970. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018
A
1. Der federführende Gesundheitsausschuss, der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, der Ausschuss für Familie und Senioren und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
B
Im Ausschuss für Kulturfragen ist eine Empfehlung zur Zustimmung zu der Verordnung nicht zustande gekommen.
Der federführende Gesundheitsausschuss (G) und der Ausschuss für Kulturfragen (K) empfehlen dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass mit der vorliegenden Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrV) wesentliche Regelungen zu den Mindestanforderungen an die Ausbildung, zu den Kooperationsvereinbarungen zwischen Pflegeschulen und Trägern der praktischen Ausbildung, zu Inhalt und Verfahren der staatlichen Prüfung einschließlich bundesweit einheitlicher Rahmenvorgaben für die Prüfung der hochschulischen Pflegeausbildung, zur Anerkennung von Ausbildungen aus einem anderen Mitgliedstaat der EU, zur Zusammensetzung und Aufgabenstellung der Fachkommission nach dem Pflegeberufegesetz sowie zur Unterstützung durch das Bundesinstitut für Berufsbildung getroffen werden. Die Regelungen sind dringend erforderlich, um die Umsetzung des Pflegeberufegesetzes durch die Länder zu ermöglichen.
- 3. Der Bundesrat bedauert, dass in der Anlage 4 der PflAPrV die Kompetenzen für die staatliche Prüfung zur Altenpflegerin oder zum Altenpfleger so festgelegt und beschrieben sind, dass sie gegenüber den Kompetenzen für die staatliche Prüfung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann als Absenkung des Kompetenzniveaus verstanden werden müssen. So wird insbesondere eine auf systematischer Evaluation und auf Evidenz mittels Leitlinien und Standards basierende Pflege nicht mehr gewährleistet werden können. Dies wird der Verantwortung nicht gerecht, die Pflegefachkräfte in der Langzeitpflege für die oft mehrjährige Planung, Durchführung und Evaluation multimorbider Pflegebedürftiger übernehmen. Im Hinblick auf die berufliche Mobilität und eine gleiche Bezahlung von Pflegefachkräften in Krankenhäusern und in der Langzeitpflege setzt die Kompetenzbeschreibung außerdem ein falsches Signal.
- 4. Der Bundesrat betont, dass das Wahlrecht, im letzten Ausbildungsdrittel eine Ausbildung zur Altenpflegerin oder zum Altenpfleger durchzuführen, beim Auszubildenden liegt. Er fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen ihrer Informations- und Öffentlichkeitsarbeit vor dem Hintergrund der in Ziffer 3 erläuterten Bedenken umfassend über die Konsequenzen dieser Wahl zu informieren.
- 5. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, den Auswirkungen der Regelung nach Anlage 4 PflAPrV im Rahmen einer Evaluierung auf wissenschaftlicher Grundlage gesondert nachzugehen.
- 6. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die einseitige Absenkung des Niveaus der Altenpflegeausbildung in der Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrV) zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufzuheben und bereits jetzt flankierend geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die sich abzeichnende Benachteiligung für den Beruf und das Arbeitsfeld der Altenpflege zu minimieren.
Begründung (zu Ziffer 6):
Durch das Pflegeberufegesetz (PflBG) vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581) wird die gesamte Ausbildung in der Pflege reformiert. Neben den generalistischen Abschlüssen sind auch differenzierte Abschlüsse in der Altenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege möglich. Nähere Ausgestaltungen werden durch die auf Grundlage der Ermächtigung in § 56 Absatz 1 und Absatz 2 des Pflegeberufegesetzes erlassenen PflAPrV vorgenommen.
Diese hat der Bundestag am 28. Juni 2018 in einer im Vergleich zum Referentenentwurf für die Altenpflegeausbildung stark geänderten Fassung beschlossen. Damit wurde zugestimmt, dass die Ausbildung in der Altenpflege auf einem deutlich niedrigeren Ausbildungsniveau erfolgen wird als die Ausbildung für die Pflegefachfrau bzw. den Pflegefachmann und die Ausbildung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege.
Das einseitige Absenken des Niveaus der Altenpflegeausbildung in der PflAPrV entspricht nicht den gestiegenen Anforderungen, gefährdet die beabsichtigte Durchlässigkeit der Arbeitsfelder und führt zu einem Imageverlust des Arbeitsbereichs der ambulanten und stationären Altenpflege. Dies schadet nicht nur der gesellschaftlichen Anerkennung und Wertschätzung des Altenpflegeberufs, sondern schreibt eine andauernde Schlechterstellung der Altenpflege auch für die Zukunft fort und konterkariert das Ziel der Ausbildungsreform, allen Menschen, die sich für den Pflegeberuf interessieren, eine hochwertige und zeitgemäße Ausbildung anzubieten, die den breiten beruflichen Einsatzmöglichkeiten und den Entwicklungen in der Gesellschaft und im Gesundheitswesen Rechnung trägt.
Bezeichnend sind insbesondere die in der Anlage 4 PflAPrV im Vergleich zum Referentenentwurf herabgesetzten Anforderungen an die Kompetenzen für die staatliche Prüfung zur Altenpflegerin oder zum Altenpfleger nach § 28 PflBG.
Während die Pflegefachfrau und der Pflegefachmann zukünftig über ein breites Verständnis von spezifischen Theorien und Modellen zur Pflegeprozessplanung verfügen und diese zur Steuerung und Gestaltung von Pflegeprozessen bei Menschen aller Altersstufen nutzen, sollen die Altenpflegerin und der Altenpfleger demgegenüber über ein ausreichendes Verständnis von spezifischen Theorien und Modellen zur Pflegeprozessplanung verfügen und diese bei der Steuerung und Gestaltung von Pflegeprozessen bei alten Menschen berücksichtigen. Diese Unterscheidung führt zu deutlichen Auswirkungen im Aufgabenselbstverständnis.
Die Pflegefachfrau und der Pflegefachmann steuern, verantworten und gestalten in Zukunft den Pflegeprozess bei Menschen aller Altersstufen mit akuten und chronischen Schmerzen. Darüber hinaus gestalten sie einen individualisierten Pflegeprozess bei schwerstkranken und sterbenden Menschen aller Altersstufen in verschiedenen Handlungsfeldern und integrieren die sozialen Netzwerke in das Handeln.
Für die Altenpflegerin und den Altenpfleger ist im Vergleich dazu festgeschrieben, dass sie alte Menschen sowie deren Bezugsperson bei chronischen Krankheitsverläufen, akuten und chronischen Schmerzen sowie am Lebensende pflegen, begleiten, unterstützen und beraten. Ferner wird von ihnen erwartet, die sozialen Netzwerke in das Handeln einzubeziehen. Des Weiteren unterstützen und anerkennen sie die Ressourcen von Familien, die sich insbesondere in Folge von schweren chronischen oder lebenslimitierenden Erkrankungen im höheren Lebensalter in einer Lebenskrise befinden, und wirken bei der Stabilisierung des Familiensystems mit.
Allein diese beispielhaft aufgeführten Unterschiede machen die unterschiedlichen Ausbildungsniveaus deutlich und lassen darauf schließen, dass das Ziel der Ausbildungsreform, für künftige Altenpflegekräfte mehr Entwicklungs- und Einsatzmöglichkeiten zu schaffen, aufgegeben wurde.
Damit wird akzeptiert und festgeschrieben, dass die Altenpflege zu einer Ausbildung zweiter Klasse - zwischen Helferausbildung und generalistischer Ausbildung - wird. Es wird der Eindruck vermittelt, dass der Arbeitsplatz in der Altenpflege mit einem niedrigeren Ausbildungsniveau als in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie in der und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege bewältigt werden kann. Ferner wird das Ziel einer Angleichung der Entlohnung aufgegeben. Außerdem wird ein Wechsel zwischen den einzelnen Arbeitsbereichen nicht mehr problemlos möglich sein. Hier muss mit Auswirkungen auf die Attraktivität und das Ansehen dieses Arbeitsfeldes sowie eines Rückgangs von Auszubildenden gerechnet werden. Das Ziel der Einführung einer generalistischen Ausbildung - die Verbesserung der Attraktivität des Berufes in allen Pflegebereichen - wird verfehlt.
Es wird ignoriert, dass aufgrund der steigenden Multimorbidität im Alter, der Entwicklung der Pflegewissenschaft und der sozialen Gerontologie neben den steigenden fachlichen Anforderungen durch kurze Verweildauern im Krankenhaus seit Jahren die Anforderungen in der Altenpflege rapide gestiegen sind. Dies zeigt sich unter anderem in der alltäglichen Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie zum Beispiel den Expertenstandards oder dem Strukturmodell zur vereinfachten Pflegedokumentation.
7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen,
- a) wie in § 33 PflAPrV, insbesondere in § 33 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 PflAPrV, klargestellt werden kann, dass nur Personen eine Prüfungsberechtigung erhalten, die auch selbst mindestens über die mit der Prüfung abgeprüfte Qualifikation verfügen;
- b) ob § 35 Absatz 4 Satz 2 PflAPrV gestrichen werden kann;
- c) ob in § 17 PflAPrV das im Hochschulbereich gängige Notensystem zu Grunde gelegt werden kann;
- [8.] [d) ob § 30 Absatz 2 Satz 3 PflAPrV gestrichen werden kann;
- e) ob § 30 Absatz 6 PflAPrV gestrichen werden kann;
- f) ob in § 61 PflAPrV Übergangsvorschriften zu Kooperationen von Hochschulen und Pflegeschulen aufgenommen werden können;
- g) ob die Anlage 5 PflAPrV entfallen kann.]
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die vorstehend genannten Punkte so zeitnah wie möglich zu berücksichtigen.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Wie sich unter anderem aus § 40 PflAPrV ergibt, sind die in den §§ 30 ff. PflAPrV geregelten Prüfungen zugleich hochschulische und staatliche Prüfungen, so dass auch die hochschulrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind. In § 33 PflAPrV ist deshalb (in Anlehnung an die entsprechenden Regelungen im Hochschulrecht aller Länder) sicher zu stellen, dass alle Mitglieder des Prüfungsausschusses hochschulrechtlich über die mit der Prüfung abgeprüfte Kompetenz (also mindestens über einen einschlägigen Bachelorabschluss) verfügen, das heißt eine Hochschulprüferberechtigung haben. Insbesondere § 33 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 PflAPrV ist daher zu präzisieren. Die bloße Eignung für die Abnahme des praktischen Prüfungsteils reicht nicht aus.
Zu Buchstabe b:
Da es sich bei den Prüfungen gleichzeitig um Modulprüfen im hochschulischen Kontext handelt, ist eine Durchführung der schriftlichen Prüfungen in der Regel an drei Werktagen hintereinander, wie in § 35 Absatz 4 Satz 2 PflAPrV festgelegt, praktisch nahezu nicht umsetzbar. Die Regelung sollte gestrichen werden.
Zu Buchstabe c:
Angesichts des oben genannten Doppelcharakters der Prüfungen ist das in § 17 PflAPrV geregelte Notensystem mit den Noten 1 bis 6 nicht zielführend. Stattdessen ist das im Hochschulbereich gängige Notensystem zu Grunde zu legen.
Zu Buchstabe d:
Mit Blick auf die nach § 38 Absatz 4 Satz 1 PflBG bei der Hochschule liegende Gesamtverantwortung für die Durchführung der Praxiseinsätze und die nach § 38 Absatz 6 Satz 2 PflBG festgelegte Verpflichtung der Hochschulen, die Vorgaben der Richtlinie 2005/36/EG zu beachten, ist eine weitere Eingrenzung der Einsatzorte und damit eine weitere Reduzierung der Flexibilität der Hochschulen bezüglich der Praxiseinsätze weder sachlich geboten, noch rechtlich nachvollziehbar. Auch die Berufsanerkennungsrichtlinie stellt hier keine weitergehenden Anforderungen.
Zu Buchstabe e:
Für das Erreichen der Ausbildungsziele nach § 37 PflBG kommt es auf den Nachweis an, dass die dort geforderten Kompetenzen auch tatsächlich erworben wurden. Dies setzt implizit voraus, dass die Studierenden die dazu erforderlichen Veranstaltungen besuchen. Anders als in der schulischen Ausbildung besteht im Rahmen eines Studiums jedoch grundsätzlich keine Präsenzpflicht. Entsprechend sieht § 30 Absatz 6 Satz 2 PflAPrV zu Recht vor, dass die Hochschulen das Nähere regeln. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung insgesamt verzichtbar.
Zu Buchstabe f:
Es ist systematisch zwingend erforderlich auch die weiteren Übergangsvorschriften des § 67 PflBG zu Kooperationsmodellen aufzunehmen.
Zu Buchstabe g:
Nach der Systematik des § 37 PflBG umfasst die hochschulische Pflegeausbildung die bereits in Anlage 2 näher definierten Kompetenzen aus § 5 Absatz 2 und 3 PflBG und die weiteren akademischem Kompetenzen in § 37 Absatz 3 Satz 2 PflBG. Die Festlegungen in Anlage 5 enthalten eine Mischung der dort genannten Kompetenzen. Ziel der oben genannten Regelungen des PflBG ist durch eine Standardisierung der Anforderungen zu den Kompetenzen nach § 5 PflBG sicher zu stellen, dass die Patientensicherheit durch die Reglementierung des Berufszugangs gewahrt ist.
§ 37 Absatz 3 Satz 2 PflBG schafft andererseits Spielräume für den Erwerb zusätzlicher akademischer Kompetenzen in Verantwortung der Hochschulen, die für die Patienten einen wesentlichen Mehrwert darstellen, die Patientensicherheit aber nicht unmittelbar tangieren. Mit Blick auf die Systematik des § 39 PflBG sind hier daher, soweit eine weitere Konkretisierung der bereits im PflBG definierten Kompetenzen in der Rechtsverordnung erfolgen soll, jeweils getrennte Festlegungen erforderlich. Angesichts der Zielsetzung des § 37 Absatz 3 Satz 2 PflBG bedarf mit Blick auf die dort in den Nummern 1 bis 5 bereits umfassend geregelten Kompetenzen keiner weitergehenden Festlegungen, die die Entwicklungspotentiale an den Hochschulen im Sinne einer weiteren Qualitätsverbesserung für die Patienten einschränken. Soweit die Anlage 5 weitergehende Festlegungen zu den die Patientensicherheit betreffenden Kompetenzen nach § 5 PflBG enthält, wird angeregt diese gegebenenfalls in Anlage 2 zu integrieren.