A. Problem und Ziel
Das Bundesverfassungsgericht hat am 26. März 2019 - 1 BvR 673/17 (BGBl. I S. 737) - den vollständigen Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. März 2020 eine Neuregelung zu treffen.
B. Lösung
Mit dem Entwurf wird in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Stiefkindadoption durch eine Person zugelassen, die mit dem Elternteil in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Diese Änderung des materiellen Rechts zieht auch eine Anpassung im Internationalen Privatrecht nach sich.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Auf Bundesebene entsteht der Verwaltung kein Erfüllungsaufwand.
Die vorgesehenen gesetzlichen Änderungen führen bei den Ländern zu einem zusätzlichen Erfüllungsaufwand in Höhe von insgesamt rund 157 000 Euro pro Jahr.
F. Weitere Kosten
Den Ländern entstehen durch den zu erwartenden Anstieg der Adoptionen durch die richterliche Tätigkeit bei den Gerichten weitere Kosten in Höhe von rund 35 000 Euro pro Jahr.
Das Gesetz wirkt sich nicht auf die Einzelpreise, das allgemeine Preisniveau und insbesondere nicht auf das Verbraucherpreisniveau aus.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien
Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 8. November 2019
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien mit Begründung und Vorblatt.
Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. März 2020 eine gesetzliche Neuregelung zu treffen. Um dies zu ermöglichen, sollen die parlamentarischen Beratung alsbald aufgenommen werden..
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 20.12.19
besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 31. Januar 2019 (BGBl. I S. 54) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 1746 Absatz 1 Satz 4 wird aufgehoben.
2. Nach § 1766 wird folgender § 1766a eingefügt:
" § 1766a Annahme von Kindern des nichtehelichen Partners
(1) Für zwei Personen, die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben, gelten die Vorschriften dieses Untertitels über die Annahme eines Kindes des anderen Ehegatten entsprechend.
(2) Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne des Absatzes 1 liegt in der Regel vor, wenn die Personen
- 1. seit mindestens vier Jahren oder
- 2. als Eltern eines gemeinschaftlichen Kindes mit diesem eheähnlich zusammenleben. Sie liegt nicht vor, wenn ein Partner mit einem Dritten verheiratet ist."
Artikel 2
Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche
Das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2648) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In Artikel 17b Absatz 5 Satz 1 werden die Wörter "Absatz 1 Satz 2 und" gestrichen.
2. Artikel 22 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
(1) Die Annahme als Kind im Inland unterliegt dem deutschen Recht. Im Übrigen unterliegt sie dem Recht des Staates, in dem der Anzunehmende zum Zeitpunkt der Annahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat."
3. In Artikel 23 Satz 1 werden nach dem Wort "Abstammungserklärung" das Komma und die Wörter "Namenserteilung oder Annahme als Kind" durch die Wörter "oder einer Namenserteilung" ersetzt.
4. Dem Artikel 229 wird folgender § 51 [einsetzen: nächste bei der Verkündung freie Zählbezeichnung] angefügt:
" § 51 [einsetzen: nächste bei der Verkündung freie Zählbezeichnung]
Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien
Auf vor dem 31. März 2020 abgeschlossene Vorgänge bleibt das bisherige Internationale Privatrecht anwendbar."
Artikel 3
Änderung des Rechtspflegergesetzes
In § 14 Absatz 1 Nummer 14 des Rechtspflegergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. April 2013 (BGBl. I S. 778; 2014 I S. 46), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2573) geändert worden ist, werden die Wörter "die Genehmigung der Einwilligung des Kindes zur Annahme nach § 1746 Absatz 1 Satz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs," gestrichen.
Artikel 4
Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 187 Absatz 4 wird wie folgt gefasst:
(4) Hat der Anzunehmende in Verfahren nach § 186 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, gilt § 5 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Adoptionswirkungsgesetzes entsprechend."
2. § 188 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c wird wie folgt gefasst:
"c) der Ehegatte, Lebenspartner oder in Fällen des § 1766a des Bürgerlichen Gesetzbuchs der nichteheliche Partner des Annehmenden und der Ehegatte oder Lebenspartner des Anzunehmenden, sofern nicht ein Fall des § 1749 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt;".
Artikel 5
Änderung des Adoptionswirkungsgesetzes
Das Adoptionswirkungsgesetz vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2950, 2953), das zuletzt durch Artikel 22 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 2 Absatz 3 wird aufgehoben.
2. In § 3 Absatz 1 Satz 3 werden die Wörter "Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 2 und 3" gestrichen.
Artikel 6
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 31. März 2020 in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Rechtliche Ausgangssituation
Eine zur gemeinsamen Elternschaft führende Adoption eines Stiefkindes ist nur möglich, wenn der Stiefelternteil mit dem rechtlichen Elternteil verheiratet ist (§ 1741 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB). Dagegen kann der Stiefelternteil in nichtehelichen Stiefkindfamilien die Kinder des rechtlichen Elternteils nicht adoptieren, ohne dass die Verwandtschaft der Kinder zu diesem erlischt (§ 1754 Absatz 1 und 2 und § 1755 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 BGB). Dadurch ist die Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien faktisch ausgeschlossen, da das Kind dann nur noch den Stiefelternteil als rechtlichen Elternteil hätte, was typischerweise nicht im Interesse der Beteiligten liegt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem am 2. Mai 2019 veröffentlichten Beschluss des Ersten Senats vom 26. März 2019 - 1 BvR 673/17 (BGBl. I S. 737) - den vollständigen Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. März 2020 eine Neuregelung zu treffen.
Änderungsbedarf besteht auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht, da das geltende Recht neben der Sonderanknüpfung für die gemeinsame Adoption durch Ehegatten auch eine für die Stiefkindadoption durch einen Ehegatten vorsieht (Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche - EGBGB), wohingegen es für die Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien keine spezielle Regelung gibt.
II. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Mit dem Entwurf soll der verfassungswidrige Ausschluss der Stiefkindadoption für Paare in verfestigter Lebensgemeinschaft beseitigt werden. Gleichzeitig erfolgen die notwendigen Anpassungen in weiteren Rechtsvorschriften.
III. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Paare in einer verfestigten Lebensgemeinschaft werden mit einer Generalverweisung in einem neuen § 1766a BGB
Ehepaaren in Bezug auf die Stiefkindadoption gleichgestellt. Die Anforderungen an eine verfestigte Lebensgemeinschaft finden sich in zwei Regelbeispielen.
Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 EGBGB soll gestrichen werden, um alle Fälle der Adoption kollisionsrechtlich gleich zu behandeln. Eine Ausdehnung des Verweises auf das für die allgemeinen Ehewirkungen geltende Recht auf die Adoption durch einen Teil eines in verfestigter Lebensgemeinschaft lebenden Paares ist unpassend. Es bedarf sodann auch einer Änderung des Artikels 22 Absatz 1 Satz 1 EGBGB, um für die Annahme durch zwei Personen eine angemessene Regelung bereitzustellen, da die Vorschrift derzeit auf die Adoption durch eine Person zugeschnitten ist. Hierzu wird primär auf die anzunehmende Person, das heißt im Regelfall das Kind, abgestellt. Die Neuregelung beruht auch nicht mehr in erster Linie auf der Anknüpfung an das Heimatrecht, sondern knüpft bei Inlandsadoptionen an das deutsche Recht und bei Auslandsadoptionen an den gewöhnlichen Aufenthalt der anzunehmenden Person an. Dies führt dazu, dass die deutschen Gerichte immer ihr eigenes Recht anwenden können.
IV. Alternativen
Keine.
V. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (das bürgerliche Recht, das gerichtliche Verfahren).
VI. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen
Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, insbesondere mit dem Europäischen Übereinkommen vom 27. November 2008 über die Adoption von Kindern (revidiert), vereinbar.
VII. Gesetzesfolgen
1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Keine.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Indem der Entwurf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes umsetzt, schafft er Rechtsklarheit und entspricht dem Leitprinzip 5 "Sozialen Zusammenhalt in einer offenen Gesellschaft wahren und verbessern" der in der Aktualisierung 2018 der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie niedergelegten Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung.
3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
4. Erfüllungsaufwand
a) Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
b) Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
c) Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Der Verwaltung des Bundes entsteht durch das Gesetz kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
Bei den Verwaltungen der Länder ist durch den zu erwartenden Anstieg der Adoptionen mit folgendem zusätzlichen Erfüllungsaufwand zu rechnen:
aa) Anzahl der zusätzlichen Adoptionen
Zu erwarten ist eine Erhöhung der Anzahl der Stiefkindadoptionen, da nunmehr unverheirateten Paaren diese Möglichkeit ebenfalls eröffnet wird. Im Jahr 2017 betrug die Anzahl der Stiefkindadoptionen bei verheirateten Paaren 2 373. Im gleichen Jahr lebten von den 8,2 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern in der Bundesrepublik Deutschland 11 Prozent in nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Damit betrug der Anteil der Stiefkindadoptionen 0,033 Prozent (89 Prozent von 8,2 Millionen = 7 298 000; 2 373 von 7 298 000 = 0,033 Prozent). Übertragen auf die 902 000 nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern würde dies 298 Adoptionen entsprechen. Mit Blick auf die zusätzlichen Voraussetzungen für eine Stiefkindadoption bei nicht verheirateten Paaren ist jedoch nicht zu erwarten, dass es bei diesen Paaren in gleichem Umfang zu Stiefkindadoptionen kommt wie bei verheirateten Paaren.
Es wird daher davon ausgegangen, dass sich die Zahl der Stiefkindadoptionen um ca. 250 (das heißt ca. 10,5 Prozent) erhöhen wird.
bb) Zusätzlicher Aufwand bei den Jugendämtern/Adoptionsvermittlungsstellen
Der erforderliche zeitliche Aufwand bei der Begleitung einer Stiefkindadoption hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Durchschnitt dürfte der zeitliche Aufwand beim zuständigen Jugendamt bzw. der Adoptionsvermittlungsstelle bei sechs Stunden liegen. Dieser setzt sich zusammen aus einer gegebenenfalls gewünschten Beratung des Annehmenden im Vorfeld der Adoption, der Tätigkeit während des Adoptionsverfahrens, in dem die familiäre Situation vor Ort beleuchtet und die Motive für die angestrebte Adoption mit den Betroffenen erörtert werden, sowie der Erstellung der fachlichen Äußerung nach § 189 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) für das Gericht. Angesichts des zusätzlichen Prüfungsaufwands zur Ermittlung der Stabilität der Beziehung bei nicht verheirateten Paaren wird - zumindest für die Anfangszeit - mit einem erhöhten zeitlichen Aufwand gerechnet und daher für diese Verfahren von einem durchschnittlichen Zeitaufwand von ca. zehn Stunden ausgegangen.
Danach entsteht folgender zusätzlicher Erfüllungsaufwand pro Jahr:
Zeitaufwand | Kosten |
250 x 10 Stunden = 2 500 Stunden | 2 500 Stunden x 42,30 Euro* = 105 750 Euro |
* Lohnkostentabelle Verwaltung, gehobener Dienst der Kommunen
cc) Zusätzlicher Aufwand bei den Gerichten
Für ein familiengerichtliches Verfahren beim Amtsgericht wird für die Servicekräfte nach den Personalbedarfsberechnungssystemen der Länder (PEBB§Y-Zahlen) derzeit eine Basiszahl von 310 Minuten angenommen (Gutachten pwc PEBB§Y-Fortschreibung 2014). Dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert, der sowohl aufwendige Scheidungsverfahren mit vielen Folgesachen erfasst als auch die für das Gericht wesentlich weniger aufwendigen Adoptionsverfahren. Da für Adoptionsverfahren keine separaten Werte vorliegen, wird der - im Zweifel überhöhte - Durchschnittswert der Berechnung zugrunde gelegt.
Danach entsteht folgender zusätzlicher Erfüllungsaufwand pro Jahr:
Anzahl der Verfahren x PEBB§Y-Basiszahl | Zeitaufwand | Kosten |
250 x 310 Minuten | 77 500 Minuten = 1 291,67 Stunden | 1 291,67 Stunden x 31,40 Euro* = 40 558 Euro |
* Lohnkostentabelle Verwaltung, mittlerer Dienst der Länder dd) Zusätzlicher Aufwand bei den Standesämtern
Der erforderliche Aufwand der Standesämter wird auf 40 Minuten pro Fall geschätzt. Bei 250 angenommenen Fällen ergeben sich folgende weitere Kosten:
Zeitaufwand | Kosten |
250 x 40 Minuten = 166,67 Stunden | 166,67 Stunden x 42,30 Euro* = 7 Euro 050,14 |
* Lohnkostentabelle Verwaltung, gehobener Dienst der Kommunen ee) Zusätzlicher Aufwand bei den Einwohnermeldeämtern, Pass- und Personalausweisbehörden
Für die Einwohnermeldeämter, Pass- und Personalausweisbehörden kann wegen der Berichtigung der Melderegister und der Neuausstellung von Ausweisdokumenten ein Aufwand von 30 Minuten je Fall angesetzt werden.
Danach entsteht folgender zusätzlicher Erfüllungsaufwand pro Jahr:
Zeitaufwand | Kosten |
250 x 30 Minuten = 125 Stunden | 125 Stunden x 31,40 Euro* = 3 925 Euro |
* Lohnkostentabelle Verwaltung, mittlerer Dienst der Länder
Insgesamt ergibt sich damit folgender jährlicher Aufwand:
Mitarbeiter beim Jugendamt/der Adoptionsvermittlungsstelle | 105 750 Euro |
Servicekräfte beim Gericht | 40 558 Euro |
Standesämter | 7 050,14 Euro |
Einwohnermemeldeämter, Pass- und Personalausweisbehör- den | 3 925 Euro |
Insgesamt | 157 283,14 Euro ~ 157 000 Euro |
5. Weitere Kosten
Durch das Gesetz kommt es neben dem unter I.4. dargestellten Erfüllungsaufwand für die Gerichte außerdem zu weiteren Kosten durch die richterliche Tätigkeit. Die Aufgabe ist dem traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung zuzurechnen, der vom einzelnen Richter betriebene Aufwand unterliegt mithin der richterlichen Unabhängigkeit. Gleichwohl wird für Adoptionsverfahren für Richter bei den Amtsgerichten nach dem Personalberechnungssystem der Länder (PEBB§Y-Zahlen; Gutachten pwc PEBB§Y-Fortschreibung 2014) derzeit eine Basiszahl von 140 Minuten angenommen.
Ausgehend hiervon entstehen bei den Gerichten der Länder folgende weitere Kosten pro Jahr:
Anzahl der Verfahren x PEBB§Y-Basiszahl | Zeitaufwand | Kosten |
250 x 140 Minuten | 35 000 Minuten = 583,34 Stunden | 583,34 Stunden x 60,50 Euro* = 35 292 Euro ~ 35 000 Euro |
* Lohnkostentabelle Verwaltung, höherer Dienst der Länder
Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind im Übrigen nicht zu erwarten.
6. Weitere Gesetzesfolgen
Der Entwurf wurde auf seine Gleichstellungsrelevanz überprüft. Die Änderungen beziehen sich in gleichem Maße auf Frauen und Männer sowie auf Personen ohne Geschlechtseintrag oder mit dem Geschlechtseintrag "divers".
Die Auswirkungen auf junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren (Jugend - Check) wurden überprüft und im ganz überwiegend positiv beurteilt.
Weitere Regelungsfolgen, insbesondere Auswirkungen von verbraucherpolitischer Bedeutung, sind nicht ersichtlich. Demografische Auswirkungen sind ebenfalls nicht zu erwarten.
VIII. Befristung; Evaluierung
Eine Befristung ist nicht erforderlich, da es sich bei den vorgesehenen Änderungen um notwendige Anpassungen unbefristet geltender Regelungen handelt.
Eine gesonderte Evaluierung ist nach der Konzeption zur Evaluierung neuer Regelungsvorhaben nicht erforderlich.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
Zu Nummer 1 (Änderung des § 1746 BGB)
Die Regelung soll aufgehoben werden, da die vorgeschlagene Neufassung des Artikels 22 EGBGB nicht mehr an die Staatsangehörigkeit, sondern an das Recht am Gerichtsort bzw. an den gewöhnlichen Aufenthalt des Anzunehmenden anknüpft.
Zu Nummer 2 (Einfügung des § 1766a BGB)
Die Norm eröffnet Personen in verfestigter Lebensgemeinschaft die Möglichkeit der Adoption eines Kindes ihres Partners (Stiefkindadoption) durch eine Generalverweisung. Die Vorschriften des Untertitels 1, die sich auf die Annahme eines Kindes des einen Ehegatten durch den anderen Ehegatten beziehen, gelten danach für zwei Personen, die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben, entsprechend. Damit wird diesen Paaren gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 die Adoption eines Kindes des einen Partners in der Weise ermöglicht, dass die Verwandtschaftsbeziehung zum bisherigen Elternteil nicht erlischt. Auch gleichgeschlechtliche Paare können nicht nur in einer "lebenspartnerschaftsähnlichen", sondern auch in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben und werden von der Neuregelung erfasst. Das Bestehen einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt eröffnet die Möglichkeit der Annahme eines Kindes. Die weiteren Voraussetzungen für eine Annahme bleiben daneben bestehen. So ist gemäß § 1741 Absatz 1 BGB insbesondere zu prüfen, ob die Annahme dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. So werden beispielsweise Fälle nicht zu einer Annahme führen, in denen das Kind aus kindeswohlfremden Motiven angenommen werden soll. Gerade bei der Stiefkindadoption ist besonders zu prüfen, ob das Kind zum Beispiel nur dem Partner zuliebe angenommen werden soll (vergleiche insoweit Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. März 2019, Rn. 73 und Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter, 7. Fassung 2014, Nummer 7.1.3). Bei der Beteiligung von ausländischen Staatsangehörigen muss insbesondere ausgeschlossen sein, dass die Adoption nur der Verbesserung des Aufenthaltsstatus eines Beteiligten oder seiner Angehörigen dienen soll. Der Schutz vor allem des abgebenden Elternteils ist sichergestellt, weil jede Einwilligungserklärung gemäß § 1750 Absatz 1 Satz 2 BGB notariell zu beurkunden ist. Damit wird jedenfalls ein Schutz vor übereilten Entscheidungen bei der Stiefkindadoption gewährleistet.
Zu Absatz 1
Absatz 1 enthält die Verweisung und erklärt Vorschriften des Untertitels 1 über die Adoption von Minderjährigen, die sich auf die Annahme eines Kindes des einen Ehegatten durch den anderen Ehegatten beziehen, für auf verfestigte Lebensgemeinschaften in einem gemeinsamen Haushalt entsprechend anwendbar. Die "verfestigte Lebensgemeinschaft" findet sich bereits in § 1579 Nummer 2 BGB. Die Lebenssachverhalte entsprechen sich weitgehend, allerdings liegt der Schwerpunkt im Unterhaltsrecht beim gemeinsamen Wirtschaften, während es hier um die Übernahme gemeinsamer Verantwortung für ein Kind geht. Deshalb ist dieses Tatbestandsmerkmal um die zusätzliche Voraussetzung "in einem gemeinsamen Haushalt leben" ergänzt worden. Hier ist die verfestigte Lebensgemeinschaft eng zu verstehen; für die besonderen Bedürfnisse der Stiefkindadoption ist ein gemeinsamer Haushalt erforderlich. Die weitere Auslegung des Begriffs in § 1579 Nummer 2 BGB, wonach auch Paare erfasst sein können, die keinen gemeinsamen Haushalt führen, ist hier gerade nicht angemessen. Es kommt dabei auf das tatsächliche Zusammenleben und nicht etwa auf einen nur formell bestehenden gemeinsamen Wohnsitz an. Bei zwei Personen, die aufgrund beruflicher Mobilität mehrere Haushalte führen, wird das tatsächliche Zusammenleben im Einzelfall besonders zu prüfen sein.
Mit der Regelung wird eine Stiefkindadoption also nur solchen nichtehelichen Paaren ermöglicht, die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Kind in eine instabile familiäre Situation adoptiert wird, in der die Paarbeziehung der Annehmenden keine Aussicht auf Bestand hat. Das Ziel der Annahme ist nach wie vor, zur Wahrung des Kindeswohls "dem Kind ein beständiges und ausgeglichenes Zuhause zu verschaffen [...]" (Bundestagsdrucksache 7/3061, S. 28). Neben ehelichen Beziehungen, die längeren Bestand versprechen (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. März 2019, 1 BvR 673/17, Rn. 95 f.), können auch nichteheliche Beziehungen derart stabil sein, dass sie gleichfalls längeren Bestand versprechen, so dass das oben genannte Ziel einer Adoption erreicht werden kann. Nichteheliche Lebensgemeinschaften kommen demnach für eine Stiefkindadoption nur dann in Betracht, wenn sie vergleichbar einer Ehe verfestigt sind. Ist dies der Fall, so versprechen sie genauso wie die Stiefkindadoption innerhalb einer bestehenden Ehe ein dauerhaftes, ausgeglichenes Zuhause für ein Kind. Mit der vorliegenden Regelung wird innerhalb solcher verfestigten Lebensgemeinschaften gemäß dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 26. März 2019 die Adoption eines Kindes des einen Partners durch den anderen Partner ermöglicht.
Durch die Verweisung werden folgende Vorschriften des Untertitels 1 in Bezug genommen: § 1741 Absatz 2 Satz 3, § 1742, § 1743 Satz 1, § 1749, § 1751 Absatz 2 und Absatz 4 Satz 2, § 1754 Absatz 1 Alternative 2 und Absatz 3, § 1755 Absatz 2, § 1756 Absatz 2, § 1757 Absatz 2 Satz 1.
Durch die Bezugnahme der Verweisung auf § 1741 Absatz 2 Satz 3 BGB wird Personen in verfestigten Lebensgemeinschaften die Adoption eines Kindes ihres Partners (Stiefkindadoption) ermöglicht. Über die Verweisung erfolgt ebenfalls eine Gleichstellung bezüglich der Wirkung der Annahme und des Erlöschens von Verwandtschaftsverhältnissen (§ 1754 Absatz 1 Alternative 2, Absatz 3 BGB und § 1755 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 BGB).
Die Verweisung erfasst auch § 1742 BGB und ermöglicht somit die Sukzessivadoption in nichtehelichen Partnerschaften, denn es ist kein sachlicher Grund erkennbar, der Ungleichbehandlungen rechtfertigt, die mit einem Ausschluss dieser Adoptionsmöglichkeit verbunden wären (vergleiche die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner vom 19. Februar 2013, 1 BvL 1/11). Es ist jedoch im Rahmen beider Adoptionen jeweils ein Adoptionsverfahren durchzuführen, insbesondere ist auch jeweils das Kindeswohl zu prüfen.
Da § 1743 Satz 1 BGB auf § 1741 Absatz 2 Satz 3 BGB
Bezug nimmt, der von der Verweisung erfasst ist, gilt das dort vorgeschriebene Mindestalter von 21 Jahren auch bei einer Stiefkindadoption in verfestigten Lebensgemeinschaften.
§ 1749 Absatz 1 Satz 1 erfasst alle Fälle der Einzeladoption durch einen Ehegatten, nicht nur die hier relevante Stiefkindadoption. Auch Sachverhalte, in denen ein Ehegatte wegen fehlender Geschäftsfähigkeit oder fehlenden Mindestalters nicht adoptieren kann, fallen unter die Norm, so etwa die Adoption eines verwaisten Neffen durch seine Patentante, wenn deren Ehemann wegen Demenz geschäftsunfähig ist. Die Verweisung in § 1766a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Entwurfsfassung (BGB-E) auf § 1749 BGB ist jedoch nur für die Stiefkindadoption relevant. Im Fall des § 1749 Absatz 2 BGB geht die Verweisung teilweise ins Leere. Der Fall, dass eine Einwilligung eines Partners einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht erforderlich ist, weil sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist, kann nicht eintreten: Nach Absatz 1 ist ein Zusammenleben der Partner Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift.
Über die Verweisung findet des Weiteren § 1751 Absatz 2 und Absatz 4 Satz 2 BGB entsprechende Anwendung, der Regelungen zur Wirkung der elterlichen Einwilligung und zum Unterhalt enthält.
Bei einer Stiefkindadoption in verfestigten Lebensgemeinschaften bleibt zudem gemäß § 1756 Absatz 2 BGB, der von der Verweisung ebenfalls in Bezug genommen wird, das Verwandtschaftsverhältnis zu den Verwandten des anderen Elternteils bestehen, wenn dieser die elterliche Sorge hatte und verstorben ist.
Im Fall des § 1757 Absatz 2 Satz 1 BGB führt die Verweisung - soweit die Stiefkindadoption betroffen ist - dazu, dass die nichtehelichen Partner, die mangels Ehe keinen Ehenamen führen können und deshalb verschiedene Familiennamen tragen, in entsprechender Anwendung der Norm so wie Ehegatten ohne Ehenamen den Geburtsnamen des Kindes gegenüber dem Familiengericht bestimmen müssen.
Soweit die im Untertitel 2 geregelte Annahme Volljähriger ebenfalls Vorschriften über die Annahme des Kindes eines Ehegatten enthält (§ 1772 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe c BGB), sind diese über § 1767 Absatz 2 Satz 1 BGB in Verbindung mit dem neuen § 1766a BGB entsprechend anwendbar.
Zu Absatz 2
Absatz 2 regelt, wann eine verfestigte Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt im Sinne des § 1766a Absatz 1 Satz 1 BGB-E vorliegt.
Bei einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 muss es sich um eine Lebensgemeinschaft handeln, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. November 1992, 1 BvL 8/87). Dabei setzt die Verfestigung in zeitlicher Hinsicht nicht nur das Bestehen der Beziehung bereits über einen längeren Zeitraum in der Vergangenheit voraus, sondern beinhaltet mit der Erwartung, sie werde auf Dauer Bestand haben, auch ein in die Zukunft gerichtetes Stabilitätselement.
Zu Satz 1
Absatz 2 Satz 1 nennt - der Systematik der §§ 1600 Absatz 3 Satz 2, 1666 Absatz 2, 1685 Absatz 2 Satz 2 BGB folgend - zwei Regelbeispiele, in denen von dem Vorliegen einer solchen Gemeinschaft auszugehen ist. Dies ist zum einen der Fall, wenn die Partner bereits seit mindestens vier Jahren eheähnlich zusammenleben und einen gemeinsamen Haushalt führen (Nummer 1), und zum anderen, wenn sie Eltern eines gemeinsamen Kindes sind und mit diesem eheähnlich zusammenleben (Nummer 2). Diese Regelbeispiele sind kein abschließender Katalog. Im Einzelfall kann eine verfestigte Lebensgemeinschaft auch vorliegen, wenn kein Regelbeispiel vorliegt, beispielsweise bei kürzerem Zusammenleben als vier Jahre, aber längerer Beziehungsdauer und/oder sonstigen konkreten Anhaltspunkten für eine Gemeinschaft im oben definierten Sinne. Es muss im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, ob Anhaltspunkte für ein Abweichen vom Regelfall vorliegen. Die Regelbeispiele beziehen sich ausschließlich auf nichteheliche Beziehungen. In einer Ehe ist die Verrechtlichung der Beziehung durch die Eheschließung weiterhin einziger genereller Stabilitätsindikator; weiterer Indikatoren dafür, dass die Beziehung längeren Bestand verspricht, bedarf es nicht. Denn schon durch die Eheschließung wird der langfristige Bindungswille manifestiert. Es ist nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zulässig, für nichteheliche Beziehungen besondere Anforderungen an die Dauer der Beziehung zu stellen, nicht aber für eheliche Beziehungen (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. März 2019, Rn. 107). Auch wenn in der Rechtsprechung zum Teil das Erfordernis einer Ehedauer (OLG Nürnberg, Beschluss vom 5. November 2018, 7 UF 958/18 , hält eine Mindestdauer der Ehe von zwei Jahren für die Annahme, die Ehe werde Bestand haben, für erforderlich) angenommen wird, so ist eine gesetzliche Vorgabe nicht erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 26. März 2019, Rn. 95 f., 107, ausdrücklich festgestellt, dass das Kriterium der Ehelichkeit als Stabilitätsindikator geeignet und auch verfassungsrechtlich zulässig ist, sofern daneben auch für nichteheliche Beziehungen eine Prüfung der Stabilität möglich ist. Auch bei Ehepaaren ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Ehe im konkreten Fall gegebenenfalls instabil ist. Dies erfolgt im Rahmen der Kindeswohlprüfung gemäß § 1741 Absatz 1 Satz 1 BGB im Einzelfall (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. März 2019, Rn. 96). Dabei kann die Ehedauer eine Rolle spielen, jedoch auch andere Faktoren. Starre Vorgaben würden hier eine allein am Kindeswohl zu orientierende Prüfung eher erschweren.
Zu Nummer 1
In der Regel ist davon auszugehen, dass eine nichteheliche Beziehung verfestigt ist, wenn eine gewisse Dauer des Zusammenlebens gegeben ist. Der Entwurf geht davon aus, dass mindestens vier Jahre des eheähnlichen Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt die Vermutung einer verfestigten Lebensgemeinschaft rechtfertigen. Es ist dann regelmäßig davon auszugehen, dass die Beziehung im gemeinsamen Haushalt bereits erprobt ist und die Partner mehr als einen nur kurzfristigen Beziehungswunsch hegen, was für eine ausreichende Stabilität der Beziehung spricht.
Für die verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift ist damit in der Regel eine längere Beziehungsdauer als bei § 1579 Nummer 2 BGB in der Auslegung der herrschenden Rechtsprechung erforderlich.
Auch verschiedene europäische Rechtsordnungen verlangen eine bestimmte Dauer des Zusammenlebens in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Die Zeiträume reichen von zwei bis zu vier Jahren. Aus den vom Bundesverfassungsgericht in Rn. 106f. (Beschluss vom 26. März 2019) zitierten ausländischen Rechtsordnungen ergeben sich unterschiedliche Vorgaben für die Dauer einer nichtehelichen Beziehung. Zwei Jahre werden beispielsweise in Spanien verlangt (Katalonien: Artikel 234-1 Código Civil de Cataluña). Das belgische Bürgerliche Gesetzbuch sieht in Artikel 343 § 1 unter anderem vor, dass Zusammenlebende zwei Personen sind, die auf beständige und affektive Weise seit mindestens drei Jahren zusammenleben. Auch in Kanada (Québec) müssen die nichtehelichen Partner seit mindestens drei Jahren zusammenleben (Artikel 555 Satz 2 Zivilgesetzbuch Québec vom 18. Dezember 1991). In der Schweiz müssen die Personen in einer faktischen Lebensgemeinschaft nach Artikel 264c Absatz 2 ZGB seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führen. Auch in den Niederlanden ist ein Zusammenleben von drei Jahren Voraussetzung (Artikel 227 Absatz 2 Burgerlijk Wetboek). In Portugal wird eine faktische Lebensgemeinschaft dadurch begründet, dass die Partner mindestens zwei Jahre zusammenleben (Artikel 1 Absatz 2 Gesetz Nummer 7/2001 zum Schutz faktischer Lebensgemeinschaften in der Fassung vom 29. Februar 2016). Die Voraussetzungen der Adoption richten sich nach dem Zivilgesetzbuch, das in § 1979 Absatz 1 vorsieht, dass Personen, die länger als vier Jahre verheiratet sind, adoptieren können.
Liegen die Voraussetzungen von Nummer 1 vor, so ist in der Regel eine verfestigte Lebensgemeinschaft nach Absatz 1 Satz 1 anzunehmen. Ergibt sich im konkreten Fall, dass trotz der vierjährigen Dauer des Zusammenlebens die Beziehung nicht im Sinne der oben genannten Beschreibung verfestigt ist, weil die Beziehung zum Beispiel nicht ausschließlich ist, so ist eine Ausnahme von dem Regelbeispiel anzunehmen.
Zu Nummer 2
Auch wenn die nichtehelichen Partner als Eltern eines gemeinschaftlichen Kindes mit diesem zusammenleben, kann in der Regel angenommen werden, dass mehr als ein kurzfristiger Bindungswunsch besteht. Die Partner haben sich in diesem Fall bereits dazu entschlossen, gemeinsam Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, und führen bereits ein gemeinsames Familienleben. Auch bezüglich Nummer 2 sind jedoch Fälle nicht ausgeschlossen, die von der Regel abweichen. Sollte etwa ein Partner noch eine weitere nichteheliche Beziehung führen, wird auch in diesem Fall die Verfestigung der Lebensgemeinschaft ausgeschlossen sein. Eine verfestigte nichteheliche Beziehung schließt eine weitere nichteheliche Beziehung aus.
Zu Satz 2
Absatz 2 Satz 2 regelt ausdrücklich, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft ausgeschlossen ist, wenn einer der Partner noch mit einer dritten Person verheiratet ist oder eine Lebenspartnerschaft im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) führt, auch wenn er von seinem Ehegatten oder Lebenspartner getrennt im Sinne des § 1567 Absatz 1 BGB oder § 15 Absatz 5 LPartG lebt. Dies wird in der Norm ausdrücklich klargestellt, die für Lebenspartner über § 21 LPartG gilt. Auch andere europäische Rechtsordnungen, die eine Stiefkindadoption durch nichteheliche Partner zulassen, schließen eine verfestigte Lebensgemeinschaft bei noch bestehender Ehe mit einer weiteren Person aus, so beispielsweise die Schweiz (Artikel 264c Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 3 des Zivilgesetzbuchs) und Serbien (Artikel 4 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 17 sowie Artikel 101 Absatz 1 und 2 des Familiengesetzes der Republik Serbien von 24. Februar 2005).
Zu Artikel 2 (Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche - EGBGB)
Zu Nummer 1 (Änderung des Artikel 17b EGBGB)
Aufgrund der Neukonzeption des Artikels 22 EGBGB, der kollisionsrechtlich nicht mehr die Annehmenden, sondern die anzunehmende Person in den Mittelpunkt der Regelung stellt, erübrigt sich die Verweisung im bisherigen Artikel 17b Absatz 5 EGBGB auf Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 EGBGB.
Zu Nummer 2 (Änderung des Artikel 22 EGBGB)
Die Erweiterung der Adoptionsmöglichkeit erfordert auch eine Änderung des Kollisionsrechts. Das geltende Recht unterscheidet zwischen der Adoption durch eine unverheiratete Person (Artikel 22 Absatz 1 Satz 1 EGBGB) und der Adoption durch (einen oder beide) Ehegatten (Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 EGBGB). Diese Differenzierung ist nicht länger aufrechtzuerhalten. Hinzu kommt, dass die Ausdehnung der Regelung für Ehegatten, die das auf die allgemeinen Ehewirkungen anzuwendende Recht beruft, auf die Annahme durch einen Partner eines in verfestigter Lebensgemeinschaft lebenden nichtehelichen Paares unpassend wäre und die Rechtsanwendung unnötig erschwerte. Der dem bisherigen Recht zugrundeliegende Gedanke, dass das Ehewirkungsstatut den Interessen der Ehegatten am ehesten gerecht werde (Bundestagsdrucksache 010/504, S. 72), vernachlässigt die Belange des Anzunehmenden. Die Sonderregel für die Annahme durch einen Lebenspartner (Artikel 22 Absatz 1 Satz 3 EGBGB) passt ebenfalls nicht zur Neukonzeption im BGB. Daher sollen die Regelungen des Absatzes 1 Satz 2 und 3 entfallen.
Artikel 22 Absatz 1 Satz 1 EGBGB kann bei Wegfall der Sonderregel für Ehegatten nicht unverändert beibehalten werden, da er mit der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Annehmenden auf die Adoption durch eine Person zugeschnitten ist. Die gemeinsame Adoption durch Ehegatten würde durch eine kumulierende Anwendung der Heimatrechte beider Annehmenden unangemessen erschwert (vergleiche Bundestagsdrucksache 010/504, S. 72). Die Neuregelung greift einen Gesetzgebungsvorschlag des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht (IPRax 2015, S. 185) auf, der auf einer Ausarbeitung von Prof. Tobias Helms beruht (StAZ 2015, S. 97). Sie stellt die anzunehmende Person in den Vordergrund, da ihre Belange zentral sind. Der allgemeinen internationalen Entwicklung des Übergangs von der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit auf die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt folgend, wäre im Ausgangspunkt generell auf den gewöhnlichen Aufenthalt dieser Person im Zeitpunkt der Adoption abzustellen. Dann würde sich allerdings eine - aufgrund der Zuständigkeitsregelung in § 101 FamFG in seltenen Fällen weiterhin mögliche - Inlandsadoption eines deutschen Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland nach ausländischem Recht richten. In diesen Fällen hätten die deutschen Gerichte vielfach Kindeswohlerwägungen nach Maßgabe des ausländischen Rechts vorzunehmen.
Um den Gerichten auch in diesen Sachverhalten die Anwendung deutschen Rechts zu ermöglichen, verweist Absatz 1 Satz 1 der vorgeschlagenen Neuregelung bei Inlandsadoptionen generell auf das deutsche Recht. Von dieser Regelung werden auch die in der Praxis vor den deutschen Gerichten im Vordergrund stehenden Sachverhalte erfasst, in denen - in einem Sachverhalt mit Auslandsberührung - das Kind sowie der Annehmende bzw. die Annehmenden den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Insgesamt führt Artikel 22 Absatz 1 Satz 1 EGBGB zu einem Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht.
Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 EGBGB betrifft die Frage, wie im Ausland vorgenommene Vertragsadoptionen zu bewerten sind. Im Inland kann eine Vertragsadoption nicht wirksam erfolgen, da das nach Satz 1 anzuwendende deutsche Recht gemäß § 1752 Absatz 1 BGB oder § 1768 Absatz 1 BGB einen Gerichtsbeschluss vorsieht. Die Beurteilung, ob eine Vertragsadoption, die im Ausland vorgenommen wurde, aus deutscher Sicht wirksam ist, richtet sich dagegen nach dem Recht des Staates, in dem die anzunehmende Person im Zeitpunkt der Annahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies betrifft allerdings seltene Fälle, da der Ausspruch der Adoption durch gerichtliche oder behördliche Entscheidung der häufigere Fall ist. Bei einer ausländischen Dekretadoption kommt es vorbehaltlich des Haager Übereinkommens vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (BGBl. 2001 II, S. 1035) auf die Anerkennung nach den §§ 108, 109 FamFG an.
Zu Nummer 3 (Änderung des Artikel 23)
Im Zuge der Neufassung des Artikels 22 EGBGB soll die diesbezügliche Sonderregelung in Artikel 23 EGBGB gestrichen werden. Dagegen sollen die Zustimmungserfordernisse zur Abstammungserklärung und Namenserteilung zunächst unberührt bleiben, da dieser Entwurf sich auf die erforderlichen Änderungen im Adoptionsrecht beschränkt. Im Adoptionsrecht ist die Sonderregel nicht länger erforderlich.
Im Fall der Inlandsadoption ist ohnehin deutsches Recht anwendbar, das die Zustimmungserfordernisse bereits umfassend regelt und einen hohen Schutzstandard zugunsten der zustimmungspflichtigen Personen gewährleistet. Werden diese Anforderungen beachtet, ist nicht zu erwarten, dass inländische Adoptionsentscheidungen im Ausland unbeachtlich wären (vergleiche Henrich, FS Spellenberg, 2000, S. 195, 200; Helms, StAZ 2015, S. 97, 101 f.). Beim deutschen Adoptionsbeschluss handelt es sich um eine gerichtliche Entscheidung, die der verfahrensrechtlichen Anerkennung im Ausland unterliegt, bei der es in aller Regel nicht darauf ankommt, dass ein bestimmtes Recht beachtet wurde (so etwa ausdrücklich das niederländische Recht: Artikel 108 Absatz 4 Burgerlijk Wetboek Boek 10). Die unter Umständen aufwendige Berücksichtigung des Heimatrechts des Kindes erscheint nicht geeignet, die Anerkennungsfähigkeit des Adoptionsbeschlusses zu erhöhen. Im Einzelfall kann es aber im Rahmen der Prüfung des Kindeswohls geboten sein, die Anerkennungsfähigkeit in einem Staat, in dem der Annehmende absehbar leben wird, zu berücksichtigen.
Für die seltenen Fälle der Vertragsadoption im Ausland knüpft der neue Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 EGBGB an das Recht des Staates an, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine zusätzliche Berücksichtigung des Heimatrechts des Kindes, das ohnehin häufig mit diesem Recht übereinstimmen wird, bei der Prüfung, ob die Adoption aus deutscher Sicht wirksam ist, erscheint in diesen Fällen zur Wahrung der Interessen des Kindes nicht geboten. Bewertet das Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, die Wirksamkeit der Adoption anders als das Heimatrecht, lässt sich internationaler Entscheidungseinklang ohnehin nicht erreichen. Dass Adoptionen nicht gegen den Willen des Kindes bzw. seines gesetzlichen Vertreters und seiner Eltern vorgenommen werden dürfen, kann vielmehr im Rahmen des ordre public (Artikel 6 EGBGB) Berücksichtigung finden.
Zu Nummer 4 (Artikel 229 § 51)
Allgemeinen Grundsätzen entsprechend, lassen die kollisionsrechtlichen Änderungen abgeschlossene Tatbestände unberührt. Für laufende Verfahren gilt dagegen die Neuregelung. Die hiernach maßgebliche Anwendung deutschen Rechts erleichtert die Rechtsanwendung.
Zu Artikel 3 (Änderung des § 14 des Rechtspflegergesetzes)
Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Streichung des § 1746 Absatz 1 Satz 4 BGB.
Zu Artikel 4 (Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
Zu Nummer 1 (Änderung des § 187 FamFG)
Die geltende Fassung des § 187 Absatz 4 FamFG sieht eine besondere Zuständigkeit vor, wenn in einer Adoptionssache ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen. Nach der Neuregelung des Artikels 22 Absatz 1 EGBGB kommt bei Inlandsadoptionen nur noch deutsches Recht zur Anwendung, so dass die bisherige Regelung leerliefe. Weil Verfahren, in denen der Anzunehmende seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, besondere Schwierigkeiten aufwerfen können, soll für diese Fälle aber an der Zuständigkeitskonzentration festgehalten werden, um die größere Erfahrung dieser Gerichte mit solchen Fällen nutzbar zu machen.
Zu Nummer 2 (Änderung des § 188 FamFG)
§ 188 Absatz 1 Buchstabe c ist um den nichtehelichen Partner zu ergänzen.
Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Einfügung des § 1766a BGB. Infolge der materiellrechtlichen Gleichstellung des Adoptionsrechts nichtehelicher Partner in verfestigter Lebensgemeinschaft gemäß dem neuen § 1766a BGB mit Ehegatten in Bezug auf die Stiefkindadoption ist in diesen Konstellationen künftig die Einwilligung des nichtehelichen Partners erforderlich. Er ist daher als Beteiligter zum Verfahren hinzuzuziehen.
Zu Artikel 5 (Änderung des Adoptionswirkungsgesetzes)
Zu Nummer 1 (Änderung des § 2 AdWirkG)
Da nach der Neuregelung des Artikels 22 Absatz 1 EGBGB deutsche Gerichte die Annahme als Kind immer auf Grund des deutschen Rechts aussprechen, bedarf es der Regelung des § 2 Absatz 3 AdWirkG nicht mehr.
Zu Nummer 2 (Änderung des § 3 AdWirkG)
Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Streichung des § 1746 Absatz 1 Satz 4 BGB.
Zu Artikel 6 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Das Gesetz soll am 31. März 2020, dem Termin, bis zu dem nach der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts eine Neuregelung zu treffen ist, in Kraft treten.