Der Bundesrat hat in seiner 960. Sitzung am 22. September 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht und den Ansatz der Kommission, den vielfältigen sozialrechtlichen und wettbewerblichen Problemen im gewerblichen, insbesondere grenzüberschreitenden Straßenverkehr der EU mit einer neuen Initiative zu begegnen.
- 2. Er stimmt mit der Kommission darin überein, dass ein fairer Wettbewerb der Unternehmen in der EU sowie gerechte Arbeitsbedingungen für die im Straßenverkehr tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer effektiver Kontrollen bedürfen, und unterstützt daher ihre Vorschläge für verbesserte Kontrollinstrumente und -maßnahmen. Eine wirksame und europaweit einheitliche Durchsetzung der Arbeitszeitbestimmungen ist entscheidend für den Schutz der Beschäftigten, für die Sicherheit des Straßenverkehrs, für angemessene Arbeitsbedingungen der Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer und für die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durch Nichteinhaltung dieser Bestimmungen.
- 3. Die vorgesehenen Kontrollerweiterungen für Straßenkontrollen müssen praktikabel und kontrollierbar gestaltet werden. Bei den Überlegungen, wie eine einheitliche und effiziente Durchsetzung der Vorschriften gelingen kann, muss der gesamte Aufgabenkomplex für Straßenkontrollen einschließlich Aus- und Fortbildungserfordernis, Auswirkungen auf die Kontrolldauer, Nachweisführung, Prüfungsmöglichkeiten sowie das Erfordernis der Anpassung von Kontroll-, Berechnungs- und Erfassungssystemen berücksichtigt werden. Gleichzeitig darf der ganzheitliche Kontrollansatz nicht außer Acht gelassen werden. Eine effiziente Durchsetzung kann vorrangig durch Kontrollen gezielt bei Unternehmen erreicht werden, deren Risikoeinstufung eine Nichteinhaltung der Vorschriften vermuten lässt. Bei der Festlegung einer einheitlichen Formel für die Berechnung der Risikoeinstufung von Verkehrsunternehmen durch die Kommission ist ein einfaches Verfahren ohne hohen Verwaltungsaufwand anzustreben.
- 4. Die Schaffung besonderer Entsenderegelungen für den Straßenverkehr verbessert indes weder den Schutz der dort Beschäftigten noch wirkt sie auf ein "level playing field" der im Straßenverkehr tätigen Unternehmen hin. Vielmehr lassen die Regelungen eine zwar für die einzelnen Beschäftigten zeitlich begrenzte, für die Unternehmen aber womöglich darüber hinausgehende Möglichkeit zur Unterschreitung des deutschen gesetzlichen Mindestlohns entstehen. Auf diese Weise geben diese Regelungen zu Lasten insbesondere deutscher Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Dumping-Praktiken einen rechtlichen Rahmen. Die mitunter hohe Mobilität der im Transportsektor Beschäftigten als Kriterium für sektorspezifische Ausgrenzungen zu erheben, steht in deutlichem Widerspruch zum Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 96/71/EG vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen. Diesem zufolge muss der Dienstleistungserbringer einen harten Kern klar definierter Schutzbestimmungen unabhängig von der Dauer der Entsendung einhalten.
- 5. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, sich gegenüber der Kommission dafür einzusetzen, dass für den Straßenverkehr keinerlei entsenderechtliche Sonderregelungen getroffen werden, die den bestehenden sozialen Standard abschwächen.