954. Sitzung des Bundesrates am 10. März 2017
A
Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat erkennt die Zielsetzung des Gesetzentwurfs an, den Zugang zu und die Nutzung von meteorologischen Daten für die Bürgerinnen und Bürger, Verwaltung und Wirtschaft zu vereinfachen, um den Mehrwert aus der Nutzung der Daten durch den privatwirtschaftlichen Sektor zu vergrößern und um verbesserte Möglichkeiten der Weiterverwendung der Daten für privatwirtschaftliche Nutzer jeglicher Art und insbesondere Startup-Unternehmen zu schaffen.
- b) Der Bundesrat äußert gegenüber dem vorliegenden Gesetzentwurf im Grundsatz erhebliche ordnungspolitische und wettbewerbspolitische Bedenken. Die in § 6 Absatz 2a Nummer 2 DWDG-E enthaltene faktische Ermächtigung des steuerfinanzierten Deutschen Wetterdienstes, meteorologische und klimatologische Dienstleistungen entgeltfrei dem Endverbraucher zur Verfügung stellen zu können, läuft Gefahr, den funktionierenden wettbewerblichen und innovativen Markt für Wetterdienstleistungen zu unterminieren.
- c) Der Bundesrat äußert konkret die Sorge, dass das DWDG-E zu einem deutlichen Verlust an Arbeitsplätzen und zu einer spürbar nachlassenden Innovationsdynamik auf einem funktionierenden privatwirtschaftlichen Markt für meteorologische und klimatologische Dienstleistungen führt. Es besteht die Gefahr, dass mit der vorgesehenen Novellierung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst wiederum eine Monopolstellung der zu hundert Prozent dem Bund gehörenden Anstalt des öffentlichen Rechts bei Wettervorhersagen, Sturmwarnungen und vor allem den damit verbundenen Dienstleistungen geschaffen wird.
- d) Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass mit der Gesetzesnovelle zum Deutschen Wetterdienst das Geschäftsmodell der bereits am Markt tätigen privaten Dienstleister bedroht ist. Dies entspricht gerade nicht der Zielsetzung der "Digitalen Agenda" der Bundesregierung. Ziel ist vielmehr, den Zugang privater Dienstleister zu öffentlich und unentgeltlich bereitgestellten Rohdaten (Open Data) zu erleichtern, damit private Unternehmen durch eigene Analysen und angereichert mit weiteren Dienstleistungen, so genannten "Smart Services", neue Geschäftsmodelle entwickeln und innovative Leistungen am Markt anbieten können. Letztlich dürfte ein wettbewerblich ausgerichteter Wetterdienst mit öffentlichen und privaten Anbietern eher der öffentlichen Sicherheit und dem Katastrophenschutz sowie der Daseinsvorsorge und damit auch den Bürgerinnen und Bürger als Verbraucher dienen, wie sich dies in der Vergangenheit bei großen Naturereignissen auch gezeigt hat.
- e) Der Bundesrat fordert deshalb, im weiteren Gesetzgebungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass sich der DWD entsprechend der "Open Data-Politik" der Bundesregierung - abgesehen von der Herausgabe amtlicher Warnungen über gefährliche Wettererscheinungen - auch künftig darauf beschränkt, meteorologische und klimatologische Rohdaten zu erheben und öffentlich zugänglich bereitzustellen. Solche staatlich bereitgestellten Daten könnten als "Rohstoff für Digitalisierung" positive Inkubationswirkungen für Innovationen im Bereich meteorologischer und klimatologischer Dienstleistungen zum Nutzen der Endverbraucher auslösen.
- f) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Anliegen privater Wetter-Dienstleistungsunternehmen aufzugreifen und im Einzelnen die unbestimmten Begriffe "meteorologische und klimatologische Dienstleistungen" in § 4 Absatz 1 DWDG-E sowie laut Begründung des Gesetzentwurfs "diesbezügliche Leistungen", die der Deutsche Wetterdienst in Zukunft entgeltfrei erbringen darf, näher zu definieren und möglichst eng auf die Breitstellung von Rohdaten zu beschränken.
- g) Der Bundesrat stellt fest, dass es in einer marktwirtschaftlichen Grundordnung nicht Aufgabe des Staates ist, durch eigene wirtschaftliche Betätigung in funktionierende Märkte einzugreifen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit der privaten Anbieter zu beachten. Vor diesem Hintergrund hält der Bundesrat die Regelung des § 6 Absatz 2a Nummer 2 DWDG-E für wettbewerbspolitisch bedenklich. Die Ermächtigung zur entgeltfreien öffentlichen Verbreitung von jeglichen Leistungen an die Allgemeinheit ist so weitgehend, dass die Gefahr besteht, dass die privaten Wetter-Dienstleistungsunternehmen aus dem Markt verdrängt werden. Aufgrund der in § 4 Absatz 1 DWDG-E sehr weit gefassten gesetzlichen Aufgaben des DWD greift die Einschränkung in § 4 Absatz 6 DWDG-E praktisch nicht. Deshalb fordert der Bundesrat, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die entgeltfreie Bereitstellung von Dienstleistungen des DWD an die Allgemeinheit gemäß § 6 Absatz 2a Nummer 2 DWDG-E auf die Aufgaben des DWD gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 3 und 7 DWDG-E zu beschränken, das heißt auf die Warnungen vor gefährlichen oder ein hohes Schadenspotenzial verursachenden Wettererscheinungen und Radioaktivität.
- h) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren "die Bereitstellung von Geodaten und Geodatendiensten" in § 6 Absatz 2a Nummer 3 DWDG-E zu präzisieren. In der derzeitigen Fassung bleibt unklar, welche Daten der DWD in das so genannte Geoportal einstellen muss und wann er dies tun muss. Im Geoportal sind bereits heute Daten des DWD verfügbar, jedoch überwiegend ältere Daten. Die Wetter-Dienstleistungsunternehmen benötigen jedoch aktuellste Mess- und Radardaten, um diese für ihre Anwendungen nutzen zu können.
2. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 6 Absatz 2a Nummer 2 DWD-Gesetz)
Der Bundesrat bittet im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens die Vereinbarkeit des § 6 Absatz 2a Nummer 2 DWDG-E mit dem europäischen Wettbewerbsrecht und den Grundsätzen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit des Binnenmarktes sorgfältig zu prüfen.
Begründung:
Die in § 6 Absatz 2a Nummer 2 DWDG-E enthaltene faktische Ermächtigung des steuerfinanzierten Deutschen Wetterdienstes, meteorologische und klimatologische Dienstleistungen entgeltfrei dem Endverbraucher zur Verfügung stellen zu können, begegnet erheblichen wettbewerbsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Europäischem Wettbewerbsrecht und den Grundfreiheiten der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH europäisches Wettbewerbsrecht Anwendungsvorrang vor nationaler Gesetzgebung genießt.
Die unentgeltliche Abgabe von Leistungen des steuerfinanzierten Deutschen Wetterdienstes stellt eine Behinderung etablierter privatwirtschaftlicher Anbieter dar und errichtet für den Markteintritt neuer Anbieter oder neuer Angebote Marktzutrittsschranken. Wetterdienstleistungen für Endverbraucher, so zum Beispiel auch Reisewetterberichte, werden auf Grund des zahlreichen Reise- und Ausflugverkehrs über Grenzen hinweg auch grenzüberschreitend erbracht. Daraus ergibt sich eindeutig eine Binnenmarktrelevanz.
B
- 3. Der federführende Verkehrsausschuss, der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.