Schleswig-Holstein Kiel, 31. Januar 2017
Der Ministerpräsident
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Landesregierung Schleswig-Holstein hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates für ein Bundesprogramm "Sportinfrastrukturförderung in Deutschland" zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 953. Sitzung am 10. Februar 2017 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Albig
Entschließung des Bundesrates für ein Bundesprogramm "Sportinfrastrukturförderung in Deutschland"
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine bedarfsorientierte, funktionsfähige und energetisch zukunftsträchtige Sportstätteninfrastruktur unerlässlich ist, um die vielfachen positiven gesellschaftlichen Wirkungen des Sports zum Tragen kommen zu lassen.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Sportstätteninfrastruktur bundesweit vielfach nicht den notwendigen Anforderungen für Sportvereine und Schulen entspricht. Es besteht - trotz einzelner Unterstützungsprogramme des Bundes und zahlreicher Förderprogramme in den Ländern - ein hoher Sanierungsstau bei der Sportstätteninfrastruktur in den Ländern.
- 3. Der Bundesrat stellt weiterhin fest, dass eine effektive, gesamtstaatliche Lösung der Sanierungs- und Modernisierungsprobleme nur durch eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen zu erreichen ist.
- 4. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, ein Bundesprogramm "Sportinfrastrukturförderung in Deutschland" aufzulegen. Ziel ist es, Länder und Kommunen in die Lage zu versetzen, den seit Jahrzehnten bestehenden Sanierungsstau der kommunalen Sportstätteninfrastruktur zu beseitigen.
Begründung:
Ohne Zweifel ist der Sport zentraler Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Deutschland; seine gesellschaftspolitische Bedeutung ist unumstritten. Er ist in vielen gesamtgesellschaftlich wichtigen Bereichen engagiert - sei es in der Gesundheitsvorsorge, der Inklusion in die Gesellschaft, der Integration und der Vermittlung wichtiger Werte und Regeln unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Breiten- und Spitzensport stehen dabei in einer engen Symbiose: Der Spitzensport rekrutiert seine Talente aus den Breitensportvereinen; diesen wiederum dienen Spitzensportler als Vorbilder und "Zugpferde".
Der Erhalt einer verlässlichen, bedarfsorientierten und energetisch zukunftsträchtigen Sportinfrastruktur ist eine unerlässliche Grundlage für jede Sportausübung. Spitzen-, Leistungs- und Breitensport können ohne funktionierende Sportstätten und -anlagen, die Einrichtungen der Daseinsvorsorge sind, ihre weitreichenden gesellschaftlichen Funktionen nicht erfüllen.
Nicht ertüchtigte Sportstätten beeinträchtigen nicht nur den Vereins-, sondern in gleicher Weise auch den Schulsport. Ein Großteil der kommunalen Sportstätten wird für den Sportunterricht an Schulen benötigt. Um den Sportunterricht für jedes Kind in Deutschland vielseitig, qualifiziert und in ausreichendem Umfang erteilen zu können, bedarf es funktionierender Sportanlagen.
Sowohl der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2013 als auch der 13. Sportbericht der Bundesregierung (Drs.18/3523) erkennen diesen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer bedarfsgerechten Sportstätteninfrastruktur und einem verlässlichen Sportbetrieb an:
"Aus diesem Grund ist der Erhalt einer attraktiven, ausgewogenen und bedarfsorientierten Infrastruktur für den gesamten Sportbetrieb, insbesondere die Förderung von Sportstätten und -anlagen für den Spitzensport, fester Bestandteil des Sportförderprogramms der Bundesregierung"(13. Sportbericht).
Dieser Erkenntnis entgegen steht der nach wie vor bundesweit hohe - auch energetische - Sanierungs- und Modernisierungsbedarf im Bereich der Sportstätteninfrastruktur.
Allein in Schleswig-Holstein hat die durch das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein in 2014 erstellte Sportstatistik bei einem Bestand von 3.808 Sportstätten einen Sanierungsbedarf in Höhe von 55 Mio. € in der mittelfristigen Finanzplanung bei 1.250 Anlagen nur der kommunalen Sportstätten ergeben. Der Großteil der Sportstätten in Schleswig-Holstein befindet sich in kommunalem Eigentum. Diese Situation spiegelt sich - ebenso wie der Finanzierungsbedarf - entsprechend auch in allen anderen Ländern wieder. Einen vergleichbar hohen Sanierungsbedarf weisen die knapp 600 vereinseigenen Sportstätten in Schleswig-Holstein auf.
Die seit 2010 durch das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag der KfW-Bankengruppe durchgeführte jährliche bundesweite Befragung von Städten, Landkreisen und Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern "Kommunale Investitionen - Investitionsbedarf, Investitionstätigkeit, Finanzierungsmöglichkeiten - KfW-Kommunalpanel" kommt aktuell zu einem Investitionsrückstand der Kommunen für 2015 von insgesamt 136 Milliarden Euro. Davon entfallen knapp 11 Milliarden Euro auf den Bereich Sportstätten und Bäder.
Weiteren Überlegungen zur Überwindung des Sanierungsstaus sollte diese Zahl zugrunde gelegt werden (im Gegensatz zu den vom DOSB seit zehn Jahren unverändert genannten 42 Milliarden Euro).
Zahlreiche Förderprogramme auf Ebene der Länder sowie des Bundes wie z.B. das Konjunkturpaket II haben zwar zu einer gewissen Absenkung des Sanierungsstaus geführt. Dass dieser allerdings immer noch in erheblicher Höhe besteht, macht nicht nur die o.g. Difu-Studie deutlich. Auch die Bundesregierung selbst hat z.B. in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage zum Bundesprogramm "Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur" (Drs. 18/8250) den "hohen Investitionsbedarf in den Kommunen" erkannt.
Der Sanierungsstau ist von den Ländern allein nicht zu bewältigen. Eine nachhaltige Lösung ist nur durch eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen zu erreichen. Notwendig ist daher ein Bundesprogramm "Sportinfrastruktur in Deutschland" zur effizienten Unterstützung der Länder und der Kommunen.
Gemäß Art 30 GG ist die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder, soweit das GG keine andere Regelung trifft oder zulässt. Für den (Breiten-)Sport gibt es keine andere verfassungsrechtliche Regelung. Zwar erlaubt Art. 104b Abs. 1 GG dem Bund unter engen Voraussetzungen die Gewährung von Finanzhilfen an die Länder. Ein Beispiel für eine gleichwohl mögliche länderfreundliche Regelung ist das Konjunkturpaket II: Es wurde seinerzeit auf Art. 104b GG gestützt (Argument: "Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts"). Letztlich würde die Auflage eines Bundesprogramms "Sportinfrastrukturförderung in Deutschland" für Breitensportinfrastruktur somit eine freiwillige Leistung des Bundes sein.
Im Rahmen der Neuregelung des bundestaatlichen Finanzausgleichssystems ab 2020 wird derzeit u.a. beraten, dem Bund "mehr Steuerungsrechte bei Finanzhilfen" durch eine "grundgesetzliche Erweiterung der Mitfinanzierungskompetenzen [...] im Bereich der kommunalen Bildungs-Infrastruktur für finanzschwache Kommunen" einzuräumen. Dieser Ansatz entspricht der Zielsetzung dieser Bundesratsinitiative, wenn davon auch die kommunale Sportinfrastruktur, die zu einem großen Teil von den Schulen genutzt wird, umfasst wird.