Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 318647 - vom 30. November 2007.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 25. Oktober 2007 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu den schädlichen Folgen bestimmter Arten konventioneller Munition (Landminen und Streumunition, Munition mit abgereichertem Uran, Phosphor-Bomben und explosive Kampfmittelrückstände), die von Staaten ebenso wie von nichtstaatlichen Akteuren eingesetzt werden,
- - unter besonderem Hinweis auf seine Entschließung vom 16. November 2006 zu dem Übereinkommen über das Verbot von biologischen Waffen und Toxinwaffen (BWÜ), Splitterbomben und konventionellen Waffen1, in der die EU - Organe aufgefordert wurden die Initiative zu einem umfassenden, wirksamen Übereinkommen über ein weltweites Verbot von Streumunition zu unterstützen,
- - unter Hinweis auf das Protokoll V vom 28. November 2003 über explosive Kampfmittelrückstände, das dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über bestimmte konventionelle Waffen (CCW) ("Protokoll V über explosive Kampfmittelrückstände") beigefügt ist und dessen Inkrafttreten am 12. November 2006 zu begrüßen ist,
- - unter Hinweis auf die Erklärung von Oslo, die am 22. und 23. Februar 2007 von einer Gruppe von Staaten, Organisationen der Vereinten Nationen, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, der "Cluster Munitions Coalition" und anderen humanitären Organisationen verabschiedet wurde und in der vereinbart wurde, bis 2008 ein rechtsverbindliches internationales Instrument zu beschließen, das den Einsatz, die Herstellung, die Weitergabe und die Lagerung von Streumunition, die Zivilpersonen einen nicht hinnehmbaren Schaden zufügen, verbietet ("Prozess von Oslo"),
- - unter Hinweis auf den Entwurf des Verhandlungsmandats für das CCW-Abkommen in Bezug auf Streumunition, das von Deutschland im Namen der Europäischen Union der Gruppe der Regierungsexperten des CCW-Übereinkommens vorgelegt wurde,
- - unter Hinweis auf die Gemeinsame Aktion 2007/528/GASP des Rates vom 23. Juli 2007, die im Rahmen der Europäischen Sicherheitsstrategie das Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können, unterstützt2,
- - unter Hinweis auf den neuen Standpunkt der Vereinten Nationen (UN) zu Streumunition, die auf dem Treffen der UN-Spitzenvertreter vom 17. September 2007 zum Ausdruck gebracht wurde und in der die UN die Mitgliedstaaten auffordern, unverzüglich gegen die furchtbaren humanitären, menschenrechtlichen und entwicklungsbezogenen Folgen von Streumunition vorzugehen, indem sie ein rechtsverbindliches Instrument des internationalen humanitären Rechts verabschieden, das die Verwendung, Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Weitergabe von Streumunition, die nicht hinnehmbaren Schaden an Zivilpersonen verursacht, verbietet, die Vernichtung der gegenwärtigen Bestände an solcher Munition verlangt und Maßnahmen zur Räumung, Aufklärung über die Risiken und sonstige Tätigkeiten zur Risikominderung, die Unterstützung der Opfer, Unterstützung und Zusammenarbeit sowie Maßnahmen in Bezug auf Einhaltung und Transparenz vorschreibt und in der erklärt wird, dass die UN bis zur Verabschiedung eines solchen Vertrags die Staaten auffordern innerstaatliche Maßnahmen zu treffen, um die Verwendung und Weitergabe sämtlicher Streumunition unverzüglich einzustellen,
- - unter begrüßendem Hinweis auf die von 200 nichtstaatlichen Fachorganisationen gegründete "Cluster Munitions Coalition",
- - gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der Begriff "explosive Kampfmittelrückstände" sich auf nicht explodierte Munition bezieht, die scharf gemacht, mit Zündvorrichtung versehen, geladen oder in anderer Weise zur Verwendung vorbereitet und in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt worden ist und die hätte explodieren sollen, aber nicht explodiert ist,
B. unter Hinweis darauf, dass der Begriff Streumunition sich auf Waffensysteme bezieht, die aus der Luft abgeworfen oder vom Boden abgeschossen werden,
C. unter Hinweis darauf, dass Streumunition, sogar von der modernsten Art, eine nicht hinnehmbar hohe Blindgängerquote hat, dass sie häufig nicht beim Aufprall explodiert und dass sie noch lange nach Beendigung eines Konflikts eine Gefahr für die Bevölkerung bleibt, wobei viele Arten von Streumunition mit empfindlichen Zündvorrichtungen ausgestattet sind, die auf einen geringeren physischen Kontakt reagieren als Anti-Personenminen,
D. unter Hinweis darauf, dass Streumunition sehr unpräzise wirkt, häufig in hohen Stückzahlen über ländlichen und städtischen Gebieten eingesetzt wird und sich nach der Ausbreitung auf ein großes Gebiet verteilt, was große Mengen explosiver Kampfmittelrückstände verursacht,
E. unter Hinweis darauf, dass die Wirkungen von Streumunition in hohem Maß willkürlich sind, weil die Personen, die sie einsetzen, nicht zwischen Militär- und Zivilpersonen unterscheiden, und dass die Opfer dieser Munition nachweislich zu 98 % Zivilpersonen sind,
F. in der Erwägung, dass Streumunition erhebliche humanitäre Folgen für verletzliche Bevölkerungsgruppen und Personen hat, die zur humanitären Hilfe eingesetzt werden, und unter Hinweis auf die hohe Rate an Todesfällen und Verletzungen, gerade bei Kindern, die sich durch die geringe Größe und die Farben dieser Waffen angezogen fühlen,
G. in der Erwägung, dass sämtliche Arten von Aufhebeschutzvorrichtungen Personen gefährden, die in der humanitären Minenräumung eingesetzt sind,
H. in der Erwägung, dass nicht explodierte Streumunition sich schädlich auf die Entwicklung und die Wiederaufbaumaßnahmen auswirkt, weil die von nicht explodierter Munition ausgehende Gefahr die Benutzung von Straßen, Gebäuden und wichtiger Infrastruktur unmöglich macht und die Nutzung von Agrarflächen verhindert, was den Handel und die Verbindungen vor Ort beeinträchtigt, die Nahrungsmittelversorgungssicherheit verschlechtert und die Gewährung humanitärer Hilfe verhindern kann,
I. unter Hinweis darauf, dass zu den Staaten, die von Streumunition geschädigt worden sind, einige der ärmsten der Welt gehören und dass die ärmsten Menschen in diesen Staaten häufig im größten Umfang zu Opfern werden,
J. unter Hinweis darauf, dass Streumunition nachweislich in mehr als 15 Mitgliedstaaten gelagert und in mindestens 10 hergestellt wird,
K. unter Hinweis darauf, dass die Regierung Belgiens am 26. April 2007 das "Mahoux"Gesetz verabschiedet hat, das die Finanzierung und Herstellung und den Einsatz und Besitz von Streumunition verbietet,
- 1. bekräftigt, dass das internationale humanitäre Recht gestärkt werden muss, soweit es Streumunition betrifft, und dass es zügig auf internationaler Ebene ein umfassendes Verbot der Verwendung, Herstellung, Weitergabe und Lagerung von Streumunition zu verabschieden gilt, und befürwortet deshalb mit Nachdruck den Prozess von Oslo;
- 2. verlangt ein sofortiges Moratorium für die Verwendung von Streumunition, die entsprechende Investitionstätigkeit sowie die Lagerung, Herstellung, Weitergabe und Ausfuhr von Streumunition einschließlich der aus der Luft abgeworfenen Streumunition und der Munitionsteile, die durch Flugkörper, Raketen und Artilleriegeschosse transportiert werden, bis ein verbindlicher internationaler Vertrag ausgehandelt ist, der die Herstellung, Lagerung, Ausfuhr und Verwendung dieser Waffen verbietet;
- 3. fordert alle Mitgliedstaaten auf, einzelstaatliche Maßnahmen zu beschließen, die einschränkungslos die Verwendung, Herstellung, Ausfuhr und die Lagerung von Streubomben verbieten;
- 4. fordert alle Staaten, die Streumunition und vergleichbare, explosive Kampfmittelrückstände verursachende Waffen einsetzen, auf, die Verantwortung für die Räumung dieser Kampfmittel zu übernehmen und insbesondere genaue Aufzeichnungen darüber zu führen, wo solche Kampfmittel eingesetzt worden sind, um Räumungsmaßnahmen nach Konflikten zu unterstützen; vertritt die Auffassung, dass solche Aufzeichnungen entsprechend dem Protokoll V über explosive Kampfmittelrückstände dazu benutzt werden sollten, deutliche Warnungen vor gefährlichen Gebieten an die lokale Bevölkerung und die zur humanitären Hilfe eingesetzten Personen abzugeben;
- 5. verlangt, dass EU-Streitkräfte unter keinen Umständen und keinen Bedingungen irgendwelche Streumunition einsetzen sollten, bis ein internationales Übereinkommen über die Regelung, die Einschränkung oder das Verbot des Einsatzes dieser Waffen ausgehandelt worden ist;
- 6. betont die Verantwortung eines Staates, der das jeweilige Gebiet unter Kontrolle hat, Warnhinweise zu geben und Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu treffen, auch durch Aufklärung, und spezielle Informationen über die Unterstützung der Opfer von explosiven Kampfmittelrückständen abzugeben;
- 7. fordert alle EU-Mitgliedstaaten, die Streumunition eingesetzt haben, auf, der betroffenen Bevölkerung Unterstützung zu gewähren;
- 8. fordert die Kommission auf, beschleunigt über alle verfügbaren Instrumente die finanzielle Unterstützung der von nicht explodierter Streumunition betroffenen Bevölkerungsgruppen und Einzelpersonen zu erhöhen;
- 9. fordert alle Staaten, die nicht Vertragsparteien des Protokolls V über explosive Kampfmittelrückstände sind, auf, dieses Protokoll zu unterzeichnen und zu ratifizieren und in der Zwischenzeit in seinem Geist zu handeln;
- 10. begrüßt die Bemühungen des Ratsvorsitzes und der EU-Mitgliedstaaten um die Aufstellung eines Mandats zur Aushandlung eines neuen Protokolls zu dem CCW-Übereinkommen, das der Bewältigung aller mit dem Einsatz von Streumunition zusammenhängenden humanitären Probleme dient, und bedauert, dass bislang keine konkreten Fortschritte gemacht worden sind;
- 11. fordert den Rat auf, einen gemeinsamen Standpunkt festzulegen, in dem alle Mitgliedstaaten verpflichtet werden, sich nachdrücklich für ein starkes Verhandlungsmandat in Rahmen des CCW-Übereinkommens einzusetzen und den Prozess von Oslo aktiv zu unterstützen;
- 12. stellt fest, dass ein internationales Rechtsinstrument, um Wirkung zu erzielen, mindestens folgende Bestimmungen umfassen muss:
- a) das Verbot der Verwendung, Herstellung, Finanzierung, Weitergabe und Lagerung von Streumunition,
- b) das Verbot, irgendjemanden bei der Verwendung, Herstellung, Weitergabe oder Lagerung von Streumunition zu unterstützen,
- c) die Verpflichtung zur Zerstörung der Lagerbestände von Streumunition innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne, die möglichst kurz sein muss,
- d) die Verpflichtung, kontaminierte Gebiete möglichst bald und bis zu einem angegebenen Termin zu kennzeichnen, einzuzäunen und zu räumen und für die Durchführung dieser Maßnahmen ausreichende Kapazitäten aufzustellen und aufrecht zu erhalten, und die Verpflichtung, in Bezug auf Kennzeichnung, Einzäunung und sonstige Warnmaßnahmen sowie Risikoaufklärung und Räumung Unterstützung zu leisten, wobei die Verwender von Streumunition besondere Verpflichtungen zur Gewährung solcher Unterstützung - einschließlich der rechtzeitigen Abgabe von genauen Informationen über die Verwendung - haben sollten e) die Verpflichtung zur Unterstützung der Opfer, beispielsweise durch Datenerhebungen, Soforthilfemaßnahmen und fortlaufende medizinische Versorgung, Maßnahmen zur körperlichen Rehabilitation, zur psychologischen Unterstützung, zur sozialen Eingliederung, zur wirtschaftlichen Eingliederung und/oder Wiedereingliederung, die Gewährung von Rechtsbeistand und durch Gesetze sowie Maßnahmen zugunsten von Personen mit Behinderungen,
- 13. empfiehlt, Vertreter zu den bevorstehenden Konferenzen im Rahmen des Prozesses von Oslo zu entsenden;
- 14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und der "Cluster Munitions Coalition" zu übermitteln.
- 1 ABl. C 314 E vom 21.12.2006, S. 327.
- 2 ABl. L 194 vom 26.7.2007, S. 11.