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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU),
der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) und
der Wirtschaftsausschuss (Wi)
empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat bedauert, dass seine Unterrichtung über den Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionsplan auch im Jahr 2004 wie in den Vorjahren so spät erfolgt, dass die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte erheblich erschwert ist. Er fordert die Bundesregierung auf, die Unterrichtung im kommenden Jahr innerhalb der ersten Jahreshälfte vorzunehmen, um so sicherzustellen, dass die Mitwirkungsrechte des Bundesrates auch materiell in vollem Umfang wahrgenommen werden können. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union widerspricht dieser Empfehlung mit folgender Begründung Die Vorlage des Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionsplans - jeweils in der ersten Jahreshälfte - ist auf Grund des Verfahrens im Rat zur Aufstellung der beschäftigungspolitischen Leitlinien nicht möglich.
- 2. Der Bundesrat bedauert, dass seine Unterrichtung über den Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionsplan auf Grund der innerhalb der EU bestehenden Regularien jeweils erst im Herbst eines jeden Jahres erfolgen kann.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass auch der Nationale Beschäftigungspolitische Aktionsplan 2004 eine wirksame ausgewogene beschäftigungspolitische Strategie vermissen lässt. Die immer wieder verwässerten bisherigen Reformschritte der Bundesregierung reichen nicht aus, um Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu schaffen und die erforderliche Aufbruchstimmung zu erzeugen.
- 4. Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass es der Bundesregierung immer noch nicht gelungen ist, durch wirksame Strukturreformen die Arbeitslosigkeit zu senken.
- 5. In dem Aktionsplan (Buchstabe A., Abschnitt: Wirtschaftliche Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt) werden die Ursachen der Wachstumsschwäche in Deutschland verkürzt dargestellt, wenn vor allem auf starke exogene Schocks und die monetären Rahmenbedingungen verwiesen wird. Damit lässt sich nicht begründen, weshalb Deutschland bei der Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung seit Jahren mit die ungünstigsten Werte innerhalb der EU aufweist. Notwendig wäre es daher, auch auf die hausgemachten Ursachen für die unbefriedigende Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung hinzuweisen. Hierzu zählen insbesondere auch die Vielzahl von Steuererhöhungen, z.B. im Rahmen der Ökosteuer, kostentreibende neue Regulierungen, z.B. im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes oder durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz, sowie unzureichende Reformen der Sozialsysteme, die Starrheiten des Arbeitsrechts sowie die Versäumnisse bei der Haushaltskonsolidierung.
- 6. Ziel einer Reform der wirtschafts-, finanz- und arbeitsmarktlichen Rahmenbedingungen muss eine Senkung der Staatsquote auf langfristig unter 40 Prozent, eine Senkung der Lohnzusatzkosten auf unter 40 Prozent, eine nachhaltige Deregulierung der arbeitsmarktlichen Ordnung sowie eine verlässliche Steuersenkungsperspektive sein. Nur so kann es nachhaltig gelingen, eine Belebung des Arbeitsmarktes zu erreichen.
- 7. Der Bundesrat begrüßt es, dass sich die Bundesregierung zu der Zielvorgabe von Stockholm bekennt, die Beschäftigungsquote für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von 55 bis 64 Jahren bis 2010 auf 50 Prozent zu steigern (Buchstabe A., Abschnitt "Übergeordnete Ziele der Europäischen Beschäftigungspolitik", Unterabschnitt "Vollbeschäftigung"). Andererseits vertritt der Bundesrat die Auffassung, dass die bisher eingeleiteten Maßnahmen völlig unzureichend sind, um dieses Ziel zu erreichen.
- 8. Nach Auffassung des Bundesrates ist es insbesondere notwendig, die Subventionierung der Frühverrentung schnellstmöglich zu beenden, um die Anreize zu einem längeren Verbleib im Erwerbsleben zu erhöhen, um die Beitragszahler zu entlasten und um die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu erleichtern. So beläuft sich das Finanzvolumen allein zur Subventionierung der Altersteilzeit auf jährlich schätzungsweise rund fünf Milliarden Euro mit steigender Tendenz in Form von Unterstützungszahlungen der Bundesagentur für Arbeit, altersteilzeitbedingten Steuerausfällen und Mehraufwendungen der öffentlichen Arbeitgeber für altersteilzeitbeschäftigte öffentliche Bedienstete. Hinzu kommen Lohnersatzleistungen für ältere Arbeitslose ab 58 Jahren, die für den Arbeitsmarkt wegen der Inanspruchnahme des § 428 SGB III nicht zur Verfügung stehen müssen, in Höhe von schätzungsweise rund fünf Milliarden Euro. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im nächsten Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionsplan darzulegen, mit welchen zusätzlichen Maßnahmen das Ziel einer fünfzigprozentigen Beschäftigungsquote für Ältere erreicht werden soll.
- 9. In den beschäftigungspolitischen Leitlinien (B.I., Abschnitt: "Aktivierende und präventive Arbeitsmarktpolitik als Leitmotiv umgesetzt", 1. Leitlinie) wird das Ziel einer nachhaltigen Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt genannt. Im Gegensatz dazu steigt die Zahl älterer Arbeitsloser ab 58 Jahren, welche die Regelung des § 428 SGB III in Anspruch nehmen und damit dauerhaft aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, seit Jahren kontinuierlich an. So wurde im August 2004 ein neuer Rekordwert von 398.000 Leistungsempfängern nach § 428 SGB III verzeichnet. Außerdem ist die Quote der älteren Arbeitslosen, welche diese Regelung tatsächlich in Anspruch nehmen, bezogen auf die Gesamtzahl der älteren Arbeitslosen ab 58 Jahren, zuletzt auf den Wert von 84 Prozent gestiegen. Diese Zahlen belegen, dass gerade auch für die Gruppe älterer Arbeitsloser das Ziel einer nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt weitestgehend verfehlt wird.
- 10. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung, eine Ausbildungsumlage einzuführen, kontraproduktive Wirkungen erzeugt hat. Er fordert die Bundesregierung auf, diese Absicht endgültig aufzugeben und stattdessen die Ausbildungsbetriebe nachhaltig von Aus
- 11. bildungskosten zu entlasten, um damit die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Schaffung von Ausbildungsplätzen zu erleichtern. Weiterhin ist es notwendig, das Jugendarbeitsschutzgesetz zu reformieren, um die Schaffung von Ausbildungsplätzen zu erleichtern. So sollte das Verbot der Samstagsarbeit für unter 18-jährige Jugendliche generell aufgehoben werden.
- 12. Außerdem sollten Jugendliche an Werktagen auch über 20 Uhr hinaus beschäftigt werden können, um insbesondere im Hotel- und Gastgewerbe zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen.
- 13. Der Bundesrat unterstützt die Zielsetzung der 3. Beschäftigungspolitischen Leitlinie, allzu restriktive Bestimmungen des Arbeitsrechts, die die Arbeitsmarktdynamik beeinträchtigen und einer Beschäftigung derjenigen im Wege stehen, die Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt haben, zu überprüfen und gegebenenfalls zu reformieren. Nach Auffassung des Bundesrates sind die von der Bundesregierung aufgeführten Maßnahmen nicht oder nicht hinreichend geeignet, um die Kostenrisiken für die Unternehmen bei Neueinstellungen hinreichend zu begrenzen. Außerdem muss das Tarifsystem weiter flexibilisiert werden, um krisenhafte Unternehmensentwicklungen präventiv anzugehen.
- 14. Weiterhin ist der Bundesrat der Auffassung, dass in den Ausführungen zur 5. Beschäftigungspolitischen Leitlinie (Abschnitt: "Umfassende Strategie für aktives Altern wird fortentwickelt und weiter umgesetzt") die Bewertung der gesetzlichen Altersteilzeit fehlerhaft und irreführend ist. So ist der Rückgang der statistisch ausgewiesenen Arbeitslosigkeit der Gruppe der über 55-jährigen nicht auf das Altersteilzeitgesetz zurückzuführen, sondern weitestgehend darauf, dass die Inanspruchnahme des § 428 SGB III in den letzten drei Jahren drastisch angestiegen ist und mittlerweile fast 400.000 ältere Arbeitslose ab 58 Jahren aus der Arbeitslosenstatistik herausgerechnet werden.
- 15. Nach Auffassung des Bundesrates dürfen ferner die Kosten der Altersteilzeit bei deren Bewertung nicht ausgeblendet werden. Die von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse zählen mit einem durchschnittlichen Subventionsbetrag von mindestens 85.000 Euro je Einzelfall zu den teuersten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen überhaupt. So beläuft sich der durchschnittliche Förderbetrag für jedes BA-geförderte Arbeitsverhältnis auf fast 12.000 Euro jährlich, mithin bei einem sechsjährigen Förderzeitraum auf über 70.000 Euro. Hinzu kommen die Steuerausfälle durch die Steuerfreiheit der Aufstockungsbeträge bei Altersteilzeit, die sich für einen Sechsjahreszeitraum durchschnittlich auf rund 15.000 Euro belaufen dürften. Die seit der Einführung des Altersteilzeitgesetzes geförderten 221.000 Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse dürften insgesamt mit nahezu 20 Milliarden Euro gefördert worden sein. Diese enorme Kostenbelastung dürfte auch auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen haben. Darüber hinaus ist das Altersteilzeitgesetz mit den daran anknüpfenden tarifvertraglichen Bestimmungen eine der größten Hürden für die Neueinstellung älterer Arbeitssuchender. Denn die Inanspruchnahme von Altersteilzeit führt zu drastisch steigenden Arbeitskosten je geleisteter Arbeitsstunde für die Unternehmen, die keine Förderung der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Ohne das Risiko steigender Arbeitskosten bei einer möglichen Inanspruchnahme von Altersteilzeit würden sich die Einstellungschancen für Ältere nach Auffassung des Bundesrates erheblich verbessern.
- 16. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im nächsten Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionsplan zu den Kosten der geltenden Frühverrentungsmodelle einschließlich der Altersteilzeit und den damit verbundenen negativen Beschäftigungseffekten ausführlich Stellung zu nehmen.
- 17. Der Bundesrat unterstützt nachdrücklich das Ziel der 8. Beschäftigungspolitischen Leitlinie, Arbeitslosigkeits-, Armuts- und Nichterwerbstätigkeitsfallen zu beseitigen und die Erwerbsbeteiligung gerade auch von gering qualifizierten Arbeitskräften und arbeitsmarktfernen Gruppen zu fördern und die Gewährung von Lohnergänzungs- anstelle von Lohnersatzleistungen in Betracht zu ziehen. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat darauf hin, dass die Schaffung so genannter "1-Euro-Jobs" im Zusammenhang mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt nicht zu einem dauerhaften Fernhalten der Betroffenen vom ersten Arbeitsmarkt und nicht zu einer Gefährdung regulärer Arbeitsverhältnisse des ersten Arbeitsmarkts führen darf.
B
- 18. Der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Ausschuss für Kulturfragen empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.