Der Bundesrat hat in seiner 841. Sitzung am 15. Februar 2008 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung von Maßnahmen gegen die Gefährdung des Kindeswohls
Der Bundesrat nimmt die erneut aufgetretenen Fälle von Kindesmisshandlungen mit großer Betroffenheit und Sorge zur Kenntnis und setzt sich dafür ein, dass
- 1. umgehend eine gesetzliche Grundlage für verbesserte Eingriffsmaßnahmen und beschleunigte familiengerichtliche Verfahren bei der Gefährdung des Kindeswohls geschaffen wird. Dazu muss der dem Deutschen Bundestag vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls zügig in Kraft gesetzt werden.
- 2. umgehend die gesetzlichen Grundlagen für eine Verpflichtung der Krankenkassen geschaffen werden, untereinander und mit Dritten - den Ländern bzw. dem öffentlichen Gesundheitsdienst - bei Maßnahmen zur Steigerung der Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen zu kooperieren;
- 3. die Kinderuntersuchungsrichtlinie in Bezug auf spezifische Fragestellungen zur Erkennung von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung weiterentwickelt wird und die Untersuchungsintervalle optimiert werden;
- 4. neben der Einführung von Parametern zur Erkennung von Kindeswohlgefährdung in die Kinderrichtlinien den niedergelassenen Ärzten die Abrechnung von Früherkennungsuntersuchungen außerhalb der vorgegebenen Zeitfenster ermöglicht wird.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in diesem Sinne einzusetzen.
Begründung
Das gesunde Aufwachsen von Kindern, das Erkennen von Risiken für ihre Entwicklung und der Schutz vor Gefährdungen ist nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern auch Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Das Grundgesetz überantwortet die Sorge für Kinder zu Recht primär ihren Eltern. Gleichzeitig weist es allerdings der staatlichen Gemeinschaft die Verantwortung zu, über die Ausübung der elterlichen Sorge zu wachen. Die meisten Eltern versorgen und betreuen ihre Kinder angemessen und geben ihnen eine liebevolle Zuwendung und Anreize zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit.
Doch dort, wo dies nicht der Fall ist, weil hohe Belastungen und vielfältige bzw. schwerwiegende Risiken die Lebenssituation kennzeichnen, muss der Staat frühzeitig auf die Eltern zugehen, um ihnen Hilfe und Unterstützung zu gewähren. Wichtige Maßnahmen zur Verbesserung des Kinderschutzes sind:
- - die Herstellung einer Verbindlichkeit der Früherkennungsuntersuchungen
- - der Ausbau von aufsuchenden Beratungs- und Hilfsangeboten (Familienhebammen, Erziehungslotsen)
- - Angebote zur Stärkung der Erziehungskompetenz
- - Vernetzung und Koordinierung vorhandener Strukturen.
Es bedarf aber nicht nur landesrechtlicher Bemühungen, vielmehr müssen auch auf Bundesebene alle Möglichkeiten genutzt werden, den Kinderschutz weiter zu verbessern. Es ist deshalb dringend geboten, die relevanten Vorschriften zum familiengerichtlichen Kinderschutz baldmöglichst dahin gehend auszugestalten, dass Familiengerichte und Jugendämter als Verantwortungsgemeinschaft in der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben zum Schutz gefährdeter Kinder gestärkt werden. Der Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (BR-Drs. 550/07 (PDF) ; BT-Drs. 016/6815) bietet hierzu ein geeignetes Instrumentarium. Er muss daher möglichst schnell verabschiedet werden.
Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder sind ein wichtiges Instrument der Kindergesundheit, um einer körperlichen, psychischen oder geistigen Fehlentwicklung von Kindern durch präventives Handeln vorzubeugen. Sie stellen gleichzeitig vor dem Hintergrund ihrer Häufigkeit und Regelmäßigkeit eine Möglichkeit dar, Verdachtsfälle auf Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellen Missbrauch zu erkennen und eine frühzeitige Intervention einzuleiten.
Es gilt deshalb, Früherkennungsuntersuchungen noch stärker als einen wichtigen Baustein für den Kinderschutz zu nutzen und die Kinder auch im Hinblick auf Merkmale von Misshandlung und Vernachlässigung zu untersuchen.