Der Bundesrat hat in seiner 941. Sitzung am 29. Januar 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zu "Wiederbelebung der Investitionstätigkeit"
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen der Kommission, die Investitionstätigkeit innerhalb der EU unter anderem mit den Mitteln des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) zu verbessern, um mehr Arbeitsplätze und Wachstum zu schaffen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt zu fördern.
- 2. Er begrüßt die vorgesehene Möglichkeit, EFSI-Mittel mit anderen EU-Fördergeldern zu bündeln. Allerdings sollte die Inanspruchnahme mehrerer Fördertöpfe für ein und dasselbe Projekt nicht zu einer Überförderung führen. Unter dem Gesichtspunkt der Anreizkompatibilität der Investitionsförderung sollte insbesondere ein angemessener Eigenanteil stets eingebracht werden.
Zu "Bessere Koordinierung und Unterstützung der Strukturreformen"
- 3. Der Bundesrat unterstützt das Anliegen der Kommission, mittels Benchmarking auf eine Konvergenz in Richtung der am besten abschneidenden Länder hinzuwirken. Benchmarking zwischen den Mitgliedstaaten kann dazu beitragen, Bestpractice-Modelle zu identifizieren, Effizienzpotentiale der Verwaltung zu heben und eine Verwaltungsmodernisierung zu initiieren. Voraussetzung dafür ist jedoch Vergleichbarkeit. Bei der Auswahl der Benchmark-Indikatoren sollte vorrangig auf bereits erhobene Indikatoren zurückgegriffen werden. Darüber hinaus ist der Bundesrat der Auffassung, dass ein Benchmarking-Prozess nicht zu Standardsenkungen - beispielsweise im Verbraucherschutz oder im Sozialbereich - führen darf.
Zu "Förderung von Beschäftigung und inklusiver Sozialpolitik"
- 4. Angesichts der politischen Entwicklungen des letzten Jahres betont der Bundesrat, dass der Prozess des Europäischen Semesters dazu beitragen kann und muss, dass der Zusammenhalt der EU gestärkt wird. Die angekündigte stärkere Fokussierung auf Beschäftigung und Soziales unter strikter Beachtung der Subsidiarität und Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ist hierfür ein wichtiger Schritt. Der Bundesrat fordert, dass die Ziele eines sozial ausgewogenen Europäischen Semesters und einer besseren Einbeziehung der Sozialpartner auch tatsächlich umgesetzt werden. Er fordert in diesem Zusammenhang weiterhin eine stärkere Rolle des Beschäftigungsrates im Europäischen Semester und betont die Notwendigkeit einer sozialen Folgenabschätzung der länderspezifischen Empfehlungen durch ein unabhängiges Gremium.
- 5. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass es notwendig ist, verstärkt gegen die Arbeitslosigkeit, insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit, vorzugehen.
- 6. Er begrüßt das Ziel, Negativanreize für das Unternehmertum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu beseitigen.
Der Bundesrat erachtet die Progressivität der Besteuerung von Arbeitseinkommen grundsätzlich als richtigen Ansatz für ein gerechtes Steuersystem und wertet diese Form der Besteuerung jedoch nicht als einen Negativanreiz für Unternehmen.
Er wendet sich gegen eine isolierte Betrachtung der Besteuerung des Faktors Arbeit. Denn dem in Deutschland existierenden synthetischen Einkommensteuerrecht ist grundsätzlich die Verringerung der Steuerlast einer einzelnen Einkunftsart fremd. Bei der angestrebten Verringerung der Belastungen durch Sozialabgaben muss darauf geachtet werden, dass sie einem Ausbau der Leistungsfähigkeit der Sozialsysteme nicht im Wege stehen darf. Reicht eine Erhöhung der Effizienz nicht aus, muss durch Umverteilung der Abgabenlast Entlastung in den Segmenten entstehen, in denen zusätzliche Beschäftigungsanreize geschaffen werden sollen. Leistungskürzungen im unteren Segment wären dagegen unsolidarisch und inakzeptabel. Eine Senkung des Steuer- und Abgabenniveaus insgesamt wäre kontraproduktiv für Wachstum und Wohlstand. Eine Senkung des Steuer- und Abgabenniveaus steht zudem dem Ziel der Haushaltskonsolidierung entgegen und gefährdet die Einhaltung der Schuldenbremse in den Ländern.
- 7. Im Hinblick auf die Aussagen im Jahreswachstumsbericht zu flexibleren Arbeitsmärkten weist der Bundesrat darauf hin, dass ein hohes Schutzniveau für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleistet sein muss. Er vermisst in diesem Zusammenhang Aussagen zur Bedeutung der Qualität der Arbeitsplätze für Wettbewerbsfähigkeit, Produktivitätssteigerung und Wirtschaftswachstum. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission den Übergang zu mehr unbefristeten Verträgen für wichtig erachtet.
Zu "Wirksamere und gerechtere Steuersysteme"
- 8. Der Bundesrat unterstützt die Überlegungen der Kommission, die steuerliche Begünstigung von Fremdkapital, die aus der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen resultiert, anzugehen. Mögliche Lösungsansätze könnten in einer stärkeren Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs liegen, wie sie von Deutschland bereits mit der Zinsschranke praktiziert wird. Dagegen lehnt der Bundesrat Überlegungen in Richtung eines hypothetischen Betriebsausgabenabzugs für Eigenkapital wegen der erheblichen Haushaltsbelastungen für die Mitgliedstaaten ab.
Zu "Maßnahmen im Hinblick auf die demografischen Herausforderungen"
- 9. Der Bundesrat regt an, in die Überlegungen zur demografischen Herausforderung zusätzlich die Wirkungen und Chancen der Migration einzubeziehen.