Beschluss des Bundesrates
Bericht und Einschätzung der Bundesregierung zur Regelung für Langzeitarbeitslose nach § 22 Absatz 4 Satz 2 des Mindestlohngesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 956. Sitzung am 31. März 2017 beschlossen, zu der Vorlage wie folgt Stellung zu nehmen:

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Aufhebung von § 22 Absatz 4 Satz 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) zum Gegenstand hat.

Begründung:

Gemäß § 22 Absatz 4 Satz 1 MiLoG gilt der Mindestlohn nicht für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Absatz 1 SGB III waren. In der Begründung zum Gesetzentwurf (BR-Drucksache 147/14 (PDF) , Begründung zu § 22 Absatz 4 Satz 1) wird dazu ausgeführt, für Langzeitarbeitslose sei der Wiedereinstieg in das Arbeitsleben oftmals mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die Regelung sei darauf gerichtet, den Beschäftigungschancen von Langzeitarbeitslosen - vor allem in der Einführungsphase des Mindestlohns - in besonderem Maße Rechnung zu tragen.

Gemäß § 22 Absatz 4 Satz 2 MiLoG hatte die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften zum 1. Juni 2016 darüber zu berichten, inwieweit diese Mindestlohnausnahme die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat, und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob diese Regelung fortbestehen soll. Mit dem vorgelegten Bericht und der Einschätzung wurde diese Pflicht erfüllt.

Die auf der Grundlage des Berichts getroffene Einschätzung, es sei zu empfehlen, zum jetzigen Zeitpunkt keine gesetzlichen Änderungen vorzunehmen, ist jedoch nicht sachgerecht. Die Mindestlohnausnahme für Langzeitarbeitslose ist unverzüglich aufzuheben.

Der Bericht der Bundesregierung verweist auf die Ergebnisse der Evaluation durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das IAB kommt auf der Grundlage von Befragungen, der Aufbereitung von administrativen Arbeitsmarktdaten und qualitativen und quantitativen Analysemethoden zu dem Ergebnis, nur etwa 1,4 Prozent der Langzeitarbeitslosen hätten überhaupt eine Bescheinigung ihrer Langzeitarbeitslosigkeit im Jobcenter oder der Arbeitsagentur angefordert. Bei rund 25 000 Beschäftigungseintritten pro Monat im untersuchten Zeitraum ergebe das monatlich rund 350 Anfragen deutschlandweit. Die Zahl der tatsächlich genutzten Bescheinigungen liege nochmals darunter.

Bei dieser Sachlage ist die Folgerung, es bestehe kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf, fehlerhaft und berücksichtigt die Intention des Gesetzgebers unzureichend. Vor allem die Ausnahme für Langzeitarbeitslose war im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens hoch umstritten, weil sie von vielen - zu Recht - als überflüssig und gegenüber Langzeitarbeitslosen diskriminierend wirkend kritisiert worden ist. Die in § 22 Absatz 4 Satz 2 MiLoG festgelegte Pflicht der Bundesregierung zu einem Bericht und einer Einschätzung ist Ausdruck der Skepsis des Gesetzgebers gegenüber dieser Ausnahmeregelung.

Der Gesetzgeber hat die Einschätzung über den Fortbestand der Regelung an das Ergebnis des Berichts zu der Frage geknüpft, inwieweit die Ausnahme die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat. Er hat dadurch eindeutig seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass ohne signifikante Integrationserfolge ein Fortbestand der Ausnahmeregelung nicht zu begründen ist. Für die von der Bundesregierung vorgenommene Betrachtung, dass sich auch keine negativen Effekte eingestellt hätten, ist aufgrund dieser gesetzgeberischen Festlegung kein Raum. Die Mindestlohnausnahme ist bei verständiger Würdigung des zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Interesses daher unverzüglich aufzuheben.