Antrag des Landes Berlin
Entschließung des Bundesrates zur Bekämpfung der Entgeltungleichheit von Frauen und Männern - Antrag des Landes Baden-Württemberg -

Punkt 17 der 896. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2012

Der Bundesrat möge beschließen:

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf einzubringen, der sicherstellt, dass die auf Diskriminierung von Frauen beruhenden Entgeltungleichheiten im Arbeitsleben innerhalb angemessener Fristen valide identifiziert und in geeigneter Form beseitigt werden sowie die Schaffung künftiger solcher Ungleichheiten verhindert wird.

Begründung:

Trotz einschlägiger gesetzlicher Regelungen - etwa Artikel 157 Absatz 1 AEUV, EU Richtlinie 75/117/EWG von 1975, Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz, § 2 Absatz 1 Nummer 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes [AGG] - bestehen in der Bundesrepublik nach wie vor erhebliche Unterschiede beim Arbeitsentgelt von Frauen und Männern.

Der dafür verwendete Begriff des "Gender Pay Gap" (GPG) bezeichnet die in Prozent ausgedrückte spezifische Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Die Ermittlung der Entgeltungleichheit erfolgt unter anderem auch auf der Grundlage der im vierjährigen Abstand europaweit einheitlich durchgeführten Verdienststrukturerhebung.

In der öffentlichen Diskussion werden für das GPG sehr unterschiedliche Zahlen genannt. Um das in Betrieben und Unternehmen in Deutschland real vorhandene Gender Pay Gap den verschiedenen Faktoren zuordenbar zu machen, ist eine weitere Differenzierung erforderlich.

Zu unterscheiden ist zwischen einer unbereinigten und einer bereinigten Lohnlücke. Die unbereinigte (durchschnittliche beziehungsweise einfache) Lohnlücke ergibt sich aus der prozentualen Differenz zwischen den jeweiligen durchschnittlichen/mittleren Löhnen von Männern und Frauen. Dabei werden Teilzeitjobs (bis 15 Stunden), Minijobs und der gesamte öffentliche Dienst allerdings nicht berücksichtigt.

Bei der bereinigten Lohnlücke werden die Entgeltunterschiede von Frauen und Männern mit denselben individuellen Merkmalen verglichen, das heißt, es werden Frauen und Männer mit dem gleichen Bildungsniveau, in den gleichen Berufen und Branchen, derselben Beschäftigungsform (Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung) usw. miteinander verglichen (sogenannte statistische Zwillinge). Daher ist die bereinigte Lohnlücke auch niedriger als die unbereinigte Lohnlücke. Nach Ausschluss aller anderen erkennbaren und quantifizierbaren Einflussfaktoren bleibt als Erklärung und Ursache für diese Lücke insbesondere die Annahme einer Diskriminierung der weiblichen Beschäftigung.

Die Ergebnisse von internationalen Vergleichen zeigen, dass die geschlechtsspezifische Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in den einzelnen Staaten unterschiedlich hoch ist. Im Vergleich der unbereinigten Lohnlücke weist Deutschland im Vergleich der EU-Mitgliedstaaten mit 23 Prozent einen der höchsten Werte auf (EU-Durchschnitt: 17 Prozent). Der Lohnunterschied auf der Basis der bereinigten Lohnlücke beträgt in Deutschland - laut unterschiedlichen Studien - zwischen mindestens 8 Prozent und höchstens 12 Prozent.

Ziel eines einschlägigen Gesetzes muss es sein, die auf Diskriminierung von Frauen beruhenden Entgeltunterschiede zu beseitigen. Die Beeinflussung der weiteren (Ko)Faktoren - etwa das unterschiedliche Berufswahlverhalten bei Männern und Frauen, das zu beruflichen Tätigkeiten in unterschiedlich gut bezahlten Beschäftigungsfeldern führt, oder die deutlich unterschiedliche Wahrnehmung von Teilzeittätigkeiten - ist vom vordringlichen Zweck des Gesetzes nicht umfasst. Zur Beseitigung dieser sozial- und gesellschaftspolitisch ebenfalls problematischen Situation sind weitere Maßnahmen außerhalb des Gesetzes erforderlich, etwa die Intensivierung der geschlechtergerechten Erziehung in Kindertagestätten sowie im schulischen Bereich, die Verstärkung der bereits eingeleiteten Maßnahmen und Programme im MINT-Bereich sowie Maßnahmen, um einseitige, im Gutachten zum Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung näher beschriebenen Rollenzuweisungen, Rollenerwartungen und Inkonsistenzen zu überwinden.