitteilung zur EUROPA-2020-Strategie angekündigten Leitinitiativen und Maßnahmen einen Schwerpunkt ihrer Arbeit für 2010. Der Bundesrat weist darauf hin, dass bei der noch erforderlichen Konkretisierung der Maßnahmen die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten strikt beachtet werden muss. Zudem müssen die Umsetzungsmaßnahmen tatsächlich zur Erreichung des vom Europäischen Rat am 25./26. März vorgegebenen Ziels, der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und des Wachstumspotenzials der EU, beitragen.
Zu 2.1. Bewältigung der Krise
- 7. Der Bundesrat begrüßt eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung auf Ebene der Staats- und Regierungschefs im Rahmen der Strategie EU 2020. Er lehnt jedoch alle politischen Einflussnahmen insbesondere in der Euro-Zone ab, welche die Unabhängigkeit der EZB gefährden. Weiterhin muss gewährleistet sein, dass die Haushaltshoheit der Mitgliedstaaten gewahrt bleibt.
- 8. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass die Anwendung der Regeln der Wirtschafts- und Währungsunion unzureichend ist. Da im gemeinschaftlichen Währungsraum Probleme einzelner Mitgliedstaaten letztlich zulasten der anderen Euro-Teilnehmer gehen, ist zu prüfen, wie kritische Entwicklungen bereits im Vorfeld verhindert werden könnten. Der Bundesrat fordert die Europäische Kommission auf, den durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Artikel 121 Absatz 4 AEUV strikt auf Mitgliedstaaten anzuwenden, welche die Netto-Neuverschuldungsgrenze und die Gesamtverschuldungsgrenze massiv und nachhaltig überschreiten und zugleich notwendige Reformanstrengungen zur Wiederherstellung gesunder Staatsfinanzen und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft unterlassen und dadurch das ordnungsgemäße Funktionieren der Währungsunion gefährden. Die Kommission soll solche Mitgliedstaaten verwarnen, ihnen konkrete, detaillierte Reformziele vorgeben und die Erreichung dieser Ziele mithilfe von EU-Sonderbeauftragten mit eigenem Arbeitsstab in kurzen Zeitabständen überwachen und bewerten. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, dass die Kommission frühzeitiger und konsequenter von der Möglichkeit eines Frühwarnberichts (Artikel 126 Absatz 3 Unterabsatz 2 AEUV) bei Gefahr eines übermäßigen Defizits Gebrauch macht.
- 9. Der Bundesrat begrüßt auch die Absicht der Kommission, die makroökonomischen Ungleichgewichte zu beheben, darunter die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei muss es Ziel der EU sein, die Wettbewerbsfähigkeit in der EU insgesamt zu steigern. Keinesfalls darf es zu einer Schwächung der Leistungsfähigkeit von Ländern mit Außenhandelsüberschuss kommen. Ungleichgewichte müssen deshalb so behoben werden, dass Staaten mit geringerer Wettbewerbsfähigkeit sich den Staaten mit stärkerer Wettbewerbsfähigkeit annähern.
- 10. Der Bundesrat unterstützt die Initiativen der Kommission zur künftigen Gewährleistung stabiler und verantwortungsbewusster Finanzmärkte. Hierbei befürwortet er die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz und der Stabilität der Terminmärkte. Sie werden maßgeblich zur Sicherheit und Stabilität auf den Finanzmärkten beitragen. Gerade das zentrale Clearing bietet für Finanzinstitutionen entscheidende Vorteile zur Verbesserung des internen Risikomanagements, der Marktintegrität und zur Reduzierung von Systemrisiken. Auch begrüßt der Bundesrat eine Verbesserung der bestehenden Regularien zur Eindämmung volkswirtschaftlich schädlicher Handelspraktiken bei Kreditderivaten. Er weist darauf hin, dass zur Erhöhung der Transparenz beim Handel mit Kreditderivaten Lösungen dahingehend gefunden werden müssen, die den Sicherungszweck in den Vordergrund stellen und den rein spekulativen Handel einschränken. Der Bundesrat unterstützt auch die Pläne zur Schaffung effizienter Rahmenbedingungen für das grenzüberschreitende Krisenmanagement bei Bankenschieflagen, eine wettbewerbsneutrale, angemessene Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten zur Bewältigung der aktuellen und künftigen Verhinderung von Finanzkrisen in Form einer international koordiniert erhobenen Bankenabgabe und die Möglichkeiten künftiger Krisenprävention.
- 11. Der Bundesrat befürwortet im Grundsatz neue Vorschläge für Einlagensicherungssysteme. Er spricht sich dabei aber gegen eine Vollharmonisierung der Höchstdeckungssummen auf 100 000 Euro aus, die eine freiwillige zusätzliche Einlagensicherung der Privatbanken und die Institutssicherung der öffentlichrechtlichen bzw. genossenschaftlichen Institute gefährden könnte. Gerade die ergänzenden Sicherungseinrichtungen der deutschen Kreditindustrie sind ein wesentlicher Grundpfeiler der Stabilität und des Vertrauens der Bankkunden in die Sicherheit ihrer Einlagen, die erhalten werden müssen.
- 12. Der Bundesrat begrüßt im Grundsatz neue Vorschläge für verschärfte Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen an Banken. Die derzeit auf G-20-Ebene erhobene Forderung nach einer Einschränkung des bankaufsichtsrechtlich anerkennungsfähigen Kernkapitals würden Eigenkapitalbestandteile, die insbesondere für deutsche Banken große Bedeutung haben, ohne ersichtlichen Grund als Kernkapital ausschließen. Diese Forderungen entstammen dem angloamerikanischen Rechtskreis und vernachlässigen Besonderheiten der Banksysteme anderer Staaten. Die erforderlichen Änderungen im Bereich der Eigenmittel müssten auf den Prinzipien Dauerhaftigkeit und Nachrangigkeit der Verlustteilnahme basieren und Raum für die Kapitalbeschaffung auch außerhalb des Kapitalmarktes lassen. Zudem müssen die Regelungen rechtsformunabhängig sein.
Zu 2.2. Weiterer Vorstoß für die EUROPA-2020 Leitinitiativen
Strategische Initiative 9; eine digitale Agenda für Europa
- 13. Der Bundesrat verweist auf seine umfassende Stellungnahme zur EUROPA-2020-Strategie und die einzelnen Leitinitiativen vom 16. März 2010 (vgl. BR-Drucksache 113/10(B) ).
- 14. Der Bundesrat unterstützt die Kommission in ihrem Ziel, das Potenzial der digitalen Wirtschaft voll auszuschöpfen und begrüßt deshalb das ambitionierte Vorhaben der Verwirklichung eines EU-Online-Binnenmarkts, welches mit der Ankündigung einer digitalen Agenda verfolgt wird. Wie die Kommission sehen die Länder hier gerade für KMU große Entwicklungschancen. Die flächendeckende Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen, aber auch die Förderung der Internetakzeptanz bei den europäischen Bürgern ist hierfür von grundlegender Bedeutung. Mit Blick auf die Breitbandstrategie hält der Bundesrat einen wirklichen Fortschritt bei der Verringerung mit Breitband unterversorgter Gegenden nur dann für möglich, wenn die wettbewerbsrechtlich notwendigen Einschränkungen mit Augenmaß und unter Abwägung der Notwendigkeit besserer breitbandiger Versorgung gehandhabt werden.
- 15. Die Akzeptanz einer digitalen Agenda durch den Bürger setzt zudem voraus, dass die wirtschaftliche Ausschöpfung des digitalen Potenzials auch andere gesellschafspolitische Belange angemessen berücksichtigt. Für die geforderte Nutzung moderner Online-Dienste ist hierbei etwa der Schutz persönlicher Daten von größter Bedeutung. Die Entwicklung einer effizienten Frequenzpolitik bleibt indes in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Inwieweit die vorgeschlagenen Maßnahmen der Kommission dazu geeignet sind, die Zukunft des Internet zu gestalten und mehr Wachstum und Investitionen anzuregen, hängt von ihrer konkreten Ausgestaltung ab. Hierbei sind die Gegebenheiten der nationalen Telekommunikationsmärkte in angemessener Weise zu berücksichtigen.
Strategische Initiative 10; Eine Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung
- 16. Der Bundesrat begrüßt die geplante Vorlage für eine "Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung". Er ist der Ansicht, dass nur mit einer starken, diversifizierten industriellen Basis Europa wirtschaftlich erfolgreich und international wettbewerbsfähig bleiben kann. Ein neues integriertes Konzept zur Industriepolitik ist notwendig, damit unter den geänderten globalen Anforderungen die EU-Industrie auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt. Insbesondere gilt es das besondere Potenzial, welches die innovativen Schlüsselindustrien und -technologien für eine wettbewerbsfähige und Wachstum und Beschäftigung fördernde Industriepolitik haben, einzubeziehen. Dabei spielen aus Sicht des Bundesrates vor allem auch Technologien eine Rolle, die Klimaschutz, Ressourceneffizienz und nachhaltigen Verbrauch zum Ziel haben. Insgesamt sollte der integrierte Ansatz der letzten Jahre beibehalten werden, der genügend Raum für ergänzende Sektorinitiativen belässt, um die Besonderheit der einzelnen Branchen angemessen berücksichtigen zu können. Eine zentrale "Steuerung der Rekonstruierung von Sektoren in Richtung zukunftsorientierter Aktivitäten" wie sie die Kommission in Annex I ankündigt, wird abgelehnt. Die Wirtschaftsstruktur in Europa soll weiterhin das Ergebnis marktwirtschaftlicher Aktivitäten bleiben.
- 17. Aufgrund der Bedeutung der KMU in der Wirtschaft und für das Wachstum in Europa ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Rolle und der Beitrag der KMU besonders gewürdigt werden muss auch über den industriellen Bereich hinaus. U. a. könnten eine Weiterentwicklung des Small Business Act, die Leitmarkt-Initiative sowie weitere Entbürokratisierung einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der KMU leisten. Der dem "Small Business Act" der Kommission zugrunde liegende Leitgedanke, künftige Regelungen nach dem Prinzip "Vorfahrt für KMU" zu gestalten, muss auf allen politischen und verwaltungstechnischen Entscheidungsebenen zur Handlungsmaxime werden. Die Besonderheiten von KMU müssen berücksichtigt und das derzeitige Regelungsumfeld vereinfacht werden. Dazu müssen die Auswirkungen geplanter Rechtsvorschriften und Verwaltungsmaßnahmen in einer Gesetzesfolgenabschätzung gerade im Hinblick auf KMU bewertet und Maßnahmen entwickelt werden, die speziell auf KMU zugeschnitten sind.
Strategische Initiative 11; Europäischer Plan für Forschung und Innovation
- 18. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Kommission, in Umsetzung der EUROPA-2020-Strategie eine Mitteilung zu einem Europäischen Plan für Forschung und Innovation vorzulegen und die Bereiche des Wissensdreiecks in Rahmen ihrer Zuständigkeit weiter zu integrieren. Die von der Kommission vorgesehenen Partnerschaften für Forschung und Innovation, die Öko-Innovationen einschließen, können dem Grundsatz nach einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Alterung der Gesellschaft oder Ressourcenschonung/Klima und Umwelt und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU leisten. Nicht vergessen werden darf und erhalten bleiben muss bei der Entwicklung eines Politikrahmens für Partnerschaften im Bereich Forschung und Innovation, dass unterschiedliche Ansätze und Schwerpunktsetzungen der Mitgliedstaaten sowie autonom gesteuerte Forschungsmittel einen gesunden Wettbewerb unter den Mitgliedstaaten als notwenige Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit fördern (vgl. BR-Drucksache 113/10(B) ). Die nationalen Kompetenzen in der Forschungs- und Innovationspolitik dürfen nicht in Frage gestellt werden.
- 19. Kritisch wird die Absicht der Kommission gesehen, die Bandbreite der zur Umsetzung der Forschung auf EU-Ebene bestehenden Instrumente zu diesem Zeitpunkt weiterzuentwickeln. Die Vereinfachung der EU-Instrumentarien durch Nutzung von Synergien und Integration der im Bereich Forschung und Innovation bestehenden Fachprogramme wird grundsätzlich unterstützt. Die Festlegung neuer Instrumente sollte jedoch der Planung des künftigen EU-Forschungsrahmenprogramms als zentrales strategisches Mittel der europäischen Forschungsförderung vorbehalten bleiben.
Strategische Initiativen 12 und 13; Jugend in Bewegung und Jugendbeschäftigung
- 20. Der Bundesrat teilt die Ziele der Kommission, die Beschäftigungsquote zu steigern, die Arbeitsmobilität innerhalb der EU zu fördern und Angebot und Nachfrage im Arbeitsmarktbereich besser auszutarieren. Er nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission die Europäischen Sozialpartner darin unterstützen möchte, sich für ein strategisches Rahmenkonzept zur Zusammenarbeit im Bereich Bildung/ Ausbildung zu engagieren, um die Erlangung und Anerkennung von Fachkenntnissen und Kompetenzen zu fördern. Der Bundesrat wird die weitere Entwicklung eng begleiten und insbesondere darauf achten, dass bei diesem Prozess die Kompetenzen der Mitgliedstaaten nicht verletzt werden.
Strategische Initiative 14; Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten
- 21. Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen der Kommission zur Unterstützung der jüngeren Generation in der Ausbildungs- und Arbeitswelt. Er befürwortet die Förderung der Mobilität von Studierenden und Auszubildenden sowie Unterstützungsmaßnahmen für die Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der besseren Verknüpfung dieser politischen Ziele mit den entsprechenden europäischen Finanzierungsinstrumenten, insbesondere mit dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission koordinierende, also nichtlegislative Vorstöße plant. Der Bundesrat weist aber darauf hin, dass es sich um Zuständigkeitsbereiche der Mitgliedstaaten u. a. in der Bildung handelt, und behält sich vor, diese Vorstöße und weitere Konkretisierungen genau zu beobachten.
Strategische Initiative 15; Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut
- 22. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission im Rahmen einer Mitteilung zur Europäischen Plattform zur Bekämpfung der Armut Änderungen im Bereich der Offenen Methode der Koordinierung im Bereich Sozialschutz ankündigt. In diesem Zusammenhang erinnert er daran, dass die Offene Methode der Koordinierung ein freiwilliger politischer Rahmen der Kooperation und des freiwilligen voneinander Lernens bleiben muss und die EU auch nach dem Vertrag von Lissabon in diesem Bereich nur unterstützend und fördernd tätig werden darf. Der Bundesrat erwartet, dass die Kommission diese Kompetenzverteilung im Rahmen der Gestaltung der angekündigten Änderungen beachtet, damit für die Mitgliedstaaten ausreichend Flexibilität und Handlungsspielraum bestehen bleiben. Der Bundesrat bittet die Kommission zu klären, in welchem Verhältnis die Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut zu der Offenen Methode der Koordinierung steht. Er bezweifelt, dass ein weiteres Koordinierungsinstrument innerhalb der EU auch unter Effizienzgesichtspunkten einen Mehrwert verspricht, den die OMK nicht leisten könnte.
Leitinitiative Ressourcenschonendes Europa
- 23. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Leitinitiative "Ressourcenschonendes Europa" vorantreiben will. Auch mit dem Ziel, Wettbewerbsvorteile für Europa zu schaffen, soll der Ressourcenverbrauch vom Wachstum abgekoppelt werden. Insbesondere wird begrüßt, dass die Kommission alsbald ihre Vision für die künftige Energiepolitik vorlegen will, die Europa bis 2050 zu einer kohlenstoffarmen, ressourcenschonenden und klimaneutralen Wirtschaft machen soll. Vorrangiges Ziel ist es, bis Mitte des Jahrhunderts das Energie- und das Verkehrssystem unabhängig vom Einsatz fossiler Brenn- und Treibstoffe zu machen. So können zeitnah notwendige Weichen gestellt und erforderliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die dringend notwendige Planungs- und Investitionssicherheit gewährleisten. Aus Sicht des Bundesrates ist dabei bei allen Planungen und Maßnahmen sicherzustellen, dass neben der Bekämpfung des Klimawandels eine sichere, wirtschaftliche und klimafreundliche Energieversorgung gewährleistet wird. Bei den vielfältigen Einzelmaßnahmen sind eine sorgfältige Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten sowie die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips unerlässlich. Darüber hinaus muss verstärkt auf die Effizienz der vielfältig eingesetzten Maßnahmen geachtet werden.
- 24. Um den Klimawandel zu bekämpfen und um Wettbewerbsnachteile für die europäische energieintensive Industrie zu vermeiden, sieht es der Bundesrat als unerlässlich an, dass ein verbindliches internationales Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 abgeschlossen wird. Er begrüßt, dass die EU beim internationalen Klimaschutz weiterhin eine Vorreiterrolle einnehmen und diese ausbauen will. Er mahnt jedoch an, dass die Energie- und Klimaschutzpolitik einer fairen internationalen und europäischen Lastenverteilung bedarf, welche die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft einzelner Staaten nicht einseitig beeinträchtigt.
- 25. Die gezielte Besteuerung von Energie und CO₂-Ausstoß stellt ein grundsätzlich wettbewerbsneutrales und anerkanntes Mittel dar, um die Ziele bei der Energieeinsparung und dem Klimaschutz zu erreichen. Allerdings hat sich Europa zur Begrenzung des CO₂-Ausstoßes primär für das Treibhausgashandelssystem entschieden. Bei der Einführung eines Energiesteuersystems sind daher die hierbei möglicherweise eintretenden negativen Wechselwirkungen zu untersuchen und bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen.
- 26. Für die geplante Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie gilt weiterhin, dass die Kommission alles unterlassen sollte, was die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten schwächt. Insbesondere müssen die Energiepreise einschließlich Steuern international wettbewerbsfähig sein. Bei der vorgesehenen Änderung der Richtlinie hin zu einer Besteuerung von Energieprodukten nach ihrem Energiegehalt und ihrer Kohlendioxidemission muss darauf geachtet werden, dass sich für keine Wirtschaftsbranche in Deutschland Verschlechterungen ergeben.
- 27. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission eine nachhaltige, produktive und wettbewerbsfähige Landwirtschaft mit all ihren positiven Effekten für das Wachstum- und Beschäftigungspotenzial ländlicher Gebiete und die Sicherung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts und der Ernährungssicherheit sicherstellen will. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die GAP ein wesentliches Politikfeld der EU darstellt. Sie trägt entscheidend zur Weiterentwicklung des ländlichen Raums weit über den Agrarsektor hinaus bei. Daher muss die GAP vitale ländliche Räume innerhalb der EU sicherstellen. Systembrüche, die vitale ländliche Räume gefährden, sind nicht vertretbar. Die GAP muss darüber hinaus einen aktiven Beitrag zur Sicherung der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung leisten. Der Bundesrat fordert, das europäische Landwirtschaftsmodell weiter zu entwickeln und über 2013 hinaus fortzusetzen. Dazu müssen entsprechende Ziele und Instrumente erarbeitet werden, die auch neuen Herausforderungen, wie dem Klimawandel sowie einem verbesserten Wassermanagement, Rechnung tragen.
Zu 2.3. Beseitigung von Engpässen und Verbindungslücken in Europa
Strategische Initiative 16; Mitteilung über die Neuordnung des Binnenmarktes
- 28. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, den 20. Jahrestag der Vollendung des Binnenmarkts 2012 zum Anlass für eine umfassende Initiative zur Neubelebung des Binnenmarkts zu nehmen. Der Binnenmarkt hat sich als Garant für Wachstum und Wohlstand bewiesen. Dies gilt es für die Zukunft zu sichern.
- 29. Der Bundesrat sieht dem Bericht von Professor Monti zur Neubelebung des Binnenmarktes und der angekündigten Mitteilung der Kommission, die Grundlage für ein umfassendes Maßnahmepaket sein soll, mit großem Interesse entgegen und wird sich mit eigenen Vorschlägen an den weiteren Arbeiten beteiligen.
Daseinsvorsorge (Annex II)
- 30. Der Bundesrat sieht der angekündigten Mitteilung der Kommission zu dem Protokoll über Dienste von allgemeinem Interesse des Vertrags von Lissabon mit Interesse entgegen, wendet sich jedoch gegen eine Einführung von verpflichtenden Qualitäts- und Sicherheitsstandards in diesem Bereich. Die Daseinsvorsorge muss uneingeschränkt im Entscheidungsbereich der Kommunen verbleiben.
- 31. Der Bundesrat verweist auf die ausdrückliche Anerkennung der nationalen verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung und auf das Protokoll über Dienste von allgemeinem Interesse im Vertrag von Lissabon. Dies misst der kommunalen Ebene und ihrer Daseinsvorsorge-Politik ein höheres Gewicht zu. Die Länder erwarten, dass die Kommission darlegt, wie sie dem Rechnung tragen will.
- 32. Der Entscheidungsspielraum der Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in der Daseinsvorsorge muss erhalten bleiben und weiter gestärkt werden. Die neuere Rechtsprechung des EuGH zur Inhouse-Problematik und zur öffentlichöffentlichen Zusammenarbeit hat zu mehr Rechtsklarheit geführt und die kommunalen Handlungsspielräume bestätigt. Es bleibt zu prüfen, inwieweit weitere Rechtsetzungsaktivitäten erforderlich sind.
- 33. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, das beihilferechtliche Monti-Paket aus dem Jahr 2005 zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Er erwartet mit großem Interesse das Ergebnis dieser Evaluierung. Bereits jetzt wird darauf hingewiesen, dass die Umsetzung des Monti-Pakets und der beihilferechtlichen Vorschriften zu einer erheblichen Erhöhung des Verwaltungsaufwandes für die Kommunen geführt hat. Jede Rechtsbeziehung zwischen Kommunen und ihren Eigenunternehmen und -betrieben muss überprüft und angepasst werden. Das ist eine ständige Aufgabe. Auch wegen der vielen unklaren unbestimmten Rechtsbegriffe müssen die Kommunen in einem hohen Maße auf externen Sachverstand zurückgreifen. Das wiederum ist aufwändig und verursacht hohe Kosten. Die Gemengelage von Beihilfe-, Steuer-, Gesellschafts- und Kommunalrecht führt zu Entscheidungen, die nur noch von wenigen Insidern nachvollzogen werden können. Das schwächt die kommunalen Vertretungen und damit die kommunale Selbstverwaltung.
- 34. Ein europäischer Beitrag zur administrativen Entlastung der Kommunen und zur Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung ist dringend erforderlich. Im Rahmen der Überprüfung des Monti-Pakets sollte stärker berücksichtigt werden, dass häufig Aufgaben der lokalen Gemeinschaft berührt sind. Eine Klarstellung in Bezug auf Artikel 107 AEUV in Anlehnung der in der Entscheidung der Kommission zum Fall "Schwimmbad Dorsten" vom 12. Januar 2001 (KOM SG(2001) D/285046) enthaltenen Grundsätze in einer generellen Regelung wäre wünschenswert. Schwierigkeiten bereitet in der Praxis bei der Anwendung des Monti-Paketes in manchen Fällen die Vorgabe, die Parameter für die Berechnung, Überwachung und etwaige Änderung der Ausgleichszahlung im Voraus konkret festzulegen, weil nicht alle relevanten Daten etwa hinsichtlich des Umfangs der Empfänger und der daraus resultierenden Kosten der Leistungserbringung vorab hinreichend präzise festgelegt werden können. Die Möglichkeit für diese Fälle Expost-Korrekturmechanismen vorzusehen, wie sie bereits in dem Arbeitspapier der Kommission vom 20. November 2007 enthalten sind, sollten zur Klarstellung in das Monti-Paket übernommen werden. Erleichterungen würde es auch schaffen, die Regelungen zu Kleinbeihilfen aus dem Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise für den Bereich der Daseinsvorsorge dauerhaft einzuführen.
Öffentliches Auftragswesen (Annex II)
- 35. Überlegungen und Aktivitäten anderer Fachpolitiken der Kommission müssen besser mit europäischen Initiativen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe koordiniert werden, um nicht die Kohärenz mit den Richtlinien der öffentlichen Auftragsvergabe zu gefährden und die Anwender vor weitere und neue rechtliche Probleme zu stellen. Eine verbindliche Koordinierung der Kommissionsdienststellen zur Erhöhung der Transparenz und Anwenderfreundlichkeit der Rechtsetzung ist hier unerlässlich. Insgesamt gesehen ist davon auszugehen, dass z.B. die europäische Vergabekoordinierungsrichtlinie bereits umfassende Spielräume zur Berücksichtigung von ökologischen, innovativen und sozialen Kriterien bei der Auftragsvergabe ermöglicht. Letztlich muss es den öffentlichen Auftraggebern überlassen bleiben, welche Kriterien in welchem Ausmaß in konkreten Vergabeverfahren sinnvoll berücksichtigt werden können. Hierbei sollte durch Hilfestellungen über Informationsportale und Benchmarks den Anwendern die Möglichkeit zur Berücksichtigung derartiger Kriterien erleichtert werden. Der Bundesrat erinnert aber daran, dass das wesentliche Ziel der Auftragsvergabe die effektive Bedarfsdeckung bleiben muss.
- 36. Der Bundesrat wendet sich erneut gegen einen Legislativakt zur Vergabe von Konzessionen. Die nach der Rechtsprechung des EuGH zu beachtenden Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz reichen für den Dienstleistungsbereich völlig aus. Die Vergabe von Baukonzessionen ist bereits hinreichend im Gemeinschaftsrecht geregelt. Eine weitere europäische Regelung birgt die Gefahr zusätzlicher bürokratischer Vorgaben, die den flexiblen Einsatz dieses Instruments erschweren würden. Eine weitere Reglementierung würde auch die Attraktivität von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften vermindern.
Strategische Initiative 17; Übersetzung künftiger EU-Patente
- 37. Der Bundesrat sieht dem angekündigten Vorschlag der Kommission zu einer Verordnung über die Anforderungen an die Übersetzung künftiger EU-Patente mit Interesse entgegen. Der Bundesrat nimmt darüber hinaus zu der laufenden Debatte über ein europäisches Patentsystem erneut Stellung. Ein effektives, kostengünstiges und rechtssicheres Gemeinschaftspatent und eine europaweite Patentgerichtsbarkeit dienen grundsätzlich der Integration des Binnenmarkts und können zu einer weiteren Verringerung der Kosten für die Patentanmeldung und zu einer höheren Rechtssicherheit beitragen.
- 38. Bei jeder Änderung des Gerichtssystems ist es unerlässlich, dass für Patentverletzungsstreite dezentrale Kammern in den Mitgliedstaaten eingerichtet werden, die mit in Patentsachen erfahrenen Richtern besetzt sind, die grundsätzlich in der Amtssprache der jeweiligen Mitgliedstaaten verhandeln, und dass für den Kläger die Möglichkeit besteht, das Gericht des Verletzungsortes anzurufen. Entscheidend für die Einrichtung und die Zahl von dezentralen Kammern in den Mitgliedstaaten muss die Zahl der in den jeweiligen Staaten geführten Patentrechtsstreitigkeiten sein. Der Bundesrat hält es weiterhin für unerlässlich, dass Deutschland von Anfang an eine seinem hohen Fallaufkommen entsprechende Zahl von dezentralen Kammern erhält und die etablierten deutschen Patentgerichtsstandorte Sitz einer erstinstanzlichen Lokalkammer werden.
- 39. Des Weiteren ist für einen effektiven Patentrechtsschutz eine Flexibilität von Trennungs- und Verbundsystem wesentlich, d.h. dass das Gericht jedenfalls die Möglichkeit hat, den Patentverletzungsstreit nach seinem Ermessen unbeschadet eines - dann gesondert vor der Zentralkammer zu verhandelnden - Rechtsbeständigkeitseinwandes gegen das Patent zu entscheiden. In der insbesondere hiergegen in die Ratsschlussfolgerungen vom 4. Dezember 2009 aufgenommenen Revisionsklausel sieht der Bundesrat eine Gefahr für eine leistungsfähige Patentgerichtsbarkeit für die Unternehmen in Europa.
Strategische Initiative 18; Weißbuch zum Verkehr
- 40. Der Bundesrat begrüßt die strategische Initiative Nr. 18 "Weißbuch zum Verkehr". Er betont die Notwendigkeit, die europäische Verkehrspolitik unter Beachtung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit strategisch neu auszurichten, und verweist auf seine Stellungnahmen, vom 18. September 2009 (BR-Drucksache 603/09(B) ) und 16. März 2010 (BR-Drucksache 113/10(B) , Ziffer 57).
- 41. Insbesondere ist die grundlegende Bedeutung eines nachfragegerechten Gesamtverkehrssystems für die Wirtschaftsentwicklung und das Zusammenwachsen Europas zu beachten; die Anstrengungen der EU-Verkehrspolitik sind noch stärker auf die Verwirklichung der vorrangigen Vorhaben des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (vor allem Schiene) zu konzentrieren. Als zweite Säule sollte die Implementierung moderner Technik in Fahrzeugen und Verkehrssystemen zugunsten effizienter und ökologisch tragfähiger Mobilitätsangebote vorangetrieben werden. Im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip sollte die Kommission ihre Anstrengungen auf zentrale supranationale Aufgaben konzentrieren und in den übrigen Bereichen den Mitgliedstaaten, Regionen und Kommunen mehr Spielraum lassen.
Künftige strategische Initiativen im Wasserbereich (Annex II)
- 42. Für zukünftige strategische Initiativen im Wasserbereich (Annex II) sollte dem Grundsatz der Subsidiarität größere Bedeutung beigemessen werden. Insbesondere für die Schaffung einer Richtlinie zur Wassereffizienz von Gebäuden sieht der Bundesrat keinen Bedarf. Erfahrungsgemäß würde eine EU-weite Regelung dennoch auch für die deutschen Länder zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand für Zustandserfassungen, Maßnahmenplänen und Berichtspflichten an die EU führen.
Strategische Initiative 19; Maßnahmenpaket zur Energieinfrastruktur
- 43. Der Bundesrat begrüßt die geplante Vorlage eines Maßnahmenpakets zur Energieinfrastruktur. Für die mittel- und langfristige Gewährleistung der europäischen Energieversorgung, der vollständigen und wettbewerbsgerechten Umsetzung des Energie-Binnenmarktes und zur Realisierung des Umbaus der Energieerzeugung ist der bedarfsgerechte Ausbau der Energieinfrastruktur - Netze, Kraftwerke, Speicher - in und nach Europa dringend notwendig. Intelligente Netze stellen eine Möglichkeit dar, die Energieeffizienz und den Wettbewerb zu verbessern. Ein entsprechendes langfristiges Konzept muss auch die Rahmenbedingungen und Anreize für Investitionen in intelligente Stromnetze, Nachfragemanagement, Energieeffizienz und die gezielte Nutzung von Speichertechnologien und die Förderung erneuerbarer Energietechnologien beinhalten. Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass Realisierung und Finanzierung der entsprechenden Projekte durch die Energiewirtschaft von der EU und den Mitgliedstaaten politisch und durch die erforderlichen Regelungen unterstützt wird. Das Subsidiaritätsprinzip und regionale Besonderheiten sind hierbei zu beachten.
Zu 3.1. Schaffung eines Europas der Bürger
- 44. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit dem Aktionsprogramm zum Stockholmer Programm konkrete Vorschläge zur weiteren Ausgestaltung des Mehrjahresprogramms für die Bereiche Justiz und Inneres vorgelegt hat. Im Übrigen verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahmen zum Stockholmer Programm (vgl. BR-Drucksachen 792/07(B) und 616/09(B) und kündigt eine umfassende Stellungnahme zum Aktionsprogramm an.
- 45. Der Bundesrat erkennt die Bemühungen der Kommission an, die Maßnahmen zur Steigerung des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs durch Maßnahmen zur Vermeidung oder Bewältigung negativer sozialer Folgen zu flankieren. Europäische Sozialpolitik kann einen großen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft leisten und zudem die Akzeptanz des Wettbewerbsgedankens erhöhen und Europa den Bürgern insgesamt näher bringen.
- 46. Der Bundesrat begrüßt die Tendenz zur Zurückhaltung bezüglich neuer Rechtsetzungsakte im Sozialbereich und die dadurch verdeutlichte Anerkennung der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Überlegungen einen verpflichtenden Vaterschaftsurlaub einzuführen, sind damit aber nicht vereinbar und werden abgelehnt. Ein verpflichtender Vaterschaftsurlaub widerspricht dem Grundsatz der Wahlfreiheit von Frauen und Männern.
- 47. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Ankündigung der Kommission, eine Folgenabschätzung zur Arbeitszeitrichtlinie zu veröffentlichen und die Richtlinie entsprechend zu überarbeiten. Der Bundesrat fordert die Kommission jedoch auf, im Rahmen ihres "Flexicurity-Konzepts" darauf zu achten, dass die Bedürfnisse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, nämlich Flexibilität und Sicherheit, miteinander in Einklang gebracht werden.
- 48. Der Bundesrat dankt der Kommission für die bereits in Angriff genommenen Initiativen zur Stärkung der Bürgernähe und verweist auf seine entsprechende Stellungnahme vom 12. Februar 2010 (BR-Drucksache 841/09(B) ). Die Einbindung der Bürger in den Gesetzgebungsprozess ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer bürgernahen EU.
- 49. Der Bundesrat begrüßt die angekündigte Entwicklung eines Referenzrahmens für das Vertragsrecht und die angestrebte Diskussion über die weitere Verwendung des Ende 2009 vorgelegten wissenschaftlichen "Draft Common Frame of Reference". Der Bundesrat begrüßt weiter das Anliegen, den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr rechtlich zu vereinheitlichen und damit einfacher und transparenter auszugestalten, um es den Wirtschaftsteilnehmern zu erleichtern, das Potenzial des Binnenmarktes besser auszuschöpfen. Der Bundesrat nimmt dabei insbesondere den Gedanken der Kommission zur Kenntnis, den Referenzrahmen zu einer fakultativen europäischen Vertragsrechtsordnung (28. Regime) ausbauen und damit ein eigenständiges zivilrechtliches System des Vertragsrechts schaffen zu wollen, auf das sich Vertragspartner bei Vertragsschluss verständigen könnten. Zugleich legt der Bundesrat Wert auf die Feststellung, dass für das Zivil- und Vertragsrecht primär die Mitgliedstaaten selbst verantwortlich sind und ihnen auch in Zukunft die Möglichkeit verbleiben muss, ihre Zivilrechtsordnungen selbst zu gestalten (vgl. zuletzt Stellungnahmen vom 6. März 2009, BR-Drucksache 765/08(B) und vom 18. September 2009, BR-Drucksache 616/09(B) ). Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission als mögliches Ziel ihrer Mitteilung zum Europäischen Vertragsrecht ausdrücklich die Schaffung eines Europäischen Zivilrechtskodex bezeichnet, dessen Regelungsumfang offenbar noch über ein Europäisches Vertragsrecht hinausgehen soll. Angesichts dessen betont der Bundesrat, dass es vorrangige Aufgabe des geplanten Gemeinsamen Referenzrahmens (CFR) sein sollte, die Qualität europäischer Rechtsetzung in begrifflicher, konzeptioneller und systematischer Hinsicht zu verbessern. Dieses dringende Anliegen betrifft - worauf die Kommission mit Recht hinweist - das geltende Unionsrecht (Überprüfung ex post), aber in gleichem Maße künftige Rechtsakte. Die Entwicklung praxisnaher, kohärenter Regelungsinstrumente erscheint im Interesse der europäischen Rechtsanwender vorrangig vor derzeit kaum aussichtsreichen Kodifikationsbemühungen.
- 50. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission im Bereich der Sammelklage zunächst eine eingehende Analyse der politischen Kohärenz sowie eine öffentliche Anhörung über gemeinsame Rechtsgrundsätze und konkrete Fragen durchführen möchte, bevor die Einführung kollektiver Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Verbraucherrechten sowie Schadensersatzansprüchen wegen Verstößen gegen Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht vorgeschlagen wird. Er ist der Ansicht, dass eine Einführung kollektiver Rechtsbehelfe nur anhand eines einheitlichen europäischen Rahmens stattfinden sollte und dass die bisherigen und künftigen Erfahrungen der Mitgliedstaaten mit kollektiven Rechtsschutzformen bestmöglich für eine europäische Vorgehensweise ausgewertet werden sollten. Insbesondere sind bewährte Prozessrechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund lehnt der Bundesrat so genannte "Optout-Verfahren" ab, da die damit zusammenhängende Einbeziehung von Parteien in einen Prozess ohne deren Wissen einschließlich der Bindung an das Prozessergebnis dem in Deutschland und in den meisten übrigen Mitgliedstaaten vorherrschenden System der individuellen Klageerhebung sowie zwingenden Vorschriften der Mitgliedstaaten und der EMRK (insbesondere dem Recht auf rechtliches Gehör) widerspricht.
- 51. Der Bundesrat befürwortet die Intention der Kommission, mit Hilfe des "Consumer Market Scoreboard" die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher an den Verbraucherschutz zu ermitteln, um ihre Interessen besser berücksichtigen zu können und Bürgerbeteiligung mit Leben zu füllen. Der Bundesrat erwartet, dass aus Gründen der Kostenersparnis und der Vermeidung zusätzlicher administrativer Belastungen auf Ergebnisse schon vorhandener und kontinuierlich durchgeführter Verbrauchermonitore in den Ländern zurückgegriffen wird. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass damit für Mitgliedsländer und Drittorganisationen nicht zwingend Zusatzaufwand verbunden sein darf. Dies würde den Bemühungen der Entbürokratisierung widersprechen. Insbesondere die Überlegungen der Kommission zur Harmonisierung der Erfassung von Verbraucherbeschwerden müssen unter diesem Blickwinkel kritisch begleitet werden, da Verbraucherbeschwerden allein zudem nicht für die Ermittlung von Quoten für unsichere Produkte und Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt geeignet erscheinen.
- 52. Der Bundesrat hat sich in der Vergangenheit stets dafür eingesetzt, dass in den kommenden Jahren mehr Gewicht auf die Umsetzung und Evaluierung des europäischen Rechts gelegt wird. Dabei soll es entscheidend darauf ankommen, dass das Erreichte auch in der Praxis ankommt und dass neue Rechtsakte gut vorbereitet werden. Der Bundesrat sieht daher für die geforderte Übertragung weiterer Befugnisse auf Eurojust derzeit keinen Bedarf. Eurojust ist von seiner Konzeption und personellen Ausstattung her eine Koordinierungs- und keine Ermittlungsbehörde. Die nationalen Mitglieder von Eurojust haben durch den neuen Rahmenbeschluss soeben erweiterte Kompetenzen erhalten. Nach der Umsetzung in das nationale Recht der Mitgliedstaaten sollte zunächst die praktische Handhabung abgewartet und evaluiert werden, um auf dieser Grundlage neue Möglichkeiten zu prüfen. Dies schließt auch die Einsetzung eines Europäischen Staatsanwalts ein.
- 53. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Kommission, die Datenschutzrichtlinie zu überarbeiten, und betont die besondere Bedeutung, die dem Datenschutz in der europäischen Rechtsordnung zukommt. Der Bundesrat erwartet sich von der Kommission insbesondere eine Initiative zur Klärung der offenen Fragen im Hinblick auf die Anwendung der Datenschutzrichtlinie im Bereich der früheren dritten Säule und eine frühzeitige Information und Einbeziehung der nationalen Parlamente in den Überarbeitungsprozess.
Zu 3.2. Eine offene und sichere EU
- 54. Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen der Kommission, eine interne EU-Sicherheitsstrategie zu entwickeln. Gleichzeitig weist der Bundesrat auf die interne Sicherheitsstrategie hin, die der Europäische Rat auf seiner Sitzung im März gebilligt hat. Diese ist im Rahmen der Kommissionsstrategie zu berücksichtigen.
- 55. Der Bundesrat begrüßt die Planungen der Kommission zur Verhinderung der illegalen Einwanderung (Entry Exit System), vermisst aber Maßnahmen zur Verbesserung der Rückführung. Kritisch hinterfragt werden müssen die Maßnahmen der Kommission im Übrigen insoweit, als den Mitgliedstaaten hierdurch aufwändige Berichtspflichten auferlegt werden.
Zu 3.3. Inangriffnahme langfristiger gesellschaftlicher Probleme
- 56. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass es Ziel der gemeinsamen Einwanderungspolitik sein sollte, eine legale Einwanderung zu fördern, die klaren, transparenten und fairen Regeln unterliegt. Eine Angleichung des Rechtsstatus von Drittstaatsangehörigen an den von Unionsbürgern ist hierfür aber nicht erforderlich. Dies darf bei den geplanten Maßnahmen für die legale Einwanderung (internationaler Personalaustausch, Saisonbeschäftigung, Ausbildung) nicht aus dem Blick geraten. Die Entwicklung einer zirkulären Migration begegnet ebenfalls erheblichen Bedenken hinsichtlich ihrer Umsetzung in der Praxis. Weiter fordert der Bundesrat in der Integrationspolitik die Beachtung der nationalen und regionalen Kompetenzen. Eine europäische Integrationspolitik kann im Rahmen der vertraglichen Kompetenzen gemäß Artikel 79 Absatz 4 AEUV die nationalen und regionalen Politiken ergänzen.
- 57. Der Bundesrat bedauert, dass die bisherigen Bemühungen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene zum Erhalt der biologischen Vielfalt und Aufhalten des fortschreitenden Verlusts an Biodiversität nicht die von der Kommission gewünschten Erfolge gezeitigt haben. Der Bundesrat hält eine Analyse und Bewertung der originären Ursachen für den Verlust an biologischer Vielfalt für die Weiterentwicklung von Politikinstrumenten mit dem Ziel einer wirksamen Abhilfe für erforderlich. Auf die Stellungnahme des Bundesrates vom 26. März 2010 (BR-Drucksache 029/10(B) ) wird verwiesen.
- 58. Bemühungen der Kommission, Maßnahmen zur Katastrophenbekämpfung und -vorsorge wirksamer zu machen, sind bezüglich der Bausteine "civil protection" und "increased civilmilitary cooperation" abzulehnen, da sie gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen. Bund und Länder sind sich weiterhin einig, dass operativen Kompetenzen der EU im Bevölkerungsschutz eine klare Absage zu erteilen ist. Die Mitgliedsstaaten dürfen nicht aus der Pflicht gelassen werden, in jeweils eigener Verantwortung ausreichende Vorsorge sowohl für die Verhütung als auch für die Bekämpfung von Großschadensereignissen und Katastrophen zu treffen. Eine schnelle und somit effektive Gefahrenabwehr ist nur durch sachkundige und flächendeckend vor Ort vorhandene Kräfte zu leisten.
Zu 4.1. Eine starke und kohärente Außenvertretung - die EU als globaler Akteur
- 59. Der Bundesrat unterstreicht im Bereich der Außenpolitik der EU, dass mit der neuen Funktion des Hohen Vertreters und des noch zu schaffenden Europäischen Auswärtigen Dienstes eine kohärentere externe Vertretung der EU erfolgt und dieser mehr Gewicht verleiht. Mit Blick auf die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes hält es der Bundesrat für unbedingt erforderlich, dass Deutsch als Arbeitssprache neben Englisch und Französisch verankert wird. Sie bitten die Bundesregierung, dem Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes erst dann zuzustimmen, wenn eine der Bedeutung der deutschen Sprache in der EU angemessene Lösung erzielt werden konnte.
- 60. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission ausdrücklich betont, Fortschritte bei den Erweiterungsverhandlungen von den Fortschritten der Kandidatenländer abhängig zu machen und ein besonderes Augenmerk auf den zentralen Aspekt der Rechtsstaatlichkeit legen will.
Zu 5. Modernisierung der Instrumente und der Arbeitsweise der Union
- 61. Der Bundesrat bedauert, dass auch die neue Kommission die überfällige Überarbeitung ihrer Übersetzungsstrategie nicht in ihre Arbeitsplanung aufgenommen hat. Er ruft die Kommission auf, diese wichtige Aufgabe mit neuem Engagement anzugehen und bekräftigt seine Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit.
- 62. Der Bundesrat misst der vollständigen und rechtzeitigen Übersetzung aller politisch relevanten EU-Dokumente auch in die deutsche Sprache eine entscheidende Bedeutung für eine effektive Wahrnehmung der neuen Mitwirkungsrechte des Bundesrates und Bundestages am europäischen Rechtssetzungsprozess infolge des Subsidiaritätsfrühwarnsystems und der deutschen Begleitgesetze bei. Dies schließt die Übersetzung auch von Anhängen und Arbeitspapieren, die politisch bedeutsame Informationen enthalten, wie z.B. die Anhänge zum Arbeitsprogramm der Kommission, ausdrücklich mit ein.
- 63. Für alle weiteren Übersetzungen von EU-Dokumenten, die zwar nicht dem Vollsprachenregime unterliegen, für die allerdings ein besonderer Beratungsbedarf von einem nationalen Parlament geltend gemacht wurde, regt der Bundesrat an, flexible Lösungen zu entwickeln. So sollten die positiven Erfahrungen mit der im Jahr 2004 erfolgten Einführung des Marktmodells bei der Dolmetschung bestimmter Arbeitsgruppen des Rates auch auf die Praxis der Übersetzungen von EU-Dokumenten außerhalb des Vollsprachenregimes übertragen werden. Er fordert hierzu die Kommission auf, Vorschläge für die Umsetzung eines solchen Verfahrens unter voller Wahrung des Vollsprachenregimes und unter Einbeziehung der nationalen Parlamente zu erarbeiten.
Zu 5.1. Intelligente Regulierung - die Wirksamkeit der Maßnahmen sicherstellen
- 64. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit der Darstellung ihrer Planungen im Bereich der intelligenten Regulierung (bisher "bessere Rechtsetzung") in einem eigenen Abschnitt der Arbeitsplanung den hohen politischen Stellenwert unterstreicht, dem die Bemühungen für eine intelligente EU-Regulierung einschließlich des Bürokratieabbaus auch in Zukunft zukommen soll. Er appelliert an die Kommission, in ihren Anstrengungen für eine intelligente Rechtsetzung und für nachhaltige und spürbare Entlastung von überflüssiger Bürokratie bei den Unternehmen, Bürgern und Verwaltungen nicht nachzulassen. Der Bundesrat wird den Prozess auch in Zukunft mit weiteren Impulsen mitgestalten. Mit Blick auf die angekündigte Strategische Initiative zur intelligenten Regulierung wird er insbesondere darauf drängen, dass die Arbeiten zur Verringerung des Verwaltungsaufwands und Vereinfachung ambitioniert fortgesetzt werden.
- 65. In diesem Zusammenhang begrüßt der Bundesrat die Mitte April 2010 erfolgte Verlängerung des Mandats der Stoiber-Gruppe bis 2012. Danach soll auch bei neuen Rechtsvorhaben der Kommission das Fachwissen der Stoiber-Gruppe künftig genutzt werden. Der im Rahmen des neuen Mandats vereinbarte informelle Dialog zwischen Stoiber-Gruppe und dem Ausschuss für Folgenabschätzung ist ein erster Schritt, dem Gremium eine aktivere Rolle bei der Prüfung der Qualität und Stichhaltigkeit von Gesetzesfolgenabschätzungen der EU-Kommission zu verleihen, wofür sich der Bundesrat zuletzt mit Stellungnahme vom 18. Dezember 2009 (BR-Drucksache 795/09(B) eingesetzt hat.
Gesetzesfolgenabschätzung
- 66. Der Bundesrat begrüßt die herausgehobene Bedeutung, welche die Kommission einer plausiblen Folgenabschätzung bei neuen EU-Rechtsvorschriften in Zukunft beimessen will. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf eine dauerhafte Reduzierung des Verwaltungsaufwands, sondern auch für eine hohe Qualität und Praxistauglichkeit der EU-Rechtsetzung insgesamt. Er kritisiert, dass die Kommission trotz mehrfacher Aufforderung Folgenabschätzungen weiterhin lediglich bei Vorhaben mit "bedeutsamen" Folgen durchführen will. Er weist erneut darauf hin, dass erst die Durchführung eines Folgenabschätzungsverfahrens deutlich macht, ob und welche bedeutsamen Folgen das Vorhaben mit sich bringt. Daher sollte jeder neue Regelungsvorschlag der Kommission auch eine nachvollziehbare Aussage über die damit verbundenen Auswirkungen insbesondere im Hinblick auf Verwaltungslasten für die einzelnen Entscheidungs- und Verwaltungsebenen enthalten.
- 67. Der Bundesrat erinnert daran, dass eine Folgenabschätzung eine ausgewogene Analyse der mit einem Regelungsvorhaben verbundenen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen umfassen muss. Die von der Kommission angekündigte Schwerpunktsetzung auf beschäftigungspolitische und soziale Auswirkungen bei der Durchführung von Folgenabschätzungen darf nicht zu einer einseitigen Ausrichtung der Folgenabschätzung führen.
- 68. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission zur Verbesserung der Transparenz von Folgenabschätzungsverfahren die Entwicklung sogenannter Ablaufpläne zukünftig auf alle Vorhaben mit voraussichtlich erheblichen Auswirkungen ausdehnen will. Die Ablaufpläne bieten damit eine wertvolle Hilfe bei der frühzeitigen Mitwirkung u. a. der nationalen und regionalen Parlamente und Verwaltungen beim europäischen Regulierungsprozess. Ex-Post-Bewertung und Eignungstests
- 69. Der Bundesrat begrüßt die Ankündigung der Kommission, systematische Expost-Bewertungen und Eignungstests der bestehenden Vorschriften als Grundlage für die Überarbeitung von Rechtsakten vorzunehmen. Er appelliert an die Kommission, hierzu den engen Kontakt zu den deutschen Ländern zu suchen, die für den Vollzug und zum Teil auch für die legislative Umsetzung von EU-Recht in Deutschland zuständig sind. Dadurch können sie die Sachkenntnis und Erfahrung der Verwaltung vor Ort zur Optimierung dieser neuen Instrumente im Sinne einer "Realitätsprüfung" mit einbringen. Auch bei der Bewertung der Verwaltungslasten im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung durch die Kommission regt der Bundesrat an, dass die Kommission die Beteiligungsmöglichkeiten regionaler und kommunaler Verwaltungsträger verbessert.
Verringerung der Verwaltungslasten
- 70. Der Bundesrat erinnert die Kommission erneut daran, dass von ihrer Seiten noch nicht alles getan wurde, um das Reduzierungsziel für Bürokratiekosten von 25 Prozent bis 2012 zu erreichen. Der Bundesrat sieht vielmehr die Kommission weiterhin in der Pflicht, die Umsetzung des Aktionsprogramms aktiv voranzutreiben und weitere Vorschläge zur Erreichung des 25-Prozent-Ziels rasch vorzulegen.
Zu 5.3. Anpassung des EU-Finanzrahmens im Dienste der politischen Prioritäten
- 71. Der Bundesrat sieht ähnlich wie die Kommission, dass die zukünftige Kohäsionspolitik einen Beitrag zur Strategie Europa 2020 und zur Modernisierung der Wirtschaft leisten muss. Dabei dient die Kohäsionspolitik unvermindert dem wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt. Der Bundesrat wundert sich, dass die Kommission in ihrem Arbeitsprogramm die Kohäsionspolitik lediglich als Unterpunkt der Leitinitiative Ressourcenschonendes Europa und im Zusammenhang mit der Anpassung des EU-Finanzrahmens aufführt. Die Aufgaben und das Wirkungsspektrum der Kohäsionspolitik gehen deutlich darüber hinaus.
- 72. Der Bundesrat weist erneut darauf hin, dass die Kohäsionspolitik nach 2013 in den Regionen mit Entwicklungsrückständen wie auch in den Regionen aus dem Ziel "Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung" fortgeführt werden muss. Die Unterstützung auch der Regionen des Ziels "Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung" ist für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums in Europa essenziell. Für die Regionen, die aus der Höchstförderung ausscheiden, einschließlich der in der laufenden Förderperiode vom sogenannten statistischen Effekt betroffenen Regionen, müssen angemessene und faire Übergangsregelungen innerhalb des Konvergenzzieles geschaffen werden. Der Europäische Sozialfonds muss im Rahmen der Kohäsionspolitik verbleiben.
- 73. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Kohäsionspolitik sowohl zu den EU-Zielen als auch zur Bewältigung der neuen Herausforderungen einen wichtigen Beitrag leistet, insbesondere indem sie die Wettbewerbsfähigkeit, Innovationen und Beschäftigung sowie Maßnahmen zur Förderung von Ressourcen- und Energieeffizienz, Energiesparmaßnahmen und von Öko-Innovationen in den Regionen der EU stärkt und zur Bewältigung des demografischen Wandels beiträgt. Die Bewältigung der neuen Herausforderungen kann in die Kohäsionspolitik integriert werden, ohne dass neue eigene Ziele geschaffen und die Mittelbewirtschaftung zentralisiert werden müssen.
- 74. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Kohäsionspolitik auch zukünftig auf Basis einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den nationalen, regionalen und örtlichen Akteuren umsetzen will. Er fordert die Kommission auf, bei der Erarbeitung ihrer Vorschläge für die Kohäsionspolitik nach 2013 im fünften Kohäsionsbericht (strategische Initiative Nr. 34) an dem regionalen integrierten Ansatz bei der Programmierung und Umsetzung der Kohäsionspolitik festzuhalten, um auch zukünftig die effektive Mobilisierung der Potenziale und Akteure vor Ort zu gewährleisten.
- 75. Bei der vorgesehenen Überprüfung des EU-Haushalts muss ein Ausgleich zwischen den bisherigen Prioritäten und den neuen Herausforderungen gefunden werden, um den politischen Zielen der EU gerecht zu werden. Der Bundesrat sieht als wichtige zukünftige Aufgaben die Förderung von Innovationen, einer wissensbasierten Wirtschaft, von Forschung, Entwicklung und Qualifizierung und die Regionalförderung an. Der Bundesrat macht in diesem Zusammenhang erneut darauf aufmerksam, dass nicht alle europäischen Aufgaben und zukünftigen Herausforderungen eine europäische Finanzierung erforderlich machen. Die EU sollte bei der Neuausrichtung des EU-Haushaltes daher vorrangig interne Mittelumschichtungen in Betracht ziehen oder Instrumente einsetzen, die nicht oder nur bedingt ausgabenwirksam sind. Der Anteil des EU-Budgets an der Wirtschaftsleistung der EU darf sich nicht erhöhen.
- 76. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.