Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist Drucksache: 164/12 (PDF)

in Verbindung mit

Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus Drucksache: 165/12 (PDF) in Verbindung mit

Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG) Drucksache: 166/12 (PDF)

Der Bundesrat hat in seiner 896. Sitzung am 11. Mai 2012 beschlossen, zu den Gesetzentwürfen gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu den Gesetzentwürfen allgemein

Zum Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG), BR-Drucksache 166/12 (PDF)

11. Zu § 3 ESMFinG

§ 3 ist wie folgt zu fassen:

" § 3 Beteiligung des Bundesrates

12. Zu § 3a - neu - ESMFinG

Nach § 3 ist folgender § 3a einzufügen:

" § 3a Unterrichtung des Bundesrates durch die Bundesregierung

Begründung:

Dem Bundesrat muss es möglich sein, in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus seine Integrationsverantwortung und seine Verantwortung zur Kontrolle des Haushaltsvollzugs wahrzunehmen.

Sowohl die Gewährung von Stabilitätshilfe als auch die Festlegung von deren Modalitäten sind aus Sicht der Länder EU-Vorhaben und die Beteiligungsrechte des Bundesrates in EU-Angelegenheiten (Artikel 23 GG und EUZBLG) somit einschlägig.

Die Gewährung einer Stabilitätshilfe des ESM kann Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundeshaushalts einschließlich der Kreditaufnahme des Bundes haben. Damit sind auch Länderinteressen berührt.

Da die Maßnahmen des ESM Interessen der Länder berühren, ist Artikel 23 Absatz 5 GG einschlägig. Danach muss die Bundesregierung eine Stellungnahme des Bundesrates berücksichtigen. Zur "Berücksichtigung" einer Stellungnahme des Bundesrates nach Artikel 23 Absatz 5 GG gehört aus Sicht der Länder, dass sich die Bundesregierung mit entsprechenden Stellungnahmen befasst und sich mit ihnen auseinandersetzt (so auch Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Artikel 23 GG Rn. 58). Wenn die Bundesregierung von einer solchen Stellungnahme abweichen will, so sollte sie dies dem Bundesrat gegenüber - schon nach den Grundsätzen der Verfassungsorgantreue - mit entsprechender Begründung tun. Schon nach geltendem Recht muss die Bundesregierung die maßgeblichen Gründe für ein Abweichen nach Abschluss eines EU-Vorhabens auf Verlangen des Bundesrates mitteilen. Damit der Bundesrat bei einer Abweichung von einer Stellungnahme des Bundesrates zu einer Finanzhilfe ggf. nochmals Stellung nehmen kann, sollen die Gründe für eine Abweichung nach Möglichkeit vor der Beschlussfassung im Gouverneursrat des ESM erfolgen. Des Weiteren haben die Länder bei der Aufstellung des Haushaltes nach Artikel 110 GG sowie bei der Übernahme von Gewährleistungen nach Artikel 115 GG das Recht, nach erfolgloser Durchführung eines Vermittlungsverfahrens Einspruch einzulegen. Zur Kompensation der fehlenden Einspruchsmöglichkeit fordern die Länder daher die Begründungspflicht der Bundesregierung im Falle einer geplanten Abweichung von einem Bundesratsbeschluss. Eine Bindungswirkung besteht nicht. Der Bundesrat fordert kein Vetorecht bezüglich der Gewährung von Stabilitätshilfe und der Auflagen.

Aus Artikel 23 Absatz 2 GG folgt außerdem, dass Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten gleichrangig zu unterrichten sind. Im Hinblick auf das Urteil des BVerfG vom 28. Februar 2012 zum sog. 9-er Gremium muss jedoch eine Ausnahme aufgenommen werden, aus der hervorgeht, dass in Fällen von Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilitäten im Sinne von Artikel 18 ESMVertrag eine Unterrichtung erst erfolgt, wenn die Gründe für die besondere Vertraulichkeit weggefallen sind.

Zum Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, BR-Drucksache 165/12 (PDF)

13. Zu Artikel 1a - neu - Nach Artikel 1 ist folgender Artikel 1a einzufügen:

"Artikel 1a

Eine Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zur Änderung des ESM-Vertrags erfolgt durch ein Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates." Begründung:

Aus Sicht der Länder ist der ESM-Vertrag nach Artikel 23 Absatz 1 GG zu ratifizieren. Hieraus folgt, dass auch zukünftige Änderungen des ESM-Vertrags wiederum einer Zustimmung des Bundesrates bedürfen.

14. Zu Artikel 2

Artikel 2 ist wie folgt zu fassen:

"Artikel 2

Begründung:

Bei Nutzung der vertragsimmanenten Änderungsklauseln der Artikel 10 und 19 ESM-Vertrag handelt es sich um substantielle Änderungen des ESM-Vertrags, die auch im Zeitpunkt der Zustimmung zu dem Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht überschaubar sein werden. Deshalb berührt die Nutzung der vertragsimmanenten Änderungsklauseln erneut die Integrationsverantwortung von Bundestag und Bundesrat. Auch diese im Vertrag angelegten Evolutivklauseln bedürfen daher erneut eines Zustimmungsgesetzes nach Artikel 23 Absatz 1 GG.