830. Sitzung des Bundesrates am 16. Februar 2007
Der federführende Rechtsausschuss (R) und der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen zuzustimmen:
1. Zu § 3 Abs. 3 Satz 1a - neu -In § 3 Abs. 3 ist nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:
- Dabei sind die Standards von § 3 der Barrierefreie Informationstechnikverordnung maßgebend.
Begründung
:Die BITV vom 17. Juli 2002, die auf Grund von § 11 Abs. 1 Satz 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467) ergangen ist, legt die technischen Kriterien zur Programmierung und Implementierung von mittels Informationstechnik realisierten Angeboten fest, bei deren Einhaltung das jeweilige Angebot als barrierefrei gilt. Barrierefrei bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Angebot auch für Menschen mit Behinderung (insbesondere für auf Screenreader angewiesene, also blinde oder sehbehinderte Menschen) nutzbar ist.
§ 3 BITV regelt in der Anlage (Teil 1) die technischen Standards, die einzuhalten sind. Damit wird sichergestellt, dass blinde und sehbehinderte Menschen Kenntnis vom Inhalt eines elektronischen Dokuments erhalten können.
2. Zu § 4 Abs. 2 Satz 3
§ 4 Abs. 2 Satz 3 ist zu streichen.
Begründung
:Ziel der Verordnung ist es, die Diskriminierung blinder und sehbehinderter Personen in gerichtlichen Verfahren dadurch zu beseitigen, dass diese Personen in die Lage versetzt werden sollen, sie betreffende Schriftstücke selbst und unmittelbar zur Kenntnis nehmen zu können. Ist eine blinde oder sehbehinderte Person durch einen gewillkürten oder gesetzlichen Vertreter in dem sie betreffenden gerichtlichen Verfahren vertreten, so erscheint eine Schlechterbehandlung dieser Person auf Grund ihrer Behinderung ausgeschlossen, weil eine insoweit nicht behinderte Person in der Lage ist, ihr die sie betreffenden Informationen zukommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund ist § 4 Abs. 2 Satz 3 ZMV zu verstehen, dessen Rechtsfolge die Unzulässigkeit eines Antrages nach § 4 Abs. 2 Satz 1 ZMV durch den Blinden oder Sehbehinderten selbst ist, wenn der Prozessvertreter diesen Antrag nicht unterstützt. Eine solche Regelung erscheint auch prozessökonomisch, weil es in der Regel nicht nötig sein dürfte, dem Blinden oder Sehbehinderten Kenntnis von Dingen zu verschaffen, über die er von seinem Vertreter genauso gut informiert werden kann.
§ 4 Abs. 2 Satz 3 ZMV begegnet jedoch grundsätzlichen Bedenken. Denn durch diese Regelung wird für die blinde oder sehbehinderte Person ein mit der Vorschrift des § 1903 BGB vergleichbarer Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Abgesehen von der Frage, ob eine solche Einschränkung der Geschäftsfähigkeit der blinden oder sehbehinderten Person durch eine bloße Verordnung den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügt, ist die Regelung auch deswegen abzulehnen, weil sie die blinde oder sehbehinderte Person der Gefahr aussetzt, die Rechte entzogen zu bekommen, die ihr durch die Zugänglichmachungsverordnung gewährt werden sollen. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Vertreter nicht redlich ist oder das Vertrauensverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem gestört ist. Kann eine nicht behinderte Person das Wirken ihres Vertreters umfassend kontrollieren, so wird eine solche Kontrolle durch den vertretenen Blinden oder Sehbehinderten durch § 4 Abs. 2 Satz 3 ZMV erschwert oder sogar unmöglich gemacht. Darüber hinaus ist eine solche Regelung systemfremd. Die Postulationsfähigkeit jeder natürlichen an einem gerichtlichen Verfahren beteiligten Person ist auch im Fall ihrer Vertretung grundsätzlich nicht eingeschränkt, es sei denn, dass eine Vertretung - wie z.B. im landgerichtlichen Zivilverfahren - gesetzlich vorgeschrieben ist.
Ergänzende Texte: § 3 BITV
§ 3 Anzuwendende Standards
Die Angebote der Informationstechnik (§ 1) sind gemäß Anlage 1 zu dieser Verordnung so zu gestalten, dass
- 1. alle Angebote die unter Priorität I aufgeführten Anforderungen und Bedingungen erfüllen und
- 2. zentrale Navigations- und Einstiegsangebote zusätzlich die unter Priorität II aufgeführten Anforderungen und Bedingungen berücksichtigen.
Checklisten:
Priorität I : http://www.wob11.de/checklistbitvprio1.html
Priorität II: http://www.wob11.de/checklistbitvprio2.html