Der Bundesrat hat in seiner 977. Sitzung am 17. Mai 2019 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst
Anlage
Entschließung des Bundesrates: Fertigung von Batteriezellen als Speichermedium zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz in Deutschland
- 1. Die Automobilindustrie hat im Hinblick auf Wertschöpfung, Exportanteil, Innovation und Beschäftigung eine herausragende volkswirtschaftliche Bedeutung in Deutschland. Bund und Länder tragen dieser industriepolitischen Bedeutung in ihrer Wirtschafts-, Energie- und Forschungspolitik Rechnung. Die grundlegenden Entwicklungen in den neuen Antriebstechnologien und bei der Digitalisierung müssen aktiv begleitet werden, damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie erhalten bleibt. Deutschland hat ein großes Interesse, auch in Zukunft führender Standort der Automobilindustrie zu sein. Ziel muss die nachhaltige Sicherung dieser Schlüsselindustrie sowie zukunftsfähiger Arbeitsplätze entlang der gesamten Wertschöpfungskette sein.
Der Bundesrat stellt fest, dass durch eine innovativ aufgestellte Batteriezellproduktion, die insbesondere auf zukünftige Batteriezelltechnologien abzielt, Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Wachstum in Deutschland erhalten werden. Zur Etablierung einer Batteriezellproduktion sind gemeinsame Anstrengungen mit den Unternehmen des Sektors erforderlich.
- 2. Insbesondere treibhausgasarme Elektromobilität ist ein zentraler Baustein zum Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehrssektor auf Bundes- und Länderebene. Deutschland verfolgt das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015, den Treibhausgasausstoß drastisch zu senken. Um einen optimalen Beitrag zum Klimaschutz und den Erfordernissen zur CO₂-Minderung bis 2030 zu leisten, ist ein klimafreundlicher Strommix nicht nur in der Nutzungsphase sondern auch in der Batterie- und Fahrzeugherstellung von großer Bedeutung. Gezielter Bezug von Strom aus erneuerbaren Energien oder Anreize zur eigenen Stromerzeugung sollten bei der Förderung von Batteriezellenproduktionsstätten berücksichtigt werden.
- 3. Der Bundesrat spricht sich für die Ansiedlung von Batterie- und Batteriezellproduktionsstätten in Deutschland aus. Damit ein wirtschaftlicher Einsatz erneuerbarer Energien für die Batterie- und Batteriezellproduktion möglich wird, fordert der Bundesrat, die bestehenden Regelungen für energieintensive Unternehmen zur Absenkung von Stromnebenkosten, wie Netzentgelte und Stromsteuer, für die Belange einer solchen Produktion anzupassen. Zudem bittet der Bundesrat hier zu prüfen, ob für den Strombezug von Unternehmen, die eine großskalige Zellfertigung in Deutschland realisieren, dauerhaft eine vollständige oder teilweise Befreiung von der EEG-Umlage in Betracht kommt.
- 4. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die umfassende Förderung einer innovativen, ressourcenschonenden sowie treibhausgasarmen Batteriezellforschung und Batteriezellproduktion Deutschland im internationalen Wettbewerb perspektivisch Vorteile verschaffen kann. Dies gilt vor allem für die Entwicklung von Batterien "der nächsten Generation".
Der Bundesrat stellt fest, dass durch eine heimische Batteriezellproduktion zusätzliche Beschäftigung in erheblichem Umfang generiert bzw. durch Anbindung an vorhandene Zulieferstandorte gesichert werden kann.
- 5. Die CO₂-Emissionsvorgaben für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge werden eine Umstellung der Fahrzeugflotten und -antriebe auf Elektromobilität wahrscheinlich machen. Es bleibt ein Ziel deutscher Industrie-, Klima- und Umweltpolitik, die Verbreitung emissionsarmer Antriebe und Energieträger insgesamt zu fördern. Für die Automobil- und Zulieferindustrie kann die Umstellung auf Elektroantriebe und andere klimaschonende Technologien eine deutliche Reduktion der Fertigungstiefe und einen Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten.
- 6. Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass die Industrie- und Forschungspolitik die Rahmenbedingungen dafür schafft, dass neue, beschäftigungswirksame Wertschöpfungsketten in Deutschland entstehen. Der Bundesrat stellt fest, dass durch Batteriezellforschung und eine Batteriezellproduktion Know-How, Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Wachstum in Deutschland erhalten werden können. Zur Etablierung einer Batteriezellproduktion sind gemeinsame Anstrengungen mit den Unternehmen der betroffenen Sektoren erforderlich.
Der Bundesrat unterstützt Initiativen der Bundesregierung, Fördermittel zur industriellen Fertigung für mobile und stationäre Energiespeicher für Forschung und Entwicklung zur Batteriezellfertigung sowie zur Errichtung von Produktionsstätten bereitzustellen.
- 7. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Projekte zur stationären Zweitnutzung von Fahrzeugbatterien sowie Aktivitäten zur Forschung, Entwicklung und Realisierung von Recyclingmöglichkeiten für Fahrzeugbatterien mit entsprechenden Förderprogrammen zu unterstützen.
- 8. Der Bundesrat unterstützt die eingeleiteten Maßnahmen der Europäischen Union zur Etablierung einer Zellfertigung, etwa die Einrichtung der Europäischen Batterieallianz und die Verabschiedung des strategischen Aktionsplans der EU. Der Bundesrat begrüßt die Kooperationsbemühungen der Bundesregierung mit anderen europäischen Mitgliedstaaten.
- 9. Die Produktion von Batteriezellen muss hohen Umwelt- und Arbeitsschutzstandards genügen, um nicht ihrerseits den Schutz der Umwelt und des Klimas vor weiteren Schädigungen zu konterkarieren. Sie darf insbesondere nicht zu erheblichen negativen Umweltauswirkungen führen. Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass die Gewinnung der für die Batteriezellproduktion benötigten Rohstoffe in den Abbauländern diese Anforderungen häufig nicht erfüllt. Er fordert die Bundesregierung sowie die Hersteller, Zulieferer und Energieunternehmen daher auf, geeignete Maßnahmen zu treffen, um in den Abbauländern europäische Umwelt- und Arbeitsschutzstandards bei der Gewinnung der für die Batteriezellproduktion benötigten Rohstoffe zu gewährleisten und eine Schädigung der dortigen Umweltschutzgüter zu vermeiden. Hierfür könnte ein valides Zertifizierungssystem ein geeigneter Ansatz sein.
Begründung:
Der Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen können nur gelingen, wenn der technologische Wandel die gesamte Wertschöpfungskette erfasst. Eine heimische Batteriezellfertigung und -forschung kann wesentliches Knowhow für die Wertschöpfungskette liefern. Für die Errichtung einer Batteriezellfertigung in Deutschland statt des Batteriezellenkaufs müssen die betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sein bzw. werden. Die Förderung des Bundes stellt einen wichtigen Anreiz dar.
Die neuen technologischen Ansätze bei Antriebsformen sind eine Schlüsseltechnologie in verschiedenen Sektoren und für die Umsetzung der Energiewende im Verkehr. Insbesondere der Verkehrssektor steht vor großen Herausforderungen in der Erreichung der Ziele zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes. Aus Nutzer- und Unternehmenssicht muss emissionsarme Mobilität aber bezahlbar bzw. wirtschaftlich sein.
Eine treibhausgasarme Produktion auf der Grundlage erneuerbarer Energien leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Die Klima- und Umweltverträglichkeit über den gesamten Produktlebenszyklus wird zusätzlich dadurch gewährleistet, dass die Unternehmen Aktivitäten zur Zweitverwertung von Batterien und des Recycling umsetzen. Beide tragen zu nennenswerten Umweltbilanzgewinnen und einer Ressourcenschonung bei.