Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 12. März 2009 an den Rat zum Mandat des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (2008/2290(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 104306 - vom 30. März 2009.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 12. März 2009 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass der Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag und dessen Tätigkeit auch weiterhin der umfassenden Unterstützung der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten bedarf,

B. in der Erwägung, dass der Strafgerichtshof Urteile mit Präzedenzwirkung zu Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gefällt hat und dass er bereits einen entscheidenden Beitrag zum Prozess der Aussöhnung in den westlichen Balkanstaaten und damit zur Wiedererlangung und zur Erhaltung des Friedens in der Region geleistet hat,

C. in der Erwägung, dass die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof eine der strikten Voraussetzungen darstellt, die die Europäische Union in Verträge mit Ländern der Region aufgenommen hat,

D. in der Erwägung, dass der Strafgerichtshof dazu beigetragen hat, die Grundlagen für neue Maßstäbe bei der Konfliktbeilegung und der Konsolidierung in der Konfliktfolgezeit weltweit zu schaffen, es ermöglicht hat, Lehren für mögliche künftige Adhoc-Gerichtshöfe zu ziehen, und gezeigt hat, dass eine effiziente und transparente internationale Justiz möglich ist, und in der Erwägung, dass sein Beitrag zur Entwicklung des internationalen Strafrechts weithin anerkannt ist,

E. in der Erwägung, dass einige der Anklagen, Entscheidungen und Urteile des Strafgerichtshofs in verschiedenen Teilen der westlichen Balkanstaaten und darüber hinaus umstritten sind; in der Erwägung, dass aus diesen Reaktionen wertvolle Lehren gezogen werden können, die Teil des Vermächtnisses des Strafgerichtshofs sein werden, dass sie jedoch auch die Notwendigkeit einer Berufungskammer sowie eines Sensibilisierungsprogramms unterstreichen,

F. in der Erwägung, dass der Strafgerichtshof weiterhin ein breites Spektrum an Sensibilisierungsmaßnahmen mit dem Ziel durchführt, den betroffenen Ländern seine Arbeit näher zu bringen, so durch die Ermöglichung der Berichterstattung über Gerichtsverfahren in den lokalen Medien, direkte Öffentlichkeitsarbeit seiner Bediensteten vor Ort und Bemühungen um den Aufbau von Kapazitäten in nationalen Rechtsprechungsorganen, die Kriegsverbrechen untersuchen, sowie eine Reihe von Projekten, mit denen bewährte Verfahren ermittelt werden sollen,

G. in der Erwägung, dass der UN-Sicherheitsrat in seinen Resolutionen S/RES/1503 (2003) und S/RES/1534 (2004) den Strafgerichtshof und den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda aufgefordert hat, die Ermittlungen bis Ende 2004, alle Gerichtsverfahren der ersten Instanz bis Ende 2008 und die gesamte Tätigkeit im Jahr 2010 abzuschließen; in Kenntnis der Tatsache, dass der Strafgerichtshof allerdings angekündigt hat, dass er, auch wegen der hohen Anzahl der Rechtsmittel, die Gerichtsverfahren erster Instanz nicht vor Ende 2009 werde abschließen können; in der Erwägung, das es deshalb eines neuen Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen bedarf, um das Mandat des Strafgerichtshofs zu verlängern,

H. in der Erwägung, dass der Strafgerichtshof die Initiative ergriffen und einen Plan entwickelt hat, der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den obengenannten Resolutionen unterstützt wurde und der als "Abschlussstrategie" bekannt geworden ist und dessen Ziel darin besteht sicherzustellen, dass der Strafgerichtshof seinen Auftrag erfolgreich, zügig und in Abstimmung mit den innerstaatlichen Rechtssystemen der betreffenden Länder erfüllt,

I. in der Erwägung, dass der Plan drei Phasen und Fristen für den Abschluss des Mandats des Strafgerichtshofs umfasst und dass das derzeitige Ziel darin besteht, alle Verfahren (Hauptverhandlungen und Berufungsverfahren) bis 2011 und spätestens Anfang 2012 abzuschließen; in der Erwägung, dass sich der Strafgerichtshof, um diese Ergebnisse zu erzielen, auf die ranghöchsten Personen konzentriert, die der Begehung von Straftaten verdächtigt werden, die seiner Gerichtsbarkeit unterliegen, und Verfahren gegen mittlere und rangniedrige Angeklagte den zuständigen nationalen Gerichten übertragen hat und dass er verbundene Verfahren gegen Angeklagte durchführt, wobei allerdings darauf geachtet werden muss, dass sichergestellt ist, dass diese Praxis nicht zulasten der Rechte der Angeklagten geht; in der Erwägung, dass nationale Staatsanwälte und Gerichte ebenfalls zahlreiche Verfahren selbst einleiten und durchführen können und dies auch tun, dass aber einige nationale Gerichte unter Umständen nicht in der Lage oder willens sind, Strafverfahren im Einklang mit internationalen Standards und Normen für ein faires Verfahren durchzuführen, und dass die Übertragung auf nationale Gerichte in einigen Fällen auf den Widerstand von unmittelbar betroffenen Opfern und Zeugen stößt,

J. in der Erwägung, dass die drei Strafkammern und eine Berufungskammer des Strafgerichtshofs weiterhin uneingeschränkt arbeiten und Sammelverfahren durchführen; in der Erwägung, dass die Überweisung von Fällen an zuständige nationale Gerichte wesentliche Auswirkungen auf den allgemeinen Arbeitsanfall des Strafgerichtshofs hatte, dass jedoch Faktoren, die nicht seiner Kontrolle unterliegen, zu einigen Verzögerungen geführt haben und weitere unvorhergesehene Verzögerungen nicht ausgeschlossen werden können,

K. in der Erwägung ferner, dass die beiden verbleibenden Angeklagten, Ratko Mladiæ und Goran Hadžiæ, vor Gericht gebracht werden müssen, und dass ihre Festnahme von der obligatorischen Zusammenarbeit der Staaten gemäß Artikel 29 des Statuts des Strafgerichtshofs, abhängen wird, die die Suche nach Flüchtigen und deren Verhaftung und Überstellung sowie die Herausgabe von Beweisen, die sich beispielsweise in inländischen Archiven befinden, einschließt, und in der Erwägung, dass die Verhaftung und Überstellung von flüchtigen Angeklagten sowie die Herausgabe von Beweisen nicht immer erfolgt ist,

L. in der Erwägung, dass Artikel 21 des Statuts des Strafgerichtshofs jedem Angeklagten das Recht auf Anwesenheit bei der Verhandlung einräumt, und in der Erwägung, dass der Strafgerichtshof, selbst wenn er im Besitz überwältigender Beweise wäre, keine Verfahren gegen Abwesende durchführen könnte,

M. in der Erwägung, dass die Verpflichtung des Strafgerichtshofs zum zügigen Abschluss seines Mandats anerkannt wird, die anhängigen Fälle jedoch ohne unnötigen Zeitdruck verhandelt werden müssen, da ein solcher Druck das Recht des Angeklagten auf einen fairen Prozess beeinträchtigen könnte; in der Erwägung dass keine "Abkürzungen" genommen werden dürfen, die die Sicherheit und das Wohlergehen von Opfern und Zeugen, die vor dem Strafgerichtshof aussagen, weiter gefährden könnten, und in der Erwägung, dass die in der Abschlussstrategie des Strafgerichtshofs vorgesehene Frist keine Straflosigkeit für die beiden noch Flüchtigen oder unnötigen Zeitdruck für die anhängigen Verfahren bedeuten darf,

3.9.2008

Entwurf einer Empfehlung (B6-0417/2008)
gemäß Artikel 114 Absatz 1 der Geschäftsordnung von Annemie Neyts-Uyttebroeck, Sarah Ludford und Jelko Kacin im Namen der ALDE-Fraktion zum Mandat des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien

Das Europäische Parlament,

A. unter nachdrücklichem Hinweis darauf, dass der Strafgerichtshof bereits einen wichtigen Beitrag zum Prozess der Aussöhnung auf dem westlichen Balkan geleistet hat,

B. jedoch in der Erwägung, dass die Arbeit des Strafgerichtshofes noch nicht abgeschlossen ist und dass die noch anhängigen Fälle ohne Zeitdruck geprüft werden müssen,