COM (2018) 354 final; Ratsdok. 9357/18
970. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018
A
Der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat weist darauf hin, dass mit dem erst unlängst erfolgten Inkrafttreten von anlegerschützenden Vorschriften wie der zweiten Fassung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) und der Verordnung über Basisinformationsblätter für Anlageprodukte (PRIIPs-Verordnung) die Anforderungen an die Anlage- und Versicherungsberatung bereits in erheblichem Umfang ausgeweitet wurden. Diese Ausweitung der Informations- und Offenlegungsanforderungen ist für die Anbieter mit nicht unerheblichen bürokratischen Lasten verbunden. Gleichzeitig liegen zur Wirksamkeit der Maßnahmen im Hinblick auf die Zielsetzung des Verbraucherschutzes derzeit noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor.
- 2. Der Bundesrat steht vor diesem Hintergrund den in dem vorliegenden Verordnungsvorschlag vorgesehenen weiteren Informations- und Offenlegungsanforderungen, die sich auf nachhaltige Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken (ökologische, soziale und Governance-Erwägungen - ESG) beziehen, derzeit sehr kritisch gegenüber.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, die vorgeschlagenen Regelungen zur Offenlegung von Informationen über nachhaltige Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken zurückzustellen, bis die Ergebnisse einer im Koalitionsvertrag für die derzeitige Legislaturperiode von der Bundesregierung angekündigten Evaluation der bisherigen Maßnahmen zum finanziellen Verbraucherschutz vorliegen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass im Rahmen der Evaluation gewonnene Erkenntnisse in die Diskussion um etwaige neue Offenlegungsanforderungen eingebracht werden können.
- 4. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass Transparenz- und Offenlegungsbestimmungen für Anbieter nachhaltiger Finanzprodukte richtig und notwendig sind, damit Anlegerinnen und Anleger in der EU auf die Integrität der Produkte vertrauen können.
- 5. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den Verordnungsvorschlag zur Offenlegung von Informationen über nachhaltige Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken als ein Element zur Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (BR-Drucksache 067/18 (PDF) ), der vom Bundesrat unterstützt wird (vergleiche BR-Drucksache 067/18(B) ). Die Umsetzung des Verordnungsvorschlags kann einen substantiellen Beitrag zur Weiterentwicklung eines nachhaltigen europäischen Finanzraums und zum gemeinsamen Verständnis von Nachhaltigkeit in Europa leisten.
- 6. Der Bundesrat begrüßt daher den Verordnungsvorschlag, nach dem sowohl für bestimmte Investoren selbst als auch für die von ihnen vertriebenen Finanzprodukte EU-weite einheitliche Standards bei den Transparenz- und Offenlegungspflichten hierzu gelten sollen. Die damit angestrebte vollständige Harmonisierung der Pflichten ist notwendige Voraussetzung, damit sich Anlegerinnen und Anleger bei ihren Investitionen insoweit auf einer EU-weit vergleichbaren Basis entscheiden können, und leistet auf diese Weise einen wichtigen Beitrag für eine Kapitalmarktunion der EU.
- 7. Der Bundesrat sieht es als wichtig an, Finanzflüsse in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung zu lenken. Das Finanzwesen kann dadurch einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Klima- und Nachhaltigkeitsagenda der EU leisten. Durch die über Nachhaltigkeitskriterien verbesserte Risikoabschätzung ergeben sich neue Möglichkeiten der Kapitalanlage und Mittelbeschaffung.
- 8. Der Bundesrat befürwortet eine verstärkte Transparenz bei der Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien, wodurch auch eine größere Vergleichbarkeit der verschiedenen Anlageprodukte gewährleistet werden kann.
- 9. Der Bundesrat weist darauf hin, dass zu hohe Anforderungen an die Offenlegung von Informationen über nachhaltige Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken auch eine Einschränkung der Angebotsvielfalt durch einen Rückzug von Anbietern zur Folge haben können, die nicht im Interesse der Anlegerinnen und Anleger liegt. Inwieweit sich das Risiko einer Einschränkung der Angebotsvielfalt realisiert, wird nach Auffassung des Bundesrates von den an verschiedenen Stellen des Verordnungsvorschlags vorgesehenen Konkretisierungen in Form von technischen Regulierungsstandards abhängen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass bei der Ausgestaltung dieser Standards dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angemessen Rechnung getragen wird.
- 10. Der Bundesrat befürwortet die Absicht der Kommission, eine Reduzierung der Kosten für Endanlegerinnen und -anleger anzustreben. Es ist darauf zu achten, dass sich der zusätzliche Aufwand für die Finanzmarktakteure, der durch die Einbeziehung von ESG-Faktoren entsteht, im Rahmen eines angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses hält.
- 11. Im Zusammenhang mit dem Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (BR-Drucksache 067/18 (PDF) ) hatte der Bundesrat die Bundesregierung darum gebeten, darauf zu achten, dass bei der Umsetzung der angekündigten Maßnahmen der Grundsatz der Proportionalität beachtet werden sollte. Im vorliegenden Verordnungsvorschlag ist vorgesehen, die Anforderungen an Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge für künftige delegierte Rechtsakte in Bezug auf die Faktoren Umwelt, Soziales und Governance (ESG-Faktoren) detaillierter als bei anderen Marktteilnehmern (zum Beispiel Versicherern) festzulegen. Im Hinblick auf die Proportionalität bittet der Bundesrat die Bundesregierung zu prüfen, inwieweit diese unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt ist.
- 12. Der Bundesrat bedauert, dass in Artikel 2 des Verordnungsvorschlags der Begriff "Nachhaltigkeitsrisiko" nicht definiert wird. Er bittet die Bundesregierung, im weiteren Beratungsverfahren darauf hinzuwirken, den Begriff "Nachhaltigkeitsrisiko" so zu definieren, dass er für den Zweck der Verordnung angewendet werden kann. Beispielsweise kann dazu Bezug genommen werden auf Artikel 2 Buchstabe o) Ziffern i) bis iii) des Verordnungsvorschlags.
B
- 13. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Rechtsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.