Antrag des Landes Hessen
Entschließung des Bundesrates zur "Graue-Flecken-Förderung der Bundesregierung"

Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, 3. September 2020

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, die anliegende Entschließung des Bundesrates zur "Graue-Flecken-Förderung der Bundesregierung" mit dem Antrag zuzuleiten, die Entschließung zu fassen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 993. Plenarsitzung am 18. September 2020 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier

Entschließung des Bundesrates zur "Graue-Flecken-Förderung der Bundesregierung"

Der Bundesrat möge beschließen:

Begründung:

Die EU-Kommission verfolgt mit der "Digitale Agenda für Europa" zunächst das Ziel der Erreichung einer flächendeckenden Breitbandversorgung in der EU mit einer Geschwindigkeit von mindestens 30 Mbit/s bis 20201. Vor diesem Hintergrund liegt die derzeitige Aufgreifschwelle im Breitbandausbau bei einer Download-Übertragungsgeschwindigkeit von 30 Mbit/s.

In Deutschland darf dieses Ziel mit einer bestehenden Versorgung von mindestens 30 Mbit/s für 93,6 % der Haushalte zum Stand Ende 20192 und vor dem Hintergrund einer Vielzahl noch laufender, bereits projektierter oder in Projektierung befindlicher Breitbandausbauvorhaben als weitestgehend erreicht gelten.

Die Bundesregierung hat erkannt, dass die derzeit verfügbaren Bandbreiten nicht ausreichen, um auch den künftigen Bedarfen und Anforderungen gerecht zu werden. Sie hatte sich das Ziel einer flächendeckenden Verfügbarkeit von Gigabit-Netzen bis 2025 gesetzt3. Sie möchte dort, wo der Markt nicht oder nicht absehbar von sich aus tätig wird, mit einem sogenannten "Graue-Flecke"-Förderprogramm bundesweit den Glasfaserausbau bis in die Gebäude hinein unterstützen.

Auch bei der EU-Kommission setzt sich zwischenzeitlich die Auffassung durch, dass die vor gut einem Jahrzehnt ausgerufenen Anforderungen an digitale Infrastrukturen nicht mehr zeitgemäß sind. In der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 19.2.2020 (COM (2020) 67 final), "Gestaltung der digitalen Zukunft Europas" (vgl. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/communicationshapingeuropesdigitalfuturefeb2020 de 0.pdf ), heißt es:

"Konnektivität ist der wichtigste Baustein des digitalen Wandels. Sie ermöglicht den Fluss von Daten und die Zusammenarbeit zwischen Menschen, wo auch immer sie sich befinden, und erlaubt es, mehr Objekte mit dem Internet zu verbinden, wodurch sich Produktions-, Mobilitäts- und Logistikketten verändern. Die Gigabit-Anbindung auf der Basis sicherer Glasfaser- und 5G-Infrastrukturen ist ausschlaggebend, wenn das digitale Wachstumspotenzial Europas ausgeschöpft werden soll.

Zu diesem Zweck sind angemessene Investitionen auf EU-, nationaler und regionaler Ebene erforderlich, um die Konnektivitätsziele der Strategie Europa 2025 zu erreichen."

Allerdings werden nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen zwischen Bundesregierung und EU-Kommission zur Aufgreifschwelle weiterhin Bandbreiten von 100 Mbit/s (als gesichert Bandbreite, aber gleichwohl asymmetrisch) für die nächsten beiden Jahre vorgegeben. Eine Aufgreifschwelle von gesichert 100 Mbit/s asymmetrisch für das "Graue-Flecken"-Förderprogramm der Bundesregierung wird den geförderten Breitbandausbau in Deutschland jedoch überwiegend verhindern und stark verteuern.

Mit Stand Ende 2019 verfügen bereits rund 84% der Haushalte in Deutschland über eine Bandbreite von mindestens 100 Mbit/s. Dem vorhandenen Versorgungsgrad können ca. 5 Prozentpunkte hinzugerechnet werden für die bereits zum Ausbau projektierten Gebiete. Es verbleiben lediglich rund ca. 10% der deutschen Haushalte förderfähig, sofern dort kein eigenwirtschaftlicher Ausbau stattfindet.

Die verbleibenden Gebiete werden stark fragmentiert sein und ein flächendeckender Ausbau ist nur noch unter großen monetären Anstrengungen und unter hohem baulichen Aufwand möglich. Zugleich steht einem solchen Ausbau bei hohen Anschlusskosten lediglich eine geringe Anzahl anzuschließender Haushalte gegenüber. Vor dem Hintergrund begrenzter personeller, finanzieller und technischer Mittel kann sich eine starke Fehlallokation knapper verfügbarer Ressourcen ergeben.

Es ist daher nicht sinnvoll, für die nächsten beiden Jahre in ein Förderprogramm mit einer neuen Aufgreifschwelle von 100 Mbit/s einzusteigen, um dann ab 01.01.2023 ohne Aufgreifschwelle weiter zu fördern. Dies würde zu einer weiteren Zersplitterung der Ausbaugebiete und zu erheblichen Irritationen bei den Akteuren (Telekommunikationswirtschaft wie Länder und Kommunen) führen.

Sollte der Bund gleichwohl seinen zweistufigen Plan weiterverfolgen, muss die anstehende neue Rahmenregelung bzw. die darauf aufbauende neue Förderrichtlinie optimal ausgestaltet und sinnvoll mit der Förderung ohne Aufgreifschwelle ab 01.01.2023 verknüpft werden.

Dazu sollten auch zielgerichtete Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern implementiert werden, um die Bundesförderung so effizient wie möglich zu gestalten und die weiteren Schritte auf dem Weg hin zu einer Gigabitversorgung auf den Weg zu bringen.